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Die Novelle "Hans und Heinz Kirch" erschien im Jahr 1883. Sie thematisiert einen Vater-Sohn-Konflikt, der sich über das gesamte Leben der beiden Männer erstreckt. Nachdem Hans' Sohn Heinz als Kind beinahe bei einem Unfall umgekommen ist, kühlt das Verhältnis zwischen den beiden merklich ab. Der Vater ist mit den späteren Lebensentscheidungen seines Kindes unzufrieden, wodurch sich der Konflikt immer weiter vertieft.
1976 erschien ein Film unter demselben Titel. Drei Jahre später wurde die Novelle zudem unter dem Titel "Am grauen Strand, am grauen Meer" verfilmt.
"Hans und Heinz Kirch" – Zusammenfassung und Inhaltsangabe
Im Folgenden erhältst Du eine Zusammenfassung von "Hans und Heinz Kirch". In der Kleinstadt Heiligenhafen an der Ostsee lebt der Kapitän Hans Kirch. Er hat großen Ehrgeiz bewiesen und sich vom einfachen Schiffsjungen hochgearbeitet. Er lebt in einer scheinbar perfekten Familie: Erheiratet eine Ladenbesitzerin und bekommt einen gemeinsamen Sohn mit ihr.
Der kleine Sohn Heinz
Als Hans und seine Frau einen Sohn bekommen, macht Hans große Pläne für diesen. Er wünscht sich, dass sein Sohn Heinz seinen eigenen gesellschaftlichen Aufstieg fortsetzen und eines Tages sogar im Magistrat sitzen wird. Der Wohlstand, in dem die Familie lebt, ist vor allem durch die Sparsamkeit des Vaters entstanden. Diese versucht er nun an seinen Sohn weiterzugeben.
Als Magistrat wird eine Verwaltungsbehörde an der Spitze einer Stadt bezeichnet.
Schon von klein auf wird Heinz streng von seinem Vater erzogen. Bereits als kleines Kind wird er mit an Bord des Schiffes genommen. Heinz leidet unter der Härte seines Vaters. Als er als sechsjähriges Kind einmal mit an Bord ist, begibt er sich in eine lebensgefährliche Situation, die Hans nur knapp abwenden kann: Der Junge klettert unbemerkt auf einen Mast und wird erst im letzten Moment heruntergeholt.
Hans Kirch züchtigt den Schiffsjungen daraufhin, da er diesen für das fast verheerende Unglück verantwortlich macht. Heinz, der die strenge und brutale Strafe mitansieht, bekommt plötzlich Angst vor seinem Vater. Von da an möchte der Junge nicht mehr mit auf das Schiff kommen und widersetzt sich dem Vater zunehmend. Hans, der in seinem Sohn vor allem seinen Erben sieht, der den Wohlstand der Familie zukünftig vermehren soll, ist enttäuscht vom eigenen Willen des Kindes.
Als Heinz zwölf Jahre alt ist, bringt seine Mutter seine Schwester Lina zur Welt. Sein Vater legt weiterhin sein Hauptaugenmerk auf Heinz, dem er eine gute Bildung durch Privatunterricht ermöglicht. Auch Heinz bleibt sich treu und rebelliert weiterhin gegen seinen Vater. Er verliebt sich in das Nachbarsmädchen Wieb und schenkt ihr auf einem Jahrmarkt einen Ring.
Wieb wird von den Eltern nicht als guter Umgang angesehen, da ihrer Mutter nachgesagt wird, dass sie Verhältnisse mit zwei Männern unterhielt. Heinz trifft sich weiterhin gern mit dem Nachbarsmädchen und klaut für sie Äpfel aus dem Garten des Bürgermeisters.
Der Aufbruch von Heinz
Als Heinz 17 Jahre alt ist, möchte Hans ihn mehr in das Arbeitsleben integrieren. Er besorgt seinem Sohn eine Stelle auf einem Hamburger Schiff, das nach China fahren soll. Hans hofft, dass Heinz diese Gelegenheit nutzen wird, um seine berufliche Zukunft zu besiegeln.
