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Bis ins 20. Jahrhundert ging man davon aus, dass Gliazellen nur eine Stütz- und Schutzfunktion im Nervensystem übernehmen. Dass Gliazellen, und insbesondere Mikroglia, eine Vielzahl an anderen Aufgaben übernehmen, erklären wir dir in diesem Beitrag.
Mikroglia bilden (nach den Astrozyten), mit 20 % aller Gliazellen, den zweitgrößten Teil der Gliazellen im zentralen Nervensystem.
Mikroglia unterscheiden sich von den Makroglia (Astrozyten und Oligodendrozyten) dadurch, dass sie sich nicht aus dem Neuroektoderm entwickeln, sondern aus dem Dottersack. Dies ist auch hinsichtlich ihrer Funktion als Makrophagen eine Besonderheit. Die meisten Makrophagen entwickeln sich aus Stammzellen im Knochenmark.
Mikroglia – Unreife und reife Mikrogliazellen
Die Entwicklung der Mikroglia findet beim Menschen in der 4. bis 5. Schwangerschaftswoche statt. Nach der Geburt vermehren sie sich sehr stark. Außerdem ändern sie ihre Struktur: Anfangs sind sie amöboid. Das bedeutet, sie ändern ständig ihre Form, um sich von allein fortzubewegen. Reife Mikroglia hingegen bilden viele, verzweigte Ausläufer, mit denen sie sich teilweise an Neuronen und anderen Gliazellen „festhalten“. Diese Ausläufer sind weiterhin hochflexibel und können wie Fühler ihre Umgebung abtasten.
Reife Mikroglia können mit Neuronen kommunizieren. Dafür besitzen sie bestimmte Rezeptoren. Die Liganden zu diesen Rezeptoren werden von den Neuronen ausgeschüttet. Auf der anderen Seite können auch Mikroglia ihre Umgebung beeinflussen. Durch das Ausscheiden von Stoffen können sie zum Beispiel anderen Immunzellen aktivieren oder heranlocken.
Mikroglia – Funktion
Mikroglia sind ein wichtiger Teil der Immunabwehr des zentralen Nervensystems.Hier übernehmen sie unterschiedliche Aufgaben. Hauptsächlich fungieren sie aber als Makrophagen. Makrophagen werden auch „Fresszellen“ genannt. Durch Phagozytose können sie Schadstoffe und Zelltrümmer aufnehmen und anschließend verdauen.
Mehr darüber kannst du in unseren Artikel zu den Themen Immunabwehr und Phagozytose lesen.
Mikroglia sind grundsätzlich inaktiv und müssen erst durch einen externen Faktor aktiviert werden.
Mikrogliaaktivierung
Mikroglia können zum Beispiel durch eine lokale Verletzung des Zentralnervensystems aktiviert werden. Die betroffenen Zellen schütten Adenosintriphosphat aus, welche die Aktivierung der Mikroglia auslöst. Werden Mikroglia aktiviert, ändert sich ihre Form. Der Zellkörper verdickt sich und die Ausläufer gehen zurück. Sie erinnern dann mehr ihrer amöboiden Vorläuferform. Mikroglia können zu der verletzten Stelle kriechen. Um einen Fremdkörper aufzunehmen, bilden sie einen dicken Ausläufer, der sich ausdehnt und den Gegenstand aufnimmt. Der Zellkörper wird bei Bedarf nachgezogen.
Durch die Phagozytose können tote Zellen und Zellbestandteile beseitigt werden. Aber auch Synapsen, welche beschädigt wurden, werden abgebaut.
Mikroglia – Immunabwehr des Gehirns
Mikroglia werden nicht nur durch lokale Verletzungen aktiviert, sondern auch durch Infektionen. Diese können Krankheitserreger wie Parasiten, Bakterien oder Viren sein.Die Mikroglia sind dann für die erste und schnelle Abwehrreaktion verantwortlich. Auch hier ändern sie ihre Form und bewegen sich zum Infektionsort. Außerdem vermehren sie sich stark.
Mikroglia haben bestimmte Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, um unterschiedliche Pathogene zu erkennen. Diese Rezeptoren heißen Pattern Recognition Receptors. Die Rezeptoren sind spezifisch und ermöglichen so eine gezielte Immunantwort.
Am Infektionsort können Mikroglia entzündungsfördernde oder -hemmende Stoffe ausschütten. Entzündungshemmende Stoffe verhindern das Ausbreiten der Infektion.Durch das Ausschütten von entzündungsfördernden Stoffen locken die Mikroglia andere Immunzellen an. Mikroglia besitzen bestimmte Komplexe auf ihrer Oberfläche (MHC-Klasse-I- und -II-Komplexen), mit denen sie Antigene präsentieren. Diese Antigene werden von den T-Lymphozyten (auch: T-Zellen) erkannt. Die T-Lymphozyten aktivieren damit eine antigenspezifische Immunantwort. Die antigenspezifische Immunantwort ist äußerst effizient und kann die Infektion beseitigen. Allerdings kann es auch passieren, dass dadurch das umliegende Nervengewebe geschädigt wird.
Der Prozess ist oft ein Balanceakt: Einerseits muss das Immunsystem aktiviert werden, um die Infektion zu eliminieren, andererseits kann ein aktiviertes Immunsystem dem Zentralnervensystem auch Schaden zufügen.
