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Warum wir Oxidationszahlen brauchen
Eine dieser Theorien ermöglicht dir Redoxreaktionen beziehungsweise ihre Teilreaktionen, die Reduktion und die Oxidation, zu erkennen und zu beschreiben. Die Oxidationszahlen (auch Oxidationsstufen oder -zustände genannt) sind eine Modellvorstellung, die dir dabei hilft herauszufinden, ob das betrachtete Atom in einer Bindung mit anderen Atomen mehr oder weniger Valenzelektronen zur Verfügung hat, als es im neutralen Zustand haben würde. Das Ergebnis dieser Betrachtung wird anschließend mit hypothetischen Ionenladungen bezeichnet, die die Oxidationszahlen darstellen!
Mit "hypothetischer Ladung" ist hier einfach eine Ladung gemeint, wie Du sie bei Ionen bereits kennst. Also das einfach negativ geladene Chlorid-Ion (Cl-) oder das zweifach positiv geladene Magnesium-Ion (Mg2+), haben jeweils eine Ladung.
Wichtig ist aber, dass es wirklich nur hypothetische, also theoretische Ladungen sind. Um diese von den eigentlichen Ionenladungen zu unterscheiden, werden die hypothetischen Ladungen in Form der Oxidationszahlen, startend mit dem Vorzeichen geschrieben. Also beispielsweise +3 oder -4. Die Ladung eines Ions hingegen wird startend mit der Zahl und am Ende mit dem Vorzeichen geschrieben. Beispielsweise bei einem Sulfid Ion (S2-) oder dem Aluminium-Ion (Al3+).Merke dir diesen Unterschied am besten schnell, denn er ist wirklich wichtig!
Das klingt jetzt vielleicht komplizierter, als es eigentlich ist, aber am Ende dieser Erklärung wirst Du sehen, dass es gar nicht so schwer ist und dir gleichzeitig einen wichtigen Aspekt der Chemie erklären wird.
Anwendung der Oxidationszahlen
Stell dir einmal vor, dass alle mehratomigen Moleküle einer Reaktionsgleichung nicht als kovalente Bindungen, sondern als Ionen vorliegen würden. Diesen “Ionen” weißt Du anschließend die bereits genannten hypothetischen Ladungen zu. Lass uns dazu einmal ein Beispiel anschauen, bei dem Du die folgende Reaktionsgleichung betrachtest:
Die Aufgabe besteht nun darin herauszufinden, ob es sich bei der Reaktion um eine Redoxreaktion handelt und wenn ja, was reduziert und was oxidiert wird. Der erste Schritt ist nun, sich die theoretischen Ionen vorzustellen. Hier das Ganze einmal aufgeschrieben:
In diesem Beispiel liegen die Verbindungen auch als reale Ionen vor, denn die Reaktion findet tatsächlich in Lösung statt. Oftmals findest Du also auch bei der Aufstellung der Oxidationszahlen direkt die Ladungen der eigentlichen Ionen heraus. Als zweiten Schritt weißt Du den theoretischen Ionen ihre hypothetische Ladung zu. Dafür gibt es einige sehr hilfreiche Regeln, die Du beachten musst.
Oxidationszahlen – Regeln
Tatsächlich gibt es zahlreiche Regeln, die für Oxidationszahlen gelten. Zu jeder gibt es zudem einige Ausnahmen. Im Folgenden lernst Du die wichtigsten Regeln und ihre Ausnahmen schrittweise kennen, damit auch die Umsetzung für dich nicht zum Problem wird.
1. Atome in ihrer elementaren Form haben die Oxidationszahl ±0.
Du erinnerst dich sicherlich an Magnesium in der vorherigen Gleichung. Magnesium kommt hier in seiner elementaren Form vor, das heißt, es steht allein. Weitere Beispiele sind:
2. Einatomige Ionen erhalten eine Oxidationszahl entsprechend der Ladung des Ions.
Zurück zu dem Beispiel von vorhin. Dort findest Du unter anderem auch H+. Wasserstoff ist in diesem Fall einfach positiv geladen und erhält somit die Oxidationszahl +1.
Es wird auch vorkommen, dass Oxidationszahlen in römischen Zahlen geschrieben werden. Inzwischen ist das nicht mehr die Norm, auch die Oxidationszahlen werden von arabischen Ziffern abgelöst.
