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Eine Novelle ist ein epischer Text, der in seiner Länge zwischen einer Kurzgeschichte und einem Roman liegt. Die Novelle handelt von nur einem Ereignis und ist daher meist klar strukturiert. Oft folgt die Novelle auch einem Leitmotiv.
Die Erzählung beschreibt den neurotischen Zustand eines jungen Leutnants der kaiserlich-königlichen Armee der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie nach einer unehrenhaften Auseinandersetzung mit einem Bäckermeister. "Leutnant Gustl" gilt als ein Novum in der deutschen Literatur, da es als erstes Werk fast komplett aus inneren Monologen besteht.
Ein neurotischer Zustand oder auch Neurose genannt, ist eine psychische Störung, die nicht auf körperlichen Ursachen beruht. Der neurotische Zustand äußert sich durch Angstzustände, Phobien und depressive Stimmungen.
Eine Doppelmonarchie ist die Verbindung zweier souveräner Staaten zu einer gemeinsamen Monarchie. Der Begriff wird überwiegend für die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, die von 1867 bis 1918 bestand, verwendet.
"Leutnant Gustl" – Zusammenfassung / Inhalt
"Leutnant Gustl" spielt zur Zeit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Wien und stellt den inneren Monolog des jungen Leutnants Gustl dar. Dieser wird nach einem Konzertbesuch von dem Bäckermeister Habetswallner beleidigt und überlegt aufgrund der Erniedrigung und Verletzung seines Ehrgefühls, Selbstmord zu begehen.
Die Novelle "Leutnant Gustl" wird nicht durch Kapitel gegliedert, daher sind die folgenden Unterteilungen der Zusammenfassung frei gewählt.
Das Konzert
Leutnant Gustl sitzt in einem vollen Konzertsaal, schenkt aber der Aufführung auf der Bühne wenig Beachtung. Er findet die Darbietung langweilig und wäre eigentlich lieber in einem der Wiener Kaffeehäuser, in denen er gelegentlich um Geld spielt und auch schon einiges verloren hat. Das Konzert besucht er nur, weil er die Karten von seinem Kameraden Kopetsky aus der Armee geschenkt bekommen hat, da dessen Schwester eine der Sängerinnen ist.
Um sich abzulenken, sieht Gustl sich lieber die hübschen Frauen im Saal an und überlegt, mit welcher er eine Affäre beginnen würde. Seine aktuelle Affäre Steffi, die ihn eigentlich begleiten sollte, ist mit ihrem Freund beim Essen und der wahre Grund für seine Langeweile.
Nachdem der Vorhang gefallen ist, verlässt Gustl schleunigst den Konzertsaal. Er muss schnell nach Hause, da er sich auf sein morgiges Duell mit einem Juristen vorbereiten muss. Dieser hat ebenfalls eine kurze Ausbildung beim Militär genossen und Gustl durch die Aussage, dass einige der Soldaten nicht nur zum Militär gehen, um das Land zu verteidigen, sondern auch, weil es beruflich zu nichts anderem gereicht hat, beleidigt. Gustl sieht durch diese Aussage das gesamte Militär in seiner Ehre verletzt. Um diese wiederherzustellen, musste er den Juristen zum Duell herausfordern.
Das Duell gilt seit dem Altertum als Mittel, Ehrenstreitigkeiten durch die Anwendung von Waffengewalt zu lösen. Es wird nach den traditionellen Regeln des Duellierens durchgeführt. Heute sind Duelle in den meisten Teilen der Welt verboten.
Als es sich jedoch an der Garderobe des Konzertsaals staut und Gustl ein großer und breit gebauter Mann im Weg steht, schubsen sich die Männer gegenseitig bis Gustl die Fassung verliert.
Der große Mann stellt sich als der Bäckermeister Habetswallner heraus, der im Umdrehen Gustls Säbel greift und vorgibt, ihn zu zerbrechen. Darüber hinaus beschimpft er den Leutnant als "dummen Bub". Gustl kocht vor Wut und schämt sich für die Erniedrigung durch einen Zivilisten. Bevor er sich jedoch wehren und den Bäcker mit seinem Säbel niederstrecken kann, ist dieser verschwunden.
