Geißel

Mobilität ist ein wichtiger Bestandteil für Lebewesen. Nicht nur beim Menschen: von lebenden Begleitern, wie Pferden, über technische Errungenschaften, wie Automobile oder Hochgeschwindigkeitszügen, doch allgemein in der Natur stellt Fortbewegung einen wichtigen Aspekt dar. Eines der ersten Formen der Mobilität von Lebewesen und einer der frühsten Erfindungen der Evolution, beinhaltet das Rad, einen Rotationsmotor und die Schiffsschraube vereint im biochemischen Motor des Flagellum.

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    Geißel und Flagellum – Definition

    Geißeln oder Flagellen (vom lateinischen flagellum für “Geißel” oder “Peitsche”) sind fadenförmige Anhängsel einer Zelle, die in der Lage sind, Bewegungen durchzuführen.

    Geißeln bzw. Flagellen sind sowohl bei den Prokaryoten als auch bei den Eukaryoten zu finden.

    Eine Domäne ist die höchste Kategorie zur Klassifizierung von Lebewesen nach der systematischen Einteilung von Lebewesen in der Biologie.

    Zu den Prokaryoten (vom altgriechischen πρό pro für “vor” und κάρυον karyon für “Kern”) gehören alle Mitglieder der Domänen Arachaea und Bacteria. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie keinen Zellkern besitzen.

    Zu den Eukaryoten (vom altgriechischen εὖ eu für “richtig” oder “echt” und κάρυον karyon für “Kern”) gehören alle Mitglieder der Domäne Eukarya. Sie besitzen, im Gegensatz zu den Prokaryoten, einen “echten” Zellkern.

    Abgrenzung der Begriffe Geißel und Flagellum

    Sowohl Prokaryoten als auch Eukaryoten haben – äußerlich betrachtet – ähnliche Strukturen, die wie Geißeln und Flagellen aussehen. Diese besitzen allerdings in ihrer Struktur und ihrer Funktion in den jeweiligen Domänen deutliche Unterschiede. Dennoch werden die Begriffe “Geißel” und “Flagellum” unglücklicherweise häufig synonym gebraucht. Um eine Auseinanderhaltung zu ermöglichen, halten sich deutsche Autoren im Allgemeinen an folgende Regelung:

    Die fadenförmigen Anhängsel werden bei Prokaryoten Flagellum, bei Eukaryoten Geißel genannt.

    Im Folgenden wird sich an obige Bestimmung gehalten.

    Im Englischen wird solch eine begriffliche Abgrenzung nicht benötigt, da einheitlich flagellum verwendet wird.

    Aufbau des Flagellum bei Prokaryoten

    Wohl einer der ersten Formen der Fortbewegung eigneten sich die Bakterien an. Das Flagellum besteht aus einem komplexen Motor und einem langen, hohlen Filament.

    Ein Filament meint im Sinne der Zytologie ein langes fadenförmiges Konstrukt, das meistens aus unterschiedlichen (heterogenen) Strukturelementen besteht. Die Strukturelemente können sich sowohl aufgrund ihrer Zusammensetzung als auch in ihrer Funktion unterscheiden.

    Das Flagellum besteht aus einem langen Filament und einem Motorkomplex.

    Filament

    Das Filament besteht hauptsächlich aus Flagellin.

    Flagellin bezeichnet eine Gruppe von Proteinen, die in den Flagellen von Bakterien und Archaeen vorkommen.

    Das Filament der Flagellen von Bakterien wird durch die Verkettung von zehntausenden Flagellin-Proteinen in Form einer Helix gebildet. Die Helix hat einen Durchmesser von 15–20 nm, das Filament erreicht eine Länge von 5–20 µm.

    “nm” steht für Nanometer und entspricht 10-9 m. “µm” hingegen steht für Mikrometer und entspricht 10-6 m. Das bedeutet, dass ein Mikrometer um ein Tausendfaches länger ist, als ein Nanometer!

