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Einnischung – Definition
Die ökologische Einnischung ist ein evolutionärer Prozess, bei dem sich eine Teilpopulation der Ausgangspopulation neuen Lebens- oder Umweltbedingungen anpasst, sich dadurch isoliert und der intraspezifischen Konkurrenz entgeht. Die Teilpopulation besiedelt dann eine neue oder andere ökologische Nische als die Ausgangspopulation.
Anders gesagt, ist die ökologische Einnischung eine Anpassung der Lebensweise von Individuen an andere Bedingungen, um einander aus dem Weg gehen zu können.
Um das Thema der Einnischung besser zu verstehen, solltest Du zunächst wissen, was der Begriff Ökologische Nische bedeutet.
Als ökologische Nische wird die Gesamtheit der Umweltfaktoren, die eine Art zum Überleben benötigt, bezeichnet. Die unterschiedlichen Umweltansprüche, welche die verschiedenen Arten haben, erlaubt erst die Bildung der Koexistenz mannigfaltiger ökologischer Nischen in einem Lebensraum.
Nischendiffernzierung
Ein verwandter Begriff zur ökologischen Einnischung ist die Nischendifferenzierung. Diese beschreibt den evolutionären Prozess der Anpassung einer Art an neue Lebens- oder Umweltbedingungen. Hierbei geht es also um eine Gruppe von Individuen, die bereits eine neue ökologische Nische belegen. Der Prozess der Nischendifferenzierung stellt dabei die Anpassung bzw. Spezialisierung der Art an die ökologische Nische dar. Dies geschieht z. B. in Form von Spezialisierung auf eine bestimmte Nahrungsquelle.
Einnischung – Entstehung neuer Arten
Bedingung für den evolutiven Prozess der Einnischung sind freie ökologische Nischen.
Begünstigt wird eine Einnischung von manchen Individuen durch eine große Gesamtpopulation, in der bereits etwas Konkurrenz herrscht. Dadurch sind einige Individuen gezwungen, beispielsweise auf andere Nahrungsquellen zurückzugreifen, da die ursprüngliche Nahrungsquelle voll von der restlichen Population ausgeschöpft wird und sie anderenfalls verhungern würden.
Einige Individuen greifen also bei Bedarf auf andere Nahrungsquellen zurück; das können z. B. große Insekten sein (ursprüngliche Nahrungsquelle sind dann hierbei kleine Insekten). Bedingung hierbei sind genetische Voraussetzungen, die es ermöglichen, große Insekten zu erbeuten und zu verdauen.
Im Laufe der Evolution passen sich diese Individuen an die neue Nahrungsquelle an, sodass sie zu ihrer Hauptnahrungsquelle wird. Ein großer Schnabel z. B. kann beim Fressen von großen Insekten vorteilhaft sein. Durch die Verschiebung ihrer Nahrungsquelle und die Anpassung daran isolieren sich die wenigen Individuen von der Ausgangspopulation zu einer Teilpopulation und belegen eine eigene ökologische Nische.
So sind die beiden Populationen in ihrer ökologischen Nische voneinander isoliert und es wird eine divergente Entwicklung möglich.
Was die Einnischung der Teilpopulation in ihre eigene ökologische Nische für beide Populationen nun bedeutet, erfährst Du im letzten Abschnitt: Bedeutung der Einnischung.
Einnischung – Spektrum
Da Isolation auf verschiedensten Wegen erreicht werden kann, ist auch die Einnischung, d. h. die Formen der ökologischen Nischen und deren Besetzung, über viele verschiedene Methoden möglich. Unterteilt wird dabei in die Aspekte: Zeitlich, räumlich und funktionell.
Zeitliche Einnischung
Eine Möglichkeit der Besetzung neuer ökologischer Nischen und somit der Konkurrenzvermeidung ist die Verlegung der Hauptaktivität auf andere Tageszeiten. Ein Beispiel hierfür sind die Aktivitätszeiten der Greifvögel (z. B. Mäusebussard, Sperber) und Eulenvögel (z. B. Uhu, Waldkauz).
