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Die Bibel ist die religiöse Schrift, die den Religionen Judentum und Christentum zugrunde liegt. Als altes Testament wird dabei der Teil bezeichnet, der für beide Religionen Grundlage ist, während das Neue Testament nur für das Christentum eine Rolle spielt.
Joseph Roth hat mit seinem Roman "Hiob. Roman eines einfachen Mannes" diese Bibelgeschichte aufgegriffen. "Hiob" spielt um 1900 und handelt vom jüdisch-orthodoxen Thoralehrer Mendel, der in einer russischen Provinz lebt. Die Hauptfigur Mendel Singer verliert, wie Hiob, nach und nach alles, was für ihn wichtig ist, bleibt seinem Glauben aber treu. "Hiob" wurde 1930 zunächst als Vorabdruck in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und im selben Jahr in Buchform veröffentlicht.
"Hiob" Joseph Roth – (Kapitel) Zusammenfassung
Mendel Singer ist ein einfacher Mann, der mit seinen vier Kindern und seiner Frau in einem winzigen Haus in Zuchnow lebt. Er ist Thoralehrer, wie es auch seine Vorfahren waren, und unterrichtet die Schüler in seiner Küche. Bald werden Mendel und seine Familie vor immer mehr Schwierigkeiten gestellt und ihre Situation verschlechtert sich zusehends.
Erster Teil
Der erste Teil des Romans beschreibt das Leben der Familie Singer bis zu ihrer Auswanderung nach Amerika. Die Handlung spielt in Zuchnow, einem kleinen Stetl in Russland. Hier leben Mendel, seine Frau Deborah und ihre vier Kinder Jonas, Shemarjah, Mirjam und Menuchim.
Stetl waren kleine Städte oder Dörfer in Osteuropa, die hauptsächlich von Jüdinnen und Juden bewohnt wurden. Da es immer wieder Pogrome in den Städten gegen die jüdische Bevölkerung gab, war das Leben in Stetlech für die jüdischen Gemeinden sehr viel sicherer.
Der Roman beginnt mit einer Beschreibung des Lebens von Mendel Singer, dem einfachen Thoralehrer. Er wird als blass und unauffällig beschrieben. Sein Äußeres ist durch typische Merkmale orthodox-jüdischer Männer gekennzeichnet, wie einem schwarzen Vollbart und einem Kaftan.
Ein Kaftan ist ein langes Kleidungsstück, das ursprünglich aus Zentralasien stammt. Im orthodoxen Judentum gehört der schwarze Kaftan zur traditionellen Kleidung von Männern.
Menuchims Krankheit
Mendel Singer ist dreißig Jahre alt, als seine Frau Deborah mit dem vierten gemeinsamen Kind schwanger wird. Er verdient durch seine Arbeit als Lehrer zwar nicht viel, allerdings reicht es für die Familie zum Überleben. Als der Sohn Menuchim zur Welt kommt, stellt sich bald heraus, dass er eine Behinderung hat.
Der Familie wird von einem Arzt gesagt, dass man Menuchim in einem russischen Spital heilen könnte, aber Mendel lehnt das ab, weil er nicht möchte, dass sein Sohn in einer nicht jüdischen Umgebung aufwächst. Deborah besucht stattdessen einen Rabbi und Wunderheiler, der ihnen sagt, dass Menuchim eines Tages gesund werden würde, wenn sie ihn nicht weggeben.
Deborah ist von der Vorhersage des Rabbis beflügelt, Mendel glaubt aber nicht an eine Gesundung des Sohnes. Mendel denkt, dass Menuchims Krankheit eine Prüfung von Gott ist, der er sich stellen muss.
Weil Jonas und Shemarjah wegen ihres Bruders von Altersgenossen verspottet werden, vernachlässigen und misshandeln sie ihn. Auch die Schwester Mirjam ekelt sich vor dem Kleinkind. Gemeinsam versuchen die drei größeren Geschwister, als sie auf ihn aufpassen sollen, ihren kleinen Bruder in einem Bottich zu ertränken, doch Menuchim überlebt.
Deborahs Verzweiflung
Deborah spürt, dass ihr Körper nicht mehr fruchtbar und auch die körperliche Anziehung zwischen Mendel und ihr erloschen ist. Sie empfindet sich als alt und verwelkt und denkt immer wieder an die Worte des Rabbis.