    Die Helix enthält keine aktiven Komponenten, sie ist vollständig hohl und ist, im Vergleich zur Geißel der Eukaryoten, “starr”.

    Motorkomplex

    Wie der Name schon suggeriert, ist der Motorkomplex ein beeindruckendes, hoch kompliziertes molekulares Konstrukt. Es folgt dem Rotor-Stator-Prinzip.

    Als Rotor (von lateinisch rotare für “drehen”) wird der sich rotierende Bestandteil eines Konstrukts bezeichnet.

    Der Stator (von lateinisch stare für “stillstehen”) wird der unbewegliche, feststehende Bestandteil eines Konstrukts genannt.

    Haken

    Der Haken ist das Verbindungsstück zwischen dem Motorkomplex und dem Filament. Er weist eine Biegung auf, weswegen bei der Rotation des Motors um seine eigene Achse eine propellerartige Drehung des Filaments entsteht.

    L-Ring

    Der L-Ring dient der Verankerung in der äußeren Membran und trennt gleichermaßen den Schaft, d. h. die Drehachse, von derselbigen.

    Der L-Ring ist nur bei Gram-negativen Bakterien zu finden. Die Gramfärbung ist eine Methode der Molekularbiologie. Zunächst wird ein Farbstoff hinzugegeben, der alle Bakterien gleichermaßen einfärbt. Beim Entfärben behalten Gram-positive Bakterien eine Verfärbung bei, Gram-negative hingegen nicht. Dies ist bspw. nützlich zur Entscheidung der passenden Antibiotikabehandlung. Nicht alle Bakterien verhalten sich bei der Gramfärbung eindeutig.

    P-Ring

    Der P-Ring stabilisiert und führt den Schaft durch die Zellwand gleichermaßen.

    MS-Ring (Rotor)

    Der MS-Ring fungiert als Lager für den Motor in der Zellmembran. Dies bedeutet, dass das Lager nur Bewegungen des Schafts in erwünschten Freiheitsgraden erlaubt. Er stellt den ersten von zwei Bestandteilen als Rotor dar. Die Motorproteine bringen den MS- und C-Ring in Rotation und gleichermaßen den damit verbundenen Schaft und damit das Filament.

    Streng genommen besteht der MS-Ring aus zwei Ringen, also aus dem M- und S-Ring. Wenn sie separat aufgeführt werden, sind der M- und S-Ring dementsprechend die ersten beiden von drei Bestandteilen des Rotors.

    C-Ring (Rotor)

    Der C-Ring stabilisiert abermals den Motorkomplex und reicht in das Cytoplasma hinein.

    Die Motorproteine

    Motorproteine sind Proteine, die unter Energieverbrauch ihre Form enorm verändern und durch diese Bewegung Kraft übertragen können.

    Die Motorproteine, die außen am MS-Ring positioniert sind (hier abgekürzt mit Mot), versetzen zusammen mit den Fli-Proteinen im Inneren des C-Rings den Schaft in eine Rotationsbewegung.

    Fli-Proteine beschreibt eine Gruppe von Proteinen, die in Bakterien zum Antrieb des Flagellum genutzt werden.

    Der Fli-Proteinkomplex steuert die Richtung, in die der Schaft rotiert. Wenn die Mot-Motorproteine Protonen aus dem interzellulären Raum zwischen innerer Zellmembran und der Peptidoglykanschicht in den intrazellulären Raum hindurchströmen lassen, dreht sich der Motorteil, ähnlich, wie sich das Wasserrad einer Mühle dreht. Dies versetzt wiederum den gesamten Schaft und damit das Filament in eine Rotation.

    Die Peptidoglykanschicht, auch Murein genannt (von lateinisch murus für “Mauer” oder “Schutz”) ist eine in den meisten Bakterien (aber nicht Archaeen) vorkommende Zellwand aus Peptidoglykan, die durch ihre Festigkeit eine Stütz- und Schutzfunktion besitzt. Peptidoglykan ist ein Polymer aus Aminozuckern, der über kovalente Bindungen mit Aminosäuren in regelmäßigen Abständen ein Riesenmolekül bildet.

