Disulfidbrücken Definition
Disulfidbrücken oder Disulfidbrückenbindungen sind kovalente Atombindungen zwischen zwei Schwefelatomen von Cysteinmolekülen einer Aminosäurekette. Zwei mittels Disulfidbrückenbindung verknüpfte Cystein-Reste in Proteinen bezeichnet man dabei auch als Cystin-Brücke.
Um zu verstehen, was es sich mit einer Disulfidbrücke genau auf sich hat, ist es wichtig, dass Du Dir noch einmal vor Augen führst, was überhaupt Proteine sind. Aminosäuren sind die Bausteine der Proteine. Es gibt beim Menschen bislang 21 sogenannte proteinogene Aminosäuren, die bekannt sind. In der Grundstruktur tragen die proteinogenen Aminosäuren eine Carbonsäuregruppe (COO–), weshalb sie auch als Aminocarbonsäuren bezeichnet werden, und eine Aminogruppe (NH3+).
Bei der Biosynthese von Proteinen werden ausgewählte Aminosäuren durch Peptidbindungen in bestimmter Reihenfolge zur Polypeptidkette eines Proteins verknüpft. Das kannst Du Dir wie eine lange Kette von Aminosäuren vorstellen, die miteinander verknüpft sind. Dazu später noch mehr.
Eine Disulfidbrücke ist eine kovalente Bindung. Die kovalente Bindung ist eine chemische Bindungsart, bei der die Bindungspartner ungefähr gleich stark am Bindungselektronenpaar ziehen. Deshalb gelingt es keinem der Atome, die Elektronen vom anderen Atom gewissermaßen zu entreißen. Als Konsequenz werden die Elektronen geteilt. In diesem Fall werden die Elektronen von zwei Schwefelatomen geteilt.
Durch Disulfidbrücken wird die dreidimensionale Struktur von Proteinen stabilisiert. Dadurch können die Tertiär- und Quartärstruktur von Proteinen ausgebildet werden. Die Bindung entsteht durch eine Oxidationsreaktion zwischen den Thiolgruppen (-SH) von zwei Cysteinmolekülen.
Cystein ist eine nicht essenzielle Aminosäure, die vor allem in Haaren, Nägeln und Knochen vorkommt. Proteine, die Cystein enthalten, werden als Strukturproteine bezeichnet, da sie für die Festigkeit von Bindegewebe und Haaren verantwortlich sind. Zu diesen Strukturproteinen gehört Keratin. Dazu später noch mehr.
Essenzielle Aminosäuren sind Aminosäuren, die ein Organismus braucht, aber nicht selbst herstellen kann. Diese müssen über die Nahrung aufgenommen werden.
Obwohl Methionin eine schwefelhaltige Aminosäure ist, kann sie keine Disulfidbrücken ausüben. Das liegt daran, dass der Schwefel bei Methionin in einer Thioetherbindung vorliegt. Das Schwefelatom ist somit nicht zugänglich.
Disulfidbrücken einfach erklärt
Disulfidbrücken werden (bei Eukaryoten) entweder noch während oder nach der Translation in die Proteine eingefügt. Dazu muss sich das Protein im Endoplasmatischen Retikulum (ER) oder in einem anderen membranumhüllten Zellorganell befinden. Da es sich bei der Bildung von Disulfidbrücken um eine Oxidation handelt, muss eine oxidative Umgebung gegeben sein. Deshalb kann die Reaktion nicht in der reduzierenden Umgebung des Cytoplasmas stattfinden. Cytoplasmatische Proteine enthalten daher in der Regel keine Disulfidbrücken.
Beteiligt an der Ausbildung von Disulfidbrücken ist das Tripeptid Glutathion (GSH), ein Isopeptid, das sowohl im Cytoplasma von Prokaryoten als auch von Eukaryoten vorhanden ist. Es kommt zu einer Disulfid Austauschreaktion: R-SH + GSSG → R-S-S-G + GSH. Es entsteht ein gemischtes Disulfid, welches weiter umgesetzt wird: R-S-S-G + HS-R' → R-S-S-R' + GSH.
Die bei der Ausbildung einer Disulfidbrückenbindung beteiligten funktionellen Gruppen nennt man Thiolgruppen oder Mercaptogruppen. Bei der Reaktion kommt es zu einer Oxidation, also einer Abgabe von Wasserstoff beziehungsweise Elektronen.
Die Ausbildung von Disulfidbrücken ist kein spontaner Prozess. Es ist eine Redoxreaktion nötig, die einen entsprechenden Reaktionspartner zum Elektronenübertrag erfordert. Es findet gleichzeitig eine Oxidation und einer Reduktion statt.
Die Ausbildung wird außerdem durch Enzyme katalysiert. Verfügt ein Protein über mehr als nur zwei Cysteine, besteht die Möglichkeit, dass sich durch Verknüpfung der „falschen“ Cysteine Disulfidbrücken ergeben, die nicht dem nativen Zustand des Proteins entsprechen. Es muss also eine Umknüpfung falscher Disulfidbrücken erfolgen.
