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Immerhin ergibt es durchaus Sinn, warum Natrium mit Chlor reagiert. Natrium gibt ein Elektron ab, Chlor nimmt eins auf, beide haben bezüglich ihrer Elektronenzahl den Edelgaszustand mit voll besetzten Schalen erreicht.
Ganz so leicht ist es dann leider doch nicht. Immerhin kann Schwefel sechs Bindungen eingehen. Erklärungen dafür gibt die Valenzbindungstheorie, oder auch das Valence-Bond-Modell (VB-Modell).
Grundlagen der Valenzbindungstheorie
Bevor du diese Theorie kennenlernst, ist es noch einmal wichtig zu wiederholen, was du wissen musst für diese Theorie. Dazu gehören vor allem Orbitale. Doch was sind nochmal Orbitale?
Entgegen der einfachsten Vorstellung kreisen Elektronen nicht auf Bahnen um den Kern. Stattdessen bilden sie vielmehr eine Wolke, die dank der Schrödinger-Gleichung beschrieben werden kann. Somit lassen sich Aufenthaltswahrscheinlichkeiten darstellen, die jeweils einen bestimmten, energetischen Zustand besitzen. Die Formen, die sich dadurch ergeben, werden als Orbitale bezeichnet.
Abbildung 1: Energieniveauschema der Orbitale
Ein Pfeil, der in einem dieser Kasten steht, steht für ein Elektron. Pro Kasten können sich also zwei Elektronen maximal befinden, die sich allein in ihrem Spin unterscheiden.
Diese Tatsache wird übrigens als Pauli-Prinzip bezeichnet. Zudem gilt die Hund'sche Regel, bei der die Orbitale, die mehrere Kästen besitzen, zuerst einfach aufgefüllt werden, bevor ein zweites Elektron dazu kommt.
Besitzt ein Atom nun wie Kohlenstoff 6 Außenelektronen, befindest du dich im Orbital 2p. Gezählt wird schließlich von unten nach oben oder anders gesagt: vom kleinsten zum größten Orbital.
Valenzbindungstheorie einfach erklärt
Bei einer Bindung kommt es laut Valenzbindungstheorie zur Überlappung der Orbitale. Es entsteht ein neues, gemeinsames Orbital, das sich zwischen den Atomen befindet. Die Atomkerne können nun beide, die sich darin befindlichen Elektronen, nutzen.
An dieser Stelle ist es hilfreich, wenn du dich noch einmal daran erinnerst, dass Edelgase keine Reaktionen eingehen. Ihre Orbitale sind alle voll besetzt. Die anderen Elemente hingegen besitzen mindestens ein Orbital, das nicht vollständig besetzt ist. Sie können reagieren, denn nur einfach besetzte Orbitale reagieren.
Diese Theorie zur Bindung existiert seit 1927 und wurde von Walter Heitler und Fritz London entwickelt. Sie dient unter anderem auch dazu, Bindungslängen zu erklären.
Durch die Verschmelzung der Orbitale kommt es zu einer gegenseitigen Abstoßung der Kerne, da beide positiv geladen sind. Gleichzeitig entsteht die sogenannte Coulomb-Energie oder -Kraft, bei der sich beide Atome gegenseitig anziehen. Die Summe dieser Wechselwirkungen resultiert in der Bindungslänge, die abhängig davon ist, wie viele Elektronen sich in dem gemeinsamen Orbital befinden.
Valenzbindungstheorie – Form der Orbitale
Egal, in welcher Ebene sich die Orbitale befinden, es gibt charakteristische Formen für diese Orbitale. Auch das musst du beachten, wenn du nun Verbindungen schaffen willst. Die folgende Übersicht zeigt dir, wie die Orbitale ungefähr aussehen.
Charakteristisch ist zum Einen die Kugelform des s-Orbitals. Es ist irrelevant, ob du ein 1s-Orbital hast oder ein 4s-Orbital, die Form bleibt grundlegend gleich. So geht es auch den p-, d- und f-Orbitalen. Je größer die Schale wird, desto größer wird allerdings auch das Orbital.
Valenzbindungstheorie – Die Orbitale verbinden sich
Im nächsten Schritt lernst Du nun, wie sich diese Formen verbinden können. Dafür siehst Du in der Abbildung 3 verschiedene Atome, die miteinander reagieren.
Im ersten Fall reagieren zwei 1s-Orbitale miteinander. Gerade hast du gelernt, dass diese s-Orbitale eine Kugelform besitzen. Daher werden die H-Atome auch so dargestellt. Bei einer Überlappung schneiden sich so diese Kugel und bilden ein längeres Gebilde. Die dunkelgraue Fläche, bei der die Überlappung auftritt, wird nun als Molekülorbital bezeichnet.
Ein Molekülorbital beschreibt die Schnittfläche zwischen zwei Atomorbitalen. Elektronen, die sich in diesem Bereich befinden, können von beiden Atomkernen genutzt werden. Das Molekülorbital selbst besitzt andere Eigenschaften als die einzelnen Orbitale allein.