Einen Tag vor der Abreise trifft sich Heinz ein letztes Mal mit Wieb. Sie gestehen sich gegenseitig ihre Liebe und schlafen miteinander. Wieb gibt Heinz den Ring, den er ihr auf dem Jahrmarkt geschenkt hat, damit er sich an sie erinnern würde. Danach kommt der Junge erst nach Mitternacht wieder zu Hause an, wo ihn sein wütender Vater erwartet. Es kommt zu einem enormen Streit, nach dem Heinz ohne Versöhnung verschwindet.
Sechs Wochen nach der Abfahrt des Sohnes kommt ein Brief bei den Eltern an. Heinz berichtet, dass es ihm gut gehe und sein Gehalt erhöht wurde. Hans freut sich über diese Nachrichten, da er glaubt, dass seine Pläne für die Zukunft seines Sohnes nun wahr werden könnten.
Der Vater strebt eine Position als Ratsherr in der Stadtverwaltung an, allerdings wird diese mit dem Bäcker der Stadt besetzt. Jule, die Schwester von Hans, kommentiert dies mit großer Schadenfreude. Sie erzählt Hans in diesem Zusammenhang auch, dass Heinz und Wieb regelmäßig heimliche Bootsfahrten in der Nacht unternommen hätten und die ganze Stadt davon wisse. Hans ist darüber so wütend, dass er seinem Sohn, ohne das Wissen seiner Frau, einen vorwurfsvollen Brief schreibt.
Daraufhin kommen für eine längere Zeit keine Briefe des Sohnes mehr bei den Eltern an. Als das Schiff, auf dem Heinz gearbeitet hat, wiederkommt, wird ihnen nur mitgeteilt, dass Heinz bereits auf einem anderen Schiff ist. Die fehlenden Lebenszeichen des Sohnes belasten die Mutter schwer, trotzdem kann sie darüber nicht mit ihrem Mann sprechen.
Als doch ein Brief von Heinz ankommt, bemerkt Hans, dass auf dem Umschlag keine Briefmarke klebt. Er glaubt, dass das nur daran liegen könne, dass Heinz beruflich gescheitert ist und sich deshalb kein Porto leisten kann. Er verweigert deshalb die Annahme des Briefes, was einem Kontaktabbruch gleichkommt.
Die Rückkehr von Heinz
Erst nach fünfzehn Jahren und als die Mutter bereits verstorben ist, erfährt die Familie, dass Heinz wieder in Hamburg ist. Lina ist mittlerweile verheiratet und wohnt mit ihrem Ehemann bei ihrem Vater. Hans holt seinen Sohn auch ins Haus, wo Lina und Heinz schnell ein inniges Verhältnis aufbauen. Das Vater-Sohn-Verhältnis bleibt aber unterkühlt und distanziert.
In der Stadt wird, besonders durch das Zutun Jules, das Gerücht verbreitet, dass es sich bei dem Rückkehrer nicht um Heinz handelt. Der Mann solle eigentlich Hasselfritz sein, der als Junge im Armenhaus gelebt hat und dann ebenfalls über viele Jahre weg war. Hans und Lina glauben den Gerüchten und befürchten, dass es sich um einen Fremden handeln würde, der es auf das Erbe der Familie abgesehen hat. Sie halten den vermeidlichen Heinz weiter auf Abstand.
Heinz geht eines Abends in die Hafenkneipe, die Wieb mittlerweile mit ihrem Ehemann betreibt. Er sieht, wie seine frühere Liebe von Männern bedrängt und schlecht behandelt wird. In einem Gespräch bittet Wieb ihn um einen Neuanfang, bis ihr grober und betrunkener Ehemann hereinkommt und Heinz wegschicken will. Heinz wirft Wieb den Ring vom Jahrmarkt vor die Füße und verlässt das Lokal.