Leutnant Gustls Dilemma
Gustl irrt durch die Straßen Wiens und versucht vergeblich, seine Gedanken zu ordnen. Mit einer solchen Schmach kann er nicht weiterleben, denn seine Kameraden würden bestimmt von der Bloßstellung erfahren. Er hadert damit, ob er Selbstmord begehen soll oder einfach darauf hoffen soll, dass der Bäckermeister das Geschehene nicht weitererzählt. Gustl sieht den Freitod als einzigen Ausweg aus der Schande, obwohl er an seine Familie und Kameraden denkt, die seinen Tod nicht verstehen würden.
Er entwickelt einen Hass gegen die Zivilbevölkerung, denn er hat durch seinen Rang im Grunde gar keine Chance, sich gegen sie durchzusetzen, weil Duelle eigentlich verboten sind und nur unter Offizieren stattfinden dürfen.
Auf seinem weiteren Weg überlegt Gustl, wie er seinem Leben am besten ein Ende setzen könnte. Wenn er seinen Revolver dabei hätte, würde er es sofort tun, aber dieser ist zu Hause in seinem Nachtkästchen verstaut. Am Wiener Prater setzt der Leutnant sich auf eine Parkbank, um sein weiteres Vorgehen zu planen. Er könnte sich in der Früh um sieben Uhr erschießen, denn da wären die Schulkinder schon weg.
Der Wiener Prater ist ein großer Stadtpark an der Donau in Wien. Heute ist vor allem der Vergnügungspark, der sich auf einem Teil des Gebietes befindet, als Wiener Prater bekannt.
Seine Gedanken schweifen immer wieder zu den Frauenbekanntschaften ab, die er über die Jahre hatte und Gustl erkennt dabei, dass er bis jetzt nie die wahre Liebe getroffen hat. Er denkt außerdem an seine Eltern und seine Schwester Klara, wobei er überlegt, ob er sie noch ein letztes Mal besuchen und mit dem Frühzug nach Graz aufbrechen sollte.
Als er den Vorfall im Konzerthaus Revue passieren lässt, überlegt er, warum er denn so aus der Haut gefahren ist. Verantwortlich macht der die Langeweile im Konzert, seine Geldnot wegen der Glücksspiele im Kaffeehaus, das Duell mit dem Juristen und dass seine Affäre Steffi mit einem anderen Mann beim Essen war. Bevor Gustl es schafft, nach Hause zu fahren, schläft er auf der Parkbank ein.
Die Erlösung
Um drei Uhr nachts wacht der Leutnant wieder auf. Ihm kommen die Gedanken der letzten Nacht in den Sinn und er bedauert es, dass Steffi nicht öffentlich um ihn trauen können wird, da ihr offizieller Freund nichts von der Affäre weiß. Gustl vermutet zudem, dass nur sein Kamerad Kopetzky, seine Eltern und seine Schwester an seiner Trauerfeier teilnehmen würden, denn als spielsüchtiger Militär, der den Frauen hinterherjagt, wäre er nicht zu bedauern.
Als Gustl am Nordbahnhof etwas zum Essen sucht, sieht er wehmütig dem 44. Regiment der Armee hinterher, das zum Schießplatz marschiert. Er beschließt, die Geschehnisse niederzuschreiben und der Regimentsleitung zukommen zu lassen, da er den Bäckermeister nicht einfach davonkommen lassen möchte.
In dem Soldaten macht sich die Angst vor seinem bevorstehenden Selbstmord breit, die ihn auf seinem Weg in eine Kirche führt. Gustl überlegt kurz vor seinem Tod noch, eine Beichte abzulegen, aber als die Orgelmusik erklingt, fühlt er sich an das Konzert des Vorabends erinnert und verlässt schleunigst das Gotteshaus.
Für eine letzte Mahlzeit besucht Leutnant Gustl sein liebstes Kaffeehaus, weshalb er sich nun doch erst um acht Uhr umbringen möchte. Auf seinem Weg formuliert er in Gedanken seine Abschiedsworte an seine Affäre Steffi und seine Schwester Klara. Außerdem bemerkt er ein weiteres Regiment, welches ihn wünschen lässt, dass er im Krieg gefallen wäre.