Weitere Beispiele für einatomige Ionen mit entsprechender Oxidationszahl sind:
3. Nichtmetalle haben meist negative Oxidationszahlen, Metalle besitzen positive Oxidationszahlen.
Die folgende Tabelle zeigt dir dabei die wichtigsten Elemente mit ihrer entsprechenden Oxidationszahl. Wichtig ist dabei, dass Du nicht vergisst, dass die Regeln nur für die jeweiligen Elemente in Verbindung gelten.
Element | Oxidationszahl |
SauerstoffSauerstoff mit FluorSauerstoff in Wasserstoffperoxid (H2O2) | –2+2–1 |
Wasserstoff mit NichtmetallenWasserstoff mit Metallen | +1–1 |
Halogene | –1 |
Alkalimetalle | +1 |
Erdalkalimetalle | +2 |
Nichtmetalle | höchste Oxidationszahl entsprechend der Hauptgruppe |
Wenn sich zwei Regeln gegenseitig behindern, wendest Du immer die Regel zuerst an, die für das Element mit der höheren Elektronegativität gilt. Dieses zieht die Elektronen stärker an und muss daher zuerst beachtet werden. Das zweite Element wird daran angepasst.
4. Die Summe der Oxidationszahlen in einer Verbindung ist gleich der Ladung der Verbindung
Sobald nun komplexe Moleküle auftrete oder die Ionen mehratomig sind, erscheinen Oxidationszahlen auf den ersten Blick nicht machbar. Mithilfe der dir vorgestellten Regeln wirst Du aber auch hier schnell zum Profi. Wichtig ist, dass Du immer bedenkst, dass die Summe der Oxidationszahlen gleich der Ladung der Verbindung ist. Ist ein Molekül neutral, ist die Summe gleich 0.
Das erste Beispiel, dass Du Dir anschaust, ist Ammonium (NH4+). Wie Du siehst, ist das Ion einfach positiv geladen. Die Summe muss also +1 ergeben. Für Stickstoff (N) ist die Oxidationszahl nicht bekannt, also variabel. Dafür kennst Du die Oxidationszahl für Wasserstoff mit einem Nichtmetall: +1. Es ergibt sich eine vierfach positive Ladung. Da das Ergebnis aber nur einfach positiv sein soll, benötigt es eine -3, die dann der Stickstoff erhält.
Das Gleiche gilt für das Sulfation (SO42-). Als Tipp zur Bestimmung: Sauerstoff besitzt die Oxidationszahl -2. Nun musst Du nur noch rechnen und erhältst folgenden Oxidationszahlen:
Zinn ist hier insofern ein besonderes Beispiel, weil es, wie einige andere Elemente, in verschiedenen Verbindungen auch unterschiedliche Oxidationszahlen haben kann. Du musst das aber nicht auswendig lernen, denn wie das Zinn vorliegt, wird immer mit im Namen angegeben, oder Du kannst es ganz einfach mit den Regeln herausfinden.
Zinn(II)-oxid (ZnO): Du kannst wieder dem Sauerstoff eine -2 zuweisen und weißt dadurch, dass das Zinn ein +2 haben muss, da das gesamte Molekül neutral ist.
Zinn(IV)-oxid (ZnO2): Da wir zwei Sauerstoffatome haben, die zusammen die Oxidationszahl -4 haben, muss das Zink in diesem Fall eine +4 erhalten.
Zinn(II)-chlorid (ZnCl2): Aufgrund der dritten Regel weißt Du, dass Halogene meist negative Oxidationszahlen erhalten. Und da Zink in diesem Fall eine +2 bekommt, muss jedes Chlorid eine -1 erhalten.
In der folgenden Tabelle sind noch ein paar weitere Beispiele für dich. Es werden 3 Moleküle betrachtet und sie bestehen jeweils aus zwei Elementen. Das erste Element in der Tabelle ist immer das, welches Du durch eine der Regeln bestimmst. Das zweite Element wurde rechnerisch ermittelt, indem darauf geachtet wurde, dass die Summe der Oxidationszahlen der Ladung des Moleküls entsprach (Regel 4).