Greifvögel und Eulenvögel sind beide Beutejäger und ernähren sich von Mäusen, kleineren Singvögeln und anderen Kleintieren.
Auch in anderen Merkmalen gibt es viele Übereinstimmungen: Beide sind mit scharfen Krallen und Hakenschnäbeln ausgestattet, obwohl sie nicht unmittelbar verwandt sind. Die ähnlichen Merkmale sind im Laufe der Evolution durch die vergleichbare Jagdweise entstanden. So kam es zu einer konvergenten Entwicklung.
Entwickeln sich gleiche oder ähnliche Merkmale bei nicht näher verwandten Arten, spricht man in der Evolution von einer konvergenten Entwicklung. Diese wird auch als Parallelevolution bezeichnet.
Trotz der gleichen Ernährungsweise stehen die beiden Vogelgruppen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern leben in Koexistenz, da sie zwei verschiedene ökologische Nischen belegen. Während Greifvögel tagsüber nach Beute suchen, sind Eulenvögel lediglich nachts auf der Jagd.
Dies ist möglich, da Eulenvögel sehr viele Sehzellen haben. Diese bewirken, dass sie sehr lichtempfindlich sind und Beutetiere auch in der Dunkelheit wahrnehmen können. So sind sie perfekt an ihre ökologische Nische angepasst.
Eine weitere zeitliche ökologische Nische stellen unterschiedliche Fortpflanzungszeiten dar.
Wenn eine Teilpopulation aus der Ausgangspopulation (welche sich weiterhin tagsüber vermehrt) sich nur noch nachts fortpflanzt, kommt es zu einer genetischen Isolation, da ein Genfluss nur zwischen den sich tagsüber bzw. nachts paarenden Individuen besteht und nicht mehr zwischen allen.
So ist die Teilpopulation von der Ausgangspopulation isoliert, indem sie unterschiedliche ökologische Nischen belegen, und beide Populationen können sich unabhängig voneinander weiterentwickeln. Dabei kann es zu einer divergenten Entwicklung kommen.
Unter einer divergenten Entwicklung versteht man in der Evolution die Auseinanderentwicklung zweier Arten. Im Falle der Einnischung kommt es auch zwischen Populationen derselben Art zu einer Divergenz.
Räumliche Einnischung
Räumliche ökologische Nischen bieten die offensichtlichste Möglichkeit zur Einnischung. Eine Isolation wird so z. B. durch verschiedene Temperaturvorlieben erreicht.
Ein Beispiel hierfür sind die im Wasser beheimateten Plattwurmarten Planaria alpina und Planaria gonocephala. Die Art P. alpina bevorzugt kühles Wasser, wie in Gebirgsbächen, während P. gonocephala im wärmeren Wasser lebt. So besiedeln die Arten Lebensräume, an denen die Umweltbedingungen perfekt für sie passen. Sie leben in unterschiedlichen Gewässern (somit auch in unterschiedlichen ökologischen Nischen) und sind voneinander isoliert. So besteht keine Konkurrenz.
Eine weitere Methode der räumlichen Einnischung sind unterschiedliche Orte des Nahrungserwerbs.
Wenn zwei Arten, bzw. zwei Populationen, unterschiedliche Orte für die Nahrungssuche aufsuchen, stehen sie nicht mehr in Konkurrenz zueinander und besetzen jeweils eine eigene ökologische Nische. Im Laufe der Evolution passt sich dann ihr Äußeres auf diese Art des Nahrungserwerbs an, sodass sie perfekt an ihre ökologische Nische angepasst sind.
Ein Beispiel hierfür sind die Kohl- und Blaumeisen.
Kohl- und Blaumeise stehen nicht in Konkurrenz zueinander und können in Koexistenz leben, da sie unterschiedliche Orte für den Nahrungserwerb aufsuchen.
Die Kohlmeise sucht vorwiegend auf dem Boden oder auf dicken Ästen nach Nahrung. Sie ist relativ schwer und im Verhältnis zur Blaumeise groß, wodurch dünne Äste sie nicht halten könnten. Die Blaumeise hingegen ist leichter und sucht auf dünnen Ästen und Astspitzen nach Nahrung. So können sie trotz der gleichen Nahrungsquelle über verschiedene ökologische Nischen in Koexistenz leben.
