Lewis-Säure-Base-Theorie

Für die Chemie sind Bindungen das Konstrukt, das den Aufbau sehr großer und komplexer Moleküle aus verschiedenen Atomen ermöglicht. Bindungen bestehen immer aus zwei Elektronen, also aus einem Elektronenpaar.

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    Hierbei ist es wichtig zu verstehen, dass Bindungen dadurch entstehen, dass ein Atom beziehungsweise eine Verbindung ein Elektronenpaar zur Verfügung stellt, während ein anderes Atom oder eine andere Verbindung dieses Elektronenpaar nutzt, um eine Bindung herzustellen.

    Diese grundlegende Unterscheidung zwischen Teilchen, die Elektronen zur Verfügung stellen und Teilchen, welche diese Elektronen zwecks Bindung akzeptieren, hat schon der US-amerikanische Chemiker Gilbert Newton Lewis unternommen und sein Lewis-Säure-Base-Konzept entwickelt.

    Dieses Konzept ist die Grundlage aller Reaktionsmechanismen der Chemie, aber insbesondere der organischen Chemie.

    Lewis-Säure-Base-Konzept – Definition

    Elektronen befinden sich in der Chemie, anders als es in der Physik sein kann, in den meisten Fällen an einem Atom und liegen nie allein vor. Dabei sind sie entweder bereits an einer Bindung beteiligt oder liegen als freie Elektronenpaare vor, die für neue Bindungen genutzt werden können.

    Verbindungen, die ein freies Elektronenpaar haben, das für neue Bindungen genutzt werden kann, nennt man Lewis-Basen. Sie sind Elektronendonatoren (engl. to donate = spenden/geben).

    Verbindungen, die dieses freie Elektronenpaar nutzen, um eine Bindung zur Lewis-Base auszubilden, nennt man Lewis-Säuren. Sie werden Elektronenakzeptoren genannt.

    Es ist wichtig zu verstehen, dass die Ausbildung einer neuen (kovalenten) Bindung nicht zwischen zwei Lewis-Basen bzw. Lewis-Säuren stattfinden kann. Denn wenn beide Verbindungen Elektronen zur Verfügung stellen, nutzt keine Verbindung das freie Elektronenpaar der anderen Verbindung.

    Die Grundlage davon ist das Donator-Akzeptor-Prinzip, welches zum Beispiel auch bei Redoxreaktionen (siehe entsprechenden Artikel) Anwendung findet und für die ganze Chemie von Bedeutung ist:

    Einer muss geben, der andere nehmen!

    Lewis-Base Definition

    Lewis-Basen müssen mindestens ein freies Elektronenpaar besitzen, um eins zur Verfügung stellen zu können.

    Um zu wissen, ob und an welchem Atom eine Verbindung ein freies Elektronenpaar besitzt, schaut man sich die Strukturformel an.

    Lewis-Basen Beispiele

    Ammoniak ist beispielsweise eine Lewis-Base, da das Ammoniakmolekül ein freies Elektronenpaar besitzt.

    Weitere typische Lewis-Basen sind:

    • Wasser (H2O),
    • Fluoridion (F-),
    • Cyanidion (CN-),
    • Kohlenstoffmonoxid (CO).

    Lewis-Säure Elektronenakzeptor

    Lewis-Säuren hingegen müssen das Bestreben haben, Elektronen anzuziehen, etwa durch eine positive (oder partiell positive) Ladung. Sie müssen also elektrophil sein. Elektrophil bedeutet so viel wie"elektronenliebend".

    Die Fähigkeit von Lewis-Säuren Elektronen anzuziehen beziehungsweise selbst von diesen angezogen zu werden, beruht auf der elektrostatischen Wechselwirkung; das heißt ganz einfach, dass sich gegensätzliche Ladungen anziehen (die negative Ladung des Elektrons und die positive Ladung der Lewis-Säure).

    Lewis-Säure Tabelle

    Beispiele für Lewis Säuren sind folgende Moleküle:

    • Bortrifluorid (BF3),
    • Eisen(III)-chlorid (FeCl3),
    • Silberion (Ag+),
    • Aluminiumion (Al3+),
    • Schwefeltrioxid (SO3),
    • Kohlenstoffdioxid (CO2).