Zehn Jahre später kann Menuchim nur das Wort Mama sagen. Es gibt weiterhin keine Anzeichen einer Heilung seiner Krankheit. Deborah erinnert sich beim Anblick des Kindes an einen Tag während der Schwangerschaft, an dem sie ihre Tochter Mirjamin aus einer Kirche gezogen hatte und schiebt den Umstand der Krankheit ihres Sohnes auf dieses Ereignis zurück.
Jonas und Shemarjah müssen zum Militär
Mirjam bereitet ihren Eltern ebenfalls Sorgen, da ihr die russischen Soldaten aufgrund ihrer Schönheit viel Aufmerksamkeit schenken. Jonas und Shemarjah sollen zum Leidwesen Deborahs ins Militär eingezogen werden. Jonas freut sich über die Aussicht, Soldat zu werden, aber Shemarjah möchte lieber als Kaufmann zu Reichtum gelangen.
Mendel glaubt, dass nur Gott Macht über das Schicksal seiner Söhne hätte, aber Deborah versucht ihre Kinder trotzdem vor dem Militärdienst zu bewahren. Sie besucht deshalb einen Mann namens Kaputrak, der Menschen bei der Flucht hilft. Die Summe für beide Söhne kann Deborah nicht bezahlen und entscheidet sich dafür, die Flucht nur für Shemarjah zu erkaufen.
Während Deborahs Abwesenheit versucht Mendel weiterhin, Menuchim das Sprechen beizubringen, scheitert aber. Als ein Glas zerbricht, bemerkt Mendel, dass das Kind sehr empfindlich auf Geräusche reagiert. Später zieht Jonas aus, um vor seinem Militärdienst als Pferdeknecht zu arbeiten.
Nach einigen Jahren bekommt die Familie Besuch von einem Amerikaner namens Mac. Er hat einen Brief von Shemarjah, der als Sam in den USA lebt und ein Versicherungsunternehmen gegründet hat. Er schickt seiner Familie zehn Dollar und möchte sie nach Amerika nachholen.
Mendel ist zunächst hin- und hergerissen, was eine mögliche Ausreise nach Amerika betrifft. Allerdings fällt er seine Entscheidung schnell, als er seine Tochter mit einem Kosaken beim Geschlechtsverkehr im Feld erwischt. Um sie zu retten, soll die Familie nun auswandern, wobei Menuchim in Russland zurückgelassen werden muss. Wegen seiner schlechten Verfassung würde er die schwere Reise nicht überstehen.
Als Kosaken bezeichnete man am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Gemeinschaften freier Reitverbände in Osteuropa. Dabei handelte es sich vor allem um geflohene Leibeigene und junge Männer, die nach Abenteuern suchten.
Die Auswanderung nach Amerika
Mendel vermacht den Nachbarn sein Haus und diese nehmen dafür Menuchim bei sich auf. Deborah ist schwer vom Abschied von ihrem jüngsten Kind gezeichnet und wird von ihrem schlechten Gewissen gequält.
Als die Familie in New York ankommt, werden sie von Shemarjah abgeholt, wobei er seiner Familie verändert vorkommt, weil er sich an die amerikanische Gesellschaft angepasst hat. Mendel empfindet Amerika zuerst als furchteinflößend und leidet an einem so heftigen Kulturschock, dass er in Ohnmacht fällt.
Zweiter Teil
Die Familie hat sich nach einigen Monaten in New York eingelebt und wohnt in einer heruntergekommenen Einzimmerwohnung. Sams Frau Vega hat einen Sohn zur Welt gebracht, der MacLincoln heißt, während Mirjam eine Beziehung mit Mac eingegangen ist.
Die Familie erfährt durch einen Brief der ehemaligen Nachbarn von einem Unfall, nach welchem Menuchim ärztlich behandelt werden musste und dass er seitdem mehrere Worte sprechen könne. In dem Umschlag liegt auch ein Brief von Jonas bei, der berichtet, dass ihm sein Leben als Soldat gefalle. Mendel nimmt die Neuigkeiten als Bestätigung auf, das Richtige getan zu haben und vermutet, dass es sich um eine Belohnung für seine Frömmigkeit handelt.
Einleben in der neuen Umgebung
Sam zieht mit seiner Frau Vega und dem gemeinsamen Kind in eine luxuriöse Wohnung, während Mirjam bei Mac einzieht. Mendel glaubt, dass eine Verbesserung der Wohnumstände seine Glückssträhne durchkreuzen könnte, weshalb er und Deborah in der heruntergekommenen Einzimmerwohnung wohnen bleiben.