Der endgültige Bruch
Hans glaubt noch immer, dass es sich bei dem Mann nicht um seinen Sohn handelt. Er will den vermeidlichen Fremden loswerden und zahlt ihm deshalb seinen Erbanteil aus. Heinz ist davon tief verletzt. Er nimmt einen Bruchteil des ausgezahlten Geldes an und hinterlässt seiner Familie einen Abschiedsgruß. Als Lina das übrige Geld und den Brief findet, realisiert sie, dass es sich doch um ihren echten Bruder gehandelt hat.
Wieb kommt Hans Kirch besuchen und erzählt ihm von dem Ring, der ebenfalls ein Beweis für die wahre Identität von Heinz ist. Lina und Wieb möchten Hans dazu überreden, nach Heinz zu suchen, um sich zu entschuldigen. Der Vater bleibt jedoch der Ansicht, dass, auch wenn es sich nicht um eine Verwechslung gehandelt hat, Heinz nicht mehr sein Sohn sei. Er sucht nicht nach ihm und der endgültige Bruch ist dadurch besiegelt.
Als Hans eines Nachts davon träumt, dass Heinz in einem Seeunglück sterben wird, erleidet er einen Schlaganfall. Nach seiner Genesung ist er der festen Überzeugung, dass sein Sohn tot ist und bereut es, sich nicht entschuldigt zu haben. Von da an geht er regelmäßig an den Stand und trifft sich dort mit Wieb, um über Heinz zu reden.
Wiebs Ehemann ist mittlerweile an seinem Alkoholismus gestorben. Hans und Wieb werden durch die Gespräche zu engen Freunden und Hans kümmert sich auch finanziell um die Witwe. Er verspricht ihr, sie in sein Testament aufzunehmen.
"Hans und Heinz Kirch" – Charakterisierung und Personen
Die nächsten Abschnitte stellen Dir jeweils eine Charakterisierung für die Personen aus "Hans und Heinz Kirch" dar. Die beiden titelgebenden Figuren der Novelle "Hans und Heinz Kirch" von Theodor Storm sind ein Vater-Sohn-Gespann. Sie sind grundsätzlich unterschiedliche Persönlichkeiten, wodurch sich ein lebenslanger Streit zwischen ihnen entspinnt. Die anderen Figuren der Novelle sind machtlos: Sie können die Fehde zwischen den Männern nicht beilegen.
Heinz Adam Kirch
- sehr fleißiger und ehrgeiziger Mann, der sich durch harte Arbeit eine gute Stellung erarbeitet hat
- streng und gefühlskalt gegenüber seinem Sohn Heinz
- sieht seinen Sohn vor allem als Erben, der seinen sozialen Aufstieg fortsetzen soll
- gegenüber seiner Ehefrau sehr gefühlskalt; er hat sie vor allem aus praktischen Gründen geheiratet
- gleichgültig gegenüber seiner Tochter, bis sie heiratet und der Schwiegersohn seine Hoffnungen an seinen Sohn erfüllt
- unnachgiebig im Streit mit Heinz; ist nicht bereit, sich zu entschuldigen
- bereut seine Fehler, nachdem er glaubt, dass Heinz tot ist
- Persönlichkeitsveränderung nach seinem Schlaganfall
Heinz Kirch
- bereits als Kind sehr aufgeweckt und rebellisch, aber auch intelligent und sensibel
- interessiert sich nicht für die Meinungen anderer; trifft sich mit Wieb, obwohl sie von allen gemieden wird
- ist im Gegensatz zu seinem Vater weder an Materiellem noch an einem sozialen Aufstieg interessiert
- wird vom Vater und seiner Schwester tief verletzt, weil sie glauben, dass er ein Betrüger wäre
- nach vielen Jahren auf der See ist er verändert und spricht kaum noch
- stirbt wahrscheinlich auf hoher See, ohne sich je mit seinem Vater versöhnen zu können
Mutter
- liebevolle und zurückhaltende Frau
- wird von ihrem Mann unterdrückt und ist nicht in der Lage gegen ihn aufzubegehren
