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Wartet jemand auf Godot, bedeutet das umgangssprachlich, vergeblich oder aussichtslos auf eine Person oder eine Situation zu warten. Diese Redewendung entstammt dem gleichnamigen Drama "Warten auf Godot" des irischen Schriftstellers Samuel Beckett. Das Werk wurde im Jahr 1949 fertiggestellt und 1953 unter dem Titel "En attendant Godot" in Paris uraufgeführt. Das Stück handelt von dem Warten der zwei Landstreicher Wladimir und Estragon auf eine dritte Person, die nie erscheint und gilt damit als Inbegriff des absurden Theaters.
Das absurde Theater ist eine Richtung des Theaters aus dem 20. Jahrhundert und beschäftigt sich mit der Orientierungslosigkeit des Menschen in der modernen und sinnfrei erscheinenden Welt. Eine ausführlichere Erklärung findest Du weiter unten im Text oder in der Erklärung "Absurdes Theater" hier auf StudySmarter!
"Warten auf Godot" – Inhaltszusammenfassung
"Warten auf Godot" besteht aus zwei Akten, die nicht in weitere Szenen unterteilt werden. Der zweite Akt stellt dabei eine Variation des ersten Aktes dar, in dem teilweise ganze Konversationen und einige Formulierungen wiederholt werden.
"Warten auf Godot" – 1. Akt
Die beiden Landstreicher Wladimir und Estragon treffen an einer Landstraße, deren genauer Standort unbekannt ist, aufeinander. Außer einem Baum sticht kein weiteres Merkmal aus der Landschaft hervor. Während Estragon versucht, seinen Schuh auszuziehen, beginnt Wladimir ein Gespräch. Er meint laut, dass er sich mit seinem Freund Estragon schon im Jahr 1900 hätte umbringen sollen, da ihnen dann das Leben als Landstreicher nämlich erspart geblieben wäre. Dieser ist hingegen immer noch damit beschäftigt seinen Schuh auszuziehen, was ihm nicht gelingt, da sein Fuß angeschwollen ist.
In der folgenden Konversation reden die beiden Freunde durchgehend aneinander vorbei. Schließlich philosophieren sie kurz über den Sinn des Lebens, ehe Estragon weiterziehen will. Wladimir hält ihn auf, denn schließlich warten sie hier auf Godot. Die Freunde sind sich jedoch nicht sicher, ob der Baum überhaupt der richtige Ort ist und wann sie den Unbekannten treffen werden. Estragon lehnt sich an den Baum, um zu schlafen. Als er etwas später von Wladimir aufgeweckt wird, ist er genervt, weil sein Freund ihn nicht ausschlafen lässt. Wladimir ist wiederum von Estragons Laune genervt und die Freunde überlegen, getrennt voneinander weiterzuziehen. Sie nähern sich allerdings wieder an, indem sie einander die Spitznamen "Gogo" und "Didi" geben.
Die Landstreicher sind sich dessen bewusst, dass sie ohneeinander nicht auskommen würden und denken darüber nach, sich gemeinsam an dem Baum aufzuhängen. Sie verwerfen den Gedanken wieder, denn sie möchten die Antwort von Godot abwarten. Worauf er ihnen eine Antwort liefern soll, daran können sich Estragon und Wladimir nicht mehr erinnern.
Pozzo und Lucky
Während Estragon und Wladimir immer noch warten, hören sie plötzlich Schreie. Sie glauben zunächst, es handle sich um Godot, stattdessen tauchen ein Herr und sein Sklave auf. Pozzo, der Herr, hält seinen Sklaven Lucky an der Leine und gibt ihm Kommandos. Dabei schwingt er seine Peitsche und nennt Lucky "Aas" und "Schwein". Estragon fragt Pozzo, ob er Godot sei, was der Herr entrüstet verneint. Er antwortet, dass er der Besitzer dieses Landstücks sei und scheint empört darüber zu sein, dass die Landstreicher nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben oder dass er mit Godot verwechselt wird.
