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Goethes Drama löste bei seinem Publikum einen wahren Sturm der Begeisterung aus und verhalf dem jungen Autor innerhalb kürzester Zeit zum Durchbruch. Doch was machte das Werk "Götz von Berlichingen" so besonders? Und was hatte es mit seinem realen Vorbild auf sich?
"Götz von Berlichingen" – Zusammenfassung und Aufbau
Das Drama "Götz von Berlichingen" ist unterteilt in fünf Akte mit insgesamt rund 50 verschiedenen Szenen sowie unterschiedlichen Handlungsorten. Damit bricht Goethe die formalen Regeln des gängigen französischen Dramas, wonach Raum, Zeit und Handlung immer eine einzige, abgeschlossene Einheit bilden sollten.
Das Prinzip der Einheit von Raum, Zeit und Handlung entstammt dem aristotelischen Dramenkonzept, welches wiederum auf den antiken griechischen Dichter und Philosophen Aristoteles (384–322 v. Chr.) zurückgeht. Die Prinzipien der Einheit von Raum, Zeit und Handlung sind auch Teil des französisch-klassischen Dramas, dessen Aufbau, Inhalt und Ablauf nach strengen Kriterien geregelt ist. Zu Goethes Lebzeiten erfreute sich das französisch-klassische Drama beim Publikum großer Beliebtheit.
Erster Akt – Gefangennahme eines alten Freundes
Im ersten Akt des Dramas erfahren Lesende über ein Gespräch im Wirtshaus von den Uneinigkeiten zwischen dem Götz von Berlichingen und dem Bischof von Bamberg. Dieser habe einen Knecht des Götz von Berlichingen gefangengenommen, worauf der Götz von Berlichingen seinen alten Jugendfreund und "des Bischofs rechte Hand"1, Adalbert von Weislingen, zu sich ruft.
Götz von Berlichingen überredet Weislingen, die Seiten zu wechseln und statt des Bischofs nun ihn zu unterstützen. Im Gegenzug und als Zeichen für die freundschaftliche Beziehung der beiden bietet der Götz Weislingen die Hand seiner Schwester Maria an. Weislingen nimmt das Angebot an und die Verlobung wird offiziell.
Zweiter Akt – Weislingen wechselt die Seiten
Am Hof des Bischofs wird unterdessen beratschlagt, wie es nun weitergehen könne. Liebetraut, der in seiner spöttisch gewitzten Art einem Hofnarren ähnelt, wird die Aufgabe zuteil, Adalbert von Weislingen schnellstmöglich auf die Seite des Bischofs zurückzuholen.
Der Hofnarr steht im Dienste eines adeligen Herren und dient in erster Linie zu dessen Unterhaltung. Für gewöhnlich verfügt der Hofnarr über die sogenannte Narrenfreiheit. Das bedeutet, er kann in seiner Rolle auch durchaus kritische Sichtweisen darstellen und/oder Ranghöhere zur allgemeinen Belustigung lächerlich machen, ohne bestraft zu werden.
Liebetraut überredet Weislingen, an den Hof des Bischofs zurückzukehren, wo er sich in die junge Witwe Adelheid von Walldorf verliebt und daher beschließt, zu bleiben. Er hintergeht damit nicht nur seinen alten Freund, Götz von Berlichingen, sondern auch seine Verlobte, bei der es sich um die Schwester von Götz handelt. Götz äußert sich über Weislingens Verrat wie folgt:
Ich hab ihn losgelassen, den Vogel, und er verachtet die gütige Hand, die ihm in der Not Futter reichte.1
Dritter Akt – Gefangennahme und ein Schwäbischer Gruß
Nachdem erneut ein Knecht des Götz von Berlichingen gefangengenommen wird, rächt sich Götz an einer Gruppe wohlhabender Kaufleute, indem er diese überfällt und ausraubt. Die Konsequenz dieser Tat lässt nicht lange auf sich warten: Der Bischof setzt ein Exekutionsheer auf seine Fährte an, das ihn unnachgiebig bis zu seiner Burg verfolgt.
Das Exekutionsheer entstammt der sogenannten Reichsexekution. Es handelte sich dabei um eine militärische Maßnahme, die im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (HRRDN) angewandt wurde.