Deborah und Mendel haben sich seit der Ankunft weiter auseinandergelebt, allerdings kommt eine Scheidung aus religiösen Gründen nicht infrage. Da Mendel Menuchim sehr vermisst, bietet Mac an, ihn von seiner nächsten Russlandreise mitzubringen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, muss die Reise abgesagt werden, wodurch die Familie in noch größerer Sorge um Jonas und Menuchim ist.
Nach dem Eintritt der USA in den Krieg, schließen sich auch Mac und Sam dem Militär an, weil sie für Amerika kämpfen wollen, das für sie nun ihr Heimatland ist. Jonas gilt laut der Roten Armee als verschollen. Mendel und Deborah glauben, dass ihr Sohn tot ist.
Sam fällt im Krieg
Bei einem Essen stürmt Mirjam zu ihren Eltern und berichtet, dass Sam gefallen sei. Mac bringt ihnen die persönlichen Gegenstände des verstorbenen Sohns, woraufhin Deborah zusammenbricht und stirbt.
Mendel ist schwer von den Ereignissen getroffen und macht sich mitverantwortlich für den Tod seiner Frau. Auch Mirjam kann den Tod ihrer Mutter nicht verarbeiten und wird psychisch krank. Sie kommt in eine Nervenheilanstalt, woraufhin Mendel seinen Glauben infrage stellt. Er zweifelt an Gott, weil er trotz seines festen Glaubens solchen Schicksalsschlägen ausgesetzt ist. Als er seine Gebetsausrüstung verbrennen will, bringt er es aber doch nicht übers Herz, sich ganz von Gott loszusagen.
Für fromme Juden sind drei tägliche Gebete Pflicht. Dabei gibt es eine bestimmte Kleidung, die primär Männer tragen müssen. Darunter fällt eine kleine Kappe für den Kopf (Kippa), ein Gebetsschal (Tallit) und Riemen, die um Arm und Hand gewickelt werden (Tefillin). Auch ein Buch mit hebräischen Gebeten gehört zu der Ausrüstung.
Mendel zieht bei einer befreundeten Familie ein, um nicht allein zu sein. Er möchte Gott verärgern, indem er aufhört zu beten und die religiösen Feiertage nicht mehr wahrnimmt. Er nimmt die Welt um sich kaum noch wahr und ihm scheint es gleichgültig zu sein, dass sich Mirjams Zustand nicht verbessert und Mac und Vega heiraten.
An dem Tag, an dem das Kriegsende verkündet wird, legt er im Haus seines Freundes wahllos eine Schallplatte auf, um zu feiern. Er hört sich ein Lied darauf immer und immer wieder an, weil er von der Musik tief bewegt ist, bis er den Titel liest. Das Stück heißt: 'Menuchims Lied'.
Menuchim rettet Mendel
Nachdem Mendel Mirjam in der Nervenheilanstalt besucht, wird sein Glaube noch tiefer erschüttert, weshalb er darüber nachdenkt, Schweinefleisch zu essen. Ganz kann er seinen Glauben aber immer noch nicht ablegen. Er möchte Gott zwar verärgern, zweifelt aber nie an seiner Existenz.
Im Judentum gibt es verschiedene Gesetze zur Ernährung, so darf nur das Fleisch von Tieren mit gespaltenen Hufen (z. B. Schafe oder Ziegen) und von Geflügel gegessen werden. Die Tiere müssen geschächtet werden, wobei ihnen ein Schnitt am Hals zugeführt wird und sie so ausbluten. Meeresfrüchte sind verboten, wie auch das gemeinsame Verzehren von Milchprodukten und Speisen, die Fleisch enthalten. Erlaubtes Essen wird als 'koscher' bezeichnet.
Als Mendel in seiner alten Wohnung vergeblich nach Geld sucht, begegnet er einem ehemaligen Nachbarn, der erzählt, dass ein Verwandter von Deborah Mendel besuchen wolle. Der Verwandte kommt zu dem Pessachfest, das in dem Haus von Mendels Freunden ausgerichtet wird. Er heißt Alexej Kossak, kommt aus Zuchnow und beeindruckt alle Anwesenden mit seiner gebildeten und vergeistigen Art.
