SmartMINT Interview mit Dr. Friederike Otto

Frauen in MINT Berufen wie Dr. Friederike Otto gestalten die Zukunft der Naturwissenschaften aktiv mit. Im #SmartMINT Interview mit dem StudySmarter Magazine erzählt sie wie sie zu ihrem MINT Studium in Physik kam und über ihren Alltag an der University of Oxford. Wie sie zu der Erkenntnis kam, dass man gerade in einem eher männlich besetzten Fach als Frau wichtig ist erfahrt ihr im folgenden Artikel.

SmartMINT Interview mit Dr. Friederike Otto StudySmarter

Interview mit Frau Dr. Otto vom 08.10.2020

 

Friederike Otto ist stellvertretende Direktorin des Environmental Change Institute an der University of Oxford und Lehrbeauftragte des Global Climate Science Programme.

 

Warum haben Sie sich für ein MINT-Studium entschieden?

Die ehrliche Antwort? Weil mein Abi so schlecht war und bei allen anderen Fächern, die mich  interessiert haben, der NC zu hoch war. Inzwischen bin ich extrem froh, dass ich das gemacht  habe, weil man in der Physik die Grundlage aller auch nur ansatzweise naturwissenschaftlich  angehauchten Wissenschaften lernt.

 

Warum sollten sich Frauen für MINT-Studiengänge entscheiden?

Man lernt die grundlegenden Erhaltungssätze, die Energieerhaltung, die Massenerhaltung und die Impulserhaltung. Das ist die Grundlage aller Berechnungen in der Natur. Und man muss kein  Genie sein, um Physik zu studieren. Ich bin bestimmt keines. Es ist nicht schwerer, das zu  lernen, als es ist, Latein zu lernen. Also es ist wirklich nicht, dass man eine andere Art von Gehirn braucht, um Physik zu studieren.

 

Sie sagen, man sollte vor der Komplexität eines MINT-Studiums keine Angst haben?

Ich glaube, Angst ist das größte Problem. Ich meine, ich hatte auch Angst davor. Ich habe gedacht, das kann ich nicht. Es ist auch nicht einfach. Es ist schon schwierig und es ist etwas  ganz anderes als das, was man in der Schule macht. Aber es ist etwas, was man genauso lernen  kann, wie man alles andere auch lernen kann. Man braucht dafür kein intuitives Verständnis oder irgendwie sowas. Und ich glaube, wenn man eben keine Angst hat, sondern sagt ja, das muss man halt lernen, dann kommt man da auch durch.

 

Es gibt ja die Fridays for Future Bewegung und Sie persönlich arbeiten in einem Feld, das  natürlich sehr viel mit dieser Bewegung zu tun hat. Sollte man auch in diese Richtung studieren,  wenn man sich darüber hinaus für den Klimawandel engagieren möchte?

Vor zwei Jahren war der Klimawandel ein Randthema und jetzt ist es ein Thema, zu dem jeder eine Position hat. Und das ist ein ganz, ganz wichtiger erster Schritt. Aber natürlich ist es nur der erste Schritt. Und jetzt muss es darum gehen, das umzusetzen. Dazu braucht man Leute, die das  Problem wirklich verstehen, in allen Bereichen. Ich würde jetzt nicht sagen, dass jeder Physik studieren muss. Aber ein Studium der Naturwissenschaften kann unglaublich hilfreich sein,  weil man hier das notwendige analytische Denken lernt.

 

Gab es etwas, was Sie besonders inspiriert oder motiviert hat, vielleicht Vorbilder in irgendeiner  Weise?

Ich kannte keine Physikerin, als ich studiert habe. Insofern waren da wenig Rollenvorbilder in dem  Sinne. Aber eine Frau, die mich sehr inspiriert hat, ist Nancy Cartwright obwohl ich heute mit  vielem was sie geschrieben hat gar nicht übereinstimme. Sie ist Philosophin, also keine Physikerin, und hat ein Buch namens „How the Laws of Physics Lie“ geschrieben. Dieses Hinterfragen und die Art des Denkens fand ich extrem inspirierend und habe mir gedacht, also wenn ich eins mitnehme, dann das. Aber sie war eben auch Professorin an der LSI in London. Das war für mich eine Erkenntnis, dass man auch in so einem doch sehr männlich besetzten Fach als Frau wichtig sein kann. Das habe ich erst hinterher gemerkt, dass das bei mir ein  bisschen Umdenken ausgelöst hat.

 

Wie kann man sich Ihren Universitäts-Alltag vorstellen?

Man verbringt viel Zeit damit, mit Kollegen über Probleme zu streiten. Ich bin auch Autorin für den  Weltklimabericht, wo der sechste Sachstandsbericht veröffentlicht wird. Und jedes Mal, wenn wir  ein Meeting haben, dann wird natürlich diskutiert darüber, was kann man jetzt wirklich sagen?  Gibt es dafür Evidenz oder nicht? Stimmt diese Theorie oder nicht? Aber man trifft sich mit seinen  Freunden. Es ist ein ganz enger sozialer Zusammenhalt. Und es ist eine relativ kleine Community, also die Klimawissenschaften, theoretische Physik etc. Die Leute, die tatsächlich auf internationalem Niveau zusammenarbeiten, das sind nicht viele, die kennt man nach einer Weile  alle und darum hängt man mit seinen Freunden ab und streitet über Sachen, die spannend  sind.

 

Was denken Sie könnten wir in Deutschland tun, um MINT Studiengänge diverser zu gestalten? Also sprich Frauen mehr dazu zu motivieren, einen MINT-Studiengang anzustreben?

Repräsentation ist unglaublich wichtig. Wenn es darum geht, irgendwo über Wissenschaft zu  sprechen, sollte man knallhart sagen, wir machen keine rein männlichen Panels und wir machen keine rein weißen Panels. Die Repräsentation all jener, die in der Wissenschaft etwas zu sagen  haben, sollte im Vordergrund stehen. Sonst ändert sich nie etwas. Und Männer sollten sagen:  „Wer ist noch mit auf dem Panel? Nein ihr habt genug Männer, ich gehe da nicht hin!“

 

Was war für Sie die größte Herausforderung?

Die größte Herausforderung ist, ernst genommen zu werden. Es ist unglaublich anstrengend,  dass man die ganze Zeit beweisen muss, dass man tatsächlich zu dem Thema etwas zu sagen  hat. Dass man beweisen muss, dass man hier nicht sitzt, weil sie gerade eine Frau brauchten,  sondern, dass man jetzt in egal welchem Zusammenhang da ist aufgrund seiner Expertise.

 

Was würden Sie Schülerinnen und Studentinnen mit auf den Weg geben?

Mein Vater hat immer zu mir gesagt: Du kannst alles, was du willst. Was du werden willst, das  kannst du werden. Es gibt viele Sachen, die ich nicht kann. Aber ich denke sich immer wieder  versuchen, einen Schritt zurückzunehmen und zu sagen: Nein, ich muss davor keine Angst  haben. Die anderen haben alle genauso viel Angst wie ich auch. Da ist auch ein Platz für mich. Diesen Schritt zu gehen ist glaube ich wirklich das Wichtigste.