Bei dem HRRDN handelt es sich um die neue offizielle Bezeichnung des Römischen Reiches. Die Bezeichnung etablierte sich im 15. Jahrhundert. Das Römische Reich selbst besteht bereits seit dem 10. Jahrhundert. Es umfasste das heutige Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie große Teile Italiens, Polens, Tschechiens und Frankreichs und endete im Jahr 1806.
Die Reichsexekution wurde vom Kaiser oder dem Reichskammergericht, also der obersten gerichtlichen Institution des Reiches, verordnet und diente dazu, Einzelpersonen oder auch ganze Teilstaaten des Reiches zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu drängen. Wie im Falle des Götz von Berlichingens umfassten diese Verpflichtungen durchaus auch die Akzeptanz eines gerichtlichen Beschlusses zur Inhaftierung.
Oftmals verhängte nicht der Kaiser selbst diese Anordnung. Stattdessen übertrug er die Macht zur Exekution seinen untergebenen Kurfürsten, die die einzelnen Reichsstaaten beherrschten und in ihrer hohen Position die Möglichkeit besaßen, den römisch-deutschen König zu wählen.
Bei der Belagerung der Burg fällt der sogenannte "Schwäbische Gruß", für den "Götz von Berlichingen" noch heute berühmt ist:
Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet Ihr! Bin ich ein Räuber! Sag deinem Hauptmann: Von Ihro Kaiserliche Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag's ihm, er kann mich im Arsche lecken (schmeißt das Fenster zu).1
Der Schwäbische Gruß bezieht sich auf den letzten Satz des obigen Zitates, insbesondere auf Goethes Wortwahl. Den Schwaben wurde ein äußerst derber Charakter nachgesagt und eine ländliche Sprechweise, die kein Blatt vor den Mund nimmt. In den heutigen Ausgaben von "Götz von Berlichingen" ist der Schwäbische Gruß zensiert.
Dem Götz von Berlichingen gelingt es, einen Kompromiss auszuhandeln, demzufolge er seine Burg als freier Mann verlassen darf. Das Gefolge des Bischofs bricht dieses Versprechen jedoch und nimmt den Götz von Berlichingen gefangen.
Vierter Akt – Gericht und Freispruch
In Heilbronn wird Götz von Berlichingen zunächst gerichtlich freigesprochen. Dies verdankt er allerdings nicht etwa der Einsicht des Bischofs, sondern vielmehr seinem engen Freund Franz von Sickingen, der dem Gericht mit der Zerstörung der Stadt droht. Götz von Berlichingen zieht sich erneut auf seine Burg zurück, muss sich nun aber von allen Streitereien fernhalten, um nicht erneut einen Prozess und damit seine Gefangenschaft zu riskieren.
Fünfter Akt – Bauernaufstand und Berlichingens Tod
Wenig später sieht sich das Land jedoch mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert: Der Deutsche Bauernkrieg ist ausgebrochen, verwüstet ganze Landstriche und beendet Hunderte von Menschenleben.
Bei dem Deutschen Bauernkrieg handelt es sich um ein reales historisches Ereignis, das in vielen Gebieten des HRRDN von 1524 bis 1526 für Unruhen sorgte. Das einfache Volk lehnte sich gegen die soziale Ungerechtigkeit und die wirtschaftliche Ausbeutung auf. Mehr dazu erfährst Du im Abschnitt "Historischer Hintergrund zu Götz von Berlichingen" in dieser Erklärung.
Die Anführer des Bauernkriegs in der Region um Schwaben suchen Götz von Berlichingen auf, um ihn zu ihrem Hauptmann zu ernennen. Um noch mehr Gewalttaten zu verhindern, stimmt Götz schließlich zu und verstößt damit gegen seinen gerichtlichen Eid, sich ruhig zu verhalten und nicht in die Angelegenheiten anderer einzumischen.
Als die Bauern auch ihr Versprechen, keine Gewalt mehr anzuwenden, ihm gegenüber brechen, bleibt Götz von Berlichingen nichts anderes übrig als zu fliehen. Er kommt jedoch nicht weit, ehe ihn die Männer von Weislingen erneut gefangennehmen.