Für den Schwefelwasserstoff (H2S) ist direkt zu erkennen, dass der Wasserstoff einen Wert von +1 haben muss. Da es zwei Wasserstoffe gibt, und das Molekül insgesamt neutral ist, muss Schwefel in der Verbindung einen Wert von -2 haben. Die anderen beiden Beispiele wurden nach dem gleichen Prinzip berechnet.
Verbindung | 1. Element | 2. Element | Gesamtgleichung |
H2S | H = +1 | S = -2 | |
Cr2O7-2 | O = -2 | Cr = +6 | |
SCl2 | Cl = -1 | S = +2 |
Anwendung der Regeln in Reaktionen
Aber nochmal zurück, zum Beispiel von oben und wie Du die Oxidationszahlen dort bestimmen kannst.
Magnesium (Mg) und Wasserstoff (H2) liegen in der Gleichung in elementarer Form vor, weshalb sie jeweils die Ladung 0 erhalten. (1. Regel). Die markierten Elemente liegen nun nicht mehr als Moleküle, sondern als hypothetische Ionen vor. Die Wertigkeiten der Elemente findest Du ganz einfach im Periodensystem der Elemente anhand der Hauptgruppen, wodurch Du die Ladungen der Ionen herausfindest und durch die 2. Regel entsprechend ihren Oxidationszahlen bestimmen kannst. Eine Übersicht zu den Zahlen kannst Du in Abbildung 1 sehen.
Um das zu festigen, noch ein weiteres Beispiel der Verteilung von Oxidationszahlen. Diesmal stellst Du Dir die Ionen nur vor und schreibst sie nicht auf, um etwas schneller zu werden.
Eisen (Fe) und Kupfer (Cu) liegen elementar vor, weshalb ihre Oxidationszahl jeweils 0 ist. Kupferoxid (CuO) hat ein Sauerstoff, dass laut der 2. Regel mit -2 bewertet wird. Da das gesamte Molekül keine Ladung hat, müssen die Oxidationszahlen zusammen 0 ergeben (4. Regel). Deshalb hat das Cu die Oxidationszahl +2. Eisenoxid (FeO) kann auf gleichem Wege berechnet werden. Sauerstoff hat die Oxidationszahl -2, weshalb das Eisen die Oxidationszahl +2 erhalten muss (Abbildung 2).
In dieser Reaktion wurde nur als Beispiel direkt auch schon die Reduktion und die Oxidation beschriftet. Das wird aber nach dem nächsten Abschnitt noch einmal genauer betrachtet.
Es gibt einige Elemente, die aufgrund ihrer Beschaffenheit verschiedene Oxidationszahlen haben können, je nach dem in welcher Verbindung sie vorliegen. Als Beispiel wurde hier schon Wasserstoff und Sauerstoff gezeigt. Wundere dich also nicht, wenn Du manchmal eine andere Oxidationszahl bei dem gleichen Element in einer anderen Verbindung bekommst. Eisen beispielsweise hat in der Verbindung FeSO4 die Oxidationszahl +2 und in Fe2O3 die Oxidationszahl +3. Orientiere dich einfach an den Regeln und dann klappt das.
Organische Verbindungen und die Lewis-Formel
Die vorherigen Beispiele haben sich nur auf anorganische Verbindungen bezogen und waren zudem auch recht einfach gehalten. Es gibt allerdings Situationen, in denen komplexere Moleküle wie organische Verbindungen betrachtet werden oder Du einfach eine Lewis-Formel vorgegeben bekommst.
Die Lewis-Formel zeigt uns die chemische Struktur von Atomen und Molekülen. Dazu werden die Atome selbst sowie auch ihre Valenzelektronen dargestellt. Um es übersichtlicher zu gestalten, werden diese Valenzelektronen, wenn möglich, als Elektronenpaare dargestellt. Das geht entweder durch zwei Punkte oder als eine durchgehende Linie (siehe Abbildung 3).
Bedenke aber, dass Elektronenpaare, die zwischen zwei Atomen liegen, auch von beiden genutzt werden können. Welches Atom in der Bindung diese Elektronen nun aber nutzen darf, hängt von der Elektronegativität des Atoms ab und wird in Abbildung 4 gezeigt. Umso höher die Elektronegativität ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich das Elektron im Umfeld des elektronegativeren Atoms befindet. Dadurch entsteht ein Dipolmoment und das Atom wird negativer als das Atom, welches das Elektron abgegeben hat.