    Damit der Motorkomplex angetrieben wird, muss das Bakterium aus dem Cytoplasma in den Interzellularraum zwischen der Zellmembran und der Zellwand Protonen unter Energieaufwand pumpen. Der elektrochemische Gradient der Protonen (vorliegend durch eine pH-Differenz und einer elektrischen Spannung) an der Zellmembran wird wiederum bei den Mot-Motorproteinen ausgenutzt.

    Für eine Umdrehung werden ca. 1000 Protonen benötigt. Dabei können Bakterien im Allgemeinen eine Rotationsfrequenz von 50 bis 100 Umdrehungen pro Sekunde (!) erreichen.

    Flagellum bei Archaeen

    Über die Flagellen in Archaeen ist bisher nur äußerst wenig bekannt. Folgende Unterschiede zu Bakterien sind bereits entdeckt worden:

    • Die Flagellen der Archaeen haben im Vergleich zu Bakterien einen Durchmesser von 10–13 µm, der etwa der Hälfte entspricht.
    • Es werden im Flagellum der Archaeen andere Proteine verwendet.
    • Einige Archaeen nutzen als Energiespender für den Antrieb der Motorenproteine ATP anstelle von Protonen.

    Aufbau der Geißel bei Eukaryoten

    Der Aufbau der Geißeln ist fundamental verschieden zum Flagellum der Prokaryoten. Geißeln der Eukaryoten sind Ausläufer der Zelle und damit von der Zellmembran umhüllt. Dies macht ihr inneres einen Teil des Cytoplasmas. Dies legt eine bestimmte Entwicklungsgeschichte der Geißeln bei Eukaryoten nahe.

    Die Geißel der Eukaryoten entsprang vermutlich aus den Mikrotubuli des Cytoskeletts der Zelle.

    Das Cytoskelett (vom altgriechisch κύτος kýtos für “Zelle”) ist ein Netzwerk aus Proteinen, die das Cytoplasma – den Zellinnenraum – durchziehen. Es ist vermutlich sowohl für die Stabilisierung und die Bewegung der Zelle als ganzes, als auch für den Transport innerhalb der Zelle verantwortlich.

    Mikrotubuli sind mit 25 nm Durchmesser die größten Bestandteile des Cytoskeletts. Sie bilden lange Röhren, die unverzweigt bleiben, und mehrere µm Länge erreichen können.

    Vermutlich ist Dir der Begriff der Mikrotubuli schon mal im Kontext der Kernteilung begegnet. Dort bauen sie nämlich den Spindelapparat auf, der zur Trennung der Chromosomen während der Meiose und Mitose fungiert. Mehr zur Struktur der Mikrotubuli findest Du in einer eigenen Erklärung.

    Struktur der Cilien und Geißeln

    Mikrotubuli kleiden den Innenraum von Cilien und Geißeln der Eukaryoten aus. Sie bilden sich durch Ausstülpungen der Plasmamembranen.

    Cilien (vom lateinischen cilium für “Wimper”) haben lediglich eine Länge bis zu 0,25 µm. Sie kommen meist in sehr großer Zahl vor und unterscheiden sich von Geißeln nur, dass letztere mit 100–200 µm wesentlich länger sind und meist in deutlich geringerer Zahl auf der Zelloberfläche auftreten.

    Beide sind prinzipiell gleich aufgebaut und bauen auf einer sogenannten “9 ∗ 9 + 2”-Struktur auf, die Axonem genannt wird.

    Ein Axonem (veraltet auch als Achsenfaden bezeichnet) ist eine charakteristische Struktur von Mikrotubuli, die der “9 ∗ 9 + 2”-Anordnung folgen.

