WM in Katar (2022) – Was du wissen solltest

Dieses Jahr wird das Emirat Katar Gastgeber eines der beliebtesten Sportereignisse der Welt sein – der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2022. Rund 1,2 Millionen begeisterte Fußballfans werden im Dezember in Doha erwartet. Gleichzeitig ist diese Weltmeisterschaft aber von Anfang an von Kontroversen belastet. Die Freude der Fans und das Leid vieler tausender Menschen sind bei dieser Veranstaltung untrennbar miteinander verknüpft. In diesem Artikel gehen wir deshalb vor allem auf die Kritik an der WM ein, die insbesondere die Menschenrechtslage und Arbeitsbedingungen in Katar betrifft und wägen die Pro- und Contra-Argumente ab, die für oder gegen einen Boykott sprechen könnten.

WM in Katar (2022) – Was du wissen solltest StudySmarter Magazine

WM Katar, Inhaltswarnung Thematisierung von Suizid, Gewalt, Rassismus und andere Formen von Diskriminierung, StudySmarter Magazine

 

WM Katar – Hintergrundinformationen zum Emirat Katar

Das Golfemirat Katar ist flächenmäßig kleiner als das Bundesland Thüringen und hat circa 3 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen. Etwa 88 % davon (rund 2,2 Millionen Menschen) sind ausländischer Herkunft. Dank gigantischer Erdgasvorkommen ist der Wüstenstaat extrem reich – an monetären Mitteln einerseits, aber durch die Abhängigkeit anderer Länder genauso auch an internationalem Einfluss und Macht.

Katar – Politik & Gesellschaft

Das Emirat Katar ist ein zutiefst konservatives islamisches Land. Man kann es als absolutistische Monarchie bezeichnen, da politische Parteien verboten sind und es kein Parlament gibt. Der sogenannte Schura-Rat (2021 erstmals teilweise vom Volk gewählt) verabschiedet den Haushalt, kontrolliert die Minister per Misstrauensvotum und kann neue Gesetze vorschlagen. Das letzte Wort hat allerdings immer der Emir, Tamim bin Hamad Al Thani, der seit 2013 Staatsoberhaupt ist und Nachfolger seines Vaters. Nach westlichen Standards werden neben Demokratie auch die Menschenrechte nur mangelhaft beachtet, weshalb viele die WM 2022 boykottieren wollen.

Was in Katar darüber hinaus eklatant ist, ist die ungleiche Behandlung von Katarern und Katarerinnen und ausländischen Arbeitskräften, die über 80 % der Menschen im Emirat ausmachen. Die Herrscherfamilie lässt Staatsbürger und Staatsbürgerinnen teils am Reichtum teilhaben, während Arbeitsmigranten und Migrantinnen häufig ausgebeutet werden. Folgende Privilegien genießen die Bürger und Bürgerinnen in Katar:

  • höchstes Pro-Kopf-Einkommen der Welt
  • keine Einkommenssteuer
  • keinerlei Gebühren für Wasser und Strom
  • kostenloser Zugang zu Bildung, Gesundheit und Kinderbetreuung

Relevanz der WM für Katar – Reines Sportswashing?

Katar investiert Milliarden gewinnbringend im Ausland, auch in Kultur, Wissenschaft, Fußball und Vereine. So baut Katar nach und nach eine Art außenpolitische „Soft Power“ aus, auch um seine militärische Unterlegenheit gegenüber Ländern wie Saudi-Arabien auszugleichen und der Endlichkeit seiner fossilen Ressourcen entgegenzuwirken. Gastgeber der WM 2022 zu sein ist ein strategisch wichtiger Baustein dabei, denn davon erhofft sich Katar, seine Tourismus-, Handels- und Transportsektoren zu etablieren. Der Fußball ist so gesehen auch ein wichtiger Katalysator für internationale Handelsbeziehungen.

➡️ Katar und Deutschland sind wirtschaftlich eng miteinander verknüpft. In viele deutsche Unternehmen hat Katar bereits investiert, zum Beispiel in Volkswagen, Siemens und die Deutsche Bank. Außerdem ist Qatar Airways Sponsor des FC Bayern München.