Im Methan hat der Sauerstoff mit 3,44 eine höhere Elektronegativität als der Wasserstoff (2,2), weshalb sich eine Tendenz der Elektronen zum Sauerstoff zeigt. Haben beide Atome eine fast identische Elektronegativität oder handelt es sich sogar um das gleiche Atom, werden die Bindungselektronen unter ihnen gleichmäßig aufgeteilt.
Sowohl die Anzahl der Valenzelektronen als auch die Elektronegativitäten der Elemente findest Du ganz einfach im Periodensystem. Die Elektronegativität gibt dir dabei eine Aussage darüber, wie stark ein Atom in einer Verbindung die Elektronen von anderen Atomen anzieht. Ist sie höher als die des anderen Atoms, so wird es das Elektron zu sich ziehen. Ist die Elektronegativität niedriger, wird es sein Bindungselektron abgeben.
Egal welche Aufgabe Du vorgesetzt bekommst, es kann hilfreich sein, die Aufgabe mit der Lewis-Formel zu lösen, da sie die Lage und Umlagerung der Valenzelektronen und damit auch die Entstehung der Oxidationszahlen besser darstellt.
Was wird also genau gezeigt?
Zu erkennen sind die Valenzelektronen eines jeden Atoms und ob sie frei vorliegen oder mit einem anderen Atom geteilt werden. Je nach Elektronegativität der Atome, die an einer Bindung beteiligt sind, können die beteiligten Valenzelektronen aufgeteilt werden, wodurch sich wiederum die Oxidationszahlen der Atome ändern. In Abbildung 5 kannst Du dir dazu mal ein Beispiel ansehen. Fokussiere dich zu Beginn erstmal ausschließlich auf das linke Kohlenstoffatom.
Du kannst hier ein Kohlenstoffatom erkennen, das vier Bindungen eingegangen ist. Dreimal mit Wasserstoff- und einmal mit einem anderen Kohlenstoffatom. Da das Kohlenstoff vier Valenzelektronen hat, kann es auch vier Elektronen für Bindungen mit anderen Atomen bereitstellen. Schaust Du Dir die beteiligten Atome genauer an, ist zu erkennen, dass Kohlenstoff eine höhere Elektronegativität hat als Wasserstoff und somit die Bindungselektronen der Wasserstoff-Ionen zu sich hin zieht. Da die beiden Kohlenstoffatome die gleiche Elektronegativität aufweisen, werden die Bindungselektronen zwischen ihnen gleichmäßig aufgeteilt.
Das betrachtete Kohlenstoffatom (links) hat also keine seiner Bindungselektronen abgegeben und drei Elektronen erhalten. Somit ergibt sich eine Oxidationszahl von -3. Hätte es hingegen nur seine Bindungselektronen behalten und keine zusätzlichen bekommen, wäre die Oxidationszahl bei 0 geblieben. Und wäre das Gegenteil eingetreten und das Kohlenstoffatom hätte drei seiner Bindungselektronen abgeben müssen, so wäre die Oxidationszahl auf +3 gestiegen.
Gleichzeitig kannst Du jetzt aussagen, dass die Oxidationszahl aller beteiligten Wasserstoff-Ionen +1 beträgt, denn sie haben jeweils ein Bindungselektron an das Kohlenstoff abgegeben und keine weiteren Bindungspartner (siehe Abbildung 6).
So kannst Du das gesamte Molekül durchexerzieren und würdest die Oxidationszahlen in Abbildung 7 erhalten.
Oxidationszahlen: Erkennen einer Redoxreaktion
Den Sinn hinter diesem ganzen Aufwand findest Du nun in der zum Beginn gestellten Aufgabe. Ist unsere Reaktion nun eine Redoxreaktion oder nicht? Schau dazu doch nochmal kurz in unseren Rückblick zu Redoxreaktionen rein, damit Du auch wirklich die Anwendung verstehen kannst.
