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Personen und Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der Bild-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.1
Die folgenden Stichpunkte geben Dir eine erste, kurze Zusammenfassung des Werks:
- Die 27-jährige Katharina Blum arbeitet als Hauswirtschafterin.
- Sie lernt auf einer Karnevalsfeier einen Mann kennen und verbringt mit ihm die Nacht.
- Danach wird die Protagonistin von der Polizei und einer Boulevardzeitung belästigt.
- Es werden beleidigende Artikel über sie veröffentlicht, Die ZEITUNG dringt in alle Bereiche ihres Lebens ein.
- Dies geht so lange, bis der Ruf und das Leben von Katharina Blum und ihren Angehörigen ruiniert sind.
Eine Boulevardzeitung ist eine regelmäßig erscheinende Zeitung mit niedriger Seriosität. Boulevardmedien haben oft hohe Verkaufszahlen.
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Zusammenfassung
Im Folgenden erhältst Du eine Zusammenfassung von Bölls "Die verlorene Ehre der Katharina Blum".
- Die Geschichte handelt von einer jungen Frau, deren Leben in nur wenigen Tagen ruiniert wird.
- Die 27-jährige Hauswirtschafterin lernt auf einer Karnevalsfeier einen Mann kennen, in den sie sich sofort verliebt.
- Nur wenige Tage später erschießt sie einen Journalisten.
- Die vier Tage zwischen diesen beiden Ereignissen werden in der Erzählung von Heinrich Böll beschrieben.
Mittwoch, der 20.02.1974
Katharina Blum arbeitet bei dem Ehepaar Blorna als Hauswirtschafterin und pflegt ein freundschaftliches Verhältnis zu ihren Arbeitgeber*innen.
- Hubert Blorna arbeitet als Rechtsanwalt und seine Frau Trude ist Architektin.
- An dem Abend, an dem das Paar in den Skiurlaub aufbricht, geht die Hauswirtschafterin zu einem Hausball bei ihrer Patentante Else Woltersheim.
- Katharina lernt auf der Feier schnell Ludwig Götten kennen und die beiden tanzen den restlichen Abend miteinander.
- Um ungefähr 22 Uhr gehen sie in Katharinas Wohnung und schlafen miteinander.
Donnerstag, der 21.02.1974
Am nächsten Morgen wird ihre Wohnung von Polizist*innen gestürmt. Die acht Beamt*innen treffen schwer bewaffnet ein, allerdings scheint Katharina trotzdem nicht erschrocken zu sein. Auf die Frage nach Götten antwortet sie nur, dass der gegangen sei, als sie noch geschlafen habe und sie nicht wüsste, wo er sei. Der Kommissar Erwin Beizmenne fragt sie daraufhin, ob Götten sie "gefickt" habe, woraufhin Katharina beschämt ist.
- Sie wird aufgefordert, mit auf die Polizeiwache zu kommen, da man sie verhören wolle.
- Katharina versteht nicht, warum sie mitkommen soll und fragt immer wieder, warum die Polizist*innen Götten suchen würden.
- Nach einiger Zeit sagt die Beamtin Pietzer, dass Götten ein Schwerverbrecher sei, der Banken überfallen habe und vielleicht auch einen Mord begangen hätte.
Die Vernehmung von Katharina Blum
In der Vernehmung auf dem Polizeirevier muss Katharina Blum ihre Lebensgeschichte erzählen. Darunter zählen etwa diese Informationen:
- Sie ist 1947 geboren und auf einem Dorf aufgewachsen.
- Ihr Vater starb, als sie sechs Jahre alt war.
- Ihre Mutter arbeitete als Reinigungskraft, wodurch sie über nicht viel Geld verfügten.
- 1968 heiratete sie Wilhelm Bettloh, allerdings trennte sich das Paar schon bald darauf, weil er gegenüber ihr zudringlich geworden sei.
- Sie schloss daraufhin ihre Ausbildung als Wirtschafterin ab und erhielt die Stelle bei dem Ehepaar Blorna.
- Trude Blorna verhalf ihr zu einer Eigentumswohnung.