Funktionelle Einnischung
Zu den möglichen funktionellen ökologischen Nischen zählt die unterschiedliche Nutzung des Nahrungsangebots.
Wenn die Ausgangspopulation z. B. mittelgroße Insekten frisst, können einige Individuen eine andere ökologische Nische belegen, indem sie auf kleinere oder große Insekten als Nahrung umspringen. Die Bedingung hierfür ist, dass sie physisch in der Lage sind an kleine oder besonders große Insekten zu gelangen und diese auch zu erbeuten. Es müssen somit zunächst genetische Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine andere ökologische Nische belegt werden kann.
Ein typisches Beispiel für diese Form der Einnischung stellen die Darwinfinken dar. Mehr zu den Darwinfinken kannst Du in der Erklärung "Adaptive Radiation" erfahren.
Bedeutung der Einnischung
Die Besetzung unterschiedlicher ökologischer Nischen spielt eine große Rolle in der Artbildung und im Prozess der Evolution.
Bedeutung für die gesamte Population
Durch das Besetzen einer anderen ökologischen Nische von einem kleinen Teil der Gesamtpopulation wird Konkurrenz zwischen Artgenossen vermieden. Wenn eine Population sehr groß ist und die Umweltkapazitäten allmählich erreicht sind, kann durch die Einnischung einiger Individuen eine Konkurrenzvermeidung erreicht werden.
So sinkt die Individuenzahl der Art nicht und die Art erlangt ein höheres Verbreitungspotential. Das geschieht durch die Menge der Individuen und durch die Vielfalt des Genpools, wenn sich einige Individuen an andere Umweltbedingungen anpassen.
Durch die Anpassung an ihre individuellen ökologischen Nischen kommt es zwischen der Ausgangspopulation und der Gründerpopulation zu einer divergenten Entwicklung. D. h., ihre Merkmale verändern sich nicht weiter in die gleiche Richtung, sondern können mehr und mehr voneinander abweichen.
Mehr über eine divergente Entwicklung erfährst Du in den Erklärungen zur "Homologie" und "Analogie".
Es kann sein, dass sich die Individuen der zwei Populationen, wenn die divergente Entwicklung weiter fortschreitet, im Laufe der Evolution in wesentlichen Merkmalen unterscheiden und nicht mehr untereinander fortpflanzungsfähig sind. So kommt es zu einer Artaufspaltung.
Artaufspaltung (Kladogenese) ist treibender Faktor der Evolution. Mehr zu diesem Thema erfährst du im Artikel "Anagenese".
Bedeutung für die Gründerpopulation
Die Gründerpopulation profitiert von der Konkurrenzvermeidung, weil sie so weiterhin in Koexistenz mit der Ausgangspopulation überleben kann. Sollte die divergente Entwicklung so weit fortgeschritten sein, dass es sich bei der Gründerpopulation bereits um eine neue Art handelt, bzw. wenn zwischen den beiden Populationen kein Genfluss mehr besteht, gibt es einige Nachteile für die Gründerpopulation.
Der Genpool der Gründerpopulation ist bedeutend kleiner, als der der Ausgangspopulation, was einen Selektionsnachteil darstellt. Außerdem werden kleinere Gruppen häufiger von Fressfeinden angegriffen als große. Ein Vorteil, neben der Konkurrenzvermeidung, ist jedoch ein deutlich geringeres Infektionsrisiko in einer kleineren Gruppe. Obendrein kann sich die Gründerpopulation nun durch die (zeitliche, räumliche oder funktionelle) Isolation unabhängig von der Ausgangspopulation entwickeln, wodurch neue Arten entstehen können.
Bedeutung für die Evolution
Die Besetzung ökologischer Nischen als Form von Isolation hat eine wichtige Bedeutung für die Evolution, da die Abtrennung Bedingung für die Artbildung ist. Die Einnischung ermöglicht also divergente Entwicklungen und trägt somit einen großen Teil zur Artneubildung bei.