Wenn nun Wasserstoff (H) und Fluor (F) miteinander reagieren, reagieren erneut die äußersten Orbitale miteinander. Im Fall von Wasserstoff ist das ein 1s-Orbital. Im Fall von Fluor das 2p-Orbital. Letzteres besitzt eine hantelähnliche Form. Die grauen Flächen beschreiben dabei die Elektronenwolke mit der gleichen Spinrichtung. Es reagieren in diesen Beispielen nur die Orbitale mit der gleichen Spinrichtung.
Eine Spinrichtung ist eine Eigenschaft, die das Elektron beschreibt, so wie auch das Orbital eine Eigenschaft angibt. Der Spin selbst ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Drehrichtung. Elektronen drehen sich nicht!
Der Spin wird meist mit + oder - angegeben. Entdeckt und nachgewiesen wurde er mit dem Stern-Gerlach-Experiment. In diesem wurden Silberatome durch ein heterogenes Magnetfeld geleitet. Entgegen der Annahme bildete sich nicht ein konzentrierter Punkt, auf dem die Atome auftrafen, sondern zwei Punkte. Diese Verschiebung sei auf den entgegengesetzten Spin zurückzuführen.
Das Gleiche gilt auch für das letzte Beispiel, in dem zwei Fluoratome miteinander reagieren. Die bindenden Orbitale überlappen sich und schaffen somit ein neues Molekülorbital.
Valenzbindungstheorie – Hybridisierung der Orbitale
In der Theorie klingt das bisher alles noch einfach. Problematisch wird es jedoch, sobald mehr als ein Valenzelektron an der Reaktion beteiligt ist. Anhand des Periodensystems kannst du ablesen, dass zum Beispiel Kohlenstoff 4 Bindungen eingehen kann, da es auch 4 Valenzelektronen hat.
Prinzipiell mag das stimmen. Allerdings ergibt sich hier schnell das Problem in der Darstellung. Laut dem Energieniveauschema sind alle Orbitale bis zum 2s-Orbital voll besetzt. Im 2p-Orbital befinden sich nur noch 2 Elektronen.
Da laut dem Pauli-Prinzip nur einfach besetzte Orbitale reagieren, hättest du in diesem Fall nur zwei mögliche Bindungen, was aber aus der praktischen Erfahrung her nicht stimmt. Schließlich gibt es Moleküle wie Methan ().
Die Lösung liegt in der Hybridisierung.
Halbvolle Orbitale sind prinzipiell besser als leere Orbitale. Daher wird ein Elektron aus dem s-Orbital in das p-Orbital verschoben. Im Anschluss wird das 2s-Orbital energetisch angehoben, während alle 2p-Orbitale um den gleichen Betrag gesenkt werden. Dieser Vorgang wird Hybridisierung genannt.
Als Hybridisierung bezeichnet man die Anpassung von zwei verschiedenen Orbitalen aneinander. Während ein Teil der Orbitale energetisch angehoben wird, wird der andere Teil um den gleichen Betrag abgesenkt. Alle Orbitale befinden sich im Anschluss auf dem gleichen Energieniveau.
Die Form der Orbitale verändert sich ebenfalls. So verbinden sich Kugel und Hantel und ergeben das folgende Bild:
In der Abbildung 4 sind an der Hybridisierung 1 s-Orbital und 3 p-Orbitale beteiligt, weshalb dann insgesamt 4 sp³-Orbitale entstehen. Diese können alle reagieren, da sie einfach gefüllt sind. So entstehen die vier Bindungen, die bei Kohlenstoff typisch sind und dafür sorgen, dass Moleküle wie Methan entstehen können.
An dieser Stelle wirkt nun das VSEPR-Modell. Die Bindungen stoßen sich gegenseitig ab und ergeben die Tetraederform, die auch für Kohlenstoff so typisch ist.
Mehrfachbindungen in der Valenzbindungstheorie
Zum Abschluss gibt es noch eine Sache, die genauer betrachtet werden muss: Mehrfachbindungen! Denn was passiert nun, wenn Kohlenstoff drei Bindungen ausbildet, bei denen eine eine Doppelbindung ist? Oder wie sehen diese Orbitale nun aus, wenn eine Dreifachbindung existiert?
Einfachbindungen werden auch als σ-Bindungen bezeichnet. Wenn also alle Orbitale hybridisiert worden sind, entstehen nur solche σ-Bindungen.
Mehrfachbindungen hingegen werden als π-Bindungen bezeichnet. Dabei verbinden sich die nicht-hybridisierten Orbitale miteinander. Ihre Bindung ist deutlich schwächer, da sie weniger Überlappungsfläche besitzen.
Valenzbindungstheorie – Die Doppelbindung
Die Abbildung zeigt dir, wie du dir eine solche Bindung vorstellen kann. Drei Orbitale existieren hybridisiert und besitzen daher die charakteristische Form. Das eine p-Orbital wurde nicht hybridisiert und befindet sich noch in seiner Ausgangsform.
Da auch diese Orbitale sich leicht überlappen (in der Abbildung nicht zu sehen), bilden sie eine π-Bindung. Pro Orbital wird jedoch nur eine Bindung gezählt, auch wenn beide Seiten überlappen.
