Bei der elektrochemischen Überspannung ist das Prinzip jedoch ganz anders.
Die elektrochemische Überspannung ist die Spannung, die man bei einer Reaktion mehr benötigt, um die Elektrolyse geschehen zu lassen. Eine Reaktion sollte eigentlich nach thermodynamischen Regeln ablaufen, tut dies aber nicht - aufgrund einer kinetischen Hemmung.
Man kann diese Reaktion dann nur mit einer Überspannung reagieren lassen. Dieses kinetische Phänomen kommt bei metastabilen Redoxsystemen vor.
Metastabile Redoxsysteme sind Redoxsysteme, die sich in einem Zustand der Metastabilität befinden. Von Metastabilität spricht man, wenn sich ein Stoff oder ein Stoffgemisch nicht einem energetisch günstigsten Zustand befindet. Diese metastabilen Stoffe verharren jedoch diesem Zustand, da die Reaktionen, mit denen sie in diesen energiearmen Zustand gelangen würden, gehemmt sind.
Die Überspannung ist von zwei Faktoren abhängig:
- Der erste Faktor ist das Material, aus der die Elektroden bestehen. Eine Grafit-Elektrode benötigt etwa eine höhere Überspannung, als eine Platin-Elektrode.
- Der zweite Faktor bezieht sich auf den abzuscheidenden Stoff in der Elektrolyse. Besonders Gase benötigen höhere Überspannungen, als fluide Stoffe.
Die Gesamtspannung, die man benötigt, um die Elektrolyse durchzuführen, wird zusammengesetzt aus der eigentlichen Zellspannung und der Überspannung. Diese Größe wird Zersetzungsspannung genannt.
Überspannung – Ursachen
In jedem Schritt einer Elektrolyse kann eine kinetische Hemmung auftreten, die dann zum Bedarf einer Überspannung führt. Die kinetische Hemmung bedeutet meist nichts anderes, als dass die Reaktanden zwar nicht im Gleichgewicht sind, also eigentlich reagieren müssten, dies aber nur sehr langsam tun.
Deswegen kann es durch verschiedene Schritte in der Elektrolyse, wie bei
- der Diffusion von Reaktanten zu Elektroden
- jeder Reaktion, bevor der Reaktant die Elektrode erreicht oder
- beim Elektronentransfer vom Reaktanten zur Elektrode (Oxidation des Reaktanten) oder umgekehrt (Reduktion des Reaktanten)
zu Verzögerungen kommen, die dann durch Überspannung beseitigt werden können.
Arten der Überspannung
Bei der Überspannung kann man aufgrund ihrer Eigenschaften verschiedenen Arten unterscheiden.
Diffusionsüberspannung
Die wichtigste Form ist die Diffusions- oder Konzentrations-Überspannung. Diese Form der Überspannung basiert auf dem Konzentrationsunterschied der Ionen direkt an der Elektrodenoberfläche (Grenzschicht) und in der weiteren Elektrodenumgebung.
Wenn die Spannung zu gering ist, diffundieren die Ionen nur bis zu dieser Grenzschicht. Sie stoßen dann "zufällig" an die Elektrodenoberfläche und dadurch kommt es zu einer Polarisation der Elektrodenoberflächen, die der Entladung entgegensteht.
Um diese Diffusionsüberspannung zu verringern, muss der fehlende Ionen-Nachschub durch Spannungserhöhung ausgeglichen werden. Im elektrischen Feld bewegen sich die Ionen aufgrund der höheren Spannung schneller und überwinden den gerade beschriebenen „elektrophoretischen Effekt“.
Durchtrittsüberspannung
Die Durchtrittsüberspannung beruht auf der Hemmung von Elektroden-Redoxreaktionen. Diese Form wird auch als Aktivierungsüberspannung bezeichnet, da hier der Aspekt der Aktivierungsenergie besonders deutlich wird - hauptsächlich über die Trennung von Gasen. Diese bedecken die Elektroden. Damit die freigesetzten Ionen durch die Blasenhülle "tunneln", müssen sie vom elektrischen Feld stärker durch die Lösung um die Blase gezogen werden.
Reaktionsüberspannung
Bei der Elektrolyse können an den Elektroden chemische Reaktionen ablaufen. Das kann der Fall sein bei Redoxreaktionen, aber auch, wenn Ionen zunächst in komplexer Form vorliegen und über eine chemische Reaktion in eine elektrochemisch umsetzbare Form gebracht werden müssen.