Pozzo möchte eine Pause machen, um zu essen. Dafür muss Lucky den Tisch, einen Stuhl, sowie die Mahlzeit, die er mühsam mit sich herumträgt, für seinen Herrn aufbauen. Der Sklave ist von der Arbeit erschöpft und ihm fallen die Augen zu, während Pozzo sein Essen zu sich nimmt. Estragon bittet Pozzo um seine Essensreste. Wladimir weigert sich hingegen mit dem Herrn zu sprechen, da er es unerhört findet, einen Menschen wie ein Tier zu behandeln.
Wladimir möchte gehen und auch Estragon schließt sich dem Vorhaben an, bis Pozzo das Treffen mit Godot anspricht. Die Landstreicher gehen nicht weiter auf Godot ein, sondern wenden sich Lucky zu. Sie möchten von Pozzo wissen, warum sein Sklave die schweren Koffer, die er herumträgt, nicht abstellen darf. Pozzo erklärt, dass Lucky lernen muss, ein guter Sklave zu sein, weil sie gerade auf dem Weg zum Sklavenmarkt sind, um ihn zu verkaufen. Lucky beginnt zu weinen.
Theatervorstellung und Nachricht von Godot
Wladimir hat sein Zeitgefühl verloren, denn eigentlich, so meint er, müsste es schon längst dunkel sein. Pozzo fordert Lucky dazu auf, zu singen und zu tanzen, um die beiden Landstreicher zu amüsieren. Lucky bewegt sich jedoch nur langsam und setzt seinen Hut, den "Denker-Hut" auf. Er beginnt daraufhin eine lange Rede, bei der er über Gott, Forschungen und Fortschritte der Wissenschaft redet. Je weiter der Monolog fortschreitet, desto weniger ist davon verständlich. Irgendwann wiederholt sich Lucky nur noch und wird von Pozzo, Wladimir und Estragon zu Boden geschlagen, wo er wieder anfängt zu weinen.
Die beiden Landstreicher helfen Lucky wieder auf. Der Sklave nimmt das Gepäck und verlässt mit Pozzo die Szene. Ein Junge, der die vier Männer schon längere Zeit beobachtet hat, tritt an Wladimir und Estragon heran und berichtet, dass Godot heute nicht kommen werde. Die Landstreicher wollen wissen, ob der Junge für Godot arbeitet. Der erzählt ihnen aber nur, dass sein Bruder von Godot geschlagen werde. Die Landstreicher tragen dem Jungen auf, Godot auszurichten, dass er sie beide hier gesehen habe. Als Wladimir und Estragon wieder allein sind, reden sie über alte Zeiten und beschließen schlussendlich zu gehen. Bevor sie dies jedoch tun, endet der erste Akt.
"Warten auf Godot" – 2. Akt
Da der zweite Akt eine Variation des ersten Akts darstellt, enthält er bereits einige bekannte Szenen. Zu Beginn ist nur Wladimir zu sehen, der ein Lied singt, das aus immer gleichen Strophen besteht. Estragon, der dazu tritt, sieht im Vergleich zu Wladimir sehr mitgenommen aus. Er ist barfuß, trägt zerrissene Kleidung und erklärt, dass all seine Erinnerungen an den gestrigen Tag verschwunden sind und er nachts von zehn Menschen überfallen worden ist. Estragon bleibt bei Wladimir und die beiden beginnen ein langes Gespräch, um das Warten auf Godot zu verkürzen.
Wladimir versucht Estragon aufzuheitern und hilft ihm seinen Schuh anzuziehen. Kurz darauf findet Wladimir Luckys "Denker-Hut" und schlägt seinem Freund ein Rollenspiel vor, um sich die Zeit zu vertreiben. Zunächst spielt Estragon, der den Part von Pozzo übernimmt, mit, aber als Wladimir ihn auffordert, ihn zu beschimpfen, geht er weg. Nach seiner Rückkehr glaubt Estragon, Stimmen zu hören. Wladimir vermutet, dass es Godot sein könnte. Die Landstreicher streiten kurz, versöhnen sich jedoch wieder, als Pozzo und Lucky erneut auftauchen.