Eine Redoxreaktion wird immer in zwei Teilreaktionen unterteilt. Zum einen ist da die Oxidation, in welcher einem Stoff ein Elektron entzogen wird. In der zweiten Reaktion wird dieses Elektron einem anderen Stoff wieder hinzugefügt. Diese wird Reduktion genannt. Hier ein generelles Beispiel einer Redoxreaktion:
Das Aluminium hat in dieser Reaktion drei Elektronen abgegeben und ist damit zu unserem Kation geworden. In der Reaktion wurde es also oxidiert und beschreibt die erste Teilreaktion. Diese sieht wie folgt aus:
Beachte dabei, dass Du zwei Aluminiumatome vorzuliegen hast. Es werden also zweimal die Elektronen abgegeben, weshalb in der Gleichung auch sechs Elektronen beschrieben werden. Das Gleiche gilt auch für die Reduktion.
Das Eisen hingegen hat die frei gewordenen Elektronen des Aluminiums aufgenommen und ist damit zu einem Anion geworden. Es ist also reduziert worden und zeigt die zweite Teilreaktion.
Um wie in diesem Beispiel die Teilreaktionen zuordnen zu können, benötigst Du die Oxidationszahlen.
Die erste Teilreaktion ist die Reduktion und Du erkennst sie daran, dass ein Molekül beziehungsweise ein Atom der Gleichung eine Verringerung der Oxidationszahl erfahren hat. Die Oxidation und damit die zweite Teilreaktion erkennst Du an der Erhöhung der Oxidationszahl eines Moleküls. Moleküle deren Oxidationszahlen gleich bleiben, werden "begleitende Moleküle" genannt. Sie haben vielleicht eine essenzielle Funktion in der Reaktion, sind jedoch nicht an der Reduktion oder Oxidation beteiligt. In Abbildung 8 kannst Du nun erkennen, welche Moleküle reduziert und welche oxidiert wurden.
Oxidation:
Reduktion:
Die Reaktionsgleichung zeigt also nachgewiesenermaßen eine Redoxreaktion und zugleich konntest Du feststellen, welche Moleküle oxidiert und welche reduziert wurden. Damit Du Dir aber noch etwas besser vorstellen kannst, warum Du die Oxidationszahlen wirklich brauchst, um eine Redoxreaktion beschreiben zu können, wird jetzt noch mal die atomare Ebene einer Verbindung betrachtet.
Oxidationszahlen versus Formalladung versus wirkliche Partialladung
Mit den Oxidationszahlen hast Du eine Theorie kennengelernt, in welcher die Verteilung der Elektronen in den Bindungen komplett von den Elektronegativitäten abhängt. Elektronen werden also eindeutig einem Atom zugewiesen und die Zuweisung passiert aufgrund ihrer Elektronegativität. Bei der Salzsäure (HCl) würde das Valenzelektron des Wasserstoffatoms also zu denen des Chloratoms gezählt werden (siehe Abbildung 9).
Ein anderes Modell beachtet die Elektronegativitäten hingegen gar nicht. Die Formalladung betrachtet die Bindungselektronen einer Bindung und teilt sie immer gleichmäßig unter den Bindungspartnern auf. Jedoch werden auch in diesem Modell die Elektronen eindeutig einem Atom zugeordnet, um zu erkennen, ob in der Bindung eine Differenz an Elektronen zum neutralen Zustand des Atoms besteht (Abbildung 10).
Die letzte Theorie, die in diesem Zusammenhang betrachtet wird, ist die tatsächliche Partialladung von Molekülen. Dieses Modell zeigt uns auf, dass sowohl die Oxidationszahl, als auch die Partialladung den Zustand der Valenzelektronen in einer Bindung nicht wirklich korrekt beschreiben. Zwar wird auch hier die Elektronegativität der Atome einer Bindung und die bei einer Differenz vorliegenden Partialladung betrachtet, aber eindeutig zugewiesen werden Valenzelektronen beziehungsweise Bindungselektronen nicht.
Es lässt sich also eine Aussage darüber treffen, wo sich die Valenzelektronen mit hoher Wahrscheinlichkeit befinden und das kann durch eine Elektronendichteverteilung dargestellt werden, aber mehr auch nicht. Das Beispiel in Abbildung 11 zeigt erneut die Verbindung von Wasserstoff und Chlor in einem HCl-Molekül. Dabei wird die Elektronendichte mit einem Farbcode beschrieben. Von blau als Region, in der eine positivere Ladung vorherrscht, zu rot, in der eine negative Ladung vorliegt. Und dazu sind Bereiche, die einen Übergang dieser Farben beziehungsweise der Elektronendichte aufzeigen, als grün und gelb zu erkennen.