- leidet unter dem Streit zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn sowie dem Kontaktabbruch
- stirbt, ohne ihren Sohn noch einmal gesehen zu haben
Wieb
- Mädchen im selben Alter wie Heinz
- ist still und schüchtern und wird als besonders schön beschrieben
- wird von den meisten in der Stadt gemieden, weil ihrer Mutter Affären nachgesagt werden
- Heinz und sie verlieben sich ineinander, bevor er wegfährt
- heiratet schließlich einen alkoholkranken Kneipenbesitzer, der sich letztendlich zu Tode trinkt
- liebt Heinz weiterhin, auch als er zurückkommt
- baut nach dem vermeidlichen Tod von Heinz eine Freundschaft zu Hans auf
Lina Kirch (später Martens)
- Tochter von Hans Kirch, kleinere Schwester von Heinz
- hat eine herzliche Art und liebt ihren Bruder über alles
- nicht so rebellisch wie Heinz, aber auch nicht so materiell orientiert wie Hans
- heiratet Christian Martens, der ihrem Vater sehr ähnlich ist und der dessen gesellschaftlichen Aufstieg fortsetzt
- glaubt den Gerüchten, dass es sich bei dem Zurückgekehrten nicht um ihren Bruder handelt
- bereut es später sehr, dass sie Heinz aufgrund der Gerüchte zurückgewiesen hat
"Hans und Heinz Kirch" – Analyse
Eine Analyse von "Hans und Heinz Kirch" hinsichtlich des Aufbaus und der Sprache folgt. Theodor Storms "Hans und Heinz Kirch" ist eine Novelle, die aus der literarischen Epoche des Realismus stammt. Dementsprechend ist der Aufbau des Werkes typisch für eine Novelle und die Sprache entspricht dem typischen Sprachstil, der in den Werken der Literaturepoche des bürgerlichen Realismus üblich war.
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Aufbau
Der Aufbau der Novelle "Hans und Heinz Kirch" von Theodor Storm orientiert sich am Aufbau des klassischen Dramas. Im Werk gibt es eine geschlossene Handlung und einen Haupthandlungsstrang ohne Nebenhandlungen.
Nach der Exposition, also der Schilderung der Ausgangssituation, entsteht der zentrale Konflikt der Novelle durch ein unerhörtes Ereignis. In Storms Novelle "Hans und Heinz Kirch" ist dieses unerhörte Ereignis die gefährliche Situation, in die sich der sechsjährige Heinz auf dem Schiff des Vaters bringt. Als der Junge miterlebt, dass der Vater den Schiffsjungen hart bestraft, bekommt er Angst vor seinem eigenen Vater und das Verhältnis zwischen den beiden erkaltet.
Auch wenn heute das Wort "unerhört" mit einem Verstoß gegen die gesellschaftlichen Sitten verbunden ist, bedeutet es im Kontext der Novelle "noch nicht gehört". Damit ist gemeint, dass ein Ereignis die Ausgangssituation vollständig verändert und einen zuvor nicht dagewesenen Konflikt hervorruft.
Als Heinz auf einem Schiff arbeitet und von dem Heimatort weggeht, ist das Vater-Sohn-Verhältnis immer noch sehr angespannt. Der Vater weigert sich, einen Brief seines Sohnes anzunehmen, weil er glaubt, Heinz hätte finanzielle Schwierigkeiten. Erst nach 15 Jahren kehrt der Sohn zurück, was den Höhepunkt der Handlung darstellt.
Als Heinz mit dem Erbe weggeschickt wird, weil seine Familie glaubt, er wäre ein Betrüger, ist auch die letzte Chance auf eine Versöhnung verstrichen. Die Katastrophe am Ende der Novelle ist, die Einsicht des Vaters. Zu dieser gelangt er jedoch erst, als er glaubt, dass Heinz gestorben ist. So bereut der Vater zwar sein Verhalten, kann sich dafür aber nicht mehr bei seinem Sohn entschuldigen.
