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"Der Prozess" gehört neben "Das Schloss" und "Der Verschollene" zu den Romanen, die erst nach Kafkas Tod veröffentlicht wurden.
"Der Prozess" – Zusammenfassung
In "Der Prozess" wird Josef K., wichtiger Mitarbeiter einer Bank, für eine ihm unbekannte Tat angeklagt und schließlich hingerichtet, ohne, dass K. sich an einem Punkt in der Handlung gegen seine Verurteilung wehren kann.
Die Verhaftung
Josef K., Prokurist einer Bank in einer fiktiven deutschen Großstadt, wacht am Morgen seines 30. Geburtstags auf. Er wird stutzig, weil ihm seine Köchin nicht wie gewohnt sein Frühstück bringt. Plötzlich klingelt es und ein unbekannter Mann, dessen Name sich später als Franz herausstellt, tritt ein. Im Wohnzimmer findet Josef K. einen zweiten Mann namens Willem vor.
Ein/ Eine Prokurist*in hat die Vollmacht, ein Unternehmen so zu vertreten, als wäre er oder sie die Geschäftsführung.
Die beiden Männer werden nur "Wächter" genannt und erklären, dass sie für eine Behörde arbeiten und Josef K. verhaften wollen.
Weitere Hintergründe oder ein Anlass für die Verhaftung werden aber nicht genannt.
Josef K. kann sich nicht erinnern, etwas falsch gemacht zu haben. Schließlich wird er in das Zimmer seiner Mitmieterin, Fräulein Bürstner, bestellt. Darin warten ein Aufseher und drei Mitarbeiter der Bank, in der K. arbeitet. Diese durchstöbern Fräulein Bürstners Zimmer.
Schon am Anfang des Gesprächs mit dem Aufsichtsbeamten merkt Josef K., dass dieser vernünftiger zu sein scheint, als die Wächter.
Er versucht deswegen, von dem Aufseher den Grund seiner Verhaftung herauszufinden. K. selbst geht davon aus, dass er für kein schweres Verbrechen angeklagt worden sein kann und sowieso unschuldig ist. Er bemerkt aber schnell, dass auch der Aufseher nicht auf seiner Seite zu stehen scheint.
K. erfährt, dass der Aufseher gar nicht weiß, ob er angeklagt worden sei und ob die Verhaftung seinen Lebensstil oder die Ausübung seiner Arbeit beeinträchtigen könnte. Daher findet sich Josef K. trotz anfänglichen Ärgernisses letztlich mit seiner Verhaftung ab und empfindet sie als nicht schlimm.
Am Abend kommt K. nach der Arbeit wieder in seine Wohnung zurück und entschuldigt sich bei seiner Zimmervermieterin Frau Grubach für die morgendlichen Geschehnisse.
Auch bei Fräulein Bürstner möchte sich Josef K. entschuldigen und wartet vor ihrem Zimmer im Flur auf ihre Rückkehr. Am Ende des Gesprächs wird Josef K. Frau Bürstner gegenüber aufdringlich und küsst sie leidenschaftlich, bevor er zufrieden in sein eigenes Zimmer geht und sich schlafen legt.
Die Untersuchung
Josef K. wird per Telefon über eine Untersuchung in seiner Angelegenheit am nächsten Sonntag informiert. Eine genaue Uhrzeit erfährt er nicht, nur die Adresse, zu der er kommen soll. Auch wird er darauf hingewiesen, dass diese Untersuchungen nun regelmäßiger geschehen würden und er noch weitere Informationen zu diesen erhalten werde.
Am Sonntag begibt er sich zur angegebenen Adresse, die in einem ärmlichen und heruntergekommenen Viertel liegt. Josef K. betritt ein kleines, mit Menschen gefülltes Zimmer in der Wohnung eines Gerichtsdieners. Dort angekommen merkt er, dass die anderen Personen im Raum alle sehr ähnliche Kleidung und das gleiche Abzeichen tragen.
Er versucht, ihnen die Ungerechtigkeit der Verhaftung zu erklären, die auf keiner für ihn ersichtlichen Grundlage basiere, um die Anwesenden für sich zu gewinnen. Während dieses Versuchs schweift er aber mit seinen Ausführungen stark ab und das Publikum schenkt seine Aufmerksamkeit einem kreischenden Pärchen in der Ecke des Zimmers. Daraufhin beleidigt K. die Anwesenden und verlässt den Saal. Vorher macht er noch deutlich, dass er auf weitere Verhöre verzichten werde.
