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Merkmale einer Kurzgeschichte
Unter einer Kurzgeschichte versteht man eine Gattung der Prosa, die vor allem für ihre Kürze bekannt ist. Der Inhalt wird stark verdichtet dargestellt und bietet dadurch dem Leser/der Leserin einen großen Interpretationsraum für die Aussagen des Textes. Der komprimierte Text enthält zumeist viele Andeutungen, Metaphern und Symbole. Der Begriff "Kurzgeschichte" leitet sich aus dem Englischen "short story" ab.
"Streuselschnecke" Kurzgeschichte – Zusammenfassung / Inhaltsangabe
Im Folgenden erhältst Du eine Zusammenfassung / Inhaltsangabe der Kurzgeschichte "Streuselschnecke":
Zu Beginn der Geschichte erhält die Ich-Erzählerin einen Anruf von einem fremden Mann und überlegt, ob sie sich mit ihm treffen soll. Sie wohnt bereits seit einem Jahr nicht mehr bei ihrer Mutter und Schwester, sondern bei Freunden in Berlin.
Sie schminkt sich und geht mit dem Mann ins Café und Kino, wird seinen Freunden im Restaurant vorgestellt und darf sich seine Arbeit als Regisseur und Drehbuchautor anschauen. Die Ich-Erzählerin wünscht sich, beim Treffen Geld von dem Mann zu bekommen, aber traut sich nicht, danach zu fragen. Sie besucht die Schule und hat einige Nebenjobs. Sie hofft, mit 16 Jahren als Kellnerin anzufangen und eines Tages etwas im Leben zu erreichen.
Zwei Jahre später erzählt ihr der Mann, dass er krank sei. Sie besucht ihn im Krankenhaus, obwohl er ihr immer noch ein wenig fremd ist. Er fragt sie nach Morphium, um sterben zu können, doch nach kurzer Überlegung ignoriert sie seine Bitte. Stattdessen bringt sie ihm Blumen und fragt, ob er sich einen Kuchen wünsche, denn schließlich wisse sie, dass er Torten liebt. Er wünscht sich Streuselschnecken, welche sie ihm backt und ins Krankenhaus bringt. Der Mann sagt, er hätte gern mit ihr gelebt, doch kurz darauf, nach ihrem 17. Geburtstag, stirbt er.
Zur Beerdigung kommt nur ihre kleine Schwester, denn die Mutter sei anderweitig beschäftigt. Im letzten Satz offenbart das Mädchen, dass es sich bei dem Mann um ihren Vater handele, den ihre Mutter zu wenig gekannt und nie geliebt habe.
"Streuselschnecke" Kurzgeschichte – Charakterisierung
Zu den zentralen Figuren aus "Streuselschnecke" erhältst Du im Folgenden eine Charakterisierung:
Die Ich-Erzählerin
Die Ich-Erzählerin, die während der gesamten Handlung namenlos bleibt, ist zu Beginn der Geschichte 14 Jahre alt. Sie lebt in schwierigen Verhältnissen, da sie bereits mit 13 Jahren von ihrer Mutter auszieht und ihren Vater erst mit 14 Jahren kennenlernt. Sie ist sehr selbstständig und hat außerdem bereits zwei Nebenjobs als Reinigungskraft und Babysitterin, um sich durchzuschlagen.
Sie ist ihrem Vater gegenüber vorsichtig und zurückhaltend, da sie nicht viel von ihm erwartet und ihn zum Beispiel auch nicht nach Geld fragt. Sie plant vorausschauend und hat Hoffnung für ihre Zukunft:
Bald würde ich alt genug sein, um als Kellnerin zu arbeiten, und vielleicht würde ja auch noch eines Tages etwas Richtiges aus mir.
Alle Zitate stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus Julia Francks Sammelband "Bauchlandung: Geschichten zum Anfassen" (2012, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch)
Die Ich-Erzählerin erwähnt Freunde, die Drogen nehmen – das schließt darauf, dass es nicht nur in ihrer Familie, sondern auch in ihrem Freundeskreis Probleme gibt. Sie lernt ihren Vater über die drei Jahre hinweg ein wenig kennen: So erfährt sie zum Beispiel von seiner Vorliebe für Torten. Im Krankenhaus kümmert sie sich um ihn, indem sie ihn besucht und ihm sogar Streuselschnecken backt:
Ich ging nach Hause und buk Streuselschnecken, zwei Bleche voll. Sie waren noch warm, als ich sie ins Krankenhaus brachte.
Das heißt, trotz ihrer schwierigen Beziehung sorgt sie für ihn und zeigt damit, dass er ihr etwas bedeutet. Denn letztlich ist er ihr Vater, auch wenn sie sich bis zum Ende ein wenig fremd bleiben.