- Um das dafür benötigte Geld zu verdienen, arbeitete Katharina häufig auch neben ihrem Hauptjob und organisierte unter anderem Partys und Tanzbälle.
- Auf diesen Veranstaltungen tanzte sie mit vielen Männern.
- So auch mit dem Staatsanwalt, der bei der Vernehmung vor Ort ist.
Katharina Blum lässt sich nach ihrer Vernehmung das Protokoll noch einmal vorlesen und prüft die Richtigkeit, bevor sie es unterschreibt. Es werden auch ihre Nachbar*innen vernommen, die von regelmäßigen Männerbesuchen erzählen.
Zur selben Zeit kommt ein Journalist des Boulevardblatts die ZEITUNG auf Hubert Blorna im Skiurlaub zu und befragt ihn zu Katharina Blum. Blorna wird unter anderem gefragt, wie er den Charakter seiner Angestellten beschreiben würde, worauf er mit klug und kühl antwortet. Er ärgert sich noch im selben Moment über seine Wortwahl, weil er glaubt, dass man die Beschreibung missverstehen könnte.
Freitag, der 22.02.1974
Am nächsten Tag ist Katharina bereits auf der Titelseite der ZEITUNG abgebildet.
- Die Beschreibung ihres Charakters durch Blorna wurde zu "eiskalt und berechnend" verändert.
- Auch der restliche Artikel verunglimpft die junge Frau und berichtet von den Herrenbesuchen, die in der Vernehmung ihrer Nachbarn erwähnt wurden.
- Die Blornas brechen ihren Urlaub sofort ab, als sie die Titelgeschichte sehen, die voll von Vermutungen und Unterstellungen ist.
Katharina telefoniert an dem Freitag mit Götten, allerdings wird das Gespräch von der Polizei heimlich abgehört. Sie bekommt obszöne Anrufe und Hassbotschaften und sexuelle Aufforderungen per Post.
Die zweite Vernehmung
Katharina wird nun zusammen mit ihrer Patentante Else Woltersheim verhört, bei der die Party stattgefunden hatte, auf der auch Götten war. Die Polizei hat in der Zwischenzeit ihre Finanzen geprüft, allerdings keine Auffälligkeiten finden können.
- Als Else Woltersheim die Titelseite der ZEITUNG sieht, fragt sie die Polizist*innen, ob man Katharina davor nicht hätte bewahren müssen.
- Sie fragt außerdem, wie Details aus der Vernehmung zu den Journalist*innen gelangt seien.
- Der Staatsanwalt Hach antwortet ihr, dass Katharina Blum durch ihre Affäre zu Götten zu einer Person der Zeitgeschichte geworden wäre.
- Dadurch könne man ihre Privatsphäre nicht mehr beachten.
In dem Verhör wird außerdem die Frage geklärt, wie Götten auf die Party gelangt ist. Woltersheim erklärt, dass sie nicht genügend Männer für Tanzpaare hatten, sodass sie in eine Bar gegangen seien, in der sie Götten getroffen und eingeladen hatten. Götten ist in Begleitung von Karl zu dem Ball gegangen, der ihn für die Polizei beschattet hat.
Samstag, der 23.02.1974
Die ZEITUNG berichtet weiterhin über das Privatleben von Katharina Blum.
- Es wird ihr Ex-Mann interviewt, der sagt, dass er sich nicht vorstellen könne, wie sich Katharina eine Eigentumswohnung leisten könne.
- Ein Foto der Blornas ist abgebildet und sie werden als "Linke" und "Rote" bezeichnet.
- Außerdem schreibt die ZEITUNG, dass ihre Rolle in der angeblichen Verschwörung fragwürdig sei.
Rot ist die Farbe, die politisch für den Sozialismus und andere linke Strömungen steht.
Die Blornas unterhalten sich über die Schlagzeilen.
- Trude Blorna sagt, dass sie Katharina in ihrer Wohnung aufgezeichnet hatte.
- Sie war dort, wo sich die Lüftungs-, Heizungs- und Kanalisationsschächte befinden.
- Durch dieses Wissen könnte Katharina Götten zur Flucht verholfen haben.
