Eine genauere Erläuterung zu den Ursachen findest Du weiter unten im Artikel unter dem Abschnitt „Gründe für einen Infantizid“.
Infantizid – Definition
Das Wort Infantizid stammt von dem lateinischen Wort infanticidum und bedeutet übersetzt „Kindestötung“. Es handelt sich dabei um das Töten von Jungtieren oder Kindern, entweder durch die eigenen Eltern oder durch fremde Artgenossen.
Infantizid innerhalb der Biologie
Im Rahmen der Biologie beschäftigt sich die Soziobiologie mit dem Infantizid. Sie setzt sich mit Fragen auseinander, die auf den Fitness-Vorteil bestimmter Verhaltensweisen gerichtet sind. Die Kindstötung ist häufig mit einer Verbesserung der Fitness verbunden. Das ist entweder der Fall, wenn die Weibchen schneller paarungsbereit sein sollen oder um bei Ressourcenknappheit bessere Überlebenschancen der eigenen Kinder zu sichern.
Fitness meint den Beitrag, den ein Individuum leistet, um die Gene an die Folgegeneration weiterzugeben. Das kann durch die eigene Fortpflanzung oder mit Unterstützung von Verwandten geschehen.
Infantizid betreibende Tiere
Infantizide kommen in der Tierwelt bei vielen unterschiedlichen Arten vor. Und das nicht nur bei wilden Raubtieren wie Löwen, sondern zum Beispiel auch bei Schimpansen und Erdmännchen. Nur selten geht es bei der Tötung des Nachwuchses um Kannibalismus. In den meisten Fällen dagegen um Gründe der Fortpflanzung.
Beispiele für den Infantizid
Um eine Vorstellung darunter zu bekommen, wie es zu einer Kindstötung kommen kann, bekommst Du zwei Beispiele aufgezeigt:
Kindstötung bei den Schimpansen
Bei den Schimpansen bringen die Männchen die Jungen eines Weibchens um. Es handelt sich dabei jedoch nicht um die eigenen Kinder. Ihr Ziel ist es, das Weibchen möglichst schnell wieder empfangsbereit zu machen, damit sie ihre eigenen Gene weitergeben können. Die Ursache dieses Verhalten ist die reproduktive Konkurrenz unter Männchen.
Abbildung 1: Schimpansen mit Nachwuchs
Kindstötung bei den Gorillas
Bei Gorillas zeigt sich ein gleichwertiges Phänomen. Übernehmen Gorilla-Männchen in einer etablierten Gruppe die Führung, so kommt es auch hier oft zu Infantiziden. Dabei werden die Jungen des Vorgängers getötet, um die eigenen Gene besser und schneller verbreiten zu können.
Infantizid – Gründe
Es gibt verschiedene Gründe für eine Kindstötung. Wenn innerhalb einer Art regelmäßig Infantizid durchgeführt wird, so kann das auf vier Gründen basieren:
- Verbesserung der Energiebilanz
- Elterliche Manipulation
- Reproduktive Konkurrenz unter Männchen
- Reproduktive Konkurrenz unter Weibchen
Reproduktiv meint alles, was sich auf die Fortpflanzung – also auf die Reproduktion – bezieht.
Verbesserung der Energiebilanz
Hier geht es um den eigentlichen Kannibalismus. Tiere fressen den Nachwuchs, um überleben zu können und genügend Nahrung aufzunehmen. Infantizid aufgrund der Nahrungsaufnahme wird also häufig bei einem vorhandenen Nahrungsmangel angewandt.
In diesem Zusammenhang ist auch der „Kronismus“ von Bedeutung. Kronismus meint das Phänomen, dass Vögel ihre eigenen Jungen töten und danach entweder selbst fressen oder aus dem Nest werfen. Hierfür gibt es verschiedene Ursachen: Angefangen bei Stress durch Kämpfe, über Krankheiten bis hin zu einer zu hohen Anzahl des Nachwuchses bei Nahrungsknappheit. Kronismus leitet sich aus einer griechischen Mythologie ab, bei welcher der Titan „Kronos“ seine eigenen Kinder verschlang.