Sprache
Die Sprache in der Novelle "Hans und Heinz Kirch" von Theodor Storm ist typisch für die Literaturepoche des Realismus. Die Figuren stammen aus dem ländlichen Bürgertum, wodurch auch der sprachliche Stil geprägt ist. Dieser entspricht dabei nicht dem gehobenen Stil, der in der Epoche der Klassik üblich war, aber auch nicht dem einfachen Stil des Vormärzes.
Im Mittelpunkt der sprachlichen Gestaltung des Realismus steht dabei eine möglichst wahrheitsgetreue Darstellung. Das bedeutet, dass die Handlung so dargestellt werden soll, als wäre sie wirklich passiert. Außerdem soll sie nicht subjektiv bewertet werden. Im folgenden Zitat wird die realistische Darstellung deutlich. Hans Kirch hat gerade von den nächtlichen Bootsfahrten von Heinz und Wieb erfahren und schreibt seinem Sohn deshalb einen wütenden Brief:
Hans Kirch stand noch wie angedonnert auf derselben Stelle. Nach einer Weile setzte er sich mechanisch in Bewegung und ging der Gasse zu, worin Fritz Schmüsers Speicher lag; dann aber kehrte er plötzlich wieder um. Bald darauf saß er zu Hause an seinem Pult und schrieb mit fliegender Feder einen Brief an seinen Sohn, in welchem in verstärktem Maße sich der jähe Zorn ergoß, dessen Ausbruch an jenem letzten Abend durch die Dazwischenkunft der Mutter war verhindert worden.1
Der auktoriale Erzähler der Novelle beschreibt die Gefühle, die Hans Kirch während des Schreibens hat und auch die äußere Situation wird von ihm genau eingeordnet. Gleichzeitig ergreift er aber nicht die Perspektive von Hans, sondern berichtet neutral von den Begebenheiten und den Gefühlen der Figur.
Ein auktorialer Erzähler ist ein Erzähler, der nicht an eine bestimmte Person gebunden ist. Er wird auch als "allwissender Erzähler" bezeichnet, da er die Gedanken und Gefühle aller Figuren kennt. Falls Du mehr über Erzähler wissen möchtest, schau Dir doch die Erklärung "Erzähler" auf StudySmarter an!
Außerdem ist auch eine humorvolle und mitunter ironische sprachliche Gestaltung erkennbar, die ebenfalls typisch für Werke des Realismus ist. In dem folgenden Zitat wird dies anhand einer Beschreibung der erwachsenen Wieb deutlich:
Einen Augenblick noch sah sie auf die Tür, die sich hinter dem alten Mann geschlossen hatte; dann, als käme ihr plötzlich ein Gedanke, griff sie schnell in ihre Tasche und klimperte darin wie mit kleiner Silbermünze. Ja, Wieb hatte wirklich Geld in ihrer Tasche; sie zählte es sogar, und es war eine ganze Handvoll, die sie schon am Vormittage hinter dem Schenktisch eingenommen hatte.1
Der Einschub "Ja, Wieb hatte wirklich Geld in ihrer Tasche" kann als eine ironische und humorvolle Bemerkung gegenüber der Figur Wieb gewertet werden, die sich sonst durch ihre niedrige gesellschaftliche Stellung sowie Armut auszeichnet.
"Hans und Heinz Kirch" – Interpretation
Es folgt eine Interpretation von "Hans und Heinz Kirch". Die Novelle von Theodor Storm entstammt dem bürgerlichen Realismus. Dementsprechend kann das Werk einerseits anhand seines historischen Hintergrundes, wie auch anhand der Vater-Sohn-Problematik interpretiert werden.
Der historische Hintergrund
Die Epoche des Realismus wird europaweit auf den Zeitraum von 1849 bis 1890 datiert. Sie wird auch als "verklärende Objektivität" bezeichnet. Die Bezeichnung geht darauf zurück, dass die Literatur dieser Zeit zwar einerseits den Anspruch erhob, möglichst objektiv zu erzählen, dabei allerdings die sozialen Probleme der Zeit ausklammerte.