Die hybridisierten Orbitale nennt man dann sp²-Orbitale, da nur zwei p-Orbitale beteiligt sind.
Valenzbindungstheorie – Die Dreifachbindung
Bei einer Dreifachbindung wird nur ein s-Orbital mit einem p-Orbital hybridisiert. Es entstehen sp-Hybridorbitale. Zwei p-Orbitale behalten ihre ursprüngliche Form, was zu einem solchen Aussehen führt.
In der Mitte befindet sich die essentielle Bindung, auf der alles aufbaut. Da nun zwei p-Orbitale ihre ursprüngliche Form behalten, ergeben sich insgesamt vier Bereiche, an denen sich diese p-Orbitale überlappen. Pro Orbital wird jedoch wieder nur eine Bindung gezählt. Du erhältst eine σ-Bindung und zwei π-Bindungen: insgesamt also eine Dreifachbindung.
Warum die Valenzbindungstheorie immer noch nicht ausreicht
Mithilfe dieser Theorie wird nun ein Großteil zum Thema Bindung abgedeckt. Es kann erklärt werden, warum Dreifachbindungen nicht so stark sind, wie sie im ersten Moment scheinen. Gleichzeitig kann mit dieser Theorie auch die Bindungslänge erklärt werden.
Allerdings gibt es dennoch weitere Probleme, die nicht geklärt werden können. Das beginnt bei der Theorie selbst: Es handelt sich nur um eine Theorie. Deshalb ist es nicht möglich, Elektronen in einem hybridisierten Zustand zu beobachten.
Weiterhin kann noch nicht erklärt werden, was passiert, wenn Molekülorbitale sich so zusammenlagern, dass die Bindungsrichtung entgegengesetzt wirkt. Zudem weiß man anhand dieser Theorie noch nicht, warum überhaupt Bindungen entstehen. Dafür soll die Molekülorbitaltheorie Hilfe bieten.
Inzwischen ist man jedoch ziemlich sicher, dass die Wahrheit in der Mitte liegt. So werden sicherlich in Zukunft noch Modelle entstehen, die sowohl Valenzbindungstheorie und Molekülorbitaltheorie miteinander verbinden.
Valenzbindungstheorie – Das Wichtigste
- In der Valenzbindungstheorie verbinden sich zwei Orbitale miteinander und bilden ein neues Molekülorbital. Die darin befindlichen Elektronen können von beiden Atomkernen genutzt werden.
- Abhängig von der Ebene im Energieniveauschema besitzen Orbitale charakteristische Formen, die einander in einer Bindung überlappen.
- Um die vollständige Zahl der Valenzelektronen zu nutzen, werden Orbitale hybridisiert, indem zum Beispiel ein s-Orbital energetisch angehoben wird, während drei p-Orbitale abgesenkt werden. Es entstehen vier sp³-Orbitale.
- Methan besitzt diese sp³-Orbitale und kann daher vier Bindungen eingehen.
- Einfachbindungen werden auch als σ-Bindungen bezeichnet.
- Bei Mehrfachbindungen sind nicht alle p-Orbitale hybridisiert. Die "normalen" p-Orbitale überlappen deutlich weniger und bilden jeweils eine π-Bindung aus.
- Pro Orbital wird nur eine Bindung gezählt.
- Dreifachbindungen bestehen beispielsweise aus einer σ-Bindung und zwei π-Bindungen.
Nachweise
- P. C. Hiberty, S. Shaik. (2004). Valence Bond Theory, Its History, Fundamentals, and Applications: A Primer. John Wiley & Sons.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Valenzbindungstheorie
Was besagt die Valenzbindungstheorie?
Die Valenzbindungstheorie beschreibt die Überlappung von Orbitalen, sodass dadurch Molekülorbitale entstehen. Gleichzeitig wird mit der Hybridisierung beschrieben, weshalb Kohlenstoff im Methan vier Bindungen eingeht, aber nur zwei Elektronen sich im äußeren Orbital befinden. Es entstehen sp3-Hybridorbitale.
Wie bestimmt man die Hybridisierung?
Die Hybridisierung lässt sich anhand der Bindungen erkennen, die das Atom eingeht. Dabei werden die Außenelektronen so breit wie möglich auf umliegende Orbitale verteilt, sodass alle einfach besetzt sind und reagieren können.
Wie funktioniert die Valenzbindungstheorie?
In der Valenzbindungstheorie überlagern sich Orbitale und bilden Molekülorbitale aus. Gleichzeitig werden weitere Orbitale hybridisiert, damit ein Atom so viele Bindungen wie möglich eingehen kann, die energetisch günstig wirken. So entstehen im Kohlenstoff häufig aus einem s-Orbital und drei p-Orbitalen vier sp3-Hybridorbitale.
Was ist die Hybridisierung?
Bei einer Hybridisierung wird zum Beispiel ein s-Orbital energetisch angehoben, während drei p-Orbitale um den gleichen Betrag abgesenkt werden. Da sich alle auf dem gleichen Energieniveau befinden, bezeichnet man sie nun aus sp3-Hybridorbitale.
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