Kritik an Sportveranstaltungen, die das Image eines Landes aufpolieren sollen, dabei aber andere wichtige staatliche Pflichten für die Bevölkerung vernachlässigen oder ignorieren, gibt es schon lange. Man könnte bei der WM in Katar deshalb auch durchaus von Sportswashing reden, denn Katar instrumentalisiert die WM, um das Ansehen des eigenen Landes durch deren guten Ruf in den Medien und damit der öffentlichen Wahrnehmung zu verbessern.

 

WM Katar Kritik

Die Hauptkritikpunkte, die von vielen gegen die Ausrichtung der WM in Katar vorgebracht werden, sind folgende:

  • Fehlende Menschenrechte
  • Tote Gastarbeiter
  • Unmenschliche Arbeitsbedingungen
  • Korruptionsverdacht
  • Kommerz, Prestige und Machtausbau im Vordergrund
  • Fehlende Fußballkultur

WM Katar Tote

Die FIFA ist nicht die Polizei der Welt oder verantwortlich für alles, was auf der Welt passiert.“ – Gianni Infantino (FIFA-Präsident)

Laut einem Bericht der britischen Tageszeitung „Guardian“ starben mehr als 6.500 vorwiegend männliche Gastarbeitende unter oft ungeklärten Umständen vor allem beim Bau der Stadien und anderer Einrichtungen, seitdem Katar den Zuschlag der FIFA für die Fußball-WM 2022 bekommen hat. Viele weitere seien verletzt worden. Eine von Amnesty durchgeführte Analyse zu Angaben zu Sterbefällen deutet darauf hin, dass sich die Quote der ungeklärten Todesfälle in Katar auf fast 70 % belaufen könnte. Nach Angaben von Human Rights Watch und Amnesty habe auch die FIFA nicht genug getan, um für Aufklärung und bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen.

Arbeitsbedingungen bei der WM in Katar

Wenn man jemandem Arbeit gibt, auch unter harten Bedingungen, verleiht man ihm Würde und Stolz.“ – Gianni Infantino (FIFA-Präsident )

Die Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigranten und Migrantinnen in Katar sind – trotz erster Reformen – oft geprägt von Ausbeutung, extremen Abhängigkeitsverhältnissen und Zwangsarbeit. Darüber hinaus gibt es Berichte über Diskriminierung, Gesundheits- sowie Sicherheitsrisiken und sexualisierte Gewalt. Wer Grundrechte einfordert, müsse darüber hinaus mit einer Abschiebung aus dem Land rechnen. Kritik am System in Katar zu üben ist unerwünscht und kann sehr gefährlich sein, wie das Beispiel des inhaftierten Arbeitsrechtsaktivisten Malcolm Bidali gezeigt hat.

Zusammengefasst sollen die Arbeitsbedingungen von ausländischen Arbeitskräften in Katar bisher vor allem durch folgende Faktoren geprägt gewesen sein:

  • Viele (ungeklärte) Todesfälle
  • Tausende Verletzte
  • Gewalt (körperlich, psychisch und sexuell)
  • Zwangsarbeit
  • Nicht eingehaltene maximale Arbeitszeiten
  • Unbezahlte oder verspätet gezahlte Löhne
  • Einbehaltung des Reisepasses durch Arbeitgebende
  • Hinderung am Arbeitsplatzwechsel
  • Verbot Gewerkschaften zu gründen

 

Katar Menschenrechte – Probleme

Abgesehen von den Menschenrechtsverletzungen an den Gastarbeitenden werden in Katar auch die allgemeinen Menschenrechte, wie sie in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ aufgeführt sind, häufig missachtet:

  • Harte Strafen für Verbrechen
  • Eingeschränkte Meinungsfreiheit
  • Männliches Vormundschaftssystem

Zwar hat sich die Lage seit 2009 verbessert, ist aber dennoch weit davon entfernt, den allgemeinen Standards zu entsprechen. Die Regierung hat vor allem aufgrund des externen Drucks seit der WM-Vergabe Reformen auf den Weg gebracht, um die Rechte von Wanderarbeitenden zu verbessern. So zum Beispiel die Abschaffung des Kafala-Systems.* Mit der Umsetzung hapert es Berichten zufolge allerdings nach wie vor.