In dem folgenden Zitat beklagt der Götz seinen persönlichen Niedergang im Gespräch mit seiner Frau Elisabeth. Er begann mit dem Verlust einer Hand und setzte sich fort bis zu seiner Gefangennahme und dem Verlust seines Status als edler Ritter:
Suchtest du den Götz? Der ist lang hin. Sie haben mich nach und nach verstümmelt, meine Hand, meine Freiheit, Güter und guten Namen.1
Adelheid am Hof des Bischofs ist von ihrem neuen Ehemann Weislingen mittlerweile gelangweilt. Sie schmiedet einen Plan, um ihn loszuwerden und befiehlt Weislingens Knappen, also seinem Diener, Franz, der zugleich auch ihr neuer Geliebter ist, Weislingen zu vergiften.
Nachdem Franz Weislingen vergiftet hat, ist Franz nicht in der Lage, mit seiner Schuld umzugehen, die er auf sich genommen hat, und nimmt sich selbst das Leben. Adelheid wird von den "Richtern des heimlichen Gerichts"1 wegen Mord und Ehebruch zum Tode verurteilt.
Die Bezeichnung "heimliches Gericht" weißt auf das sogenannte Femegericht hin, das unabhängig von den Beschlüssen des Reichskammergerichts oder des Kaisers Freisprüche sowie Todesurteile bei Verbrechen verhängen konnte. Richter waren geschworene Freie, die ihre Identität verbargen und sich heimlich im Stillen trafen. Straftäter mussten bei den Verhandlungen nicht anwesend sein.
Götz von Berlichingen verstirbt im Kerker. Bei seinem Tod sind seine Ehefrau Elisabeth und seine Schwester Maria anwesend. Er scheidet davon mit den Worten: "Himmlische Luft – Freiheit! Freiheit!", worauf Elisabeth ihm entgegnet: "Nur droben, droben bei dir. Die Welt ist ein Gefängnis."1
"Götz von Berlichingen" – Charakterisierung der Figuren
Das Drama "Götz von Berlichingen" lebt von einer Vielzahl unterschiedlicher Figuren, die alle einzigartige Charaktereigenschaften und eine authentische Sprache haben. Im Folgenden werden Dir die wichtigsten Hauptfiguren vorgestellt.
Der Götz von Berlichingen
Bei dem Götz von Berlichingen handelt es sich um die Persönlichkeit des idealen Menschen aus der Epoche des Sturm und Drang, der sich Goethes Werk "Götz von Berlichingen" auch zuordnen lässt. Er liebt seine Freiheit, kämpft für sich und steht für seine Prinzipien ein. Außerdem beugt er sich nicht dem autoritären Regime, das ihn zu unterwerfen droht.
Der Sturm und Drang ist eine Literaturepoche des 18. Jahrhunderts. Wenn Du mehr über die Merkmale und Werke dieser Literaturepoche erfahren möchtest, sieh Dir die Erklärung "Sturm und Drang" auf StudySmarter an!
In seiner vertrauensseligen Art ist der Götz jedoch auch ein wenig naiv. So bezeichnen ihn die Herren im Wirtshaus als "getreuherzig", "nachgiebig" und "rechtschaffen", was so viel bedeutet wie "gerecht".1
Johann Wolfgang von Goethe erhebt den Götz von Berlichingen zu einem Symbol für die tugendhaften Ritter des Mittelalters. Er verkörpert die traditionelle Lebensweise einer Epoche, die mit dem bereits angebrochenen Übergang in die Neuzeit faktisch längst beendet ist. Der Kampf, den der Götz von Berlichingen führt, ist demnach von Anfang an aussichtslos und zum Scheitern verurteilt.
Die Epoche des Mittelalters beginnt mit dem Ende der Antike im 6. Jahrhundert vor Christus und endet mit dem Übergang in die Neuzeit im 15. Jahrhundert. Die Neuzeit, bis 1799 Frühe Neuzeit, zeichnet sich durch gesellschaftsprägende Fortschritte im Bereich der Wissenschaft, Philosophie und Technik aus. Die Veränderungen, die dieses neue Zeitalter mit sich brachten, waren für viele Menschen schwer zu akzeptieren. Besonders Ritter als mächtige Verteidiger des Reiches verloren an Bedeutung.
Adalbert von Weislingen
Adalbert von Weislingen ist der politische Gegenspieler des Götz von Berlichingen. Er wandte sich vom Rittertum ab und gilt als Vertreter der neuzeitlichen Gesellschaft. Damit hat er die Epoche des Mittelalters hinter sich gelassen, für die Götz von Berlichingen so sehr kämpft. Die alte Freundschaft der beiden wird demnach nicht nur durch die Wahl zweier gegensätzlicher Parteien, sondern auch durch ihre stark widersprüchlichen Ansichten auf die Probe gestellt und letztendlich beendet.