Leutnant Gustl ist einer der ersten Gäste im Kaffeehaus und sucht sich einen ruhigen Platz. Als der Kellner ihm sein Frühstück bringt, erzählt er Gustl, dass der Bäckermeister Habetswallner in der Nacht an einem Schlaganfall gestorben sei. Der Leutnant kann sein Glück kaum fassen, lässt sich jedoch nichts anmerken, als er den Kellner nach den Umständen des Todes fragt. Anscheinend ist der Bäckermeister auf den Stufen des Konzerthauses einfach zusammengebrochen. Überglücklich bereitet sich Gustl auf den Rest des Tages und sein bevorstehendes Duell vor.
"Leutnant Gustl" – Personenkonstellation / Charakterisierung
In "Leutnant Gustl" tritt Gustl selbst als einzige Hauptfigur der Novelle auf. Neben dem Bäckermeister Habetswallner und dem Kellner im Kaffeehaus erfährt der Leser von den anderen Figuren nur durch Gustls Gedanken. In der folgenden Personenkonstellation zeigt sich deren Charakterisierung:
Leutnant Gustl
- junger Mann
- Leutnant bzw. Offizier bei der kaiserlich-königlichen Armee Österreich-Ungarns
- hat eine Affäre mit Steffi
- hat großes Interesse an den Frauen, aber nicht die große Liebe gefunden
- ist stolz auf seinen Beruf beim Militär
- ist in Geldnöten wegen Glücksspielen im Kaffeehaus
- ist leicht reizbar
- für ihn ist Ehre das höchste Gut und er verteidigt sie
- hat einen Juristen zum Duell herausgefordert
- hält die Auseinandersetzung mit dem Bäcker für eine Schande
- verfällt daraufhin in einen neurotischen Angstzustand
- beschließt Selbstmord zu begehen, weil er die Demütigung nicht aushält
- ist erleichtert, als er vom Tod des Bäckermeisters erfährt
Bäckermeister Habetswallner
- hat eine Frau und eine Tochter
- hat eine große und breite Statur
- reagiert zunächst freundlich auf Gustls Gedränge
- beleidigt Gustl als "dummer Bub" und droht damit, dessen Säbel zu zerbrechen
- stirbt an einem Schlaganfall auf den Stufen des Konzerthauses
Steffi
- Affäre von Gustl
- ist mit ihrem offiziellen Freund beim Essen
- sorgt damit für Probleme zwischen ihr und Gustl
- ist nicht die wahre Liebe des Leutnants und scheint auch keine tiefen Gefühle für ihn zu haben
- hintergeht ihren eigentlichen Freund
"Leutnant Gustl" – Analyse von Aufbau und Sprache
"Leutnant Gustl" ist nicht in einzelne Kapitel gegliedert, jedoch kann anhand des Inhaltes eine Unterteilung in fünf Abschnitte erfolgen. Des Weiteren wird jeder dieser gedanklichen Abschnitte durch eine rhetorische Frage Gustls an sich selbst eingeleitet.
1. Teil: Konzertbesuch und Auseinandersetzung mit Bäckermeister Habetswallner. Gustl fragt sich gelangweilt, wie lange das Konzert noch dauern wird.
Wie lang wird denn das noch dauern?
Alle Zitate stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus Arthur Schnitzlers "Leutnant Gustl" (2001, Reclam).
2. Teil: Gustl verlässt nach der Auseinandersetzung mit Habetswallner das Konzerthaus und irrt nach der Demütigung verzweifelt durch die Straßen Wiens.
Was, ich bin schon auf der Straße?
3. Teil: Gustl ist auf der Parkbank im Prater und denkt über sein weiteres Vorgehen, seine Familie und sein Liebesleben nach. Er überlegt, ob es ungewöhnlich erscheint, dass er als Leutnant in der Nacht im Prater sitzt.
Das ist nicht schlecht, jetzt bin ich gar im Prater […] Was sich der Sicherheitswachmann dort denkt?