In diversen Indizes schneidet Katar – was gewisse Grundrechte angeht – deshalb nicht sonderlich gut ab:

Bewertung Klassifizierung Quelle
Freiheitsindex 25 von 100 Punkten nicht frei Freedom House
Demokratieindex 3,65 von 10 autoritär EIU
Pressefreiheit Platz 119 von 180 schwierig Reporter ohne Grenzen
Internetzensur 8 von 11 schlechteste Länder Comparitech
Geschlechtergerechtigkeit Platz 134 von 146 unausgewogen World Economic Forum

* System der Bürgschaft: nimmt ausländischen Arbeitskräften ihre Rechte und macht sie komplett abhängig von ihren Arbeitgebenden bzw. Sponsoren und Sponsorinnen

 

WM Katar Boykott – Pro & Contra Argumente

Je näher das WM-Turnier rückt, desto mehr fragt man sich, wie man mit den Schattenseiten dieser Weltmeisterschaft umgehen sollte. Ist der Boykott eine Option oder gibt es andere Wege, mit der Situation umzugehen?

Für Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch steht ein Boykott nicht mehr zur Debatte, weil sie vor Ort verhandeln müssen. Sie fordern stattdessen, dass die FIFA und der DFB den Druck auf Katar, was Menschen- und Arbeitsrechte angeht, erhöhen. Außerdem fordert Amnesty eine Entschädigungszahlung von der FIFA in Höhe von 440 Millionen US-Dollar an Betroffene von Menschenrechtsverletzungen in Katar sowie an Familienangehörige.

Im Folgenden findest du Argumente, die für und gegen einen Boykott sprechen könnten:

Pro Boykott Contra Boykott
Durch einen Boykott der Fußball-WM 2022 kann man als Privatperson zeigen, dass es nicht in Ordnung ist, die zahlreichen Arbeitsmigranten und Migrantinnen derart schlecht zu behandeln. Ein Boykott würde den Menschen in Katar nur wenig bringen, weil sonst diverse Errungenschaften, die internationalen Arbeitsorganisationen erreicht haben, schnell wieder zurückgedreht werden könnten. Laut Amnesty könnte sich die Lage eventuell noch weiter verschlechtern, da die öffentliche Aufmerksamkeit weg wäre.
Ein Boykott wäre ein Zeichen an die FIFA, dass es nicht toleriert wird, wenn die WM an Staaten vergeben wird, die Menschenrechte verletzen und den Werten des Sports widersprechen. Eine FIFA-Ausrichtung sollte sich ein Land auch verdienen. Nach öffentlichem Druck hat Katar einige Zugeständnisse gemacht für mehr Transparenz und Veränderung. In China gab es diese Bereitschaft zum Beispiel nicht, als es um die Olympischen Spiele ging.
Die WM ist für Katar das perfekte Mittel für Propaganda, sich als tolerant und weltoffen darzustellen. Deshalb würde ein konsequenter Boykott Katar die Möglichkeit nehmen, sich an der WM finanziell zu bereichern und sich positiv in den Medien darzustellen. Die WM in Katar und die gesamte Berichterstattung rundherum kann auch als große Chance wahrgenommen werden, auf die Missstände im Land weltweit aufmerksam zu machen und so zu verhindern, dass Katar das Turnier als reines PR-Mittel missbraucht.
Die Umsetzung neuer Gesetze wird in Katar nicht ausreichend und konsequent genug kontrolliert. Änderungen zum Besseren, die die WM herbeigeführt hat und die gegen den Boykott sprechen würden, werden deshalb kaum Bestand haben, wenn sie vorbei ist. Zum ersten Mal wird ein Land des Nahen Ostens die Fußballweltmeisterschaft ausrichten. Ein Boykott könnte deshalb als westlicher Werteimperialismus gesehen werden. Außerdem gehört die Region mittlerweile zu den wachstumsstärksten Fußballgebieten der Welt, mit vielen leidenschaftlichen Fußballfans, die ein Anrecht auf Teilhabe an der globalen Sportart haben.