Pessach (auch Passah, Passa oder Pascha genannt) ist eines der wichtigsten Feste des Judentums. Es wird jährlich an sieben Tagen im März und/oder April gefeiert und erinnert an den Auszug der Juden aus Ägypten (Exodus). Der Exodus ist eine zentrale Geschichte der Thora und erzählt, wie der Prophet Mose das israelitische Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat.
Mendel fragt, ob Menuchim noch am Leben sei und Alexej sagt, dass er selbst Menuchim sei. Er erzählt auch, dass er das Haus der Familie in Zuchnow gekauft hätte und dass er nach seiner Genesung Klavier gelernt hätte und heute ein weltweit anerkannter Kapellmeister (Dirigent) und Komponist sei.
Mendel kommt in dem Hotel unter, in dem auch Menuchim übernachtet. Er fragt seinen Sohn, welche Erinnerungen er an seine Kindheit hätte, allerdings kann der sich nur an den Tag erinnern, an dem Mendel mit ihm allein war und das Glas zerbrochen war. Menuchim glaubt, dass Mirjam wieder gesund werden würde und will mit ihren Ärzten sprechen. Er bietet auch an, die Familie mit zurück nach Europa zu nehmen. Mendel glaubt, beflügelt von den Ereignissen, dass auch Jonas noch leben könnte. Er schläft zufrieden in seinem Hotelzimmer ein.
Joseph Roth "Hiob" – Charakterisierung der Personen
Die Hauptcharaktere in Joseph Roths "Hiob" sind Mendel Singer, seine Frau Deborah und ihre Kinder Jonas, Shemarjah (später Sam), Mirjam und Menuchim. Sie sind eine arme Familie aus einem osteuropäischen Stetl. Ihre Lebensweise war vor der Auswanderung nach Amerika sehr einfach. Als orthodox-jüdische Familie spielt die Religion eine wichtige Rolle in ihrem Alltag.
Mendel Singer
- Familienvater und zu Beginn des Romans 30 Jahre alt
- arbeitet als Melamed (Lehrer, der kleinen Kindern Tora beibringt)
- Frömmigkeit auch an seinem Aussehen erkennbar, das typisch für orthodox-jüdische Männer ist (schwarzer Kaftan, Hut und Vollbart)
- verdient nur wenig Geld und wird sowohl in der Gemeinde, als auch in seiner eigenen Familie nicht hoch angesehen
- integriert sich nach dem Umzug nach New York zwar nicht in die amerikanische Kultur, findet aber ein zweites Zuhause in der jüdischen Gemeinde
- scheint gegenüber den Schicksalsschlägen zum Teil gleichgültig zu sein, findet aber Halt im Glauben
- beginnt nach dem Tod seiner Frau und der psychischen Erkrankung seiner Tochter an seinem Glauben zu zweifeln und versucht Gott zu verärgern
Deborah Singer
- zeichnet sich durch Fleiß und hohe Aufopferungsbereitschaft gegenüber ihren Kindern aus
- bringt zu Beginn des Romans ihr jüngstes Kind, Menuchim, zur Welt und leidet nach der Geburt unter dem Verlust ihrer Schönheit
- möchte, dass Menuchim von Ärzten behandelt wird, Mendel glaubt aber, dass nur Gott über Gesundheit und Krankheit entscheiden kann (theologisches Problem über die Entscheidungsfreiheit des Menschen: Deborah glaubt, dass Gott den Menschen nur dann hilft, wenn diese sich selbst zu helfen wissen. Mendel glaubt hingegen an einen Gott, der über das Leben der Menschen bestimmt.)