Die Kanzleien
Josef K. beschließt eigenständig, am folgenden Sonntag nach der Untersuchung zur gleichen Zeit zum gleichen Ort zu gehen. In der Wohnung trifft er auf die Frau des Gerichtsdieners, die K. Unterstützung anbietet und erklärt, ihr habe seine Rede gefallen.
Sie zeigt K. die Bücher des Untersuchungsrichters, die voll mit pornografischen Zeichnungen sind und K. erfährt, dass die Ehefrau des Gerichtsdieners nicht nur mit dem Untersuchungsrichter, sondern auch mit einem Jurastudenten namens Berthold ein Verhältnis hat. Auch an K. scheint sie sehr interessiert zu sein. Besagter Student erscheint kurz darauf in der Wohnung und nimmt die Ehefrau mit zum Untersuchungsrichter.
Hierauf taucht der Gerichtsdiener auf und spricht mit K. über die Untreue seiner Frau, von der er zu wissen scheint. Obwohl er auch unter der Untreue leide, behauptet der Gerichtsdiener, sich nicht dagegen wehren zu können. Er lädt K. anschließend zu einer Führung durch die Gerichtssäle ein, die sich wohl immer auf den Dachböden der heruntergekommenen Mietskasernen befänden. Josef K. trifft auf einige müde aussehende Angeklagte, die auf Holzbänken vor den Gerichtssälen sitzen und darauf warten, in die Säle geholt zu werden.
Aus dem Nichts erleidet K. einen Zusammenbruch. Der Gerichtsdiener erklärt, dass das den meisten Leuten passiere, die zum ersten Mal in den Räumlichkeiten sind. Die Sonne scheine direkt auf das Dach und die Kombination mit dem Holz mache die Luft unerträglich. Schließlich wird K. von einem Auskunftsbeamten der Kanzlei und einem jungen Mädchen nach draußen begleitet. Nach diesem Ereignis beschließt Josef K., seine Sonntage künftig mit anderen Tätigkeiten zu verbringen.
Gesprächsversuche mit Fräulein Bürstner
In der darauffolgenden Zeit versucht Josef K. vergeblich, mit Fräulein Bürstner zu sprechen, um sich bei ihr für sein aufdringliches Verhalten am Abend der Verhaftung zu entschuldigen.
Nach einer Weile zieht eine Freundin von Fräulein Bürstner, Fräulein Montag, bei dieser im Zimmer ein. Als K. nach einiger Zeit nochmals versucht, Fräulein Bürstner in ihrem Zimmer aufzusuchen, findet er dort ihre Freundin vor. Sie erklärt ihm in einem kurzen Gespräch, dass Fräulein Bürstner kein Interesse an einer Aussprache oder Entschuldigung habe.
Aus Trotz gegenüber Fräulein Montag klopft K. danach nochmals an ihre Tür und tritt ein. Im Zimmer bemerkt er Fräulein Montag und Fräulein Bürstners Neffen, die sich gerade unterhalten. Sie scheinen zwar sehr in ihr Gespräch verwickelt und zeigen kein Interesse an K., trotzdem fühlt sich dieser durch ihre Blicke gedemütigt.
Der Vorfall in der Bank
Bei seiner Arbeit in der Bank hört K. eines Abends plötzlich Schreie aus der Rumpelkammer. Als er nachsieht, findet er die beiden Wächter vor, die ihn verhaftet hatten. Ein weiterer, halbnackter und in Leder bekleideter Mann peitscht die beiden gerade aus und verprügelt sie. Auf Nachfrage nach dem Grund für dieses Szenario erklärt sich einer der beiden Wächter. Sie würden dafür bestraft werden, dass K. sich bei seiner Rede während der ersten Untersuchung gegenüber dem Untersuchungsrichter über die Korruption der beiden Wächter beschwert hatte.
Sie bitten Josef K. darum, ihnen zu helfen, was er – von Schuldgefühlen geplagt – auch versucht. Er scheitert jedoch auch mit seinen Bestechungsversuchen gegenüber dem Prügler und flieht aus der Rumpelkammer. Tags darauf ereignet sich dasselbe Szenario in der Kammer, sodass es den Anschein erweckt, die Zeit wäre darin stehen geblieben. K. entzieht sich ein weiteres Mal seiner Verantwortung.