Rollenwechsel
Die Beziehung des Herrn zu seinem Sklaven hat sich über Nacht komplett verändert. Pozzo ist erblindet und nutzt den stummen Lucky nun als seinen Blindenhund, den er weiterhin an der Leine führt. Wladimir ist erstaunt und will den beiden helfen, vom Boden aufzustehen, nachdem sich Pozzo an Lucky geklammert und ihn mit zu Boden gerissen hatte. Jedoch fällt auch Wladimir zu Boden und kann nicht mehr aufstehen. Das gleiche Schicksal ereilt auch Estragon, sodass die vier Männer ineinander verknäult auf dem Boden liegen. Die beiden Landstreicher überlegen, wie sie der Situation entkommen können und ob es schon bald Abend ist.
Nach einigen Versuchen gelingt es Wladimir und Estragon aufzustehen. Sie schaffen es auch Lucky und Pozzo aufzurichten. Letzterer kann sich nicht an die Begegnung mit den Landstreichern am Vortag erinnern und ist genervt von den Fragen der beiden, warum er blind und Lucky stumm sei. Daraufhin verlassen Pozzo und sein Sklave die Szene wieder.
Nachricht von Godot
Am nächsten Morgen weckt Wladimir Estragon, der sich sogleich beschwert, dass er nie ausschlafen könne. Wladimir zweifelt mittlerweile daran, dass sie Pozzo und Lucky tatsächlich getroffen haben und beginnt ein weiteres belangloses Gespräch. Der Junge taucht erneut auf und wird befragt, ob er gestern schon eine Nachricht von Godot überbracht habe, was er verneint. Außerdem wird er befragt, wie Godot aussieht. Der Junge antwortet, er habe einen weißen Bart und benachrichtigt die Landstreicher, dass Godot am nächsten Tag sicher kommen werde.
In der Nacht entschließen sich Wladimir und Estragon erneut zu gehen, jedoch erinnern sie sich daran, dass Godot morgen kommen werde. Sie beabsichtigen, sich an dem Baum aufzuhängen, jedoch haben sie keinen geeigneten Strick, denn die Kordel, mit der Estragon seine Hose befestigt hat, reißt. Danach wollen die Landstreicher erneut gehen. Bevor sie dies jedoch tun können, endet der zweite Akt.
Figuren in "Warten auf Godot"
In "Warten auf Godot" treten mit Wladimir, Estragon, Pozzo, Lucky und dem Jungen lediglich fünf Personen auf. Ferner wird mit Godot eine sechste Person genannt, die jedoch nicht selbst auftritt und über die Leserinnen und Leser nicht viele Informationen erfahren. Generell werden die Figuren des Stücks nur relativ vage beschrieben.
Estragon
- einer der Landstreicher
- im fortgeschrittenen Alter
- Freund von Wladimir
- hat einen angeschwollenen Fuß
- ist körperlich angeschlagen und eher schwächlich
- besitzt den Spitznamen "Gogo"
- ist verärgert über Wladimir, weil dieser ihn nie ausschlafen lässt
- wird nachts von zehn Leute überfallen
- wartet mit Wladimir auf Godot
Wladimir
- einer der Landstreicher
- ebenfalls im fortgeschrittenen Alter
- Freund von Estragon
- körperlich stärker und robuster als Estragon
- besitzt den Spitznamen "Didi"
- kritisiert Pozzos Umgang mit Lucky
- beginnt häufig lange, sinnlose Gespräche
- wartet mit Estragon auf Godot
Pozzo
- Herr von Lucky und des Grundstücks auf dem sich Wladimir und Estragon befinden
- wird zunächst für Godot gehalten
- hält Lucky als Sklave und gibt ihm Kommandos
- macht bei Wladimir und Estragon eine Essenspause
- behandelt Lucky schlecht
- wird blind
- kann sich an das erste Treffen mit Wladimir und Estragon nicht mehr erinnern
Lucky
- ist der Sklave von Pozzo
- wird an einer Leine geführt und schlecht behandelt
- muss das schwere Gepäck von Pozzo tragen und darf es nicht ablegen
- soll auf dem Sklavenmarkt verkauft werden
- ist körperlich angeschlagen und müde
- hört auf die Anweisungen Pozzos
- singt und tanzt für seinen Herrn, Wladimir und Estragon
- besitzt einen "Denker-Hut"
- weint häufig
- wird stumm
- ist der Blindenhund von Pozzo
Der Junge
- hatte zunächst Angst vor den Männern
- überliefert Nachrichten von Godot
- sein Bruder wird von Godot geschlagen
- kann sich im zweiten Akt nicht mehr an das erste Treffen mit Wladimir und Estragon erinnern
Godot
- wird von Wladimir und Estragon erwartet
- scheinbar wichtig für Wladimirs und Estragons Zukunft
- versetzt Wladimir und Estragon zwei Mal
- schlägt den Bruder des Boten
- hat einen weißen Bart
- unklar, wer er ist und ob er überhaupt existiert
Aufbau und Sprache in "Warten auf Godot"
Der Aufbau und die Sprache in "Warten auf Godot" sind dem absurden Theater angepasst. Durch einen einzigen Handlungsort und leere Konversationen wird eine orientierungslose und sinnfreie Welt erschaffen.