- Das Ehepaar überlegt auch, wer der Herrenbesuch sein könnte, den Katharina laut der Zeitung erhalten soll.
- Sie kommen auf den Geschäftsmann Alois Sträubleder, einen Freund von Hubert Blorna.
Sträubleder kommt zu Besuch bei den Blornas vorbei.
- Er weiß davon, dass Katharina für den nächsten Tag ein Treffen mit dem Journalisten Tötges vereinbart hat.
- Dieser schreibt die Artikel über Katharina in der ZEITUNG.
- Er erzählt davon, dass er Katharina einen Schlüssel zu seinem Zweithaus aufgedrängt habe.
- Er vermutet, dass sich Götten dort verstecken könnte.
- Kurz darauf kommt es tatsächlich zu einem Polizeieinsatz.
- Götten wird in dem Zweithaus von Sträubleder verhaftet.
Der Tod der Mutter
Katharinas Mutter liegt nach einer schweren Operation im Krankenhaus.
- Tötges verkleidet sich als Handwerker und schleicht in ihr Zimmer.
- Er befragt die ältere Frau, die am nächsten Morgen stirbt.
- Trude Blorna, Else Woltersheim und Katharina Blum fahren nach dem Anruf, der die tragische Nachricht übermittelt, sofort ins Krankenhaus.
- Katharina bricht zusammen und weint.
Katharina erzählt, dass sie tatsächlich den Schlüssel des Zweithauses von Sträubleder hatte und Götten so zur Flucht verholfen hat. Er hatte ihr gesagt, dass er Bundeswehrdeserteur sei und sie hielt die Flucht für romantisch.
Als Deserteur bezeichnet man eine/n Soldat*in, die/der vor ihren/seinen militärischen Verpflichtungen geflohen ist.
Sonntag, den 24.02.1974
Die beleidigenden Hassreden über Katharina werden in der ZEITUNG immer schwerwiegender:
- In der ZEITUNG steht, dass Katharina schuld am Tod ihrer Mutter sei.
- Sie wird als pervers und herzlos beschrieben.
- Ein ehemaliger Arbeitgeber von ihr wird zitiert, der sie als "nuttig" bezeichnet.
- Ihr wird vorgeworfen, einem anderen ehemaligen Arbeitgeber bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben.
- Außerdem wird ihr Verhältnis zu Sträubleder beschrieben.
- Katharina soll ihm nachgestellt und versucht haben, ihm im Auftrag einer linken Gruppierung zu schaden.
Als die Blornas all das lesen, werden sie wütend. Hubert Blorna beginnt zu schreien und rennt in die Garage, weil er einen Molotov-Cocktail bauen möchte, aber seine Frau kann ihn noch rechtzeitig davon abhalten.
Ein Molotov-Cocktail ist eine selbst gebaute Bombe, die aus einer Flasche und Benzin gefertigt wird. Sie wird häufig bei Straßenschlachten, Brandanschlägen oder bei Aufständen verwendet.
Währenddessen ist Katharina als Beduinin verkleidet auf einer Journalisten-Party zu Karneval. Sie versucht Tötges zu finden, da sie den Mann sehen will, der ihr Leben zerstört hat.
- Da sie ihn nicht findet, geht sie zurück in ihre Wohnung, wo sie mit ihm verabredet ist.
- Er erscheint gegen 12 Uhr nachts und schlägt schon beim Betreten der Wohnung vor zu "bumsen".
- Katharina erschießt ihn aber sofort und verlässt das Haus.
- Nachdem sie die Kirche und ein Café besucht hat, geht sie zur Polizei und stellt sich wegen des Mordes.
Das Wort "Beduinen" kommt vom Arabischen "badiya", was Wüste oder Steppe heißt. Als Beduinen bezeichnet man nomadische (nicht sesshafte) Völker im arabischen Sprachraum, die primär in Wüstengebieten leben.
Nachspiel
Auf Katharinas Wunsch übernimmt Hubert Blorna ihre Verteidigung.
- Er versucht zu erreichen, dass sie und Götten gegenseitige Besuchserlaubnis erhalten.
- Blorna ist besonders beruflich durch die Ereignisse schwer getroffen.