Ist nun die Durchtrittsreaktion (durch die Phasengrenzfläche und Diffusion, und das wiederum durch die Nernst'sche Diffusionsschicht) sehr schnell, kann der Fall eintreten, dass eine zwischengelagerte Reaktion geschwindigkeitsbestimmend wird. Wenn dieser Fall eintritt, dann handelt es sich um eine Reaktionsüberspannung.
Die Nernst'sche Diffusionsschicht ist der Bereich zwischen Kathode und Elektrolyt, in dem ein Stoffaustausch nur durch Diffusion stattfinden kann.
Je "dicker" die Diffusionsschicht ist, desto länger ist der Weg, den die Ionen auf diese Weise zurücklegen müssen, und desto geringer ist das Konzentrationsgleichgewicht an austragbaren Ionen zwischen dem Elektrolyten und der Kathodenoberfläche. Damit wirkt sich die Dicke der Diffusionsschicht direkt auf die maximal anwendbare Stromdichte (Grenzstromdichte) aus.
Kristallisationsüberspannung
Die Metallabscheidung wird durch die Kristallisationsüberspannung beeinflusst. Das bedeutet, dass zuvor ungeordnete Cluster von Metallatomen zu Metallgittern werden müssen. Nur dann kann dieses abgeschiedene Metall Elektronen leiten und auf Ionen übertragen. Eine Aktivierung ist auch notwendig, um die exotherme Kristallisation einzuleiten.
Diese Überspannung kann vermieden werden, indem die Kristallbildung vermieden wird.
Ohm'sche Überspannung
Die Ohm'sche Überspannung basiert auf dem Ohm'schen Widerstand. Dieser befindet sich in allen Teilen des gesamten äußeren Systems der Elektrolyse-Anordnung, wie in der Elektrolyt-Lösung, im Diaphragma oder der Elektrolytbrücke. Alle Teile des äußeren Systems können die Elektrolyse verlangsamen oder ein Grund sein, wieso mehr Energie aufgewendet werden muss, damit diese abläuft. So ist also die Ohm'sche Überspannung, die Überspannung, die durch den Widerstand von Teilen des Aufbaus der Elektrolyse entsteht.
In der Schule solltest du bereits etwas von der Salzbrücke gehört haben. Diese wird hergestellt aus einem dünnen und schmalen Streifen Filterpapier. Wenn es also um die Ohm'sche Überspannung geht, solltest du diese hier nennen. Denn auch Salzbrücken gehören zum äußeren System der Elektrolyse und können damit ein Faktor sein, der Überspannung erzwingt.
Der Ohm'sche Widerstand bezeichnet einen Widerstand, der nach dem Ohm'schen Gesetz funktioniert, also unabhängig von Stromstärke bzw. Spannung ist.
Überspannung berechnen
Die Überspannung ergibt sich aus den einzelnen Überspannungen der Kathode und Anode.
Solche Überspannungen sind weder rechnerisch noch theoretisch vorhersagbar. Die Überspannung kann nur experimentell ermittelt werden und entspricht der Differenz zwischen der tatsächlich gemessenen Zersetzungsspannung und der theoretisch berechneten Zersetzungsspannung. Diese Versuche wurden an den meisten Elektrodenmaterialien durchgeführt, daher sind die Literaturwerte für fast alle Elektrodenüberspannungen bekannt.
Abbildung 1: Tabelle einiger Überspannungen
Jedoch kann man Überspannungen nachweisen. Dies geschieht, indem man zunächst die eigentliche Zellspannung ausrechnet. Danach führt man die Elektrolyse durch und beobachtet, welche Spannung tatsächlich benötigt wird, damit die Elektrolyse abläuft. Die Differenz zwischen beiden Werten ist dann die Überspannung.
Überspannung - Das Wichtigste
- Überspannung ist die Spannung, die man zusätzlich zur Zellspannung benötigt, damit eine Elektrolyse abläuft
- Überspannungen gibt es nur bei metastabilen Redoxsystemen
- Die Überspannung setzt sich aus den beiden Überspannungen an der Kathode und Anode zusammen
- Man kann eine Überspannung nicht berechnen, man kann diese nur experimentell bestimmen
- Die Überspannung entsteht durch eine kinetische Hemmung entlang der Elektrolyse-Reaktionen
- Es gibt verschiedene Arten der Überspannung, die fünf Wichtigsten sind: Diffusionsüberspannung, Durchtrittsüberspannung, Reaktionsüberspannung, Kristallisationsüberspannung und die Ohm'sche Überspannung
- Zersetzungsspannung = Zellspannung + Überspannung
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