Elektrophile Addition bei Alkenen
Molekulare Halogene wie Chlor (Cl2), Brom (Br2) und Iod (I2) beziehungsweise Halogenwasserstoffe wie zum Beispiel Chlorwasserstoff (HCl) können an Doppelbindungen von Alkenen addiert werden. Hier kannst du dir merken, dass es sich um einen zweistufigen Mechanismus handelt.
Stößt ein Chlorwasserstoffmolekül auf die Ladungswolke der Doppelbindungen eines Ethenmoleküls, so werden die Elektronen des Chlorwasserstoffmoleküls durch die hohe negative Ladungsdichte der Doppelbindung etwas verschoben. Das Molekül wird verstärkt polarisiert.
Danach tritt eine Wechselwirkung zwischen dem positiv polarisierten Wasserstoffatom und den Elektronen der Doppelbindung auf. Dadurch sind beide Moleküle locker miteinander verbunden.
Die Elektronenverschiebung führt letztlich zu einer heterolytischen Bindungsspaltung (Bindungselektronen verbleiben bei einem Bindungspartner) im Chlorwasserstoffmolekül und damit zur Bildung eines Chloridions (negativ geladenes Chloratom).
Gleichzeitig bildet sich ein Kation aus. Genauer gesagt, es entsteht ein Carbokation, also ein Kohlenstoffmolekül mit einem positiv geladenem Kohlenstoffatom. Dieses ist vergleichsweise stabil.
Anschließend reagiert dieses Carbokation mit dem Chloridion zum Chlorethan.Abbildung 1: Elektrophile Addition von Chlorwasserstoff an Ethen Stabilität des Carbokations – Induktiver Effekt
Wie du gerade gelesen hast, entsteht bei der elektrophilen Addition bei Alkenen im ersten Schritt ein stabiles Carbokation. Dieses Carbokation wird durch sogenannte I-Effekte bzw. induktive Effekte stabilisiert. Das Carbokation kann auch als Carbeniumion bezeichnet werden. Diese Bezeichnung ist ein Unterbegriff zu Carbokation und beschreibt einen dreibindigen Kohlenstoff mit sechs Valenzelektronen.
- primäres Carbeniumion: ein Rest und 2 Wasserstoffatome
- sekundäres Carbeniumion: 2 Reste und ein Wasserstoffatom
- tertiäres Carbeniumion: 3 Reste.
Abbildung 2: CarbeniumionenQuelle: www.wikipedia.org
Du kannst dir vorstellen, dass die Reste Alkylgruppen darstellen, die einen +I-Effekt ausbilden. Je mehr Alkylgruppen an das Carbeniumion gebunden sind, desto stabiler ist es. Das bedeutet, ein tertiäres Carbeniumion ist stabiler als ein sekundäres und ein primäres Carbeniumion. Das tertiäre Carbeniumion ist dementsprechend am stabilsten.
Unter dem induktiven Effekt versteht man in der organischen Chemie die "Verschiebung" von Elektronendichte von oder zu einem Atom. Der positive induktive Effekt oder der +I-Effekt beschreibt die elektronenschiebende Wirkung und der negative induktive Effekt oder der -I-Effekt beschreibt die elektronenziehende Wirkung.
Andere Bindungspartner wie zum Beispiel Halogene (Cl, Br, F), Hydroxygruppen oder Aminogruppen erniedrigen die Elektronendichte mit dem -I-Effekt. Ob ein +I-Effekt oder -I-Effekt vorliegt, kannst du mit der Elektronegativität der angrenzenden Gruppe abschätzen. Elektronegativere Gruppen ziehen die Elektronen zu sich und führen zu einem -I-Effekt. Alkyl-Gruppen hingegen sind leicht negativ polarisiert, weil sie die Elektronen der gebundenen Wasserstoffatome zu sich ziehen und können somit zu einem +I-Effekt führen.
Nach der Markownikow Regel gilt: Ist an die beiden C-Atome der Mehrfachbindung eine unterschiedliche Zahl an H-Atomen gebunden, wird das elektrophile Teilchen an das wasserstoffreichere C-Atom addiert.
Der Wasserstoff wandert an das C-Atom der Doppelbindung, das die meisten H-Atome trägt:
Wer hat, dem wird gegeben!
Markownikow Regel – Beispiel der Elektrophilen Addition
Am Mechanismus der elektrophilen Addition von Bromwasserstoff an Propen kann die Markownikow-Regel verständlich erklärt werden. Die Doppelbindung des Propens wird durch das HBr-Molekül angegriffen. Dadurch entsteht zuerst das Carbeniumion im ersten Zwischenschritt. In der folgenden Abbildung kannst du sehen, welche zwei Möglichkeiten es dabei gibt.
Abbildung 3: Reaktionsprodukte der Elektrophilen Addition von Bromwasserstoff an Propen. Quelle: www.chemgapedia.de
Das Produkt 1-Brompropan kann über das primäre Carbeniumion gebildet werden und das Produkt 2-Brompropan kann über das sekundäre Carbeniumion gebildet werden. Wie du bereits gesehen hast, ist das sekundäre Carbeniumion stabiler als das primäre Carbeniumion. Deswegen entsteht das Produkt 2-Brompropan auch zu 90 % und das 1-Brompropan nur zu 10 %.
Die Markownikow Regel besagt also, dass bei der elektrophilen Addition an unsymmetrische Alkene, das Wasserstoffatom an das C-Atom addiert wird, welches mehr Wasserstoffatome gebunden hat.