Das Wichtigste zum Mädchen:
- namenlos,
- zu Beginn der Geschichte 14 Jahre alt,
- zieht mit 13 Jahren zu Freunden nach Berlin,
- stammt aus schwierigen Verhältnissen (Eltern getrennt, lange fehlender Kontakt zum Vater),
- selbstständig (hat mehrere Nebenjobs),
- geringe Erwartungen an Vater, daher vorsichtig und zurückhaltend,
- Hoffnung auf bessere Zukunft,
- kümmert sich um kranken Vater (Besuche, backt Streuselschnecken),
- er bleibt ihr bis zum Ende ein wenig fremd.
Der Vater
Der Vater wird in der Geschichte überwiegend als fremder Mann vorgestellt. Erst im letzten Satz offenbart sich, dass es sich um den leiblichen Vater der Ich-Erzählerin handelt.
Er ruft seine Tochter erst nach 14 Jahren an, was bedeutet, dass auch seine familiäre Situation schwierig ist. Immerhin steht er zu ihr und stellt sie sogar seinen Freunden und Kollegen vor. Im Text wird er außerdem als schüchtern beschrieben, wie der erste Eindruck seiner Tochter aussagt:
Unsympathisch war er nicht, eher schüchtern.
Außerdem hat er Angst vor dem Tod, weshalb er seine Tochter darum bittet, Morphium zu besorgen. Anscheinend ist er nicht sehr verantwortungsbewusst, sodass er seinem Kind zumutet, ihm beim Sterben zu helfen. Als sie nicht auf seine Bitte eingeht, drängt er sie aber nicht dazu, sondern fragt nur hin und wieder nach.
Er scheint zudem wenig Hoffnung auf eine gute Bindung zu seiner Tochter zu haben, obwohl er sich ein Zusammenleben schon gewünscht hätte:
Er sagte, er hätte gerne mit mir gelebt, es zumindest gerne versucht, er habe immer gedacht, dafür sei noch Zeit, eines Tages – aber jetzt sei es zu spät.
Doch letztlich hat er seine Chance verpasst, denn seine Tochter ist schon fast erwachsen und selbstständig.
Das Wichtigste zum Vater:
- schwierige Familienverhältnisse (erster Kontakt zur Tochter nach 14 Jahren),
- schüchtern,
- wird krank (und stirbt ein Jahr später),
- Angst vor dem Tod (bittet Tochter um Morphium),
- wünscht sich Zusammenleben mit Tochter, aber hat seine Chance verpasst.
"Streuselschnecke" Kurzgeschichte – Analyse
Die nachfolgende Analyse zeigt Besonderheiten in Aufbau und Sprache in "Streuselschnecke".
"Streuselschnecke" Kurzgeschichte – Aufbau
Die Kurzgeschichte lässt einen deutlichen Spannungsbogen erkennen, denn wie es für eine Kurzgeschichte typisch ist, taucht der Leser direkt in das Geschehen ein:
Der Anruf kam, als ich vierzehn war.
Anschließend werden die Lebensumstände der Ich-Erzählerin erklärt. Die Spannung des Textes wird bis zum Höhepunkt im letzten Satz stetig gesteigert, indem dem Leser die wichtige Information vorenthalten wird, dass es sich bei dem Mann um ihren Vater handelt. Ebenfalls typisch für die Kurzgeschichte ist das offene Ende, welches den/die Leser*in mit Fragen zurücklässt.
"Streuselschnecke" Kurzgeschichte – Erzählverhalten
Der Text ist komplett im Präteritum aus der Sicht des Mädchens verfasst, welche als Ich-Erzählerin auftritt. Dadurch bekommt der Leser einen Einblick in ihre Wahrnehmung der Situation und ihre Gedankenwelt.
Wenn Du mehr über Erzählperspektiven erfahren willst, lies Dir gerne unsere Zusammenfassung "Erzähler" durch!
Die gesamte Geschichte ist ein Rückblick in die Vergangenheit des Mädchens und umfasst insgesamt drei Jahre.
Die Sprache ist von Franck bewusst sachlich und nüchtern gewählt – dies entspricht auch dem Stil der Kurzgeschichte. So bekommt der Leser nur die nötigsten Informationen vermittelt und fragt sich bis zum Ende, was es mit diesem fremden Mann auf sich hat.
Auch die Sätze hat die Autorin sehr kurz gestaltet, um das Lesetempo zu erhöhen und so Spannung aufzubauen.
Eine weitere Auffälligkeit ist zudem das Fehlen von wörtlicher Rede. Aussagen werden im Text stets als indirekte Rede wiedergegeben:
[…] der Mann nannte seinen Namen, sagte mir, er lebe in Berlin, und fragte, ob ich ihn kennen lernen wolle.