- Er erhält keine großen Aufträge mehr, weshalb er verarmt.
- Einige seiner Freundschaften sind durch die Vorfälle zerbrochen und er ist verbittert.
Katharina und Götten erhalten beide ca. 10 Jahre Haft. Katharina zeigt im Gefängnis keine Reue, sondern hält ihre Tat für gerechtfertigt. Ihr Plan ist es, nach ihrer Entlassung ein Restaurant zu eröffnen.
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Charakterisierung
Nachfolgend findest Du die Charakterisierung von "Die verlorene Ehre der Katharina Blum".
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Personen: Katharina Blum
Katharina Blum ist die Hauptfigur der Erzählung von Heinrich Böll und eine 27-jährige Hausangestellte. Sie stammt aus einer dörflichen Gegend und aus schwierigen Verhältnissen. Ihr Vater ist gestorben als sie noch klein war und ihre Mutter arbeitete als Reinigungskraft, weswegen die Familie nur über wenig Geld verfügte. Außerdem war ihre Mutter alkoholsüchtig, wodurch Katharina früh dazu gezwungen war selbstständig zu werden.
- Katharina Blum wird als schön beschrieben und zieht dadurch oft die Aufmerksamkeit von Männern auf sich.
- Eine Ehe lässt sie hinter sich, da ihr Mann übergriffig geworden ist.
- Auch in ihrem Berufsleben wurde sie oft von Männern belästigt.
- Daher ist sie meist abweisend zu fremden Männern.
- Nach der Scheidung hat Katharina die Hauswirtschaftsschule besucht und wurde staatlich anerkannte Wirtschafterin.
- Dieser Beruf entspricht ihren Talenten: sie ist ordentlich, korrekt und pedantisch.
- Allerdings wird sie von ihren Arbeitgeber*innen, den Blornas, auch als still und freundlich beschrieben.
Auch wenn Katharina nach außen die meiste Zeit ruhig bleibt, wird deutlich, dass sie versucht zu kämpfen. Am Ende sieht sie keinen anderen Weg, als den Journalisten, der über sie geschrieben und ihre Mutter im Krankenhaus belästigt hat, umzubringen. Sie bereut den Mord an dem Mann nicht und nimmt die erhaltene Gefängnisstrafe hin. Im Gefängnis wird sie zu einer vorbildlichen Gefangenen und plant nach ihrer Entlassung ein Restaurant zu eröffnen.
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Analyse
Die Analyse des Werks "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". umfasst sowohl den Aufbau als auch die Sprache des Werks.
Die "verlorene Ehre" von Katharina Blum soll primär im Kontrast zu der typischen Berichterstattung in Boulevardmedien stehen, die meist durch extreme Subjektivität und reißerische Behauptungen geprägt ist. Die Sprache im Werk ist nüchtern. Allerdings wird trotzdem klar, dass der Erzähler auf der Seite der Protagonistin steht.
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Aufbau
Folgende Punkte sind zum Aufbau von "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" zu sagen:
- Die Erzählung stellt eine sogenannte Analepse, also eine Rückblende dar.
- Schon zu Beginn erfährt der/die Leser*in, dass Katharina Blum den Journalisten umgebracht hat.
- Allerdings weiß er/sie nicht, warum.
- Die Motive der Hauptfigur für ihre Tat werden dann nach und nach durch die Geschichte erklärt.
- Insgesamt besteht die Erzählung aus 58 kurzen Kapiteln.
- Die Erzählung von Heinrich Böll ist größtenteils chronologisch aufgebaut.
- Dies wird durch die genauen Datumsangaben betont.
- Allerdings sind trotzdem längere Rückblenden in den Text eingefügt, die die Chronologie unterbrechen.
- Die Handlung selbst erstreckt sich dabei auch nur über vier Tage.
- Sie beginnt an Altweiberfasching und nimmt vorerst an Rosenmontag ihr Ende.
- Abschließend wird Nachspiel erzählt.