Elterliche Manipulation
Elterliche Manipulation meint einerseits das Verhalten, dass ein Elterntier den Tod des eigenen Nachwuchses herbeiführt. Andererseits gehört es auch zur elterlichen Manipulation, wenn die Eltern in Kauf nehmen, dass sich die Jungen von einem Geschwisterteil töten lassen.
Das Töten und Auffressen von Jungtieren durch ihre Geschwister wird als „Adelphophagie“ bezeichnet. Innerhalb der Vogelkunde wird dieses Verhalten auch „Kainismus“ genannt.
Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die Weißstörche: bei Nahrungsknappheit verfüttern sie tote Küken an die Geschwister. Sie sind dann entweder von den Eltern durch Infantizid oder von den Geschwistern durch Kainismus getötet worden.
Reproduktive Konkurrenz unter Männchen
Bei der reproduktiven Konkurrenz unter Männchen töten die Männchen die Jungen der Weibchen. Dabei handelt es sich nicht um die eigenen Jungen. Die Männchen töten sie, weil die Weibchen dadurch schneller wieder paarungsbereit sind. Solch ein Verhalten ist häufig in haremsbildenden Rudeln zu beobachten, bei denen ein Tier den bisherigen Haremsanführer besiegt und das Rudel als neues Oberhaupt übernimmt.
Infantizid bei Löwen
Löwen gelten allgemein als ein bekanntes Beispiel für den Infantizid und gleichzeitig für die reproduktive Konkurrenz unter Männchen. Bei ihnen tötet ein dominantes Männchen, das neu in ein Rudel gekommen ist, die Nachkommen von Weibchen. Das tun sie, damit die Weibchen möglichst schnell wieder paarungsbereit sind und sie somit ihre eigenen Gene weitergeben können.
Löwen zählen zu den haremsbildenden Säugetieren. Ein Harem kommt dann vor, wenn sich Tiere in Form einer Polygynie paaren. Hierbei paart sich ein Männchen mit mehreren Weibchen gleichzeitig oder nacheinander. Charakteristisch für eine Haremsbildung ist die Begattung, Versorgung und das Beschützen der Weibchen von den Männchen.
Abbildung 2: Löwenrudel in Afrika
Wenn Du mehr über das Paarungsverhalten erfahren möchtest, dann lies Dir doch gerne die Erklärung über Paarungssysteme durch!
Reproduktive Konkurrenz unter Weibchen
Das Töten von Jungtieren der Konkurrentinnen ausgehend von Weibchen geschieht häufiger bei Arten, die unter harten Bedingungen leben. Bei ihnen ist das Austragen und die Aufzucht mit besonders hohen Kosten verbunden. Gerade wenn der Wettbewerb um Nahrung und andere Ressourcen groß ist, kann der Infantizid von fremden Jungtieren von Vorteil sein. Durch den Infantizid können sie genügend Ressourcen für ihren eigenen Nachwuchs sichern.
Infantizid bei Erdmännchen
Erdmännchen-Weibchen sind ein Beispiel für das Töten von Jungen innerhalb der reproduktiven Konkurrenz unter Weibchen. Wenn sich das dominante Weibchen in einer Erdmännchen-Gruppe im letzten Drittel ihrer Trächtigkeit befindet, verhält es sich gegenüber den anderen Gruppenmitgliedern besonders aggressiv. Kommt es dann vor, dass ein unterwürfiges Erdmännchen-Weibchen Jungen wirft, so bedeutet das mehr Konkurrenz für das dominante Weibchen. Meist tötet das dominante Weibchen in den ersten vier Tagen nach der Geburt die Jungtiere des unterwürfigen Weibchens.
Abbildung 3: Erdmännchen Jungtiere
Infantizid bei Menschen
Obwohl die Kindestötung bei Menschen einen Verstoß gegen das Recht auf Leben von Kindern darstellt, sind dennoch aus manchen Kulturen Fälle bekannt, wo dies praktiziert wird. Dabei hat insbesondere die Mädchentötung, der sogenannte weibliche Infantizid, der in manchen Kulturkreisen noch praktiziert wird, bereits für weltweites Aufsehen gesorgt.