    Der Einfluss der Elektronegativität auf die Bindungsausbildung

    Damit Lewis-Säuren eine Bindung zu einer Lewis-Base ausbilden können, darf die Elektronegativität der Lewis-Säure weder zu stark noch zu schwach sein.

    Das bedeutet, dass der Unterschied zur Elektronegativität der Lewis-Base (die Elektronegativitätsdifferenz) nicht zu hoch sein darf.

    Die Elektronegativität ist eine positive, einheitslose Zahl. Sie gibt an, wie stark ein Atom Elektronen zu sich ziehen kann. Die größte Elektronegativität von 4 hat Fluor. Je größer die Elektronegativität ist, desto stärker zieht ein Atom Elektronen an sich. Die Elektronegativität kannst Du am Periodensystem ablesen.

    Die Elektronegativitätsdifferenz zwischen Lewis-Säure und Lewis-Base darf zwecks Bindungsausbildung deshalb nicht zu hoch sein, weil sonst

    1. die Elektronen entweder bei der Lewis-Base als freies Elektronenpaar verbleiben (das heißt die Lewis-Säure zieht zu schwach/hat eine zu geringe Elektronegativität)
    2. oder die Elektronen werden so stark von der Lewis-Säure angezogen, dass sie der Lewis-Base vollständig entzogen werden; sie liegen dann als freies Elektronenpaar bei der Lewis-Säure vor (das heißt die Lewis-Säure zieht zu stark/hat eine zu hohe Elektronegativität)

    Die Elektronegativitätsdifferenz muss für eine kovalente Bindung kleiner als 1,70 sein.

    Man kann es sich so vorstellen, dass Lewis-Base und Lewis-Säure beide tauziehen/seilziehen (das Tau/Seil stellt die Elektronen dar).

    Wenn beim Tauziehen beide Teilnehmer (Säure und Base) in etwa gleich stark sind, bleibt das Seil (die Elektronen) zwischen den beiden Teilnehmern und das Seil wird geteilt (es entsteht eine kovalente Bindung).

    Wenn hingegen ein Teilnehmer viel stärker zieht, wird das Seil zum stärkeren Teilnehmer hingezogen und dem schwächeren Teilnehmer entzogen (es entsteht keine Bindung).

    Lewis-Säure-Base-Konzept – Beispiele

    Wir betrachten ein Ammoniakmolekül, das ein freies Elektronenpaar hat. Ammoniak ist also eine Lewis-Base. Wie man an der Strukturformel sieht, gehört das freie Elektronenpaar zum Stickstoffatom.

    Ein Wasserstoffkation/Proton \((H^+)\) besitzt eine positive Ladung und ist damit eine Lewis-Säure.

    Denn das Proton kann Elektronen anziehen oder selbst von diesen angezogen werden und ist somit elektrophil.

    Damit eine Bindung zwischen dem Ammoniakmolekül und dem Proton ausgebildet wird, zieht das Proton am freien Elektronenpaar des Ammoniakmoleküls (genauer des Stickstoffatoms) und bildet somit eine Bindung zum Ammoniakmolekül aus (über das Stickstoffatom).

    Betrachtet man die Elektronegativitäten von Wasserstoff (2,20) und von Stickstoff (3,04) fällt auf, dass Stickstoff zwar stärker an Elektronen zieht, aber auch, dass die Elektronegativitätsdifferenz von 3,04 - 2,20 = 0,84 kleiner als 1,70 ist. Also wird eine kovalente Bindung ausgebildet.

    Wenn hingegen ein Natriumkation mit der Elektronegativität von 0,90 mit dem freien Elektronenpaar vom Ammoniakmolekül wechselwirkt, wird keine Bindung ausgebildet. Denn die Elektronegativitätsdifferenz wäre dann 3,04 - 0,90 = 2,14, was deutlich größer als 1,70 ist. Das freie Elektronenpaar würde beim viel stärker ziehenden Stickstoffatom verbleiben, während in Wechselwirkung mit dem Proton das Elektronenpaar unter Entstehung einer kovalenten Bindung geteilt wird.