Der auktoriale Erzähler nimmt eine klare Position auf der Seite von Katharina Blum ein und ist dadurch nicht objektiv. Er kommentiert das Geschehen, zum Beispiel in der folgenden Formulierung:
Es sollte nämlich nur eine Frage geklärt werden, die in Zusammenhang mit Beizmennes Verabredungs- und Verschwörungstheorie wichtig genug war: Wie war Ludwig Götten zum Hausball bei Frau Woltersheim gekommen?1
Durch die Verwendung der Begriffe "Verabredungs- und Verschwörungstheorie" wird der Polizist Beizmenne als unseriös dargestellt und die Sympathie des Erzählers liegt so auf Katharinas Seite.
Der Aufbau von Bölls "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" grenzt sich auch von einem klassischen Kriminalroman ab.
- Zwar handelt der Roman von einem Mord, allerdings werden die Verfehlungen der ZEITUNG vielmehr in den Mittelpunkt gestellt und der Mord als eine Folge dieser dargestellt.
- Dies wird besonders dadurch erreicht, dass der Mord bereits am Anfang steht.
- Die Motive werden erst nach und nach durch die Handlungen der ZEITUNG offenbart.
- Dadurch erleben die Leser*innen die Leidensgeschichte der Protagonistin, die ihre Sympathie erhält.
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Sprache
Um die Sprache der Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" bewerten zu können, muss man zuerst die typische Sprache des Boulevardjournalismus, wie sie bei der ZEITUNG dargestellt ist, nachvollziehen.
Besonders geprägt ist diese Sprache von verknappenden und subjektiven Schlagzeilen und großen Bildern der betroffenen Personen. In den Schlagzeilen und den kurzen Texten werden Beleidigungen und unbewiesene Verleumdungen verbreitet.
Eine Verleumdung ist eine Straftat, bei der jemand Dinge über eine Person verbreitet, die die Ehre dieser Person verletzen oder auch auf andere Weise zu Schaden führen können. Eine Verleumdung ist immer eine Unwahrheit oder eine starke Verfremdung der Wahrheit.
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Stilmittel
Ein häufiges Stilmittel in Boulevardmedien sind Ellipsen.
- Die elliptischen Beschreibungen der ZEITUNG sind darauf ausgelegt, dass sie sich in das Gedächtnis der Leser*innen einbrennen.
- Dadurch wird die Wirkung der Unwahrheiten noch verstärkt, da sie sich noch schneller und effektiver verbreiten können.
Zum Beispiel bezeichnet die ZEITUNG Katharina Blum als "Räuberliebchen" oder "Mörderbraut", was klare Verleumdungen sind, die sich aber durch ihre Eingängigkeit schnell verbreiten.
Eine Ellipse ist ein Stilmittel, das einzelne Worte oder Begriffe stark verknappt oder weglässt. Falls Du mehr über Ellipsen wissen möchtest, dann schau Dir doch die Erklärung "Ellipse" auf StudySmarter an!
Ein Beispiel für solche Verleumdungen ist im folgenden Beispiel erkennbar, in dem die ZEITUNG zum ersten Mal über Katharina Blum berichtet. Aus der Sicht von Hubert Blorna werden die Schlagzeilen wie folgt dargestellt:
Dort auf der Rückseite las er dann, daß die ZEITUNG aus seiner Äußerung, Katharina sei klug und kühl »eiskalt und berechnend« gemacht hatte und aus seiner generellen Äußerung über Kriminalität, daß sie »durchaus eines Verbrechens fähig sei«. Der Pfarrer von Gemmelbroich hatte ausgesagt: »Der traue ich alles zu. Der Vater war ein verkappter Kommunist und ihre Mutter, die ich aus Barmherzigkeit eine zeitlang als Putzhilfe beschäftigte, hat Meßwein gestohlen und in der Sakristei mit ihren Liebhabern Orgien gefeiert.«
Die Sprache des Erzählers kann als Gegenpart zu der ZEITUNG gesehen werden. Große Teile der Erzählung sind in einem sachlichen Stil gehalten, der an einen Bericht erinnert. Trotzdem ergreift der Erzähler, wie bereits erwähnt, Partei und spricht sich direkt gegen die Methoden der ZEITUNG aus.