Weislingens Charakterzüge werden im Drama "Götz von Berlichingen" grundsätzlich als negativ und seine Person in ihrer Gesamtheit als fremdbestimmt dargestellt. Er ist leicht manipulierbar, da er sich mehrfach von verschiedenen Seiten zum Umdenken überreden lässt und scheint dabei selbst keinen strikten Prinzipien zu verfolgen.
Verliebt er sich zunächst in Maria, bei der es sich um die Schwester von Götz handelt, so verfällt er nur wenig später bereits einer anderen Frau, die ihn betrügt, hintergeht und schließlich ermorden lässt. Ob Goethe durch den Hang zum Vergnügen und die Laster des Adalbert von Weislingen auch Kritik am moralischen Verfall der Gesellschaft übt, bleibt fraglich, ist aber sicherlich eine Überlegung wert.
Adelheid von Walldorf
Adelheid von Walldorf ist eine adlige Frau von strahlender "Schönheit" und einem Charakter voll "Leben, Feuer [und] Mut"1, wie ihr Verehrer Franz, der Knappe Weislingens, sie beschreibt. In der Tat besitzt Adelheid die Fähigkeit, sämtliche Männer um sie herum zu verführen. Sie ist intelligent und temperamentvoll, aber auch selbstliebend und herrschsüchtig.
Nachdem ihr erster Ehemann bereits verstorben ist und sie Weislingen geheiratet hat, hintergeht sie Weislingen nicht nur mit seinem eigenen Untergebenen, sie schmiedet auch den Plan, Adalbert durch Gift zu beseitigen, nachdem er beginnt, sie zu langweilen. Dafür schickt sie Franz vor, indem sie seine bedingungslose Liebe zu ihr schamlos ausnutzt.
Maria
Maria ist die "süße" Schwester von Götz und zunächst mit Adalbert von Weislingen verlobt, ehe dieser sich erneut zum Bischof nach Bamberg locken lässt und sich dort in Adelheid von Walldorf verliebt.
Weislingen beschreibt Maria als "Engel des Himmels, gebildet aus Unschuld und Liebe", deren kindliche Gutmütigkeit wohl auch mit einer entsprechenden Naivität einhergeht. Ihre "Treu[e] im Unglück"1, mit anderen Worten, ihr Pech, teilt sie sich mit ihrem Bruder, an dessen Seite sie bis zu seinem letzten Atemzug steht.
In ihrer Trauer um ihren Bruder klagt sie: "Edler Mann! Edler Mann! Wehe dem Jahrhundert, das dich von sich stieß!"1 und bezieht sich damit auf seinen vergeblichen Versuch, an der Epoche des Mittelalters und mit ihr an den Privilegien und Pflichten des Rittertums festzuhalten.
"Götz von Berlichingen" – Analyse der Sprache
Bei der Entwicklung eines Sprachstils für sein Drama "Götz von Berlichingen" orientierte sich Goethe an den Ausdrucksweisen der Lutherbibel, die etwa zu der Zeit entstand, zu der auch der reale Götz von Berlichingen lebte. So war es ihm möglich, nicht nur den tatsächlichen, ländlichen Sprachstil, sondern auch die gehobene Ausdrucksweise der damaligen Zeit authentisch umzusetzen.
Die Lutherbibel ist eine Übersetzung des altgriechisch überlieferten Alten und Neuen Testaments ins Frühhochdeutsche. Sie verdankt ihren Namen dem Übersetzer und Mönch Martin Luther (1483-1546), der auch den Protestantismus in Wittenberg begründete.
Martin Luther übersetzte die Bibel nicht wortgetreu, sondern nach ihrem Sinn entsprechend seines eigenen Verständnisses von Glaube und Religion. Dies führte zu einem fast schon umgangssprachlichen Charakter und der Etablierung verschiedener Redewendungen und Wortneuschöpfungen, wie "Sündenbock" oder "Lockvogel", deren Stil sich auch Goethe bedient hat.