    Vergleich zur Säure-Base-Theorie nach Brønsted

    Der Begriff der Säure beziehungsweise Base findet sich auch in der Säure-Base-Theorie nach dem dänischen Chemiker Johannes Nicolaus Brønsted wieder. Dabei gibt es eine Menge Parallelen mit kleinen Unterschieden zum Säure-Base-Konzept nach Lewis.

    Erstens unterscheidet Brønsted auch Verbindungen nach Donatoren und Akzeptoren, jedoch nicht hinsichtlich Elektronen, sondern hinsichtlich Protonen.

    Zweitens nutzt Brönsted den Begriff der Säure und Base zwar auch, jedoch sind Säuren bei ihm die (Protonen-)donatoren und Basen bei ihm die (Protonen-)akzeptoren, während das Donator-Akzeptor-Verhältnis bei Lewis umgekehrt ist.

    Drittens haben die Brønsted-Basen (Protonenakzeptoren) genauso wie die Lewis-Basen (Elektronendonatoren) ein freies Elektronenpaar.

    Diese Parallelen zur Säure-Base-Theorie nach Brønsted zu kennen, erleichtert das Verständnis des Donator-Akzeptor-Prinzips und verdeutlicht weiterhin, dass dieses Prinzip Verständnisgrundlage sehr vieler Aspekte der Chemie ist. Mehr zur Brønsted Säure-Base-Theorie findest Du im entsprechenden Artikel.

    Lewis-Säure-Base-Theorie – Das Wichtigste

    • Damit eine kovalente Bindung im Laufe einer Reaktion entsteht, sind Elektronendonatoren und -akzeptoren nötig.
    • Lewis-Base Definition: Lewis-Basen (Elektronendonatoren) sind negativ oder partiell negativ geladene Moleküle oder Ionen, die einen Elektronenüberschuss haben.
    • Lewis-Säure Elektronenakzeptor: Lewis-Säuren sind positiv beziehungsweise partiell positiv geladen und damit elektrophil; sie ziehen Elektronen an.
    • Die Elektronegativitätsdifferenz zwischen Lewis-Säure und -Base darf nicht zu hoch sein, damit eine kovalente Bindung entsteht; sonst kommt es zur Ladungstrennung.

    Nachweise

    1. W.B. Jensen. (1980). The Lewis acid-base concepts: an overview. Wiley.
    2. H. Yamamoto. (1999). Lewis acid reagents: a practical approach. Oxford University Press.
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Lewis-Säure-Base-Theorie

    Ist jede Brønsted-Säure eine Lewis-Säure?

    Nein, nicht jede Brønsted-Säure ist auch zwangsläufig eine Lewis-Säure. Lewis-Säuren sind Elektronenakzeptoren, während Brønsted-Säuren Protonendonatoren sind. HCl (Salzsäure) zum Beispiel ist eine Brønsted-Säure, aber keine Lewis-Säure, da sie keine positive Ladung hat.

    Ist Wasser eine Lewis-Säure?

    Lewis-Säuren sind Elektronenakzeptoren. Das Wassermolekül hat jedoch keine positive Ladung. Zwar haben die Wasserstoffatome jeweils eine partiell positive Ladung, jedoch zerfällt das Wassermolekül bei Ausbildung einer Bildung von den Wasserstoffatomen zu anderen Molekülen. Wasser ist somit keine Lewis-Säure, aber eine Lewis-Base, weil das Sauerstoffatom des Wassermoleküls zwei freie Elektronenpaare hat.

    Woran erkennt man eine Lewis-Säure?

    Lewis-Säuren erkennt man grundsätzlich an ihrer positiven Ladung, denn Lewis-Säuren sind Elektronenakzeptoren.

    Was besagt die Säure Base Theorie nach Brønsted?

    Nach Brønsted ist eine Säure eine Verbindung, die Protonen (Wasserstoffkationen bzw. H+) abgibt, während eine Base eine Verbindung ist, die Protonen aufnimmt.

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