Der Besuch des Onkels
Der Onkel von Josef K. besucht ihn an einem Abend in der Bank. Durch seine halbwüchsige Tochter Erna habe er vom Prozess erfahren. Aus Angst vor der Verletzung der Ehre der Familie beschließt der Onkel, seinen alten Schulfreund und Anwalt Huld zu verständigen, der gute Beziehungen zu einigen Richtern habe.
Beim Anwalt Huld erfahren Josef K. und sein Onkel, dass dieser derzeit krank im Bett liegt und von der Pflegerin Leni betreut wird. Auch der Kanzleidirektor (der Kanzleien in den Mietskasernen) ist gerade zu Besuch bei Huld. Nachdem Josef K. und sein Onkel ihr Anliegen schildern, ist Huld trotz Krankheit bereit, zu helfen.
Während der Besprechung mit Huld wird K. von Leni aus dem Zimmer gelockt und verführt. Sie ist der Meinung, Josef K. sollte ein Geständnis ablegen. Am Ende ist der Onkel empört darüber, dass sein Neffe nicht bei der Besprechung in seiner eigenen Angelegenheit anwesend war und sich stattdessen stundenlang mit der offensichtlichen Geliebten des Advokaten beschäftigt hat.
Der Maler
Nachdem der Advokat Huld nach mehreren Monaten keine sichtbaren Erfolge in der Sache vorzuweisen hat, beschließt K., sein eigenes Verteidigungsschreiben zu erstellen. Da ihn der Prozess gedanklich immer mehr beschäftigt, vernachlässigt K. seine Arbeit in der Bank. Daraufhin übernimmt der Stellvertreter des Direktors die Aufgaben des Prokuristen.
Ein Kunde der Bank weiß von Josef K.s Prozess und empfiehlt ihm, den Gerichtsmaler Titorelli zu kontaktieren. Dieser soll gute Kontakte zu Richtern und Beamten haben und könnte K. damit von seinem Prozess befreien.
K. beschließt, Titorelli aufzusuchen und um Rat zu bitten. Er findet den Gerichtsmaler in einem weiteren ärmlichen Stadtviertel in seinem Atelier vor. Dieses befindet sich auf dem Dachboden eines Hauses, ähnlich wie der Ort der Verhandlungen. K. erfährt, dass das Gericht Titorelli die Räumlichkeiten für das Atelier kostenlos zur Verfügung stellt.
Titorelli erklärt K., dass es wohl nie zu einem echten Freispruch kommen würde, da er das in seinem ganzen Leben noch nicht erlebt habe. Laut Titorelli gibt es zwei Möglichkeiten für Josef K.: Eine "scheinbare Freisprechung“ und eine Verschleppung des Prozesses.
Für einen Scheinfreispruch bräuchte man die Unterschriften von mehr als der Hälfte der zuständigen Richter, die von seiner Unschuld überzeugt sind. Da dies aber nur die "untersten Richter“ betreffe, die keinen endgültigen, sondern nur einen zeitweiligen Freispruch aussprechen könnten, könne es im Laufe der Zeit zu einem weiteren Prozess kommen, der die gleiche Handlung nochmals erfordern würde.
Eine Verschleppung bedeute, dass man den Prozess im untersten Prozessstadium hält. Durch die Beeinflussung des Richters höre der Prozess zwar nicht auf, aber es würde auch nie zu einer Verurteilung kommen. Trotzdem erfordere dies aber einen konstanten freundlichen Austausch mit dem Richter und der Begründung nach einem Stillstand des Prozesses.
Titorelli verabschiedet K., der aus Dankbarkeit drei Werke des Malers kauft, mit der Bitte, sich zwar Gedanken über die beiden Methoden zu machen, sich aber schnell zu entscheiden.
Kündigung des Advokaten
Da weiterhin kein Vorankommen im Prozess bzw. seiner Verteidigung zu spüren ist, beschließt K., dem Advokaten Huld sein Mandat zu entziehen. Dort angekommen, öffnet ihm ein Mann die Tür, den K. anfänglich für einen weiteren Geliebten Lenis hält. Josef K. erfährt, dass es sich um Kaufmann Block, einen weiteren Klienten des Anwalts, handelt. Der Prozess gegen Block soll schon fünf Jahre andauern, und er habe heimlich noch weitere Anwälte in seinem Fall beauftragt.
Als K. gegenüber Huld den Entzug des Mandats offenbart, versucht dieser, ihn zu stoppen. Vor seinen Augen erniedrigt Huld seinen Klienten Block, um seine Macht gegenüber Josef K. zu demonstrieren und teilt ihm mit, der Prozess des Kaufmanns habe all die Jahre noch nicht einmal begonnen.