    Hierbei umgeben neun Paare von Mikrotubuli (sog. Mikrotubulidupletts) einen zentrales, einzelnes Mikrotubuliduplett. Die äußeren Paare werden periphäre Mikrotubulidupletts genannt, das innere als zentraler Mikrotubuliduplett bezeichnet.

    Die Bewegung der Cilien bzw. Geißeln basiert auf einem Motorprotein. Dieses verbindet zwei Mikrotubulidupletts miteinander. Dieses Motorprotein kann unter Nutzung von ATP, also chemischer Energie, eine enorme räumliche Formänderung durchführen. Dadurch gleiten beide verbundenen Mikrotubulidupletts aneinander vorbei.

    Werden nun die beiden Mikrotubulidupletts mit einem weiteren Molekül quer vernetzt, so kann das Vorbeigleiten der Dupletts aneinander verhindert und somit eine Krümmung des Ciliums bzw. der Geißel erzeugt werden.

    Das Axonem erstreckt sich über die Länge der Geißel bis ungefähr auf die Ebene der Membran des Zellkörpers. Zum Bereich des Zellkörpers geht das Axonem in den sogenannten Basalkörper über.

    Der Basalkörper (auch Kinetosom oder Blepharoplast genannt) ist ein Centriol an der Basis einer eukaryotischen Geißel oder Cilie.

    Centriolen sind paarige Organellen, die in den Zellen von Tieren und Protisten während der Zellteilung an der Bildung des Spindelapparats beteiligt sind.

    Zwischen der Zellmembran und dem Axonem bewegen sich verschiedenartige Moleküle. Diese dienen vermutlich dem Aufbau und der Reparatur der Geißel. Eventuell können sie auch als Signalrezeptoren verwendet werden.

    Wenn man einen Querschnitt des Basalkörpers betrachtet, kann man neun Mikrotubulitripletts ohne ein zentrales Mikrotubuliduplett erkennen. Es folgt also einer “9 ∗ 3”-Struktur.

    Begeißelungstypen

    Je nachdem, wie viele Flagellen das Bakterium bzw. Geißeln der Eukaryot besitzt und wie sie positioniert und angeordnet sind, werden unterschiedliche Begriffe zur Beschreibung verwendet:

    Polarität

    Die Polarität bzgl. der Begeißelung gibt bei Prokaryoten bzw. Eukaryoten an, ob das Flagellum bzw. die Flagellen oder die Geißel bzw. die Geißeln nur an einem oder beiden Enden – den Zellpolen– des Organismus zu finden sind.

    Dementsprechend hat man eine monopolare oder bipolare Begeißelung vorliegen.

    Wenn die Begeißelung seltener Weise nicht an den Zellpolen des Bakteriums, sondern an den Seiten erfolgt, spricht man von “lateraler” Begeißelung. Sie ist bzgl. Geschwindigkeit nachteilig, kann allerdings zum Navigieren in hoch-viskosen oder engen Stellen vorteilhaft sein.

    Der Erreger Vibrio cholerae ist der Verursacher der Cholera-Erkrankung (vom griechischen χολή cholḗ für “Galle”). Sie werden meist über verunreinigtes Wasser oder infizierter Nahrung aufgenommen und sorgen in den häufigsten Fällen für eine Infektion des Dünndarms. Dies hat meist extremen Durchfall und starkes Erbrechen (manchmal auch Gallenbrechdurchfall genannt) zur Folge.

    Vibrio cholerae besitzt eine monopolare Begeißelung.

    Rattenbissfieber ist eine Infektionskrankheit, die durch die Übertragung des Spirillum Spirillum minus durch einen Nagetierbiss, wie Ratten, Mäuse und Eichhörnchen, aber auch durch einen Biss von Nagetier-fressenden Haustieren, ausgelöst wird. Es tritt besonders häufig in Japan auf und verursacht zunächst ein tiefrote Verfärbung um die Bissstelle. Hierauf wechseln sich innerhalb von 4–5 Tagen fieberfreie Phasen mit Fieberschüben ab. Meist heilt es innerhalb von ein paar Wochen bis Monaten aus.