 

WM in Katar Fazit – Was wir daraus lernen können

Das mag jetzt vielleicht verrückt klingen, aber manchmal ist weniger Demokratie bei der Planung einer WM besser.“ – Jérôme Valcke (ehem. Generalsekretär der FIFA)

2018 war es Russland, nun ist es Katar – Gastgebende, aber auch Sponsoren und Sponsorinnen im Fußball kommen zunehmend aus autoritär regierten Staaten, die sich Menschenrechtsvergehen schuldig machen und aktiv versuchen, ihren Ruf sauber zu waschen. Dasselbe gilt für die Olympischen Spiele – so zum Beispiel die Winterspiele 2021 in China, wo Menschenrechte laut Amnesty mit Füßen getreten [werden].“

Nach den eigenen Maßstäben der FIFA, dürfte die WM eigentlich überhaupt nicht in Katar stattfinden, auch wenn die Selbstverpflichtung erst nach der Vergabe erfolgt ist. Denn der Verband hat sich 2017 offiziell dazu verpflichtet, „innerhalb der Organisation und bei all ihren Tätigkeiten ein diskriminierungsfreies Umfeld zu schaffen.“ Letztendlich schien der Profit dann aber doch verlockender als Moral und Werte gewesen zu sein.

Für einen wirklich wirksamen Boykott scheint es mittlerweile zu spät zu sein und würde laut Menschenrechtsorganisationen möglicherweise nicht den gewünschten Effekt haben. Deshalb gilt es nun, die Aufmerksamkeit zu nutzen, um die Situation der Menschen in Katar (am besten auch über das Jahr 2022 hinaus) zum Positiven zu verändern.

Ausschlaggebend ist aber auch das konsequente Handeln der Entscheidenden bei den großen Sportverbänden wie FIFA oder dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und das Überdenken der Vergabe von globalen Sportveranstaltungen an Länder wie Katar. Zukünftig sollten Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Fankultur mit im Vordergrund stehen, anstelle von Gier und Profitdenken. Leider kann auch dazu abschließend kein positiver Ausblick gegeben werden, das asiatische Olympia-Kommitee hat die Ausrichtung der asiatischen Winterspiele an das ebenso umstrittene Saudi-Arabien vergeben.

 

WM Katar, Hilfe in Krisensituationen und psychischen Notlagen telefonseelsorge.de, telefonseelsorge.at, StudySmarter Magazine

 

Weitere Quellen:

Amnesty – WM in Katar: Arbeitsmigrant*innen entschädigen!

Bleacher Report – Qatar 2022: 5 Reasons Why Their World Cup Could Be a Huge Success

Democracy Lab – FIFA 2022: The Benefits for Qatar and Potential Risks

FourFourTwo – A World Cup every two years: All the pros and cons of FIFA’s new idea

Human Rights Watch – Qatar

Rosa Luxemburg Stiftung – Katar 2022? Nein danke!

Sportbuzzer – „Verleiht Würde und Stolz“: FIFA-Boss Infantino verwundert mit Aussagen über WM-Arbeiter in Katar

Tagesschau – Tausende tote Gastarbeiter in Katar

Wikipedia – Arbeitsmigranten in Katar

WM Katar: Häufige Fragen und Antworten

Wie viele Menschen sind für die WM 2022 gestorben?

Laut einem Bericht der britischen Tageszeitung "Guardian" starben mehr als 6.500 Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen unter oft ungeklärten Umständen vor allem beim Bau der Stadien und anderer Einrichtungen, seitdem Katar den Zuschlag der FIFA für die Fußball-WM 2022 bekommen hat. Viele Weitere seien verletzt worden.

Warum ist Katar so umstritten?

Die Hauptkritikpunkte, die von vielen gegen die Ausrichtung der WM in Katar vorgebracht werden, sind folgende: Fehlende Menschenrechte, Tote Gastarbeiter, Unmenschliche Arbeitsbedingungen, Korruptionsverdacht, Kommerz, Prestige und Machtausbau im Vordergrund, Fehlende Fußballkultur.

Was spricht für einen Boykott der WM 2022?

Ein Boykott wäre ein Zeichen an die FIFA, dass es nicht toleriert wird, wenn die WM an Staaten vergeben wird, die Menschenrechte verletzen und den Werten des Sports widersprechen. Eine FIFA-Ausrichtung sollte sich ein Land auch verdienen.

Was spricht gegen einen Boykott der WM 2022?

Ein Boykott würde den Menschen in Katar nur wenig bringen, weil sonst diverse Errungenschaften, die internationalen Arbeitsorganisationen erreicht haben, schnell wieder zurückgedreht werden könnten. Laut Amnesty könnte sich die Lage eventuell noch weiter verschlechtern, da die öffentliche Aufmerksamkeit weg wäre.