- Beziehung zu Mendel verschlechtert sich immer weiter, weil sie ihm vorwirft, nicht genug Geld zu verdienen
- sehnt sich nach luxuriöserem Leben und genießt den gesellschaftlichen Aufstieg ihres Sohnes in Amerika
- leidet stark unter dem schlechten Gewissen, den jüngsten Sohn Menuchim in Russland zurückgelassen zu haben
- bricht unter dem Verlust ihrer Kinder zusammen und verstirbt deshalb
Jonas Singer
- ist der älteste Sohn der Familie und der körperlich stärkste
- hat ein einfaches Gemüt, stellt keine hohen Ansprüche an sein Leben (sehnt sich im Gegensatz zu Deborah nicht nach Luxus, hält aber im Gegensatz zu Mendel auch nicht an der Religion fest)
- verabschiedet sich durch Einzug ins Militär von der jüdischen Lebensweise und ist für seine Familie deshalb verloren
- kämpft im Ersten Weltkrieg für die Rote Armee und wird von seinen Eltern tot geglaubt, sein tatsächliches Verbleiben wird aber nicht geklärt
Shemarjah (Sam) Singer
- Zweitältestes Kind der Familie Singer
- gegenteilig zu Bruder Jonas schmächtig gebaut und schlau (wird vom Erzähler als Fuchs beschrieben)
- hält mehr als Jonas an der jüdischen Identität fest, möchte aber auch nicht in Fußstapfen von Mendel treten (möchte mehr Geld verdienen und Kaufmann werden)
- kann durch Bemühungen seiner Mutter fliehen und kommt so als erstes Mitglied der Familie nach Amerika
- lernt auf der Flucht seine Frau Vega kennen, bekommt mit ihr in USA Sohn MacLincoln
- assimilieren sich vollständig in amerikanischer Kultur, Sohn wird nicht jüdisch erzogen und Shemarjah meldet sich aus patriotischen Gründen beim amerikanischen Militär und fällt bald darauf im Krieg
Mirjam Singer
- jüngere Schwester von Jonas und Shemarjah, ist zu Beginn des Romans noch ein Kind
- wird von Mendel gegenüber den beiden älteren Söhnen bevorzugt behandelt und als wunderschön beschrieben
- versucht mit den älteren Brüdern zusammen Menuchim umzubringen, als der ein Jahr alt ist und wünscht später ihren Eltern den Tod
- beginnt in Zuchnow Verhältnisse mit verschiedenen Kosaken
- scheint sich nach dem Umzug nach Amerika zuerst zu verändern, ist weniger böswillig ihrer Familie gegenüber und führt eine monogame Beziehung mit Shemarjahs Freund Mac
- beginnt ein Verhältnis mit einem anderen Mann, als Mac vom Militär eingezogen wird
- erkrankt psychisch schwer, als Shemarjah und ihre Mutter versterben
- Mendel schöpft durch Menuchim Hoffnung, dass Mirjams Leiden in Europa geheilt werden können
Menuchim Singer (Alexej Kossak)
- ist das jüngste Kind der Familie und wird zu Beginn des Romans geboren
- ist von Geburt an körperlich eingeschränkt und leidet unter epileptischen Anfällen, entwickelt sich auch geistig verzögert
- Geschwister werden eifersüchtig, weil er aufgrund seiner Krankheit mehr Aufmerksamkeit von Mendel und Deborah bekommt, die Geschwister schämen sich vor anderen Kindern für den kranken Bruder und versuchen ihn zu ertränken
- wird zurückgelassen als die Familie Russland verlässt und kommt bei den Nachbarn unter
- wird durch ärztliche Behandlung geheilt und lernt Klavierspielen, was zu seinem späteren Beruf wird
- besucht als erwachsener Mann Mendel in den USA, nennt sich Alexej Kossak und ist sehr erfolgreicher Komponist und Dirigent
- gibt Vater Hoffnung zurück und nimmt ihn mit nach Europa
- hat sich durch Kunst in Gesellschaft integriert, jüdische Identität aber nicht abgelegt
"Hiob" Joseph Roth – Analyse von Aufbau und Sprache
Der Roman "Hiob" ist in zwei Teile unterteilt. Der erste Teil erzählt von Familie Singer im russischen Stetl Zuchnow. Der zweite Teil handelt von der Familie nach der Auswanderung nach Amerika. Joseph Roths Roman lehnt sich an die biblische Geschichte von Hiob an, der alles verlieren muss, um zu beweisen, dass sein Glaube an Gott standhaft ist.
"Hiob" Joseph Roth – Analyse des Aufbaus
Die zwei Teile von "Hiob" sind in 16 durchnummerierte Kapitel unterteilt. Die ersten neun Kapitel spielen in dem fiktiven Ort Zuchnow, der im damaligen Russischen Reich und in der heutigen Ukraine liegt.
Das Russische Reich oder auch das Russische Kaiserreich existierte von 1721 bis 1917. Es war eine absolute Monarchie, deren Oberhaupt der Zar war und erstreckte sich über Osteuropa bis nach Zentralasien. Bis 1867 galt auch Alaska als eine Kolonie des Russischen Reichs.