    Spirillum minus ist bipolar begeißelt.

    Anzahl und Positionierung der Flagellen

    Die Anzahl und Positionierung der Flagellen bzw. der Geißeln werden durch weitere Begriffe wie holotrich oder polytrich angegeben.

    Es gibt folgende Begriffe hierzu:

    • holotrich: Flagellen in sehr großer Zahl sind gleichmäßig über die gesamte Zelloberfläche verteilt.
    • peritrich: Viele Flagellen sind über die Zelloberfläche gleichmäßig verstreut.
    • polytrich: Eine Vielzahl von Flagellen ist in einer oder zwei Gruppen an den jeweiligen Zellpolen angeordnet.
      • monopolar-polytrich (lophotrich): Die Flagellen sind in einer Gruppe an einer der Zellpole arrangiert.
      • bipolar-polytrich (amphitrich): Die Flagellen sind in zwei Gruppen an den Zellpolen angeordnet.
    • monotrich: Die Zelle besitzt nur ein einziges Flagellum.

    Escherichia Coli (benannt nach dessen Ersten Beschreiber, dem Kinderarzt Theodor Escherich und dem lateinischen Genitiv von colon für einen Teil des Dickdarms) ist ein peritriches Bakterium, das im menschlichen Darm vorkommt. Es zählt zu den am gründlichsten erforschten Modellorganismus und bildete die Grundlage für zahlreiche Vergaben des Nobelpreises für Physiologie und Medizin.

    “Flagellenzopf” bzw. “Geißelzopf”

    Bei peritrichen Bakterien, also solchen mit über den ganzen Zellkörper verteilten Flagellen, sammeln sich die Flagellen während der gleichmäßigen Rotation automatisch zu einem “Flagellenzopf” (manchmal auch “Geißelzopf” genannt) zusammen.

    Dieser Flagellenzopf sorgt für ein schnelles Vorankommen des Bakteriums, doch für eine gezielte Kurve ist er eher ungeeignet. Wenn es nun seine Schwimmrichtung ändern möchte, dreht das Bakterium die Rotationsrichtung der Motoren kurzfristig um. Die Flagellen trennen sich vom Flagellenzopf und stehen nun radial von der Zelle ab.

    Die Schubkräfte heben sich ungefähr gegenseitig auf. Dies sorgt für ein “Taumeln” der Zelle auf der Stelle. Die Schubkräfte werden aber nicht absolut ausgewogen, weswegen die Zelle in dieser Phase ihre räumliche Ausrichtung leicht verändern kann. Nach einer kurzen Phase des “Taumelns” geht sie zum geradlinigen Schwimmen über, allerdings in eine zufällige, neue Richtung.

    Bakterien können sich eine gerade Linie nicht merken. Sie können lediglich detektieren, ob sie sich einem Lockstoff nähern oder von ihm entfernen (bzw. umgekehrt bei einem Schadstoff). Durch die langen, geradlinigen Schwimmphasen, die vom “Taumeln” unterbrochen werden, erscheint es beim Beobachten von Bakterien, als ob sie sich einem Ziel nähern, also eine gerichtete Bewegung ausführen.

    Funktion der Geißeln und Flagellen

    Flagellen bzw. Geißeln werden auf vielfältige Art und Weise von Pro- und Eukaryoten verwendet.

    Fortbewegung

    Die häufigste und vermutlich ursprüngliche Funktion von Flagellen bzw. Geißeln war vermutlich die Fähigkeit zur Mobilität. Die Formen der Mobilität unterscheiden sich allerdings von Prokaryoten zu Eukaryoten aufgrund ihrer unterschiedlichen Struktur.

    Fortbewegung bei Prokaryoten

    Einige Prokaryoten können sich gar nicht fortbewegen und müssen, um nicht von Strömungen fortgetragen zu werden, “Klebstoffe” (sog. Adhäsine) verwenden. Doch mittels Flagellen können sich bestimmte Prokaryoten schwimmend fortbewegen. Da das Filament “starr” ist, wird nur die Basis mit dem Motorenkomplex in oder gegen den Uhrzeigersinn angetrieben.