Interessiert dich das Thema Elektronendichteverteilung? Dann schau doch mal in unsere Artikel zu Molekülorbitalen oder Elektronegativitäten vorbei.
Warum Du die Oxidationszahlen brauchst
Warum genau schaust Du Dir jetzt die Oxidationszahlen an, wenn es doch offensichtlich nicht absolut der Wahrheit entspricht?
Zuerst einmal muss eine Theorie nicht zu 100 % der Realität entsprechen, um als Hilfsmittel genutzt zu werden. Oxidationszahlen erlauben uns trotz ihrer Ungenauigkeiten die Vorgänge in kovalenten Bindungen zu verstehen und erste Schlüsse daraus zu ziehen. Außerdem ist das Verständnis für die Oxidationszahlen eine Grundlage, um weitere meist komplexere Modelle verstehen zu können. Das Prinzip dahinter heißt lies to children ("Lügen für Kinder") und nein, das ist nichts Schlechtes. Im Gegenteil! Das ist ein Prozess, durch den jede Person gehen muss, wenn sie gewisse Dinge (besser) verstehen möchte.
Also, auch wenn es dir im ersten Moment unnütz vorkommen mag, so haben Oxidationszahlen ihre Berechtigung und sie werden dir einen neuen Blick auf chemische Verbindungen aufzeigen, der dir im Anschluss den Zugang zu weiteren Modellen ermöglicht.
Oxidationszahlen - Das Wichtigste
- Du brauchst Oxidationszahlen, um eine Redoxreaktion erkennen zu können.
- Dazu werden hypothetische Ionenladungen genutzt.
- Die hypothetischen Ladungen lassen sich mittels der Regeln und dem Periodensystem bestimmen.
- Die Regeln zur Bestimmung der Oxidationszahlen lauten.
- Atome in elementarer Form haben immer die Oxidationszahl 0.
- Einatomige Ionen erhalten eine Oxidationszahl entsprechend der Ladung des Ions.
- Nichtmetalle haben eine negative Oxidationszahl.
- Die Summe der Oxidationszahlen in einer Verbindung ist immer gleich der Ladung der Verbindung.
- An der Lewis-Formel erkennt man die Interaktionen der Atome und ihrer Valenzelektronen besser als an Strukturformeln.
- Elektronegativitäten geben eine Aussage darüber, welches Atom in einer Bindung die Bindungselektronen beanspruchen wird.
- Je mehr Bindungselektronen von anderen Atomen beansprucht werden, umso negativer wird die Oxidationszahl.
- Neben der Partialladung und der wirklichen Partialladung, sind die Oxidationszahlen zwar nicht die präziseste Möglichkeit um das Verhalten von Bindungselektronen zu erklären, aber trotzdem eine aussagekräftige.
Nachweise
- Brown, T.L. , LeMay, H.E. , Bursten, B.E. (2011). Chemie Studieren Kompakt (10. Auflage). Pearson.
- Docplayer.org: Allgemeine und anorganische Chemie (14.11.2022))
- Fh-muenster.de: Regeln zur Ermittlung von Oxidationszahlen (14.11.2022)
- Cup.uni-muenchen.de: Bindungen in Organischen Molekülen (14.11.2022)
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Oxidationszahlen
Wie kann man die Oxidationszahlen bestimmen?
Mit Hilfe der Regeln zur Ermittlung der Oxidationszahlen. Oder mit der Lewis-Formel der zu untersuchenden Verbindung, wobei mittels der Elektronegativitäten der Atome bestimmt wird, wer Elektronen abgibt und wer sie annimmt.
Was sind Oxidationszahlen einfach erklärt?
Oxidationszahlen sind hypothetische Ladungen die beschrieben, ob ein Atom in einer kovalenten Bindung mehr oder weniger Elektronen zur Verfügung hat, als es im elementaren Zustand haben würde.
Welche Oxidationszahl hat Wasserstoff?
Wasserstoff hat in Verbindungen mit Nichtmetallen eine Oxidationszahl von +1 und in Bindungen mit Metallen die Oxidationszahl -1.
Wofür braucht man Oxidationszahlen?
Mit Oxidationszahlen kann man nachweisen, ob eine vorliegende Reaktion eine Redoxreaktion ist und wenn ja, welche Atome reduziert und welche oxidiert wurden.
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