Das Drama, das Goethe erschaffen hatte, wurde nicht etwa deswegen berühmt, weil es in Prosa, also reimlos, verfasst wurde und historischen Bezug hatte. Goethe verstieß dabei nicht nur absichtlich gegen die Prinzipien des französischen Dramas, sondern legte seinen Figuren auch eine äußerst realistische Sprache in den Mund, die im deutschsprachigen Raum für Aufmerksamkeit sorgte.
Wollt ihr Ruh haben! Tausend Schwerenot! Schert euch 'naus, wenn ihr was auszumachen habt. In meiner Stub solls ehrlich und ordentlich zugehen.1
– Wirt zu streitenden Männern in der Herberge
Die Dialoge zwischen den Figuren der unteren Stände sind oft rau und ungeschönt, ebenso verzichtet er nicht auf Kraftausdrücke, wie es nicht nur das Zitat zum berühmten "Schwäbischen Gruß" anschaulich beweist. Auch ein Reiter des Bischofs sagt zu den Freunden von Götz folgenden Satz, der einen Kraftausdruck beinhaltet:
Halt dein Maul! Habt ihr Händel?1
Die Unterschiede in der Ausdrucksweise verschiedener Charaktere demonstrieren nicht nur die gesellschaftlichen Unterschiede in Bezug auf Reichtum und Klasse, sie machen die Figuren auch so lebendig, wie es kaum einem Dramatiker oder einer Dramatikerin vor Goethe gelungen ist. Eine gehobenere Sprache lässt sich beispielsweise in folgendem Zitat finden:
Der Händedruck eines Fürsten, und das Lächeln einer schönen Frau! Da reißt sich kein Weisling los. Ich eile und empfehle mich zu Gnaden.1
– Liebetraut zu Adelheid, mit dem Auftrag, Weislingen zurückzuholen
"Götz von Berlichingen" – Interpretation
Mit seinem Werk "Götz von Berlichingen" setzt Goethe sich bewusst über bisherige Gepflogenheiten hinweg. Nachdem er in Straßburg die dramaturgischen Werke William Shakespeares (1564–1616) studiert hatte, nahm er sich ein Beispiel und verfasste sein eigenes Drama in literarischer Freiheit und fernab formaler Kriterien.
In diesem Zuge kritisierte er auch die feudalistische Gesellschaft und den Absolutismus, der in Deutschland bis in das 19. Jahrhundert hinein die vorherrschende Staatsform darstellte. Sein Protagonist, Götz von Berlichingen, ist zwar ein Vertreter des Mittelalters, verhält sich aber trotz seiner gehobenen Stellung als Ritter wie der idealisierte Held des Sturm und Drangs, der das autoritäre Klassensystem und die Unterdrückung der Armen ablehnt.
In der absolutistischen Monarchie war die Gesellschaft in Klassen oder auch sogenannte Stände geteilt. Den obersten Stand bildeten Adelige und die Angehörigen des Klerus. Zum Klerus gehören Geistliche, darunter Priester und Bischöfe. Diesem obersten Stand folgte der Stand des gehobenen Bürgertums, dazu gehörten Kaufleute, Mönche und Ritter.
Den größten und ärmsten Stand begründeten einfache Bauern, die die Gebiete ihrer Landesherren bewirtschafteten. Der unterste Stand hatte keinerlei Rechte und war auf die Gunst dieser Landesherren angewiesen. Ebenso hatten sie keine Möglichkeit zur politischen Teilhabe.
Gutsbesitzer verliehen ihre Grundstücke mitsamt der bäuerlichen Anwohner an ihre militärischen Untergebenen des zweiten Stands. Die feudalistische Gesellschaft des Mittelalters ist also durch zwei grundlegende Prinzipien gekennzeichnet: einerseits das Verhältnis zwischen dem ersten Stand und seinem militärischen Gefolge, andererseits die Kluft zwischen dem zweiten Stand und den leibeigenen, besitzlosen Bauern.
Im Namen des Götz von Berlichingens setzt sich Goethe für mehr künstlerische, aber auch individuelle Freiheit ein. Er modernisierte eine Person aus einem vergangenen Zeitalter und stellte damit trotz seiner Orientierung am Mittelalter einen neuzeitlichen Bezug her. Seine positive Darstellung des alten Rittergeschlechts weckte in vielen Adeligen den Wunsch, selbst in einem von Goethes Werken festgehalten und verewigt zu werden.