Disulfidbrücken Spaltung
Mithilfe von Reduktionsmitteln lassen sich Disulfidbrücken reversibel spalten. Oxidativ kann die Spaltung mit Perameisensäure erfolgen.
Perameisensäure entsteht durch das Mischen von Ameisensäure und Wasserstoffperoxid. Es ist stark oxidierend und kann deshalb Cystin in Cysteinsäure umwandeln.
Reduktiv kann die Spaltung von Disulfidbrücken mithilfe von β-Mercaptoethanol stattfinden.
Bei der Reaktion mit β-Mercaptoethanol wird die Tertiärstruktur von Proteinen zerstört.
Disulfidbrücken Proteine
Disulfidbrücken dienen in erster Linie dazu, die dreidimensionale Proteinstruktur zu formen und zu stabilisieren, indem sie innerhalb der Aminosäureketten Schlaufen bilden oder mehrere Aminosäureketten zu einem funktionstüchtigen Protein verknüpfen.
Die Disulfidbrücken wirken dabei als kovalente Bindungen wesentlich fixierender und stärker als etwa die ebenfalls im Molekül vorkommenden Wasserstoffbrückenbindungen. Die Bildung von Disulfidbrücken kann auch ein separater Schritt bei der Faltung eines Proteins sein, ohne dass die nachfolgenden Faltungsschritte hinausgezögert werden.
Das Protein Insulin, welches dafür verantwortlich ist, Glucose aus der Nahrung aufzunehmen und zu verwerten, kann das Endoplasmatische Retikulum passieren. Es wird durch Disulfidbrücken stabilisiert, da es aus zwei Peptidketten besteht. Die A- und die B-Ketten werden durch Disulfidbrücken zusammengehalten.
Aminosäuren können unter Wasserabspaltung Peptidbindungen zueinander ausbilden. Durch die Abspaltung von Wasser wird zwischen der Aminogruppe einer Aminosäure und der Carboxylgruppe einer anderen einer Bindung ausgebildet. Das ist die Grundlage, auf der die Proteinstruktur basiert. Durch die Ausbildung von Disulfidbrücken, Wasserstoffbrückenbindungen und weitere Wechselwirkungen können weitere Strukturebenen der Proteine entstehen.
Die Proteine werden hierarchisch in folgende Strukturebenen unterteilt:
- Primärstruktur
- Sekundärstruktur
- Tertiärstruktur
- und Quartärstruktur.
Als Primärstruktur wird die Aminosäureabfolge einer Peptidkette bezeichnet und als Sekundärstruktur die räumliche Struktur eines Bereiches im Protein. Bei der Tertiärstruktur wird auf die Struktur eines einzelnen Proteins geschaut, während bei der Quartärstruktur die Struktur des gesamten Proteinkomplexes mit allen Untereinheiten von Bedeutung ist. Mehr dazu erfährst Du in der Erklärung zur Proteinstruktur.
Disulfidbrücken im Alltag
Das Haar besteht aus Keratin-Helices. Wenn das Haar feuchter Hitze ausgesetzt wird, verwandelt sich diese Helix in eine β-Faltblattstruktur. Dadurch kann sich das Haar um mehr als das Doppelte seiner ursprünglichen Länge dehnen. Diese Eigenschaft ermöglicht die dauerhafte Wellung von Haaren, die sogenannte Dauerwelle.
Wenn Du Dir beim Friseur eine Dauerwelle machen lässt, werden Deine Haare zuerst mit Lockenwicklern in der gewünschten Form fixiert. Anschließend wird ein Reduktionsmittel wie β-Mercaptoethanol verwendet, um die Disulfidbrücken aufzulösen. Feuchte Hitze verlängert die α-helikale Polypeptidkette. Das Reduktionsmittel wird dann entfernt und ein Oxidationsmittel wie Wasserstoffperoxid wird hinzugefügt, um neue Disulfidbrücken zwischen benachbarten Polypeptidketten zu knüpfen.
Disulfidbrücken – Das Wichtigste
- Disulfidbrücken oder Disulfidbrückenbindungen sind kovalente Atombindungen zwischen zwei Schwefelatomen von Cysteinmolekülen einer Aminosäurekette.
- Durch Disulfidbrücken wird die dreidimensionale Struktur von Proteinen stabilisiert. Dadurch können die Tertiär- und Quartärstruktur von Proteinen ausgebildet werden.
- Die Bindung entsteht durch eine Oxidationsreaktion zwischen den Thiolgruppen (-SH) von zwei Cysteinmolekülen.
- Disulfidbrücken werden bei Eukaryoten entweder noch während der Translation in die Proteine eingefügt, oder aber danach.
- Beteiligt an der Ausbildung von Disulfidbrücken ist das Tripeptid Glutathion (GSH).
Nachweise
- Müller-Esterl (2017). Biochemie - Eine Einführung für Mediziner und Naturwissenschaftler. Springer-Verlag.
- Thieman, Palladino (2007). Biotechnologie. Pearson Studium, Deutschland.
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