Das absurde Theater ist eine Richtung des Theaters, die im 20. Jahrhundert als Reaktion auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs entstanden ist. Inhaltlich beschäftigt sich das absurde Theater mit der Orientierungslosigkeit des Menschen in der modernen Welt, die als sinnfrei empfunden wird und dem Menschen zwar Freiheit gewährt, aber ihn trotzdem in Angst und Vereinsamung zurücklässt.
In der sinnlosen Welt muss der Mensch seinem Leben also selbst einen Sinn verleihen. Den Aspekt der Sinnlosigkeit wird im absurden Theater in einem unspektakulären Bühnenbild und leeren Konversationen der Charaktere dargestellt. Die Figuren besitzen keine tiefgründige Persönlichkeit und manchmal ist nicht einmal ihr Name bekannt.
Bezeichnend für das absurde Theater sind zudem die Vermischung einiger Theaterformen und die Auflösung der Einheit von Raum, Ort und Zeit. Daher ist die Handlung zeitlos auf jeden beliebigen Ort übertragbar. Außerdem folgt die Handlung keiner Struktur, sodass sich häufig einzelne Abschnitte der Handlung wiederholen.
Durch eine übertriebene Darstellung banaler Sachverhalte sollen die Zuschauer und Zuschauerinnen die Welt in ihrer eigenen Absurdität erkennen und Denkanstöße zu moralischen und politischen Themen erlangen.
Aufbau von "Warten auf Godot"
"Warten auf Godot" wird in zwei ungefähr gleich lange Akte unterteilt. Eine genauere Gliederung in Szenen wird hingegen nicht vorgenommen. Folgt man der Regel des klassischen Theaters, dass eine neue Szene beginnt, wenn eine Person auftritt oder abgeht, würde jeder Akt sechs Szenen umfassen.
Wie für das absurde Theater typisch weist "Warten auf Godot" keine erkennbare Struktur auf. Statt der üblichen Einteilung des aristotelischen Dramas in Exposition, erregendes Moment, Peripetie, retardierendes Moment und der Auflösung bzw. Katastrophe hebt und senkt sich die Handlung in "Warten auf Godot" nicht.
Als aristotelisches Drama wird die ursprüngliche Form des Dramas bezeichnet. Es zeichnet sich durch die Einheit von Handlung, Zeit und Ort aus. Mehr zu diesem Thema findest Du in der Erklärung zum "Drama" hier auf StudySmarter!
Die fehlende Struktur in "Warten auf Godot" wird zudem durch die inhaltlichen und teilweise wortwörtlichen Wiederholungen bestimmter Handlungen des ersten Akts im zweiten Akt deutlich. Damit stellt der zweite Akt eine Variation des ersten Akts dar.
- In beiden Akten wollen Wladimir oder Estragon weiterziehen, bis ihnen einfällt, dass sie auf Godot warten.
- In beiden Akten weckt Wladimir Estragon auf, der sich daraufhin beschwert, dass er nie ausschlafen darf.
- In beiden Akten wollen Wladimir und Estragon sich an dem Baum aufhängen, scheitern jedoch oder ihnen wird bewusst, dass sie noch auf Godot warten.