Die Begegnung mit dem Geistlichen
Aufgrund eines geschäftlichen Treffens mit einem italienischen Kunden der Bank begibt sich Josef K. in den städtischen Dom. Er will sich dort mit dem Kunden treffen. Anstelle des Italieners, der im Dom nicht vorzufinden zu sein scheint, wird Josef K. von einem Geistlichen beim Namen gerufen.
Der Geistliche gibt sich als Gefängniskaplan zu erkennen. Er weiß auch von dem Prozess Bescheid und liest K. die Parabel "Vor dem Gesetz“ vor, um damit auszudrücken, dass sein Prozess wohl kein gutes Ende nehmen werde.
Trotzdem findet Josef K. keine Parallelen in der Parabel zu seinem eigenen Fall und weiß demnach nicht viel damit anzufangen.
Das Ende
Am Abend vor seinem 31. Geburtstag wird Josef K. von zwei fremden Männern, ähnlich wie am Tag der ersten Verhaftung, aus seiner Wohnung geholt. Trotz seiner anfänglichen Gedanken darüber, sich zu wehren, entscheidet er sich dafür, nachzugeben und sein Schicksal über sich ergehen zu lassen. Die Männer sind nicht besonders grob mit ihm, er darf sogar selbst die Laufrichtung durch die Gassen und Straßen vorgeben.
An einem Steinbruch angekommen, zieht einer der Herren K.s gesamte Kleidung aus und faltet sie zusammen – K. wehrt er sich nicht. Während einer der beiden Männer den Steinbruch noch nach einer geeigneten Stelle absucht, geht der andere mit K. sogar auf und ab, um ihn in der kalten Nacht nicht allzu sehr zittern zu lassen.
Als letzte Handlung legen sie K. auf den Boden, bevor einer der Männer ihm ein Messer in die Brust rammt. K.s letzte Worte daraufhin sind:
Wie ein Hund!“
Alle Zitate stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus Franz Kafkas "Der Prozess" (2006, Köln: Anaconda Verlag).
Die wichtigsten Figuren in "Der Prozess"
Josef K.
- Protagonist,
- 30 Jahre alt,
- arbeitet als Prokurist bei einer Bank,
- lebt allein in einem gemieteten Zimmer,
- lässt sich schnell von Frauen verleiten,
- weiß nicht, warum er angeklagt ist,
- beschäftigt sich im Laufe der Geschichte immer mehr mit seinem Prozess,
- fügt sich am Ende seinem Schicksal.
Fräulein Bürstner
- Zimmernachbarin von Josef K.,
- anfangs unentschlossen bezüglich K., hat aber letztendlich kein Interesse an ihm,
- wütend auf K., weil er sie ungefragt küsst.
Advokat Huld
- Anwalt mit viel Erfahrung in Fällen, die ähnlich sind mit dem von Josef K.,
- befreundet mit Josef K.s Onkel,
- ist krank und wird von Leni gepflegt,
- dominant, will seine Macht demonstrieren.
Leni
- Hulds Krankenpflegerin,
- oftmals die Vermittlerin zwischen Huld und seinen Klienten,
- weiß wichtige Dinge über das Gericht,
- hat eine erotische Wirkung auf Josef K.
Aufbau und Sprache in "Der Prozess":
Der Aufbau von "Der Prozess" ist umstritten, da nach Franz Kafkas Tod sein guter Freund Max Brod den Roman in unsortierten Bruchstücken vorfand und nach eigenem Ermessen sortierte. Der Sprachstil des Werks ist typisch für Franz Kafka: schmucklos und sachlich.
Aufbau und Erzählverhalten
Da "Der Prozess" nach Kafkas Tod veröffentlicht wurde, wird die "korrekte" Reihenfolge der Kapitel bis heute oft diskutiert. Kafka selbst hatte seinen Freund sogar gebeten, die Schriften nach seinem Tod zu vernichten. Der Autor hatte die Hefte, in die er seine Texte geschrieben hatte, schon zu Lebzeiten aufgelöst. Sie wurden in einzelnen Teilen, Kapiteln und Fragmenten wiedergefunden. Daher gibt es auch verschiedene Ausgaben von "Der Prozess", in denen teilweise mehrere Kapitel zusammengenommen, oder auch getrennt wurden.