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"Götz von Berlichingen" – Historischer Hintergrund
"Götz von Berlichingen" spielt in der Übergangszeit zwischen Mittelalter und Neuzeit. Es bezieht sich historisch sowohl auf wahre Begebenheiten des 16. Jahrhunderts als auch gesellschaftliche Fragen, die zu Goethes Lebzeiten im 18. und 19. Jahrhundert von Bedeutung waren.
Deutscher Bauernkrieg
Der deutsche Bauernkrieg oder auch schwäbischer Bauernaufstand, wie er in Goethes Drama thematisiert wird, brach 1524 in weiten Teilen des heutigen Mittel- und Süddeutschlands sowie in den nördlichen Territorien Österreichs aus. Er wurde zwischen 1525 und 1526 gewaltsam von den jeweiligen Landesbesitzern niedergeschlagen, wobei rund 70.000 Menschen ihr Leben ließen.
Bereits im 13. Jahrhundert gab es erste Unruhen. Die unterste Bevölkerungsschicht lehnte sich gegen den Adel und die Angehörigen des Klerus auf, wobei sie mehr Rechte, Freiheiten und eine Änderung der zumeist sehr misslichen Lebensumstände verlangten. Die gesellschaftliche Oberschicht ignorierte den Ruf nach mehr Gleichberechtigung, um sich so die eigenen Privilegien und ein Leben in Luxus und Wohlstand weiterhin zu ermöglichen.
Bauern mussten hohe Abgaben, also Zahlungen, meist in Form von Gütern wie Weizen, leisten, die sich mit der steigenden Anzahl adeliger Angehöriger stetig erhöhten. Missernten erschwerten die Einhaltung dieser Pflichten zusätzlich, worauf viele Grundbesitzer den Druck auf diejenigen erhöhten, die ihre Felder bewirtschafteten.
Übertragung auf das 18. Jahrhundert
Trotz 200-jähriger Differenz zwischen den Lebzeiten des wahren Götz von Berlichingens und der Generation Goethes, traf der Autor mit seinem Drama den Geist der Zeit.
Der Sturm und Drang, der zwischen 1765 und 1790 herrschte, war nicht nur eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, er markiert auch eine Zeit des kulturellen Umschwungs. Junge Autoren und Autorinnen beschäftigten sich mit traditionellen Werten und hinterfragten diese kritisch. Sie setzten auf ihr eigenes schöpferisches Genie und brachen dabei bewusst mit den Regeln und Konventionen vorhergehender literarischer Bewegungen.
In Frankreich wurde nach der Französischen Revolution 1789/99 der Absolutismus abgeschafft und auch in anderen Teilen Europas gewann das Bürgertum zunehmend an Bedeutung. Erneut standen Freiheit und Gleichberechtigung neben Gefühlen und Emotionen im literarischen wie gesellschaftlichen Mittelpunkt, dennoch endete die absolutistische Monarchie in Deutschland erst im Jahr 1848.
Die Französische Revolution bestand aus drei verschiedenen Phasen, die insgesamt ein ganzes Jahrzehnt überdauerten. Das einfache Volk, das kaum Rechte besaß, setzte sich gegen den Adel zur Wehr und verlangte das Ende der absolutistischen Monarchie. Es kämpfte für Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die während des sogenannten Ballhausschwurs festgesetzt wurden.
Bei dem Ballhausschwur am 20. Juni 1789 kamen Angehörige der Nationalversammlung und Mitglieder des Klerus in Versailles zusammen. Sie trafen sich in einer Sporthalle, in der üblicherweise Ballspiele abgehalten wurden. Dort schworen sie, sich nicht zu trennen, bevor Frankreich über eine Verfassung verfüge.
Sieben Tage später gab der französische König Ludwig XVI. dem Drängen nach. Nun bildeten Abgeordnete aus der Arbeiterklasse sowie dem Klerus und dem Adel die erste Verfassungsgebende Nationalversammlung Frankreichs. Viele europäische Nationen nahmen sich in den kommenden Jahrzehnten die Französische Revolution zum Vor- und Leitbild, um die eigene nationale Gesellschaft grundlegend zu verändern.
Aus dem Sturm und Drang entwickelte sich gegen 1795 die Epoche der Romantik. Sie verstand sich als Gegenbewegung zur Aufklärung und kennzeichnete sich unter anderem dadurch, dass sie das Mittelalter und die damit einhergehenden Lebensumstände verherrlichte und idealisierte. Das Rittertum erhielt dabei besonders große Aufmerksamkeit.