Durch die Industrialisierung entstand einerseits viel Armut in den Städten, andererseits glaubten weiterhin viele an die Versprechen, die der technologische Fortschritt mit sich brachte. Darunter befand sich das Versprechen, dass das Bürgertum in Zukunft anwachsen würde und auch die in Armut lebenden Menschen aufsteigen könnten.
Von einem solchen Aufstiegsgedanken ist auch Hans Kirch getrieben. Er hat es bereits durch harte Arbeit geschafft, von der Unterschicht in die Mittelschicht aufzusteigen, wünscht sich aber einen noch höheren Aufstieg für seine Familie. Dieser Aufstieg ist für Hans allerdings rein finanziell messbar. Er möchte seinen Sohn dazu bringen, mehr Geld zu verdienen als er. Daher schickt er ihn zum Sonderunterricht. Die Bildung als solche hat für Hans keinen eigenen Wert.
Dies illustriert die verbreitete Sichtweise auf den Aufstieg während dieser Zeit. Hans interessiert sich nicht für größere gesellschaftliche Probleme, sondern nur für seine eigene finanzielle und soziale Situation. Das zeichnet besonders das Bürgertum dieser Zeit aus, das sich vornehmlich für das Private interessierte.
Der Vater-Sohn-Konflikt
Von diesen Vorstellungen Hans Kirchs ist auch die Beziehung zu seinem Sohn geprägt. Er liebt eine Vorstellung von seinem Sohn, allerdings nicht den echten Menschen Heinz. Das wird durch den Zwang deutlich, den er auf den Jungen ausübt. Obwohl ein Lehrer seinem Sohn Heinz große akademische Begabungen bescheinigt, muss dieser Fischer werden.
Heinz widersetzt sich diesem Menschenbild. Er ist nicht materialistisch orientiert und ihm sind menschliche Beziehungen wichtiger als die soziale Stellung. Deshalb ist er der Einzige in der Stadt, der Zeit mit Wieb verbringt. Auch als sein Vater und seine Schwester ihm seinen Anteil am Erbe auszahlen wollen, damit er geht, nimmt er nur einen winzigen Teil des Geldes an.
Ein Beispiel für die Enttäuschung des Vaters gegenüber seinem Sohn ist, dass Hans nicht zusammen mit Heinz in die Kirche gehen möchte, als dieser nach 15 Jahren zurückgekehrt ist. Da sein Sohn nicht seinen Vorstellungen entspricht, will er nicht mit ihm zusammen gesehen werden. Er hatte gehofft, dass Heinz, genau wie er, einmal in den oberen Reihen in der Kirche sitzen würde, was einer besseren gesellschaftlichen Stellung entspricht.
Vater, es ist wohl an der Zeit!" erinnerte Frau Lina schüchtern.
Hans Adam hatte sich umgewandt. "Geht nur!" sagte er trocken, und die Tochter sah, wie seine Lippen zitterten, als sie sich über den starken Zähnen schlossen.
"Wie, du willst nicht mit uns, Vater?"
"Heute nicht, Lina!"
"Heute nicht, wo Heinz nun wieder bei uns ist?"
"Nein Lina", er sprach die Worte leise, aber es war, als müsse es gleich danach hervorbrechen; "ich mag heute nicht allein in unsern Schifferstuhl." 1
Hans schämt sich für seinen Sohn, da Heinz nicht seinen Vorstellungen entspricht. Erst nachdem Hans denkt, dass Heinz gestoben wäre und Hans einen Schlaganfall erlitten hat, erkennt er den wahren Charakter seines Sohnes. Er trifft sich von da an auch mit Wieb und berücksichtigt sie in seinem Testament, was gegen seine sonst sehr geizige Art gesprochen hätte.
Theodor Storm – "Hans und Heinz Kirch"
Theodor Storm wurde am 14. September 1817 in der nordfriesischen Stadt Husum geboren. Bereits während seiner Schulzeit veröffentlichte Theodor Storm erste Gedichte in lokalen Zeitungen. 1837 begann Storm dann ein Jurastudium in Kiel und Berlin und arbeitete nach seinem Studium in seiner Heimatstadt als Rechtsanwalt.