Der ganze Roman ist in der dritten Person verfasst. Trotzdem erfährt der Leser nur das, was der Protagonist Josef K. erlebt, ohne weitere Einblicke in den Prozess zu erhalten (personales Erzählen). Das führt auch dazu, dass einige Situationen und Figuren durch K. falsch interpretiert werden, sodass der Leser/die Leserin sich über das Geschehen nicht sicher sein kann. Der erste Satz im Roman deutet allerdings auf einen auktorialen Erzähler hin, der von K.s Unschuld weiß:
Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.
Gleichzeitig unterstreicht das "mußte" die Unsicherheit des Erzählers.
Die Sprache
Kafka pflegt in "Der Prozess“ einen für ihn üblichen nüchternen und eher unbeteiligten Sprachstil. Seine Schreibweise stellt die unmöglichen und abstrusen Vorgänge in seinen Geschichten als selbstverständlich und gegeben hin. Das macht den einzigartigen Stil Kafkas aus.
Eine Besonderheit hat die Doppelung für das Werk: So gibt es zwei Frauen, die eine erotische Anziehung auf Josef K. ausüben, ihm wird zweimal schlecht in den Räumlichkeiten des Gerichts. Darüber hinaus gibt es zweimal Unstimmigkeiten hinsichtlich der Uhrzeit sowie die zwei Männer am Anfang und am Ende der Geschichte.
"Der Prozess" – Interpretation und Analyse
"Der Prozess" kann auf unterschiedliche Weisen gedeutet werden.
Häufig vergleichen Interpretierende aber die Handlung des Romans mit Ereignissen und Gegebenheiten aus Franz Kafkas Privatleben.
Betrachtung des Romans vor dem Entstehungskontext
"Der Prozess" entstand von 1914 bis 1915.
In der Handlung des Werks erkennt man viele Parallelen zu Ereignissen in Kafkas Privatleben. Die Vermutung liegt nahe, dass der Autor einige seiner Erlebnisse in seinem Roman verarbeitet hat.
1914 plante Kafka seine Hochzeit mit Felice Bauer. Diese wollte ihre verantwortungsvolle Arbeitsstelle als Prokuristin einer Berliner Schallplattenfirma aufgeben, um nach der Hochzeit zu Kafka nach Prag zu ziehen. Auch die Hauptfigur in "Der Prozess" arbeitet als Prokurist.
Während der Planung für die Hochzeit, die für September 1914 angesetzt war, dachte Kafka viel über die Verlobungsfeier nach, bei der er sich laut seinem Tagebuch wie "ein Verbrecher" gefühlt habe. Das stellt eine weitere mögliche Parallele zu "Der Prozess" her, denn Josef K. wird ebenfalls wie ein Verbrecher behandelt, ohne wirklich zu wissen, warum. Dass Kafka sich auf der Feier so teilnahmslos vor Felices Familie, ihren Freund*innen und ihren Kolleg*innen verhielt, nahm sie ihm übel.
Das Zitat stammt aus den Tagebüchern Kafkas von 1914. Kafkas Tagebucheinträge wurden in zahlreichen Sammlungen veröffentlicht, eine davon ist zum Beispiel "Franz Kafka Gesamtwerk – Neuausgabe: Tagebücher: Band 3: 1914–1923" (2008, Berlin: Fischer Tagebuch Verlag).
Am 12. Juli 1914 wohnte Kafka in einem Hotel in Berlin. Plötzlich sollen Felice sowie ihre Schwester Erna und ihre Freundin Grete Bloch das Zimmer betreten haben. Felice beschuldigte Kafka, nicht heiratstauglich zu sein und zeigte ihm als Beweis einen Brief, in dem Kafka Grete Bloch schrieb, sich unsicher über die bevorstehende Hochzeit zu sein. Kafka war zu überrumpelt, um sich zu erklären, was Felice als Vorwand verwendete, um die Verlobung zu lösen. Kafka blieb schockiert zurück.
Auch diese Ereignisse weisen Ähnlichkeiten zu "Der Prozess" auf. Der Roman spielt in einer deutschen Großstadt, während Kafkas überraschende Auseinandersetzung mit Felice in Berlin stattfand. Felice brachte ihre Schwester sowie ihre Freundin im übertragenden Sinne als Zeuginnen und den Brief als Beweismaterial mit. Der Vorgang, den Kafka erlebte, erinnert an einen Gerichtsprozess, ähnlich wie die Handlung im Roman.
Bei den Zeuginnen von Felice fällt außerdem auf, dass Felices Schwester Erna und die Cousine von Josef K. in "Der Prozess" denselben Namen haben.