- In beiden Akten treten Pozzo und Lucky auf, jedoch mit unterschiedlichen Rollen.
- In beiden Akten erscheint der Junge, der ein Bote von Godot ist.
Dadurch, dass die Landstraße mit dem Baum der einzige Handlungsort ist und die Tatsache, dass Wladimir und Estragon sich zu einem beliebigen Zeitpunkt schlafen legen, obwohl sie ihr Zeitgefühl verloren haben, führt dazu, dass Zeit und Ort in dem Theaterstück nicht existieren. Die Einheit von Raum, Ort und Zeit ist aufgelöst, sodass sich das Schauspiel um Wladimir und Estragon auf jeden beliebigen Ort zu jeder beliebigen Zeit übertragen lässt.
Sprache in "Warten auf Godot"
Die Sprache in "Warten auf Godot" ist sehr einfach gehalten. Dies wird vor allem durch kurze Sätze und die Verwendung einfacher Wörter ohne Fach- oder Fremdsprache verdeutlicht. Ein weiteres Element des absurden Theaters ist das ständige aneinander vorbeireden, wodurch die Sinnfreiheit der Dialoge verdeutlicht wird.
WLADIMIR: Einer von vieren. Von den drei anderen sagen zwei gar nichts darüber, und der dritte sagt, dass beide ihn beschimpft hätten.
ESTRAGON: Wen?
WLADIMIR: Wie bitte?
ESTRAGON: Ich verstehe kein Wort...Wen hätten sie beschimpft?
WLADIMIR: Den Erlöser.
ESTRAGON: Warum?
WLADIMIR: Weil er sie nicht erlösen wollte.
ESTRAGON: Von der Hölle?
WLADIMIR: Ach was! Vom Tode.1
Bei diesem Beispiel handelt es sich um eine leere Konversation zwischen Wladimir und Estragon, die dazu dient, die Stille zu füllen und das Warten zu verkürzen. Obwohl in dem Gespräch vom Erlöser die Rede ist, hat das Gesagte keinen religiösen oder tiefgründigen Hintergrund.
Das Warten und das Vergehen der Zeit wird zum zentralen Gesprächsthema in "Warten auf Godot" erhoben.
ESTRAGON: Wir waren gestern schon mal hier.
WLADIMIR: Ach was, da täuschst du dich.
ESTRAGON: Was haben wir gestern gemacht?
WLADIMIR: Was wir gestern gemacht haben?1
Hier wird verdeutlicht, dass Estragon und Wladimir jegliches Zeitgefühl verloren haben. In ihrem Warten auf Godot erscheint ihnen jeder Tag wie der andere. Der Zeitraum des Wartens wird durch die häufigen Wiederholungen des Wortes "gestern" und das Wiederaufgreifen der gleichen Frage verdeutlicht.
Durch die leeren Konversationen der Figuren wird zudem nur sehr wenig über ihre Persönlichkeit bekannt.
I"Warten auf Godot" – Interpretation
Zu "Warten auf Godot" bestehen einige, teilweise sehr verschiedene Interpretationsansätze, die moralische, historische oder literaturwissenschaftliche Hintergründe mit Bezug auf das absurde Theater aufweisen. Der Autor Samuel Beckett lehnte es hingegen ab, eine Interpretation zu seinem Werk abzugeben. Zu Spekulationen darüber, wer Godot sei, sagte er lediglich:
Hätte ich gewusst, wer Godot ist, hätte ich das Stück nicht geschrieben.2
Diese Aussage lässt einen weiten Spielraum an Interpretationsmöglichkeiten zu, den Beckett eventuell sogar beabsichtigt hat, denn so kann jeder Lesende sein Warten auf Godot selbst definieren.
Historischer Hintergrund
Nach einer im Jahr 2004 in Frankreich veröffentlichten Interpretation, kann das Theaterstück auch auf die Situation der Ausländer und französischen Juden in den Jahren 1942/43 anspielen, die aufgrund der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg in den nichtbesetzten Teil Frankreichs flohen.
Durch die deutsche Besetzung waren sie auf die Hilfe von Schleusern angewiesen. Bei Wladimir und Estragon könnte es sich daher um Juden handeln, die den besetzten Teil des Landes verlassen wollen und dabei die Hilfe von Godot, der nach dieser Auslegung einer der Schleuser wäre, in Anspruch nehmen.