Der Roman verfügt über einen auktorialen Erzähler, der alle Geschehnisse, Gedanken und Gefühle der Figuren kennt. Die beiden Teile von "Hiob" sind anhand der Emigration der Familie Singer voneinander getrennt. Der erste Teil erzählt die Geschichte in Zuchnow im Russischen Reich, der zweite Teil spielt in den USA.
"Hiob" Joseph Roth – Analyse der Sprache
Der Roman beginnt wie ein Märchen. Die Hauptfigur Mendel Singer wird im ersten Satz vorgestellt und die Zeit, wie auch den Ort beschrieben.
Vor vielen Jahren lebte in Zuchnow ein Mann namens Mendel Singer.
Alle Zitate stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus Joseph Roths "Hiob. Roman eines einfachen Mannes" (1974, Kiepenheuer & Witsch).
Roth setzt auch häufig Adjektive an den Anfang seiner Sätze und ändert die klassische Reihenfolge von Subjekt, Prädikat und Objekt ab. Dadurch wird der biblisch anmutende Stil der Sprache unterstützt.
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Länger wurden die Tage.
In diesem Beispiel wird die Abänderung von der Reihenfolge der Satzteile deutlich, wie auch das nach vorn gestellte Adjektiv "länger". Die parataktische Gestaltung der Sätze wird zum Beispiel in dem folgenden Zitat erkennbar.
Mendel zündete den Spirituskocher an, stellte den Tee auf, füllte das kleine blaue Waschbecken, tauchte sein Gesicht in die Schüssel, trocknete sich mit einem Zipfel des Handtuchs, das an der Türklinke hing, öffnete den Rolladen, nahm einen Mund voll Wasser, bespuckte sorgfältig die Diele und betrachtete die verschlungenen Ornamente, die der helle aus seinen Lippen gespritzte Strahl auf den Staub zeichnete.
Sonst hat die Sprache einen gehobenen, aber trotzdem einfachen Stil. Dies wird besonders durch den parataktischen Satzbau Roths erreicht.
Parataktisch bedeutet, dass mehrere gleichrangige Nebensätze durch Kommata in einem Satz zusammengefügt sind. Das Gegenteil von der Parataxe ist die Hypotaxe, in der die Nebensätze einem Hauptsatz grammatikalisch untergeordnet sind.
Joseph Roth verwendet auch viele Adjektive, die Farben beschreiben. Seine Sprache ist an vielen Stellen rhythmisch. Das bedeutet, dass die Betonungen der Worte in dem Satz einen Rhythmus ergeben.
"Hiob" Joseph Roth – Epoche
"Hiob" setzt der osteuropäischen Kultur der Stetlech ein Denkmal. Diese existierte zur Jahrtausendwende vom 19. ins 20. Jahrhundert, in der der Roman spielt, vor allem im Russischen Kaiserreich und in Teilen von Österreich-Ungarn.
Stetlech entwickelten sich ab dem 12. Jahrhundert, da viele europäische Jüdinnen und Juden aus Mitteleuropa nach Osten vertrieben wurden. Im Königreich Polen, dessen Territorium später auf Preußen, Österreich-Ungarn und das Russische Reich aufgeteilt wurde, durften sie sich niederlassen. Dabei wurden die kleinen Ortsgemeinschaften gegründet. Auch in den größeren Städten gab es einen Bevölkerungsanteil von bis zu 30 % jüdischer Einwohner*innen. Dadurch hat sich auch dort eine florierende jüdische Kultur entwickelt.
Die Stetl-Bewohner*innen lebten meist in großer Armut und die Orte verfügten meist nicht über eine Kanalisation oder befestigte Straßen. Die meisten Bewohner*innen gehörten der Unterschicht an und arbeiteten als Handwerker, Kleinhändler oder Tagelöhner. Durch die Autonomie konnte allerdings die jüdische Lebensweise vollkommen ausgelebt werden und auch die Armut war für viele erträglich, da der Glaube an eine baldige Endzeit weitverbreitet war.
Nach der Herrschaft der Nationalsozialisten und der massenhaften Vernichtung der osteuropäischen Jüdinnen und Juden wurde das Stetl zu einem Symbol der vielfältigen jüdischen Kultur vor der Shoah. Die Stetlech wurden fast alle vernichtet und die meisten jüdischen Einwohner*innen wanderten vor oder nach der Herrschaft des Nazi-Regimes nach Israel oder in die USA aus. Die einfache Lebensweise in den Stetlech wurde danach teilweise verklärt.