    Bakterien, die Flagellen an nur einem Zellpol besitzen (monopolar begeißelt), bewegen sich schubartig nach vorn.

    Bakterien, die Flagellen an beiden Zellpolen besitzen (bipolar begeißelt), schieben und ziehen sich gleichzeitig.

    Bakterien, die peritrich begeißelt sind, bilden automatisch einen “Flagellenzopf” bzw. “Geißelzopf” und bewegen sich nach analog zu bipolar begeißelten Bakterien fort.

    Achtung! Obwohl Flagellum im lateinischen “Peitsche” bedeutet, kommt die Zelle aufgrund der Drehbewegung des Flagellum voran, nicht in Form einer Peitschenbewegung!

    Fortbewegung bei Eukaryoten

    Eukaryoten haben die Besonderheit, dass sie dank der Motorproteine Dynein an den Mikrotubulidupletts der Geißeln bzw. Cilien deren Bewegungsrichtung bestimmen und synchronisieren können.

    Da Geißeln besonders lang sind und an der Oberfläche der Zelle meist weniger als ein Dutzend zählen – in Ausnahmefälle allerdings mehr als 1000 Geißeln –, können sie zwei verschiedene Formen der Bewegung ausführen.

    Einerseits kann eine analoge Rotation der Geißel, wie bei den Prokaryoten, erfolgen.

    Andererseits kann ein möglichst reibungsfreier Geißelschlag nach vorn erfolgen, der darauf kraftvoll und gestreckt nach hinten geschleudert wird.

    Du kannst es Dir mit der Bewegung der Arme beim Brustschwimmen vorstellen. Auch hier versucht man möglichst reibungsfrei nach vorn zu greifen, um darauf mit großen Hand- und Armflächen nach hinten schlägt, um voranzukommen.

    Cilien sind, im Gegensatz zu Geißeln, besonders kurz, kommen allerdings in sehr großer Zahl an der Zelloberfläche vor. Lebewesen mit Cilien vollführen meist einen sogenannten Cilienschlag. Hierbei werden die Cilien metachron bewegt, d. h. nicht gleichzeitig (also synchron), sondern in einer sich fortpflanzenden Welle.

    Eine solche sich fortpflanzende Zelle kann man bspw. im Fußballstadion beobachten in Form der La-Ola-Welle.

    Filtrierung

    Viele aquatische, also im Wasser lebende, Tiere filtrieren im Wasser suspendierte, winzige Nährstoffe, die die Strömung zu ihnen trägt. Hierbei können diese Tiere sowohl an einen Ort gebunden sein, wie Schwämme, oder eigenständig ihren Standort ändern, um zur Nahrungsquelle zu wandern. Solche, wie der antarktische Krill, werden motile Filtrierer genannt.

    Ein farbenfroher Bewohner der wärmeren Meere ist der Spirobranchus giganteus. Er wird auch passend als Weihnachtsbaumwurm bezeichnet. Dieser bunte Spiralröhrenwurm filtriert Nährstoffe mit seinen auffälligen Anhängseln und kann bei Bedarf seinen Sitz ändern.

    In manchen Fällen können Meeresbewohner nicht ihren Standort ändern, müssen allerdings dennoch auf schwache Strömungen und damit abschwächende Zufuhr mit Nahrungsreichen Wasser reagieren. Diese sind in der Lage, meist mit Cilien, unter eigenem Energieaufwand Wasser zu ihren Filtern strömen zu lassen. Solche Lebewesen werden auch Strudler genannt.

    Mytilus edulis, besser bekannt als gemeine Miesmuschel, ist neben der Auster einer der wichtigsten Muscheln für den Menschen zur Ernährung. Sie saugt das Meerwasser an und filtriert enthaltene Nährstoffe und andere Bestandteile heraus, darunter bedauerlicherweise auch Mikroplastik.