Die Erzählweise der Vernehmungen ist objektiv und durch das unpersönliche "es" geprägt. Die Figuren, wie Else Wolterheim, sprechen umgangssprachlich. Dies wird besonders deutlich, als die Patentante die familiären Verhältnisse von Katharina Blum beschreibt:
Dann aber sei ihre Mutter, [...] einmal sogar erwischt worden, wie sie in der Sakristei gemeinsam mit dem Küster eine Flasche Meßwein getrunken habe. Daraus sei dann eine »Orgie« und ein Skandal gemacht worden, [...]. Ja, Frau Blum, Katharinas Mutter, sei sehr labil, streckenweise auch Alkoholikerin gewesen, aber man müsse sich diesen ewig nörgelnden, kränklichen Mann
- Katharinas Vater - vorstellen, der als Wrack aus dem Krieg heimgekommen sei, dann die verbitterte Mutter und den — ja man könne sagen mißratenen Bruder.
Else Woltersheim beschreibt die zerrüttete Familie von Katharina Blum in deutlicher und umgangssprachlicher Weise, allerdings kritisiert sie dabei auch die ZEITUNG, die aus einer Flasche Messwein eine Orgie gemacht hat.
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Interpretation
Wie könnte eine Interpretation des Werks "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" aussehen? Im Folgenden erhältst Du einige Möglichkeiten.
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Epoche
Eine Interpretation des Werks kann im Kontext der literarischen Epoche der Moderne erfolgen.
- "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" ist der Epoche der Moderne zuzuordnen.
- Das Werk selbst ist aber auch der literarischen Strömung der Neuen Innerlichkeit zuzuschreiben.
- In dieser literarischen Strömung, die vordergründig in den 1970-er Jahren von Bedeutung war, stand die subjektive Erfahrung des Individuums im Mittelpunkt.
- Gleichzeitig gab es eine Abkehr von der politischen Literatur, die in den 1960-er Jahren stark vertreten war.
Falls Du mehr über die literarische Strömung erfahren möchtest, schau Dir doch die Erklärung "Neue Innerlichkeit" auf StudySmarter an!
Heinrich Bölls Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" ist vorwiegend eine Kritik am Sensationsjournalismus und dessen Folgen für einzelne Personen und die Gesellschaft. Die fiktiven Zeitungsberichte werden den Ereignissen, wie sie vom auktorialen Erzähler dargestellt werden, gegenübergestellt. Dadurch wird dargestellt, wie die Realität im Boulevardjournalismus verfremdet und verkürzt wird.
Bereits der Titel der Erzählung stellt eine Gefahr dar, auf die der Text aufmerksam macht. "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" weist auf die persönlichen Konsequenzen hin, die eine einzelne Person durch die Berichterstattung der ZEITUNG tragen muss. Die Ehre von Katharina Blum ist nach vier Tagen, die über sie geschrieben wird, nicht nur beschädigt, sondern gänzlich zerstört.
- Die Hauptfigur hat zwar durch die Beihilfe zur Flucht Göttens eine Straftat begangen, allerdings wird über sie berichtet, bevor diese Tat nachgewiesen wurde.
- Ihr werden Dinge unterstellt, die frei erfunden sind – sie wird in der Öffentlichkeit beleidigt und bloßgestellt.
- Sie wird darüber hinaus durch Briefe und Anrufe terrorisiert.
- Dies kann als verbale und psychische Gewalt bezeichnet werden.
- Diese führt nicht nur zu einer Einschränkung des Lebens der Betroffenen.
- Letztlich bringt es auch physische Gewalt in Katharina hervor.
Die Vorbemerkung im Werk, in der Böll Ähnlichkeiten mit der Bild-Zeitung als "unvermeidlich" bezeichnet, ist sowohl eine rechtliche Abgrenzung als auch ironisch. Heinrich Böll sichert sich durch diese salvatorische Klausel gegen Klagen vonseiten der BILD-Zeitung ab.
Allerdings steuert er auch die Analyse von Leser*innen direkt in die Richtung dieses Blattes. Es gibt allerdings noch weitere Verweise auf die BILD, wie der Pressefotograf Schönner, der zusammen mit Tötges ermittelt. Der Name ist wahrscheinlich nicht zufällig gewählt, da zur Zeit der Erscheinung ein bekannter Journalist der Bild-Zeitung, Adolf Schönner, aktiv war.