Shoah ist der hebräische Begriff für Holocaust. Er lässt sich mit 'Katastrophe' übersetzen.
"Hiob" Joseph Roth – Interpretation
Joseph Roths "Hiob" kann auf verschiedene Weisen gedeutet und interpretiert werden. Wichtig sind dabei immer der zeitgeschichtliche und der biblische Hintergrund der Erzählung.
Die biblische Geschichte von Hiob ist ein wichtiger Ansatz zur Interpretation von Joseph Roths Roman. Mendel Singer wird, wie Hiob, von Gott geprüft. Ihm wird alles genommen, was ihm wichtig ist, begonnen mit Jonas, seinem ältesten Sohn, dann Menuchim und seinem gesamten Besitz, wie auch seiner Heimat, als die Familie nach New York auswandert. Sein zweiter Sohn Shemarjah stirbt, daraufhin auch seine Frau und seine Tochter Mirjam wird psychisch schwer krank.
In der biblischen Erzählung wird Hiob von Gott dafür belohnt, dass er seinen Glauben nicht aufgegeben hat. Auch Mendel Singer möchte zwar zeitweise Gott ganz verleugnen, kann dies aber nicht. Er bleibt gläubig, auch wenn er aufhört, seinen religiösen Pflichten nachzukommen.
Man erzählte sich von ihm, daß [sic!] er oft in das italienische Viertel hinüberging, um Schweinefleisch zu essen und Gott zu ärgern. Die Menschen, in deren Mitte er lebte, nahmen für Mendel Partei, in dem Kampf, den er gegen den Himmel führte. Obwohl sie gläubig waren, mußten sie dem Juden recht geben. Zu hart war Jehovah mit ihm umgegangen.
Er wird durch Menuchim belohnt, der nicht bloß gesund geworden ist, sondern auch ein weltweit anerkannter Komponist.
"Wo ist Menuchim jetzt?" fragt Skowronnek. Und langsam erwidert Alexej Kossak: "Ich selbst bin Menuchim."
Joseph Roth verarbeitet mit der Neuinterpretation der Hiobsgeschichte auch die Theodizee-Problematik, die für Jüdinnen und Juden in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts besonders essenziell wurde. Die Frage danach, warum ein allmächtiger Gott zulässt, dass so vielen Menschen solch unvorstellbares Leid widerfährt, ist eine der zentralen Fragen von "Hiob".
Das Buch Hiob (oder Ijob) beschäftigt sich mit einem der wichtigsten theologischen Probleme der Buchreligionen (Judentum, Christentum und Islam), dem Theodizee-Problem. Das Problem der Theodizee (Gerechtigkeit Gottes) fragt, warum Gott das Schlechte in der Welt zulässt, bzw. warum guten Menschen Schlechtes widerfährt. Im Talmud (einer wichtigen Schrift des Judentums) wird es mit dem Begriff der Gerechtigkeit beantwortet, da Gerechtigkeit im jüdischen Verständnis nur vorhanden sein kann, wenn es auch das Schlechte gibt. Der Mensch muss sich also aus seinem eigenen Gewissen heraus für das Gute entscheiden, um als gerecht gelten zu können.
Ein weiterer wichtiger Interpretationsansatz ist der Untergang der Stetl-Kultur in Europa durch den immer größer werdenden Antisemitismus. "Hiob" wurde 1930 veröffentlicht, kann damit also nicht mit der massenhaften Vernichtung von Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten in Zusammenhang gebracht werden. Der Antisemitismus war allerdings auch vor der Machtergreifung der NSDAP in Deutschland weit verbreitet.
Die Kultur, die in Stetlech vorherrschte, war durch den Ersten Weltkrieg und die grassierende Armut bereits gefährdet. Roth selbst kam aus Österreich-Ungarn, das bereits dem Untergang geweiht war. Er lebte einen großen Teil seines Lebens im Exil. Der Heimatverlust und die Frage nach der eigenen Identität in einer neuen Umgebung wird in dem Roman ebenfalls gestellt.