Politisch beteiligte sich Theodor Storm 1849 an der nationalen Unabhängigkeitsbewegung Schleswig-Holsteins, weshalb er ab 1853 seine Kanzlei aufgeben und ins Exil nach Preußen auswandern musste. Nach der Niederlage Dänemarks im Deutsch-Dänischen-Krieg im Jahr 1864 konnte Theodor Storm nach Husum zurückkehren, wo er zum Landvogt befördert wurde. 1868 wurde Storm zunächst zum preußischen Amtsrichter und ab 1874 zum Oberamtsrichter ernannt.
Ein Landvogt war der Stellvertreter eines Landesherren, der für die Verwaltung eines bestimmten Gebietes zuständig war.
1880 wurde Storm auf seinen Wunsch hin pensioniert und beschloss, Husum zu verlassen und nach Hademarschen in Schleswig-Holstein zu ziehen. Am 4. Juli 1888 verstarb Theodor Storm in Hademarschen an den Folgen einer Magenkrebs-Erkrankung.
Mit seinen frühen lyrischen Werken knüpfte Storm an die Epoche der Spätromantik an, weshalb er oft als der "letzte Romantiker" bezeichnet wird. Die späteren Werke Theodor Storms können jedoch dem Realismus zugeordnet werden. Dort erkennt man zunehmend eine Kritik gesellschaftlicher Zustände sowie Kritik an den sozialen und politischen Problemen der Zeit.
Hans und Heinz Kirch – Das Wichtigste
- "Hans und Heinz Kirch" ist eine Novelle von Theodor Storm, die 1883 erschienen ist.
- Eine Zusammenfassung von "Hans und Heinz Kirch" lautet wie folgt: Es erzählt die Geschichte des Schiffsführers Hans und dessen Sohn Heinz. Hans stellt strenge Anforderungen an seinen Sohn, die dieser aber nicht erfüllt. Erst nachdem Hans glaubt, dass Heinz tot ist, bereut er sein Verhalten, kann sich aber nicht mehr dafür entschuldigen.
- Die Personen in der Novelle können anhand ihrer Werte charakterisiert werden. Während Hans materialistisch orientiert ist, sind seine Frau, Heinz und Lina weniger materialistisch.
- In der Analyse von "Hans und Heinz Kirch" stellt sich heraus dass, der Aufbau dem einer Novelle entspricht und die Sprache stilistisch typisch für die Epoche des Realismus ist.
- Theodor Storm lebte von 1817 bis 1888 und war ein deutscher Schriftsteller, der besonders für seine Novellen Berühmtheit erlangt hat. Er war außerdem als Landvogt und später als Oberamtsrichter in Husum tätig.
Nachweise
- Projekt-gutenberg.org: Hans und Heinz Kirch (26.09.2022).
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Hans und Heinz Kirch
Wer hat "Hans und Heinz Kirch" geschrieben?
Die Novelle "Hans und Heinz Kirch" wurde von Theodor Storm geschrieben.
Welche Personen kommen in "Hans und Heinz Kirch" vor?
Die wichtigsten Figuren in der Novelle "Hans und Heinz Kirch" sind einerseits das Vater-Sohn-Gespann Hans Kirch und Heinz Kirch, außerdem die Ehefrau von Heinz, Lina Kirch und ihr Mann Christian Martens und die Nachbarstochter Wieb.
In welcher Epoche spielt "Hans und Heinz Kirch"?
Die Novelle "Hans uns Heinz Kirch" von Theodor Storm wird der Literaturepoche des Realismus zugeordnet.
Welche Gattung ist "Hans und Heinz Kirch"?
Bei Theodor Storms "Hans und Heinz Kirch" handelt es sich um eine Novelle. Die Novelle ist eine Textart und gehört zur literarischen Gattung der Epik.
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