    Flagellum und Geißel – Unterschied Tabelle

    Die wichtigsten Unterschiede zwischen einem Flagellum und einer Geißel ergeben sich aus ihrer Geschichte. Dadurch entstanden verschiedene strukturelle Formen, die ebenso Besonderheiten in der Nutzung hervorbringen.

    AspektFlagellumGeißel
    Vorkommen
    • Kommt bei Prokaryoten vor.
    • Kommt bei Eukaryoten vor.
    Aufbau
    • Besteht aus einem Filament und einem Motorkomplex.
    • Das Filament ist eine lange, “starre und hohle” Verkettung von Proteinen, die durch den Motorkomplex angetrieben wird.
    • Der Motorkomplex folgt dem Rotor-Stator-Prinzip:
      • Die Ringe bilden hauptsächlich einen Stator.
      • Komplexe Motorproteine im Zusammenspiel mit Ringen fungieren als Rotor.
    • Der Motorkomplex bringt einen Schaft, der mit dem Filament verbunden ist, zum Rotieren.
    • Mikrotubuli können zu Zweier-Paaren, zu Mikrotubulidupletts, verbunden werden.
      • Sie werden mit Motorproteinen verbunden.
      • Zur weiteren Stabilisierung und Einschränkung der Bewegungsrichtung werden die Dupletts mittels Proteinen querstabilisert.
    • Die Dupletts werden wiederum in einem Axonem, einer “9 * 9 + 2”-Struktur, angeordnet.
    • Die Motorproteine der Dupletts können koordiniert ihre räumliche Form ändern, um eine Bewegung zu vollführen.
    • Sie befinden sich im Inneren der Geißel, d. h. das Innere gehört auch zum Inneren der Zelle, zum Cytoplasma.
    Häufigste Nutzung von Energie
    • Nutzt am häufigsten Unterschiede in der Konzentration der Protonen zum Antreiben der Motorproteine.
    • Nutzt am häufigsten ATP zum Antreiben der Motorproteine.Inneren
    Fortbewegungsformen
    • Flagellum kann nur wie eine “schlaffe Peitsche” im oder gegen den Uhrzeigersinn rotiert werden.
    • Geißel kann koordinierter Bewegungen vollführen.
      • Analog zum Flagellum eine Rotation der Geißel.
      • Eine “schlagartige Bewegung”, vergleichbar mit der Bewegung eines Arms beim Brustschwimmen.

    Geißel - Das Wichtigste

    • Geißeln oder Flagellen sind fadenförmige Anhängsel einer Zelle, die in der Lage sind, Bewegungen durchzuführen.
    • Im Allgemeinen spricht man bei Prokaryoten von Flagellen, bei Eukaryoten von Geißeln.
    • Das Flagellum besteht aus einem “starren” Filament und einem komplexen Motorkomplex.
    • Das Filament ist eine vollständig hohle Helix, bestehend aus zehntausenden aneinander geketteten Proteinen namens Flagellin.
    • Der Motorkomplex besteht aus...
      • ... einem Haken, der eine räumliche Krümmung des Filaments und dadurch eine propellerartige Bewegung während der Rotation verursacht.
      • ... mehreren Ringen, die eine Stabilisierung des Komplexes in der bzw. den Membran(en) und der Zellwand ermöglicht.
      • ... mehreren Motorproteinen, die als Stator, und mehreren Ringen, die als Rotor dienen nach dem Rotor-Stator-Prinzip.
    • Je nach Anzahl und Position der Geißeln unterscheidet man verschiedene Begeißelungstypen.
    • Die Geißel der Eukaryoten entstand vermutlich mit Mikrotubuli des Cytoskelett als Basis.
    • Die Geißel ist ein Ausläufer der Zelle, weswegen ihre Begrenzung die Zellmembran und ihr inneres zum Cytoplasma gehört.
    • Cilien sind strukturell identisch zu Geißeln, allerdings deutlich kürzer und meistens zahlreicher.
    • Flagellen, Geißeln und Cilien werden zur Fortbewegung und Filtrierung verwendet.