Die Teilung der Geschichte in die beiden Handlungsorte, der des Russischen Reichs und der der westlichen Welt in Form von den USA, kann auch als eine politische Gegenüberstellung der beiden Weltmächte gesehen werden. Die Zeit, in der der Roman spielt, bildet das Ende der osteuropäischen Stetl-Kultur. Jüdinnen und Juden standen vor der Frage, inwieweit sie sich in andere Gesellschaften integrieren sollten.
Jede Figur der Familie Singer gibt eine andere Antwort auf diese Fragen. Jonas, der sich in dem Russischen Reich assimiliert, Shemarjah, der sich in den USA assimiliert und Mirjam, die sich durch ihre Liebesbeziehungen von ihrer jüdischen Identität entfernt. Deborah sehnt sich nach mehr Luxus und einem einfacheren Leben mit kultureller Vielfalt und Mendel hält durchgängig an seiner orthodox-jüdischen Lebensweise fest. Sie alle gehen an den Geschehnissen mehr oder weniger zugrunde.
Nur Menuchim, der seine jüdische Identität nicht verwirft, sich aber auch dadurch anpasst, dass er als Komponist gefeiert wird, kann als Gewinner der Lebenssituation bezeichnet werden. Dies kann als ein Weg interpretiert werden, den Joseph Roth für einen guten Umgang mit Identität und Heimatverlust hält, oder als Kritik an den Gesellschaften, die Angehörige von Minderheiten nur dann akzeptieren, wenn diese Großartiges leisten.
"Hiob" Joseph Roth – Über den Autor
Moses Joseph Roth war einer der wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Er wurde 1894 in Galizien, Österreich-Ungarn, als Kind jüdisch-bürgerlicher Eltern geboren und studierte Germanistik in Lemberg. Am Ersten Weltkrieg nahm er selbst als Soldat teil und wurde danach Journalist bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Roth verfasste seine ersten Romane als kritische Betrachtungen der Nachkriegsgesellschaft.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste er nach Paris emigrieren. Er konvertierte zum Katholizismus, wobei bis heute ungeklärt ist, ob er tatsächlich in seinem persönlichen Glauben katholisch war. Als er 1939 im Alter von 44 Jahren an den Folgen seiner Alkoholsucht verstarb, waren selbst seine engsten Angehörigen nicht sicher, ob der Schriftsteller jüdisch oder katholisch bestattet werden wollte. Es wurde eine Beerdigung mit Elementen aus beiden Glaubensrichtungen veranstaltet.
Zu Joseph Roths bedeutendsten Werken gehören seine Romane "Hiob. Roman eines einfachen Mannes" und "Radetzkymarsch".
Joseph Roth Hiob - Das Wichtigste
- "Hiob. Roman eines einfachen Mannes" von Joseph Roth ist 1930 erschienen.
- "Hiob" erschien vorab in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, für die Joseph Roth auch als Journalist gearbeitet hat. Im selben Jahr wurde der Roman auch in Buchform veröffentlicht.
- Hiob ist eine Geschichte aus dem Alten Testament der Bibel, bzw. aus der Thora. Sie erzählt von dem reichen Bauern Hiob, dem Gott alles nimmt, der aber trotzdem seinen Glauben nicht verliert. Hiob wird am Ende von Gott für seinen festen Glauben belohnt.
- Der Roman "Hiob" nimmt die Bibelgeschichte auf. Er handelt von Mendel Singer, einem orthodoxen Juden aus Russland, dem ebenfalls alles genommen wird. Am Ende wird er durch seinen geheilten Sohn Menuchim gerettet, der nun ein berühmter Musiker ist.
- Joseph Roth war Jude aus Galizien und zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern deutscher Sprache seiner Zeit.
- "Hiob" handelt von dem Untergang der Stetl-Kultur, die in Osteuropa weit verbreitet war.
- Die wichtigsten Fragen, die das Buch behandelt, sind Fragen nach Identität und Heimatverlust und die Theodizee-Frage.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Joseph Roth Hiob
Um was geht es in Hiob von Joseph Roth?
In Joseph Roths Roman "Hiob" geht es um den orthodoxen Juden Mendel Singer, der in dem Stetl Zuchnow in Russland lebt. Nach einigen Schicksalsschlägen muss er mit seiner Familie nach Amerika emigrieren und sein jüngstes Kind zurücklassen. In den USA verliert er auch seine restlichen Familienangehörigen und all seinen Besitz. Am Ende wird Mendel von seinem zurückgelassenen Sohn gerettet.
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