Psychoanalytischer Interpretationsansatz
Ein psychoanalytischer Interpretationsansatz ist ebenfalls bei der Betrachtung von "Der Prozess" möglich.
Die Handlung lässt sich insoweit interpretieren, dass der Gerichtsprozess für die komplizierten Vorgänge in Kafkas Psyche steht.
Der Autor versuchte dadurch, seinem Frust über seine Krankheiten und vertrackten Gedanken Luft zu machen.
Die Psychoanalyse beschäftigt sich mit der Tiefenpsychologie und dem Unterbewusstsein.
Das Gericht bestraft Josef K. in der Handlung von "Der Prozess" für etwas, das er aus seiner Sicht nicht getan hat. Der Gegenstand des vermeintlichen Verbrechens bleibt bis zum Ende der Handlung unbekannt.
Kafka litt an zahlreichen psychischen und auch physischen Störungen.
Aufgrund familiärer Probleme litt der junge Kafka zum Beispiel an mehreren Phobien und Störungen am vegetativen Nervensystem. Kafka wurde also von seiner Psyche und seinem Körper "bestraft", ohne etwas "verbrochen" zu haben.
"Der Prozess" – Über den Autor Franz Kafka
Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 in Prag als zweitältester Sohn in einer jüdischen Familie geboren. Seine Brüder starben früh an Krankheiten und Kafka litt sehr unter dem herrischen und konfliktreichen Verhalten seines Vaters, was er als Motiv in vielen seiner Werke verarbeitete.
1901 schloss er die Schule mit mittelmäßigen Noten ab und schrieb ein paar Jahre später seine erste Novelle "Beschreibung eines Kampfes". Kurz darauf folgte eine Promotion in Jura mit anschließender Anstellung bei einer Versicherung.
1914 erfolgt die bereits erwähnte Auflösung der Verlobung mit Felice Bauer und die Arbeit an "Der Prozess". 1919 schrieb Kafka den "Brief an den Vater", in dem er sich nach Versöhnung sehnt. Kafka schickte ihn aber nie ab. Ein paar Jahre später starb Franz Kafka im Alter von 40 Jahren in einem Sanatorium bei Klosterneuburg in Österreich aufgrund von Herzversagen. Kafka litt aber auch an einer Kehlkopftuberkulose, welche ihn körperlich sehr auszehrte.
Kafkas restliche Geschwister, die drei jüngeren Schwestern Elli, Valli und Ottla, fielen dem Holocaust zum Opfer und verstarben in unterschiedlichen Vernichtungslagern zwischen 1941 und 1943.
Der Prozess - Das Wichtigste
- Der Roman "Der Prozess" wurde zwischen 1914 und 1915 von Franz Kafka verfasst und 1925 nach seinem Tod von seinem guten Freund Max Brod veröffentlicht.
- In "Der Prozess" wird die Hauptfigur Josef K. für ein Verbrechen, von dem er nichts weiß, von einem Gericht angeklagt und schließlich hingerichtet.
- Der Sprachstil ist, typisch für Kafka, sachlich und schmucklos gehalten. Dies lässt das Verwirrende selbstverständlich wirken.
- Die Erzählweise ist personal: Die Lesenden erfahren nur das, was der Protagonist auch erfährt.
- Laut vielen Interpretationsansätzen verarbeitete der Autor Ereignisse und Gegebenheiten aus seinem eigenen Leben in dem Roman. So etwa die plötzliche Auflösung seiner Verlobung mit Felice Bauer, die sich für ihn wie ein Gerichtsprozess angefühlt hat und seine physischen und psychischen Krankheiten, mit denen er unverschuldet zurechtkommen musste.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Der Prozess
Warum wird Josef K. umgebracht?
Josef K. wird in "Der Prozess" für ein ihm unbekanntes Verbrechen hingerichtet. Ob er es tatsächlich begangen hat, bleibt unklar.
Wann schrieb Kafka Der Prozess?
Kafka schrieb "Der Prozess" zwischen 1914 und 1915, veröffentlicht wurde der Roman aber erst 1925 nach Kafkas Tod.
Wie heißt die Hauptfigur in Kafkas Prozess?
Die Hauptfigur in Kafkas "Der Prozess" heißt Josef K. Er ist Prokurist bei einer Bank.
Woher kommt kafkaesk?
Das Wort "kafkaesk" stammt von Kafkas Art, Umstände zu beschreiben. Eine kafkaeske Situation ist eine Situation, in der man Willkür getarnt als Rationalismus machtlos ausgeliefert ist.
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