    Nachweise

    1. David Sadava et al. (2019). Purves Biologie. Springer.
    2. Jens Boenigk (2021). Boenigk Biologie. Springer.
    3. Helmut Plattner (2021). Abenteuer Zellbiologie: Streifzüge durch die Geschichte. Springer.
    4. evolutionslehrbuch.info: Die Entstehung des bakteriellen Rotationsmotors ist unbekannt. (20.07.2022)
    5. aaas.org: AAAS Board Resolution on Intelligent Design Theory. (20.07.2022)
    6. science.org.au: Letter—Intelligent design is not science. (20.07.2022)
    7. nsta.org: Position statement: The Teaching of Evolution. (20.07.2022)
    8. faz.net: Adam, Eva und der Stegosaurus. (20.07.2022)
    9. dzif.de: Gramnegativ. (20.07.2022)
    10. spektrum.de: Basalkörper. (21.07.2022)
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Geißel

    Wie bewegen sich einzellige Eukaryoten fort?

    Mit einer oder mehreren Geißeln und/oder Cilien.

    Welche Unterschiede bestehen zwischen einem Flagellum eines Bakterium und einer Geißel eines Eukaryoten?

    1. Das Filament des Flagellum ist “starr” und hohl, die Geißel hat die Zellmembran als Außenhaut und dessen Innenraum gehört zum Cytoplasma.
    2. Die Kraftübertragung erfolgt beim Flagellum am Motorkomplex, bei der Geißel und Cilien über die Motorproteine Dyein an den Mikrotubulidupletts.
    3. Geißeln können exakte Bewegungen ausführen, wodurch die Zelle sich besser gezielter fortbewegen kann.
    4. Die meisten Prokaryoten verwenden einen Protonengradienten, die Eukaryoten ATP zum Antreiben der Motorproteine.

    Wie groß sind das Flagellum, die Geißel und Cilien?

    • Das Filament des Flagellum erreicht eine Länge von 5–20 µm.
    • Die Geißel von Eukaryoten erreicht eine Länge von 100–200 µm.
    • Cilien haben lediglich eine Länge von bis zu 0,25 µm.

    Was ist die Funktion des Flagellum, der Geißel und der Cilien?

    Sie dienen der Fortbewegung und der Filtrierung.

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    Ein Bakterium hat an einem Zellpol ein Flagellum. Wie wird dies bezeichnet?

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    Wie wird die Begeißelung benannt, wenn sich seitlich des Bakteriums, nicht an den Zellpolen ist?

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    StudySmarter ist ein weltweit anerkanntes Bildungstechnologie-Unternehmen, das eine ganzheitliche Lernplattform für Schüler und Studenten aller Altersstufen und Bildungsniveaus bietet. Unsere Plattform unterstützt das Lernen in einer breiten Palette von Fächern, einschließlich MINT, Sozialwissenschaften und Sprachen, und hilft den Schülern auch, weltweit verschiedene Tests und Prüfungen wie GCSE, A Level, SAT, ACT, Abitur und mehr erfolgreich zu meistern. Wir bieten eine umfangreiche Bibliothek von Lernmaterialien, einschließlich interaktiver Karteikarten, umfassender Lehrbuchlösungen und detaillierter Erklärungen. Die fortschrittliche Technologie und Werkzeuge, die wir zur Verfügung stellen, helfen Schülern, ihre eigenen Lernmaterialien zu erstellen. Die Inhalte von StudySmarter sind nicht nur von Experten geprüft, sondern werden auch regelmäßig aktualisiert, um Genauigkeit und Relevanz zu gewährleisten.

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    StudySmarter Redaktionsteam

    Team Biologie Lehrer

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    • Geprüft vom StudySmarter Redaktionsteam
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