Bedeutung von Infantizid in verschiedenen Kulturen
In Kulturkreisen, in denen eine zu hohe Bevölkerungsquote herrscht, werden zum Teil noch heute Mädchen und weibliche Föten getötet. Das liegt daran, dass Männer als wertvoller für die Gesellschaft angesehen werden als Frauen, vornehmlich in Bezug auf die höheren Bildungschancen für Männer und die Ausübung von angesehenen Berufen.
Ein-Kind-Politik in China
Die Ein-Kind-Politik in China bestimmte bis 2015, dass Paare nur ein Kind bekommen durften. Währenddessen kam es vermehrt zu Geschlechts-elektiven Abtreibungen. Das bedeutet, dass weibliche Babys vermehrt abgetrieben wurden, da ein Junge in der Gesellschaft als wertvoller galt, in Bezug auf Bildung und Karriere. Zum Teil kam es auch zu Kindstötungen von Mädchen während und nach der Geburt. Insgesamt führte diese Entwicklung zu einem deutlichen Männer-Überschuss in der Bevölkerung, mit dessen Folgen China noch heute zu kämpfen hat.
Weiblicher Infantizid in Indien
In Indien werden pro Jahr rund 2 Millionen Mädchen getötet. Werdende Eltern befürchten häufig, dass sie sich aufgrund der Mitgift für ihre Töchter hoch verschulden müssen. Die Mitgift ist eine uralte Tradition, bei der die Brautfamilie ihre Tochter zur Hochzeit mit Schmuck, Gold und anderen wertvollen Dingen ausstatten muss. Obwohl die Mitgift seit 1962 verboten ist, wird sie aus traditionellen Gründen immer noch häufig praktiziert und kostet dadurch vielen Mädchen das Leben. Töchter werden im Gegensatz zu Söhnen oft vernachlässigt und erhalten zum Teil weniger Nahrung, ärztliche Versorgung und kaum Bildungschancen.
Infantizid – Das Wichtigste
- Das Wort Infantizid stammt von dem lateinischen Wort infanticidum und bedeutet übersetzt „Kindestötung“
- Es handelt sich beim Infantizid um das Töten von Jungtieren oder Kindern entweder durch die eigenen Eltern oder durch fremde Artgenossen
- Der Kannibalismus wird beim Infantizid nicht automatisch mit eingeschlossen
- Es gibt verschiedene Gründe für eine Kindstötung im Tierreich. Zum Beispiel: Verbesserung der Energiebilanz, elterlicher Manipulation, einer reproduktiven Konkurrenz unter den Männchen sowie unter den Weibchen
Wie stellen wir sicher, dass unser Content korrekt und vertrauenswürdig ist?
Bei StudySmarter haben wir eine Lernplattform geschaffen, die Millionen von Studierende unterstützt. Lerne die Menschen kennen, die hart daran arbeiten, Fakten basierten Content zu liefern und sicherzustellen, dass er überprüft wird.
Content-Erstellungsprozess:
Lily Hulatt ist Digital Content Specialist mit über drei Jahren Erfahrung in Content-Strategie und Curriculum-Design. Sie hat 2022 ihren Doktortitel in Englischer Literatur an der Durham University erhalten, dort auch im Fachbereich Englische Studien unterrichtet und an verschiedenen Veröffentlichungen mitgewirkt. Lily ist Expertin für Englische Literatur, Englische Sprache, Geschichte und Philosophie.
Lerne Lily
kennen
Inhaltliche Qualität geprüft von:
Gabriel Freitas ist AI Engineer mit solider Erfahrung in Softwareentwicklung, maschinellen Lernalgorithmen und generativer KI, einschließlich Anwendungen großer Sprachmodelle (LLMs). Er hat Elektrotechnik an der Universität von São Paulo studiert und macht aktuell seinen MSc in Computertechnik an der Universität von Campinas mit Schwerpunkt auf maschinellem Lernen. Gabriel hat einen starken Hintergrund in Software-Engineering und hat an Projekten zu Computer Vision, Embedded AI und LLM-Anwendungen gearbeitet.
Lerne Gabriel
kennen