4. Teil: Gustl fragt sich, wo er ist und was passiert ist, als er mitten in der Nacht am Prater aufwacht und geht anschließend weiter zum Nordbahnhof und in die Kirche.
Was ist denn? […] Wo träum ich denn?
5. Teil: Gustl begibt sich zu seinem Stammkaffeehaus, um zu frühstücken und erfährt dort vom Tod des Bäckermeisters Habetswallner.
Ah, wohin denn noch? Da ist ja schon mein Kaffeehaus ...
"Leutnant Gustl" – Sprache
Die Sprache in "Leutnant Gustl" ist von mundartlicher Sprache und dem Militärjargon des Leutnants geprägt.
Sobald im Text die unmittelbaren Gedanken Gustls wiedergegeben werden, ist die Sprache teilweise von der Wiener Mundart durchzogen, da der Leutnant aus der österreichischen Hauptstadt stammt und dort auch der Handlungsort angesiedelt ist.
Als Militärjargon wird die Verwendung militärischer Begriffe anstelle normaler Ausdrücke von Offizieren, Soldaten oder anderen Mitgliedern des Militärs bezeichnet.
Jetzt wird's ernst, Gustl, ja!... Na, wenn nicht einmal das biss'l Grausen wär', so wär' ja schon gar nichts d'ran - und im ganze, ich muß's schon selber sagen, halt' ich mich brav.
Dabei stechen vor allem die Auslassungen im Anlaut und noch häufiger im Auslaut hervor, was kennzeichnend für die österreichische Mundart ist. Darüber hinaus werden die Verkürzungen der Wörter genutzt, um die Eile und Verwirrung darzustellen, in der sich Gustl nach der Demütigung mit dem Bäcker befindet, da er nicht weiß, wie er weiter vorgehen soll.
Das Stilmittel, welches das Wegfallen eines Lautes am Wortanfang bezeichnet, wird auch Aphärese genannt.
Das Stilmittel, welches den Wegfall des Auslautes bezeichnet, wird auch als Apokope bezeichnet.
Beide Stilmittel sind charakteristisch für die direkte Wiedergabe mundartlicher Sprache.
Um Leutnant Gustls Bezug zum Militär und die damit einhergehende Sorge um seine Ehre zu verdeutlichen, werden in einigen Passagen des Textes militärische Begriffe verwendet.
Herr Oberst, ich melde gehorsamst, er hat den Griff gehalten, er hat ihn nicht auslassen es war genau so, als wenn ich ohne Waffe gewesen wäre [...] Aber da gibt's ja nur ein: quittieren mit Schimpf und Schand' - quittieren!
Darin zeigt sich die Leidenschaft Gustls für seine Position als Offizier beim Militär. Zudem lässt sich ebenfalls nachvollziehen, dass Gustl in einen neurotischen Zustand verfällt, weil sein Stand beim Militär seine Identität bedeutet.
Erzählperspektive in "Leutnant Gustl"
Da die Novelle das innere Seelenleben Gustls thematisiert, ist das Werk als innerer Monolog verfasst. Dadurch können die Ängste und Sorgen des Leutnants unvermittelt dargestellt werden. "Leutnant Gustl" ist aus der Perspektive eines personalen Ich-Erzählers verfasst.
Ein innerer Monolog ist eine Sonderform des Selbstgespräches, das ausschließlich in den Gedanken der Figur stattfindet. Somit kann der Leser die Gedanken und Gefühle des Charakters nachvollziehen, für die anderen Figuren bleiben diese jedoch verborgen. Der innere Monolog ist dabei immer in der Ich-Form verfasst.
Der personale Erzähler gibt das Geschehen aus der Perspektive von einer oder mehreren Figuren wieder. Dabei kann der personale Erzähler auch zwischen den einzelnen Figuren wechseln, jedoch eine bestimmte Erzählsituation immer nur aus der Perspektive einer Person wiedergeben.
In Abgrenzung zum Ich-Erzähler berichtet der personale Erzähler nicht direkt aus der Innensicht dieser Figur, bleibt aber dennoch nah an ihr und berichtet dem Leser von den Erlebnissen und Gefühlen des Charakters. Zudem weiß der Erzähler nur, was auch der Figur bekannt ist.