Ein Beispiel für eine gedämpfte Immunabwehr ist die Bekämpfung des Parasiten Toxoplasma gondii. Das Immunsystem kann den einzelligen Eukaryoten nicht komplett beseitigen. Hier versuchen die Mikroglia, große Gehirnschäden durch eine dauerhaft aktive Immunabwehr zu vermeiden. Stattdessen akzeptieren sie den Parasiten, solange er sich nicht zu sehr vermehrt.
Anders als Bakterien und Parasiten können Viren nicht durch Phagozytose beseitigt werden. Das liegt daran, dass die Viren sich innerhalb gesunder Zellen verstecken. Bei einer viralen Infektion bilden Mikroglia viele einzelne Ausläufer aus. Diese Ausläufer unterscheiden sich von der inaktiven Form dadurch, dass sie kürzer und weniger verzweigt sind. Mikroglia hemmen die Vermehrung von Viren, indem sie entzündungsfördernde Stoffe ausschütten. Außerdem präsentieren sie Antigene auf ihrer Oberfläche.
Mikroglia helfen zwar Viren zu beseitigen, sie können aber auch selber infiziert werden. Das Humane-Immundefizienz-Virus I (HIV) zum Beispiel nutzt Mikroglia, um sich zu vermehren.
Mikroglia während der Entwicklung
Mikroglia sind nicht nur bei der Immunabwehr von entscheidender Bedeutung, sondern auch bei der Entwicklung des Gehirns. Am Anfang der Gehirnentwicklung werden Unmengen an Neuronen produziert. Diese werden aber gar nicht alle gebraucht. Die Hälfte der Neuronen werden durch Apoptose wieder getötet. Diese spezielle Form von Zelltod wird entweder von den Neuronen selbst, oder von den Mikroglia ausgelöst. Anschließend sind es die Mikroglia, welche die Zellreste aufsammeln und verdauen.
Mikroglia können aber auch die Bildung der Neuronen unterstützen. Dafür schütten sie bestimmte Wachstumsfaktoren aus, welche die Bildung von Neuronen und Astrozyten fördern. Ein weiterer Vorgang, bei dem die Astrozyten eine Rolle spielen, ist das sogenannte synaptische Pruning. Während der Entwicklung werden Synapsen, welche nicht gebraucht werden, von den Mikroglia eliminiert.
Mikroglia – Aufgaben im unversehrten Gehirn
Auch nach der Entwicklung des Gehirns bleiben die Mikroglia ein wichtiger Bestandteil des Nervensystems. Sie überprüfen weiterhin den Zustand der Synapsen. Ist eine Synapse kaputt oder wird nicht mehr gebraucht, wird sie von den Mikroglia abgebaut. Dies führt zur neuronalen Plastizität unseres Gehirns. Auch im erwachsenen Gehirn gibt es nach wie vor Stammzellen, aus denen sich Neuronen entwickeln können. Hier helfen die Mikroglia bei deren Entstehung.
Im intakten Gehirn sorgen Mikroglia für eine gedämpfte Immunantwort. Sie schütten entzündungshemmende Stoffe aus.
Die Blut-Hirn-Schranke stellt eine Barriere zwischen dem Gehirn und dem peripheren Nervensystem dar. Dennoch können Mikroglia über das Blut Kontakt zum peripheren Nervensystem haben.
Mikroglia im alternden Gehirn
Bei älteren Menschen kann man auch eine Alterung der Mikroglia feststellen. Die Balance zwischen inaktiven und aktiven Mikroglia ist gestört. Manche Mikroglia verlieren ihre Funktion, Synapsen abzubauen, andere sind überaktiv und schütten entzündungsfördernde Stoffe aus.
Ein ähnliches Verhalten lässt sich bei neurodegenerativen Krankheiten, wie der Alzheimer-Krankheit und der Parkinson-Krankheit, erkennen. Anfangs werden absterbende Neurone durch Phagozytose beseitigt. Nach einiger Zeit lässt diese Fähigkeit der Mikroglia aber nach. Durch die Ansammlung von Aggregaten werden die Mikroglia chronisch aktiviert.
Die Mikroglia sind überfordert und schütten entzündungsfördernde Stoffe aus. Dies beschleunigt die Neurodegeneration. Chronisch aktivierte Mikroglia sind taub gegenüber anderen Signalen.
Mikroglia - Das Wichtigste
- Mikroglia sind eine Untergruppe der Gliazellen.
- Sie kommen nur im Zentralnervensystem vor.
- Mikroglia fungieren als Makrophagen im Zentralnervensystem. Sie nutzen Phagozytose, um Zellreste und Fremdkörper aufzunehmen und zu verdauen.
- Inaktive und aktive Mikroglia unterschieden sich in ihrer Form.
- Bei einer Infektion können Mikroglia entzündungsfördernde oder -hemmende Stoffe ausschütten.
- Während und nach der Entwicklung des Gehirns helfen Mikroglia dabei, unnötige Synapsen und Neuronen abzubauen.
- Im Alter und bei neurodegenerativen Erkrankungen ist die Balance zwischen inaktiven und aktiven Mikroglia gestört.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Mikroglia
Was machen Mikroglia?
Mikroglia sind für die akute und schnelle Immunantwort im Zentralnervensystem verantwortlich. Mikroglia verdauen mithilfe von Phagozytose Zellreste und Fremdkörper.
Was sind Mikroglia?
Mikroglia sind eine Untergruppe von Gliazellen im Zentralnervensystem.
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