Der Zweite Weltkrieg umfasste die Zeit vom 1. September 1939 bis zum 2. September 1945. In diesem Krieg ermordeten die Nationalsozialisten systematisch über sechs Millionen jüdische Menschen sowie Roma und Sinti, Homosexuelle und politische Gefangene.
Eine weitere These führt auf Samuel Becketts Heimat Irland zurück. Danach könnten Wladimir und Estragon irische Landarbeiter sein, die den ganzen Tag umherziehen und sich über belanglose Dinge unterhalten. Diese These wird jedoch nicht von Argumenten, die sich im Text des Werkes finden lassen, unterstützt.
Moralische Interpretation
Die moralische Interpretation steht in engem Zusammenhang mit der ersten These der historischen Interpretation. Die Elemente des Theaterstücks, wie das Warten auf Godot, der anscheinend wichtig für die Landstreicher ist, die Vergesslichkeit von Wladimir und Estragon und ihr Beschluss zu gehen, dem sie jedoch nie nachkommen, können ebenfalls moralisch vor dem Hintergrund der Nachkriegszeit interpretiert werden.
Statt sich mit den drängenden Fragen zu beschäftigen, warum es für die Nationalsozialisten möglich war, viele Millionen Menschen umzubringen und wie die Verantwortlichen dafür bestraft werden können, beschäftigte sich die Gesellschaft sich mit Nebensächlichkeiten, vertrieb sich die Zeit und damit auch das Denken. Damit würde "Warten auf Godot" und das darin betonte "nichts machen" eine Kritik an der Nachkriegsgesellschaft darstellen, die sich weigerte, das Geschehene aufzuarbeiten und an der Verhinderung weiterer Gräueltaten zu arbeiten.
Absurdes Theater
Die klassische Interpretation der Literaturwissenschaft sieht in "Warten auf Godot" ein Paradebeispiel für das absurde Theater. Das Warten stellt demnach einen zentralen Aspekt des menschlichen Seins dar, indem sie darauf warten, dass sich ihnen der Sinn des Lebens offenbart. Demnach würde sich das Stück mit dem existenzialistischen Problem eines Lebens im Wartezustand beschäftigen.
Daran knüpft eine ähnliche These an, die Kritik an der modernen westlichen Zivilisation übt. "Warten auf Godot" würde danach den modernen Gedanken, dass alles auf dieser Welt einen Sinn und Zweck haben muss, ablehnen. Da Wladimir und Estragon in ihrem Warten auf Godot all ihre Hoffnung in ein zukünftiges Ereignis legen, liegt für sie auch der Sinn ihres Daseins in der Zukunft. Damit wird die Gegenwart entwertet und hat keinen Sinn, weshalb sie sich mit leeren Konversationen und unwichtigen Handlungen die Zeit vertreiben, wodurch das Warten auf Godot entsteht.
Zeitgeschichtlicher Hintergrund von "Warten auf Godot"
"Warten auf Godot" entstand vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der Nachkriegszeit, als die Menschen mit einer neuen Welt konfrontiert wurden. Frühere Glaubenssätze hatten ihre Gültigkeit verloren, denn durch den Krieg hat sich ein Bild ergeben, das fremd und beängstigend war. Städte mussten wieder aufgebaut werden und die Religion sowie die Existenz Gottes wurden samt dem eigenen Handeln hinterfragt. Alles bisher Bekannte und Vertraute ging verloren, sodass die Menschen ihrer Identität beraubt waren und ihre Umwelt als sinnentleert und beängstigend erlebten.
Viele Autorinnen und Autoren lehnten zu dieser Zeit die Illusionen einer heilen Welt in den Romanen ab, da die Realität ein anderes, grausames Bild vorgab. Daher wurde sich verstärkt mit der Natur und der Verarbeitung der Kriegserlebnisse beschäftigt. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich auch das absurde Theater, das die Realität und die Gesellschaft zum Hauptthema erhob. Dabei wurden die Laster der Gesellschaft nicht beschönigt, sondern vor allem die Verlorenheit der Menschen und die Sinnlosigkeit der Welt in den Vordergrund gerückt. Diese Sinnlosigkeit findet Ausdruck in der Absurdität und Strukturlosigkeit der Handlung.