Der Leser bekommt durch diese Erzählperspektive einen direkten Zugang zu der Gefühlswelt des Offiziers und kann dadurch seine Zerrissenheit und Angst nachvollziehen.
"Leutnant Gustl" – Interpretation
Die Novelle "Leutnant Gustl" bietet mehrere Interpretationsansätze. Zum einen kann man Gustls Selbstzwang, seinem Leben ein Ende zu setzten als Kritik an dem militärischen Ehrenkodex sehen. Zum anderen wird durch die Thematik der inneren Zerrissenheit die Methode der Psychoanalyse aufgegriffen, die von Sigmund Freud im frühen 20. Jahrhundert begründet wurde.
"Leutnant Gustl" – Gesellschaftskritik
Das Werk kann als Kritik an den gesellschaftlichen Werten und am militärischen Verständnis des Ehrbegriffs gedeutet werden. Die Gesellschaft zur Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie entfernte sich immer mehr von einem freiheitspolitischen Streben und unterlag einer Zäsur, von der vor allem antisemitische, nationalistische und konservative politische Kräfte profitierten. Die Grundhaltung in der Donaumonarchie, wie der Bund aus Österreich und Ungarn auch genannt wurde, änderte sich zu einer Spannung und Aggressivität.
Dies wird in "Leutnant Gustl" vor allem durch die schnell und grundlos entstandene Auseinandersetzung zwischen Gustl und dem Bäckermeister dargestellt. Zudem legt das Duell zwischen dem Leutnant und dem Juristen diese angespannte Stimmung in der Gesellschaft nahe, da der Anwalt eine negative Einstellung gegenüber dem Militär vertrat und damit das Duell provozierte.
Gewiß ein Sozialist! Die Rechtsverdreher sind doch heutzutag' alle Sozialisten! Eine Bande...am liebsten möchten sie gleich's ganze Militär abschaffen; aber wer ihnen dann Helfen möcht', wenn die Chinesen über sie kommen, daran denken sie nicht. Blödsten! - Man muß gelegentlich ein Exempel statuieren.
Das Beispiel zeigt, dass durch die Figur des Gustl die konservative Haltung der Gesellschaft widergespiegelt werden soll, da er den Juristen gleich bezichtigt, ein Sozialist zu sein, die für die Konservativen und für die Faschisten als größte Feinde galten. Außerdem lässt diese Textstelle den Nationalismus Gustls erkennen, der vertretend für die gesamte Gesellschaft steht, indem er voraussagt, dass "die Chinesen über sie kommen" werden.
Die Kritik am militärischen Ehrenkodex
Das Werk übt zudem Kritik am militärischen Ehrenkodex. Wie in der Novelle dargestellt wird, ist ein Angehöriger des Militärs dazu verpflichtet, bei einer Ehrverletzung gegenüber sich selbst oder gegenüber dem Militär diese Ehre wiederherzustellen. Dies erfolgt entweder durch die Aufforderung zum Duell, der sogenannten Ehrennotwehr oder den Selbstmord.
Ein Kodex oder auch Ehrenkodex ist ein ungeschriebenes Regelwerk von bestimmten Gruppen oder ganzen Gesellschaften, das Normen über ehrenhaftes Verhalten enthält.
Gustl kann als Offizier keinen Zivilisten zum Duell herausfordern, da er durch seine Position einen unehrenhaften Vorteil gegenüber dem Bäcker hätte. Für die Ehrennotwehr, bei der er den Bäckermeister noch während der Auseinandersetzung hätte töten müssen, hat der Leutnant zu lange gezögert, weshalb ihm nur noch der Selbstmord bleibt, um der Demütigung zu entgehen.
Daraufhin stürzt Gustl in eine tiefe psychische Krise, in der er die ganze Nacht verzweifelt durch Wien wandert. Besonders schlimm wirkt diese Entscheidung auf ihn ein, da er mit einer Entlassung aus dem Militär rechnen müsste, wenn er seine Ehre nicht wiederherstellen kann.