Während Kritiker und Kritikerinnen Goethes Drama insbesondere formal als zu experimentell kritisierten, schien der "Götz von Berlichingen" inhaltlich also geradezu einen neuen Trend zu setzen.
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Über den wahren Götz von Berlichingen
Für sein Werk "Götz von Berlichingen" orientierte sich Johann Wolfgang von Goethe an der biografischen Beschreibungen Gottfried von Berlichingens, die 1731 veröffentlicht worden waren.
Demnach wurde Gottfried von Berlichingen um 1480 auf Burg Hornberg geboren. Er ging in der Stadt Niederhall zur Schule, bis er mit 15 Jahren bei seinem Onkel, Konrad von Berlichingen, eine Lehre zum Ritter antrat. Mit 24 Jahren verlor er seine Hand, die durch eine Eisenprothese ersetzt wurde. Er erhielt daraufhin den Namenszusatz: "Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand".
Im Jahre 1512 überfiel er reisende Kaufleute aus Köln und Nürnberg, worauf ihn Kaiser Maximilian I. offiziell ächtete. Mit der Ächtung wurden ihm all seine Rechte abgesprochen und er staatlich für friedlos erklärt. Er besaß also keinerlei Anspruch mehr auf rechtlichen Schutz.
Um 1519 kämpfte er mit dem Herzog Ulrich von Württemberg gegen den Schwäbischen Bund und wurde drei Jahre später kurzweilig inhaftiert. 1925 übernahm er eine Führungsposition im Deutschen Bauernkrieg. Da er bei der entscheidenden Schlacht jedoch nicht anwesend war, erhielt er nach seiner erneuten Gefangennahme einen zweitklassigen Freispruch. Das bedeutet, er durfte das Gefängnis verlassen, musste aber den Rest seines Lebens auf Burg Hornberg verbringen. Dort verstarb er 1562 im Alter von rund 82 Jahren.
Der Schwäbische Bund war eine 1488 gegründete Gemeinschaft der schwäbischen Reichsstände, also den Vorsitzenden aus dem Reichstag des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Sie bildeten die zentrale Kraft gegen die Macht des Kaisers, hatten aber längst nicht so viel Einfluss, wie es heutzutage im Bundestag der Fall ist.
Ulrich von Württemberg war 1512 aus dem Schwäbischen Bund ausgetreten und versuchte gegen ebendiesen eine Opposition aufzustellen und durchzusetzen. Sein Vorhaben scheiterte und er wurde verbannt. Auch seine zahlreichen Versuche, Land und Einfluss zurückzugewinnen, blieben erfolglos.
Die Burgfestspiele in Jagsthausen gedenken Götz von Berlichingen jährlich, in dem sie neben vielen weiteren dramaturgischen und musikalischen Darstellungen Goethes Werk "Götz von Berlichingen" im alten Burghof aufführen.
Über den Autor von "Götz von Berlichingen"
Johann Wolfgang von Goethe wurde am 28. August 1749 in Frankfurt am Main geboren. Er studierte Rechtswissenschaften, widmete sich aber bereits in jungem Alter der Kunst des Schreibens.
Goethe war 22 Jahre alt, als sein Werk "Götz von Berlichingen" die Welt erblickte. Mit 23 Jahren veröffentlichte er es im Selbstverlag und bildete so den Grundstein für seine Karriere. Eine erste Fassung, die später als sogenannter "Urgötz" bekannt wurde, entstand bereits im Jahre 1771.
1774 folgte sein Meisterwerk "Die Leiden des jungen Werthers", das ihm in ganz Europa Erfolg und Anerkennung einbrachte. Nur kurze Zeit später wurde der junge Goethe von Herzog Carl August an den Hof in Weimar eingeladen, wo er den Rest seines Lebens verbrachte und das kulturelle und geografische Zentrum des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts aktiv mitgestaltete.
Er wurde nicht nur als Vertreter des Sturm und Drangs bekannt, sondern war ab 1786 auch Teil des sogenannten Viergestirns, das die Epoche der Weimarer Klassik formte. An seiner Seite standen Johann Gottfried Herder (1744–1803), Christoph Martin Wieland (1733–1813) und Friedrich Schiller (1759–1805). Schiller orientierte sich unter anderem mit seinem Werk "Die Räuber" (1771) an Goethes "Götz von Berlichingen".