Eine "salvatorische Klausel" ist in der juristischen Fachsprache die Bezeichnung für eine einschränkende Bestimmung innerhalb eines Vertrages. Umgangssprachlich wird der Begriff für rechtliche Absicherungen im Vorhinein verwendet.
Auch die grammatikalischen Verkürzungen entsprechen einer Schreibweise, die für eine Boulevardzeitung typisch ist:
MÖRDERBRAUT IMMER NOCH VERSTOCKT! KEIN HINWEIS AUF GÖTTENS VERBLEIB! POLIZEI IN GROSSALARM.
Die Schlagzeile ist zwar fiktiv, allerdings ist sie stilistisch nah an Schlagzeilen der Realität. Die Kritik von Heinrich Böll richtet sich dabei auch gegen die Leser*innen der Zeitungen, die solchen Journalismus betreiben, da sie durch die hohen Verkaufszahlen die Methoden unterstützen und die Leben der Betroffenen mit zerstören.
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Hintergrund
Kurz vor der Entstehung der Erzählung war auch Heinrich Böll selbst Opfer einer Hetzkampagne der Bild-Zeitung geworden. Böll hat in der Zeitschrift "Der Spiegel" einen Essay veröffentlicht, der sich auf die Berichterstattung der Boulevardpresse, insbesondere der Bild, bezüglich der linksterroristischen Gruppierung RAF (Rote Armee Fraktion) bezog.
Die RAF (Rote Armee Fraktion)
In den 1960-er Jahren formierten sich unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Bundesrepublik Deutschland verschiedene Protestgruppierungen. Sie wollten die Verbrechen der Nationalsozialisten aufarbeiten und waren gegen den Vietnamkrieg. Viele der Bewegungen waren besonders von den US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegungen beeinflusst, die sich für die schwarze Bevölkerung einsetzten.
Die Rote Armee Fraktion entwickelte sich aus dieser Szene. Die RAF wurde 1970 von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler und Ulrike Meinhof gegründet. Sie verstanden sich als eine kommunistische Vereinigung, die auch mit verschiedenen Organisationen weltweit zusammenarbeitete. Die RAF war eine militante Vereinigung, die für ihre Ziele auch Gewalt bis hin zu Mord einsetzte.
Sie glaubten, dass die kapitalistisch organisierte BRD früher oder später zu einem faschistischen Staat werden würde, wenn sie nicht eingreifen. Dadurch wurden besonders mächtige Personen mit einer Vergangenheit in der NSDAP zum Ziel ihrer Anschläge. Insgesamt wurden 33 Menschen durch Anschläge und Morde der RAF umgebracht und ungefähr 200 Menschen verletzt. 24 Mitglieder der RAF starben durch Schusswechsel mit der Polizei, Explosionen, Suizid oder den Folgen eines Hungerstreiks.
Der Essay von Böll "Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?" bezieht sich im Titel auf Ulrike Meinhof, die eine zentrale Figur der RAF war. Der Text kritisiert, dass die Bild-Zeitung mitunter Panik verbreitete und Todesfälle als Morde der RAF bezeichnete, obwohl ein Zusammenhang noch nicht bewiesen war. Daraufhin wurde er von der Bild-Zeitung als Sympathisant der terroristischen Gruppe bezeichnet, obwohl er kein Verständnis für die Taten angedeutet hatte.
Nachdem ein Professor, der Ulrike Meinhof eine Nacht in seiner Wohnung hat schlafen lassen, von der Bild-Zeitung regelrecht gejagt wurde, verfasste Böll die Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". Der Zusammenhang mit diesem speziellen Fall lässt sich aus verschiedenen Briefen rekonstruieren, die Böll zur Zeit der Entstehung der Erzählung verfasst hat.
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Autor Heinrich Böll
Heinrich Böll, der Autor von "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", wurde 1917 in Köln geboren und starb 1985 in Kreuzau-Langenbroich.