Die Darstellung dieses psychischen Zustandes, der aufgrund des Druckes eines veralteten Duellwesens und Ehrverständnisses beruht, gilt als Kritik an den militärischen Ehrenkodexen, die zur Zeit der Donaumonarchie vorherrschten.
"Leutnant Gustl" – Epoche
Im Folgenden werden die zeitgeschichtlichen Hintergründe der Novelle sowie die literarische Epoche näher beleuchtet.
Die Situation in Österreich um 1900
"Leutnant Gustl" entstand in der Übergangszeit vom 19. in das 20. Jahrhundert, dem sogenannten Fin de Siècle. Die Handlung der Novelle ist ebenfalls in diesem Zeitraum angesiedelt.
Als Fin de Siécle wird eine künstlerische und kulturelle Strömung bezeichnet, die versucht, das Lebensgefühl der letzten zwei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts bis hin zum Beginn des Ersten Weltkrieges auszudrücken.
Die Strömung ist auch unter der Bezeichnung Décadence bekannt, stellt aber keine eigene Epoche dar, sondern ist eine Einstellung, die von vielen unterschiedlichen literarischen, aber auch künstlerischen Stilen beeinflusst wird. Die Hauptthematik des Fin de Siécle ist der kulturelle Verfall zur Zeit der Jahrhundertwende.
Zu dieser Zeit befand sich die österreichisch-ungarische Monarchie unter der Führung von Kaiser Franz Joseph I. in einer Krise, denn sie musste mit dem Ausschluss aus dem Deutschen Bund 1866 einen starken Machtverlust hinnehmen. Auch innenpolitisch gab es große Probleme, vor allem in den Unabhängigkeitsbewegungen innerhalb des Vielvölkerstaates, der eine Vielzahl an ethnischen Gruppen, Kulturen, Religionen und Sprachen in sich vereinte.
Die Stimmung in der Gesellschaft wandelte sich zu einer Anspannung und Aggressivität, aus der konservatives und nationalistisches Denken entstand. Technologische Fortschritte wie das Telefon oder die Eisenbahn wurden von der Monarchie wegen des Traditionalismus abgelehnt. Dem gegenüber stand modernes Denken und die Ablehnung der konservativ-nationalistischen Gesellschaftsteile.
Die einzige stabile Kraft dieser Zeit war das Militär der Donaumonarchie. Die Armee war gemischt aus österreichischen und ungarischen Soldaten, stand jedoch unter einer gemeinsamen Führung mit klaren Strukturen und galt als letzte Hoffnung, die gespaltene Monarchie zusammenzuhalten.
Das Militär war von seinem Ehrenkodex geprägt, der in engem Zusammenhang mit dem Duellwesen stand. Durch Duelle wurden die Konflikte zwischen Offizieren gelöst und somit die Ehre beider Duellanten wieder hergestellt, wobei das Duell nicht zum Tod eines Teilnehmers führen musste. Grundsätzlich war das Duellieren in Österreich verboten, jedoch beim Militär vorgeschrieben, da man ansonsten vom Dienst entlassen worden wäre.
Wiener Moderne
"Leutnant Gustl" ist in der Epoche der Wiener Moderne (1890–1910) einzuordnen. Als Wiener Moderne wird in der Literatur die Umbruchzeit der Wiener Schriftsteller zur Zeit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert bezeichnet. In der Wiener Moderne vereinen sich viele verschiedene Einflüsse aus ganz Europa. Zentral ist eine generelle Ablehnung der konservativen Kunst und Kultur des Kaiserreichs Österreich-Ungarn und eine Zuwendung zur Moderne.
Die Schriftsteller der Wiener Moderne thematisieren überwiegend den kulturellen Verfall sowie Identitätskrisen und die innere Zerrissenheit aufgrund instabiler politischer Verhältnisse.
In "Leutnant Gustl" werden die Merkmale der Epoche vor allem an der inneren Zerrissenheit des Leutnants und seiner Selbstauflösung deutlich. Außerdem greift Arthur Schnitzler mit den Methoden der Psychoanalyse und der Verwendung des inneren Monologs neue, fortschrittliche Techniken auf.