Mit der Rückbesinnung auf die Antike versuchte die Weimarer Klassik Elemente der vernunftbezogenen Aufklärung und dem emotionalen Sturm und Drang miteinander zu verbinden. Ziel war es, eine perfekte Balance zwischen Verstand und Gefühl zu finden. Wenn Du mehr über die Literatur dieser Epoche erfahren möchtest, sieh Dir die Erklärung "Weimarer Klassik" auf StudySmarter an!
1823 überlebte Goethe einen Herzinfarkt und gab sich daraufhin nur umso mehr dem Dichten hin. Er schrieb nicht mehr selbst, sondern diktierte seine Ideen und Werke einem Sekretär. Am 22. März 1832 erlitt er einen zweiten Herzinfarkt und verstarb daraufhin in seinem Haus in Weimar.
Götz von Berlichingen - Das Wichtigste
- "Götz von Berlichingen" ist ein Drama von Johann Wolfgang von Goethe, das 1773 im Selbstverlag erschien.
- Das Werk "Götz von Berlichingen" begründete Goethes Karriere als angesehener Dichter und Schriftsteller.
- Der "Götz von Berlichingen" ist dem realen Gottfried, genannt Götz, von Berlichingen nachempfunden, der zwischen 1480 und 1562 im Jagsttal gelebt hat. Es handelt sich um ein biografisches Werk, wenngleich Goethe sich gewisse literarische Freiheiten erhalten hat.
- Sein gesellschaftskritisches Werk besteht aus fünf Akten und rund 50 Szenen mit verschiedenen Handlungsorten.
- Der junge Goethe widersetzt sich mit dem Werk den Gepflogenheiten des Französischen Theaters, wonach ein dramatisches Stück stets eine Einheit von Raum, Zeit und Handlung kreieren sollte. Stattdessen orientiert er sich an den Werken Shakespeares, die europaweit für Aufsehen sorgten.
- "Götz von Berlichingen" erzählt von dem Leben und Scheitern des Götz, der gegen die neuzeitlichen Veränderungen im 16. Jahrhundert ankämpfte: Götz entspricht dem Bild eines tapferen Ritters, der sich für das Aufrechterhalten mittelalterlicher Traditionen einsetzt und daran verendet.
- Der sogenannte "Schwäbische Gruß", den Goethe seinem Protagonisten in den Mund legte, erzeugte im 18. Jahrhundert sowohl Staunen als auch Empörung und verleiht dem Werk noch heute Bekanntheit wie Begeisterung.
Nachweise
- Johann Wolfgang von Goethe (1978). Götz von Berlichingen. Reclam Verlag.
- Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg: Barockes Idyll und Grablege Götz von Berlichingens. (20.05.2022)
- Lektürehilfe.de: Götz von Berlichingen. (07.06.2022)
- Burg-hornberg.de: Die Burg des Götz von Berlichingen. (07.06.2022)
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Götz von Berlichingen
Wer schrieb den Götz von Berlichingen?
Johann Wolfgang von Goethe schrieb den "Götz von Berlichingen" im Jahr 1773. Goethe orientierte sich dabei an den Aufzeichnungen über den realen Gottfried von Berlichingen, die 1731 veröffentlicht worden waren.
Wo hat Götz von Berlichingen gewohnt?
Götz von Berlichingen hat auf der Burg Hornberg bei Neckarzimmern gewohnt. Die Burg befindet sich über dem Neckartal und gilt als eine der besterhaltenen Ritterburgen am Neckar.
Wann spielt Götz von Berlichingen?
"Götz von Berlichingen" spielt zu Lebzeiten des realen Gottfried von Berlichingen, der Goethe als Vorbild für sein Drama diente. Dieser wurde um 1480 geboren und verstarb 1562, Goethes Stück spielt also in der Übergangszeit zwischen Spätmittelalter und Neuzeit.
Was bedeutet Götz von Berlichingen?
"Götz von Berlichingen" ist der Titel eines bekannten Dramas von Johann Wolfgang von Goethe. Er ist angelehnt an den Namen des realen Gottfried von Berlichingen, der von allen anderen nur "Götz" genannt wurde.
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