- Sein Vater arbeitete als Schreiner, allerdings verlor er durch die Finanzkrise 1923 sein Geschäft und die Familie musste daraufhin in ein Armenquartier ziehen.
- Bölls Familie war katholisch geprägt und gegen die Diktatur des Nationalsozialismus (1933-1945) eingestellt.
- Böll begann 1939 ein Studium der Germanistik und klassischen Philologie, allerdings wurde er noch im selben Jahr von der Wehrmacht eingezogen.
- Im Jahr 1945 wurde er vom US-amerikanischen Militär als Kriegsverbrecher festgehalten und im September desselben Jahres wieder freigelassen.
Seinen literarischen Durchbruch erlangte er durch seinen ersten Auftritt in der Gruppe 47, einer Gruppe von Literaturkritiker*innen und Literat*innen, die sich trafen und gegenseitig über ihre Texte urteilten. Nachdem Böll in einer Versammlung der Gruppe sehr positiv aufgenommen wurde, kam er zu großem literarischem Erfolg. Sein Hauptthema war die kritische Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik Deutschland. 1972 erhielt er den Literaturnobelpreis. Bis heute gilt Heinrich Böll als einer der bedeutendsten Schriftsteller der Nachkriegszeit in Deutschland.
Die verlorene Ehre der Katharina Blum - Das Wichtigste
- "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" ist eine Erzählung von Heinrich Böll und 1976 erschienen.
- "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Zusammenfassung:
- Die Erzählung handelt von der jungen Frau Katharina Blum, die einem Deserteur der Bundeswehr zu Flucht verhilft, woraufhin die Polizei und die ZEITUNG auf sie aufmerksam werden.
- Nach nur vier Tagen ist durch eine Hetzkampagne ihr Leben ruiniert und sie erschießt den Journalisten Tötges, der die Artikel über sie verfasst hat.
- "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Charakterisierung:
- Katharina Blum:
- Hauptfigur
- 27 Jahre alt
- Hausangestellte
- stammt aus dörflicher Gegend und schwierigen Verhältnissen
- wird insbesondere von Männern als attraktiv wahrgenommen
- wird häufig von Männern belästigt
- geschieden
- ordentlich, korrekt und pedantisch
- wird als still und freundlich wahrgenommen
- Katharina Blum:
- "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Epoche:
- Das Werk gehört der literarischen Strömung der Neuen Innerlichkeit an, die sich durch die genaue Betrachtung des subjektiven Erlebens einzelner Menschen auszeichnet.
- "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Stilmittel:
- Obwohl der Sprachstil des auktorialen Erzählers objektiv und sachlich ist, nimmt er doch eine klare Position ein und äußert sich auch innerhalb der Erzählung gegen die Methoden der ZEITUNG.
- "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" – Heinrich Böll:
- Heinrich Böll (1917-1985) war einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit und erhielt 1972 den Literaturnobelpreis.
Nachweise
- Böll, Heinrich (1976): Die verlorene Ehre der Katharina Blum. Deutscher Taschenbuchverlag.
- Heinrich Böll Stiftung (2008): So viel Liebe auf einmal. Will Ulrike Meinhof Grade oder freies Geleit?.
- Werner Bellmann, Christine Hummel (1999): Heinrich Böll. Die verlorene Ehre der Katharina Blum. Erläuterungen und Dokumente. Reclam Verlag.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Wo spielt "Die verlorene Ehre der Katharina Blum"?
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" spielt in Köln und dem Umland von Köln.
Wer schrieb "Die verlorene Ehre der Katharina Blum"?
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" schrieb der Autor Heinrich Böll.
Wie alt ist Katharina Blum?
Katharina Blum ist 27 Jahre alt in der Erzählung.
Warum schrieb Böll "Die verlorene Ehre der Katharina Blum"?
Heinrich Böll schrieb die Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" wahrscheinlich, um auf die Konsequenzen von einer Berichterstattung hinzuweisen, die die Wahrheit verfälscht wiedergibt. Er hat sich schon vorher mehrmals gegen die Methoden der Bild-Zeitung ausgesprochen, die der ZEITUNG in der Erzählung entspricht.
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