Der Autor Arthur Schnitzler
Arthur Schnitzler wurde 1862 in Wien geboren. Er war der Sohn des jüdischen Medizinprofessors Johann Schnitzler, auf dessen Wunsch hin Arthur ebenfalls Medizin in der österreichischen Landeshauptstadt studierte. Das Interesse am Schreiben und die Ambitionen als Schriftsteller verfolgte er jedoch weiterhin. Bereits mit 23 Jahren besaß Arthur Schnitzler einen Doktortitel und begann als Assistenzarzt in verschiedenen Krankenhäusern Wiens zu arbeiten, ehe er anschließend eine Privatpraxis eröffnete.
Seine Karriere als Schriftsteller beginnt 1893 mit der Veröffentlichung seines berühmtesten Dramas "Reigen", welches aufgrund von pornografischen Inhalten verboten wurde. Anschließend fällt Arthur Schnitzler erneut auf, als er wegen seiner Novelle "Leutnant Gustl" seinen Offiziersrang, den er durch ein Engagement als Militärarzt erlangt hat, verliert, weil er in seinem Werk das Militär erniedrigt. Auch weitere Werke wie "Haus Delorne" unterfallen einer Zäsur.
Im Ersten Weltkrieg schließt sich Schnitzler nicht der allgemeinen Kriegseuphorie an, sondern bekennt sich als Pazifist. In den Nachkriegsjahren macht er Bekanntschaft mit Sigmund Freud, dessen Methoden der Psychoanalyse Arthur Schnitzler in Form des inneren Monologs in seinen Werken "Leutnant Gustl" und der Novelle "Fräulein Else" aufgegriffen hat. Diese beiden Erzählungen, sowie "Reigen" und die "Traumnovelle" zählen zu seinen bekanntesten Werken. Arthur Schnitzler starb im Jahr 1931.
Leutnant Gustl – Das Wichtigste
- "Leutnant Gustl" ist eine Novelle des österreichischen Autors Arthur Schnitzler, die im Jahr 1900 erschien und als erstes deutschsprachiges Werk fast durchgehend als innerer Monolog verfasst ist, um den angst-neurotischen Zustand der Hauptfigur Gustl darzustellen.
- Die Novelle handelt von dem jungen Leutnant Gustl, der bei einer Auseinandersetzung mit einem Bäcker in seiner Ehre als Offizier beim Militär verletzt wird. Daraufhin verfällt er in einen Angstzustand und plant schließlich sich selbst umzubringen, da er glaubt seine Ehre nicht wiederherstellen zu können.
- Der Text, welcher sich inhaltlich in fünf Teile gliedert, weist sprachliche Besonderheiten in der Verwendung von mundartlichen Redewendungen und der Auslassung von An- bzw. Endlauten und Ellipsen auf.
- In "Leutnant Gustl" wird Kritik an der Gesellschaft und dem militärischen Ehrenkodex geübt, sowie die im späten 19. Jahrhundert entstandene Methode der Psychoanalyse aufgegriffen.
- Das Werk entstand vor dem Hintergrund des Verfalls zur Zeit der Jahrhundertwende um 1900 und kann der Epoche der Wiener Moderne zugeordnet werden.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Leutnant Gustl
Warum geht Leutnant Gustl ins Konzert?
Leutnant Gustl geht ins Konzert, weil ihm die Karten von einem Kameraden geschenkt wurden, dessen Schwester dort im Chor singt.
Wann spielt "Leutnant Gustl"?
"Leutnant Gustl" spielt um das Jahr 1900 zur Zeit des Fin de Siécle, eine künstlerische und kulturelle Strömung, die versucht, das Lebensgefühl der letzten zwei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts bis hin zum Beginn des ersten Weltkrieges auszudrücken.
Was versteht Leutnant Gustl unter Ehre?
Leutnant Gustl vertritt das Verständnis von Ehre im Sinne des Militärs. Die Offiziere bildeten damals eine eigene Klasse, die jegliche Angriffe der Zivilbevölkerung verachteten und als Verletzung ihrer Ehre ansahen.
Wie alt ist Leutnant Gustl?
Leutnant Gustl ist ein junger Mann, der zwischen 23 und 24 Jahren alt ist.
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