Das Besetzen von ökologischen Nischen stellt besonders im Rahmen einer adaptiven Radiation ein großes Potential für viele divergente Entwicklungen und damit für viele Artaufspaltungen dar. Mehr zu diesem Thema kannst Du in der Erklärung "Adaptive Radiation" erfahren.
Des Weiteren ist der Prozess der Einnischung Voraussetzung dafür, dass verschiedene Pflanzen- und Tierarten den gleichen Lebensraum besiedeln können. Wenn sie alle innerhalb der gleichen ökologischen Nische leben würden, gäbe es hohe Konkurrenz und lediglich die konkurrenzstärkere Art würde dort auf Dauer überleben können. Das Besetzen von vielen verschiedenen ökologischen Nischen stellt also die Möglichkeit zum Leben in Koexistenz dar und trägt damit auch zur Artenvielfalt bei.
Einnischung - Das Wichtigste
- Einnischung beschreibt den evolutionären Prozess, bei dem sich eine Teilpopulation der Ausgangspopulation neuen Lebens- oder Umweltbedingungen anpasst und sich somit isoliert und der intraspezifischen Konkurrenz entgeht.
- Die Teilpopulation belegt eine andere ökologische Nische.
- Es gibt verschiedene Aspekte der Einnischung:
- Zeitliche: Verlegung der Hauptaktivitäts- und Fortpflanzungszeit
- Räumliche: Unterschiedliche Orte des Nahrungserwerbs und unterschiedliche Lebensräume (z. B. gebunden an unterschiedliche Temperaturvorlieben)
- Funktionelle: Unterschiedliche Nutzung des Nahrungsangebots.
- Bedingung für den Prozess der Einnischung sind freie ökologische Nischen.
- Einnischung stellt als Form der Isolation eine Möglichkeit der Artbildung dar und trägt somit zur Artenvielfalt bei.
- Koexistenz kann nur durch die Einnischung in verschiedene ökologische Nischen möglich sein.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Einnischung
Wie erfolgt die Einnischung?
Der Ablauf der Einnischung ist abhängig von der Einnischungsmethode. Prinzipiell sind einige Individuen durch intraspezifische Konkkurrenz gezwungen bestimmte Ressourcen anders zu nutzen. Mit der Zeit passen sie sich an diese Methode der Ressourcennutzung an und verwenden sie nicht mehr nur noch bei Bedarf sondern es wird sich hauptsächlich an ihr orientiert. Durch diese Anpassung isolieren sie sich von ihrer Ausgangspopulation und belegen nun ihre eigene ökologische Nische.
Was versteht man unter einer ökologischen Nische?
Ökologische Nische bezeichnet die Gesamtheit der Umweltfaktoren, die eine Art zum Überleben braucht. Durch die unterschiedlichen Umweltansprüche, welche die verschiedensten Arten haben, erlaubt erst die Bildung verschiedener ökologischer Nischen in einem Lebensraum eine Koexistenz.
Was bedeutet Nische in der Biologie?
Ökologische Nischen ermöglichen mehreren Arten in Koexistenz gemeinsam in einem Lebensraum zu überleben. Andernfalls ständen sie in ständiger Konkurrenz zu einander und nur der stärkste würde überleben. Außerdem stellen ökologische Nischen als Form von Isolation eine Möglichkeit zur Artneubildung dar und tragen somit der Artenvielfalt bei.
Was ist die Nischendifferenzierung?
Ein verwandter Begriff zur ökologischen Einnischung ist die Nischendifferenzierung. Die Nischendifferenzierung beschreibt den evolutionären Prozess der Anpassung einer Art an neue Lebens- oder Umweltbedingungen.Hierbei geht es also um eine Gruppe von Individuen, die bereits eine neue ökologische Nische belegen. Der Prozess der Nischendifferenzierung stellt dabei die Anpassung bzw. Spezialisierung der Art an die ökologische Nische dar. Dies geschieht z.B. in Form von Spezialisierung auf eine bestimmte Nahrungsquelle.
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