Der Autor von "Warten auf Godot" – Samuel Beckett
Samuel Barclay Beckett war ein irischer Schriftsteller, der 1906 in Dublin geboren wurde. Er gilt als einer der bekanntesten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Becketts Familie, die ein Unternehmen im Baugewerbe führte, stammt von den Hugenotten ab, die im 18. Jahrhundert von Frankreich nach Irland kamen. Samuel Beckett wuchs protestantisch auf und studierte Sprachen und Literatur in Dublin, ehe er als Englischlektor nach Paris ging.
Dort machte er Bekanntschaft mit dem Schriftsteller James Joyce und begann selbst Erzählungen und Gedichte zu verfassen. Im Jahr 1930 kehrte er nach Dublin zurück und promovierte dort. Nachdem sein Vater drei Jahre später gestorben war, reiste Beckett mit dem Geld aus der Erbschaft durch Europa und ließ sich 1937 in Paris nieder. Dort schloss er sich mit seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau der Résistance, dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus, an.
Nach der deutschen Besetzung im Jahr 1942 flohen Beckett und seine Frau nach Südfrankreich, wo der Schriftsteller als Landarbeiter tätig wurde. In den Nachkriegsjahren entstanden die meisten Werke Becketts, wie "Mercier und Camier", "Malone stirbt", "Der Namenlose" und "Warten auf Godot", mit dessen Uraufführung ihm im Jahr 1953 der Durchbruch gelang. Große Bekanntheit erlangte ebenfalls sein Drama "Endspiel".
Im Jahr 1969 wurde Samuel Beckett mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Der Schriftsteller starb am 22. Dezember 1989 in Paris.
Warten auf Godot - Das Wichtigste
- "Warten auf Godot" ist ein Drama des irischen Schriftstellers Samuel Beckett, das im Jahr 1953 in Paris uraufgeführt wurde.
- Das Stück handelt von dem banalen Warten der zwei Landstreicher Wladimir und Estragon auf eine dritte Person, die nie erscheint und gilt damit als Inbegriff des absurden Theaters.
- Das absurde Theater ist eine Richtung des Theaters, die im 20. Jahrhundert als Reaktion auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs entstanden ist und sich inhaltlich mit der Orientierungslosigkeit des Menschen in der modernen Welt beschäftigt.
- "Warten auf Godot" ist das Paradestück des absurden Theaters, da es sich durch leere Konversationen der Figuren, eine Strukturlosigkeit der Handlung und die Auflösung der Einheit von Raum, Ort und Zeit auszeichnet.
- "Warten auf Godot" bietet mit seinem historischen, moralischen und literaturwissenschaftlichen Hintergründen verschiedene Interpretationsansätze.
- Neben "Endspiel" ist "Warten auf Godot" das bekannteste Werk des Literaturnobelpreisträgers Samuel Beckett.
Nachweise
- Samuel Beckett. Warten auf Godot (1993). Deutscher Theater Verlag.
- Ackerley, Gontarski. The Faber Companion to Samuel Beckett (2004). New York: Grove Press.
- Br.de: Absurdes Theater. (29.06.2022)
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Warten auf Godot
Was bedeutet ich warte auf Godot?
"Warten auf Godot" ist eine Redewendung, die aufgrund des gleichnamigen Theaterstücks von Samuel Beckett entstanden ist. Sie bedeutet das vergebliche Warten auf eine Person oder Situation.
Wer schrieb "Warten auf Godot"?
"Warten auf Godot" ist ein Theaterstück des irischen Schriftstellers Samuel Beckett.
Wer wartet laut Samuel Beckett auf Godot?
Im Theaterstück "Warten auf Godot" warten die Landstreicher Wladimir und Estragon auf Godot.
Was ist ein Godot?
Godot ist der Name einer unbekannten Person, auf die zwei Landstreicher im Theaterstück "Warten auf Godot" von Samuel Beckett vergeblich warten.
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