Ausnahmen der Markownikow Regel
Bei der Markownikow Regel musst du jedoch beachten, dass sie nur den Einfluss des +I-Effektes von den benachbarten Alkylgruppen berücksichtigt. Es kann also auch durch Mesomerie ein stabilisierender Effekt auftreten. Dieser kann sich dann stärker als der I-Effekt auswirken.
Bei Reaktionen, bei denen es zu einem durch Mesomerie stabilisierten Zwischenprodukt kommt, kann die Markownikow Regel nicht angewendet werden.
Die Bezeichnung Mesomerie beschreibt das Phänomen, dass sich die Bindungen bestimmter Moleküle nicht durch eine einzige Strukturformel darstellen lässt. Die Bindungsverhältnisse werden dann durch mehrere Grenzformeln dargestellt.
Die folgende Abbildung zeigt einen Benzolring, der zwei mesomere Grenzstrukturen aufweist. Die tatsächliche Struktur von Benzol liegt irgendwo zwischen diesen beiden mesomeren Grenzstrukturen.
Abbildung 4: Mesomere Grenzstrukturen von Benzol. Quelle: www.u-helmich.de
Wenn es zum Beispiel zur Halogenierung des Benzolrings durch Brom kommt, wird im ersten Reaktionsschritt ein Carbokation gebildet, da zunächst durch die Addition des Halogenids eine positive Ladung entsteht. Dieses siehst du in Abbildung 5. Dieses Carbokation wird durch eine Delokalisierung der positiven Ladung, also durch Mesomerie, stabilisiert.
Abbildung 5: Mesomere Grenzstrukturen von BrombenzolQuelle: www.abiweb.de
Du weißt jetzt also, dass ein durch Mesomerie stabilisiertes Molekül stabiler ist als ein Carbeniumion. In so einem Fall würde also die Markownikow Regel nicht zum Tragen kommen.
Ebenso wird die Markownikow Regel nicht angewendet, wenn ein -I-Effekt ausgebildet wird oder Mesomerie eine Rolle spielt. Der -I-Effekt zieht Elektronendichte ab, wodurch es zu einer Destabilisierung kommt. Aus diesem Grund wird zum Beispiel bei der Addition von HCl an Acrylsäure, 3-Chlorpropionsäure gebildet. Dieses ist das Anti-Markownikow-Produkt.
Abbildung 7: Bildung von 3-ChlorpropionsäureQuelle: www.wikipedia.de
Der Grund für diesen Verlauf der Reaktion ist, dass die Carbonsäuregruppe durch den -I-Effekt, Elektronendichte aus dem Molekül abzieht. Das Markownikow Produkt wäre demnach nicht stabil. Die entstehende 3-Chlorpropionsäure ist stabiler, weil das Chloratom in der Bindung weiter von der Carbonsäuregruppe entfernt ist.
Als weiteren Grund kannst du dir einmal die folgenden mesomeren Grenzstrukturen der Acrylsäure anschauen. Dabei siehst du, dass das Ende des Alkens eine positive Ladung in der Grenzstruktur hat und somit stark positiv polarisiert ist. Dies ist gut für den Angriff von nucleophilen, hier können jedoch keine elektrophile reagieren.
Abbildung 8: Mesomere Grenzstrukturen der Acrylsäure
Da die Stelle an der die zwei Sauerstoffe gebunden sind, aufgrund der hohen Elektronegativität des Sauerstoffes, ebenso stark positiv polarisiert ist, gibt es nur eine Stelle, die am Kohlenstoffgerüst tatsächlich nucleophil ist. Das ist der zweite Kohlenstoff von links.
Die erste Reaktion bei der elektrophilen Addition von Halogenwasserstoffen ist die Protonierung des Alkens. Da Protonen positive Ladung haben, wird deren Anlagerung nicht an elektrophilen Stellen, sondern nur an nucleophilen Stellen stattfinden. Damit bleibt für die Addition des Halogenidions nur noch die andere Stelle zur Reaktion übrig.
Markownikow Regel - Das Wichtigste
- Die Markownikow Regel beschreibt das Produkt der elektrophilen Addition von Halogenwasserstoffen an Alkene.
- Nach der Regel von Markownikow gilt: Ist an die beiden C-Atome der Mehrfachbindung eine unterschiedliche Zahl an H-Atomen gebunden, wird das elektrophile Teilchen an das wasserstoffreichere C-Atom addiert.
- Es gilt das Prinzip: "Wer hat, dem wird gegeben!"
- Das bei der elektrophilen Addition im ersten Schritt entstehende Carbeniumion und dessen Stabilität ist der Grund für die Bildung des Markownikow-Produktes.
- Hier spielt der induktive Effekt eine wichtige Rolle:
- Es kommt zu einer "Verschiebung" von Elektronendichte von oder zu einem Atom.
- Der positive induktive Effekt oder der +I-Effekt beschreibt die elektronenschiebende Wirkung und der negative induktive Effekt oder der -I-Effekt beschreibt die elektronenziehende Wirkung.
- Durch die elektronenschiebende Wirkung des positiven induktiven Effektes von Alkylgruppen kommt es am Carbeniumion zu einer Stabilisierung.
- Demnach ist ein tertiäres Carbeniumion stabiler als ein primäres oder sekundäres Carbeniumion.
- Es gibt jedoch auch Ausnahmen der Markownikow-Regel, ...
- wenn das entstehende Molekül durch Mesomerie stabilisiert werden kann.
- wenn das entstehende Molekül einen -I-Effekt ausbildet.
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