Dadurch schafft die Autorin zeitliche Distanz zur Geschichte und lässt sie wie einen Rückblick erscheinen.
"Streuselschnecke" Kurzgeschichte – Sprachliche Mittel
Die Autorin verwendet in ihrem Werk mehrere sprachliche Mittel, unter anderem die Metapher. Der Titel "Die Streuselschnecke" kann als Metapher für die Beziehung zwischen Vater und Tochter gesehen werden: Sie entwickelt sich im Schneckentempo, denn selbst nach drei Jahren sind die beiden sich immer noch ein wenig fremd. Immerhin lernt ihn das Mädchen ein wenig kennen, findet ihn “nicht unsympathisch” und wusste von seiner Vorliebe für Torten.
Eine weitere Deutungsmöglichkeit ist, dass die Schnecke, die sich zum Schutz in ihr Haus zurückzieht, für das Mädchen steht. Sie ist emotional ihrem Vater gegenüber sehr zurückhaltend und hat sich "in ihr Schneckenhaus verkrochen", um ihre Gefühle zu schützen.
Deshalb erwartet sie auch nicht zu viel von ihrem Vater, denn die Angst vor einer Enttäuschung ist zu groß.
Dies erklärt auch, warum sie die Geschichte so nüchtern und sachlich erzählt, obwohl es um den Tod ihres Vaters geht.
Die Streuselschnecken können auch als Metapher für Liebe und Geborgenheit stehen, denn sie sind selbstgebacken und sogar noch warm, als das Mädchen sie ins Krankenhaus bringt. Dies zeigt, dass der Vater dem Mädchen trotz der Vergangenheit wichtig ist.
Er sagte, die einfachen Dinge seien ihm jetzt die liebsten – er wolle nur Streuselschnecken, nichts sonst.
Mit diesem Satz bringt der Vater die Aussage der Geschichte auf den Punkt:
Das Leben läuft oft anders als wir es uns wünschen, daher sollten wir jeden Augenblick nutzen und auch die einfachen Dinge schätzen.
"Streuselschnecke" – Historischer Hintergrund
Die Kurzgeschichte wurde im Jahr 2000 im Sammelband “Bauchlandung” der Autorin Julia Franck veröffentlicht.
Auch wenn nicht bekannt ist, ob diese Geschichte autobiografische Inhalte enthält, lassen sich doch einige Parallelen zu Francks Leben feststellen:
Julia Franck wurde 1970 in Ost-Berlin als Tochter einer Schauspielerin und eines Fernsehregisseurs geboren. Als sie 8 Jahre alt war, reiste ihre Mutter mit ihren vier Töchtern nach Westdeutschland aus.
1983 zog Julia Franck schließlich allein nach West-Berlin und absolvierte dort 1991 ihr Abitur.
Während der Schule und des Studiums arbeitete sie unter anderem als Reinigungskraft, Kindermädchen, Kellnerin, Hilfsschwester und freie Journalistin.
Sie begann Jura zu studieren und verbrachte einige Zeit im Ausland, unter anderem in den USA und Mexiko.
Später entschied sie sich, in Berlin Altamerikanistik, Philosophie und Neuere Deutsche Literatur zu studieren. Für ihre Werke erhielt sie viele Preise und auch Stipendien.
Ihre Romane und Kurzgeschichten wurden mittlerweile vielfach ausgezeichnet und bereits in 39 Sprachen übersetzt.
Streuselschnecke - Das Wichtigste
- In der Kurzgeschichte "Streuselschnecke" von der deutschen Schriftstellerin Julia Franck aus dem Jahr 2000 geht es um ein junges Mädchen, das mit 14 Jahren ihren Vater kennenlernt und ihn drei Jahre später durch eine Krankheit verliert.
- Der Text enthält einen deutlichen Spannungsbogen, da erst am Ende offenbart wird, dass es sich um den Vater des Mädchens handelt.
- Die Protagonistin ist gleichzeitig auch die Ich-Erzählerin.
- Die Streuselschnecken, die das Mädchen ihrem kranken Vater backt, können als Metapher für die sich im Schneckentempo entwickelnde Beziehung zwischen Vater und Tochter gedeutet werden. Ebenso kann sie auch für den emotionalen Rückzug des Mädchens oder für die Fürsorge, die sie ihrem Vater entgegenbringt, stehen.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Streuselschnecke
Warum ist "Streuselschnecke" eine Kurzgeschichte?
"Streuselschnecke" beginnt mit einem unvermittelten Einstieg und es gibt nur wenige Figuren, die sehr knapp charakterisiert werden. Dies sind typische Merkmale einer Kurzgeschichte.
Welche Textart ist "Streuselschnecke"?
"Streuselschnecke" ist eine Kurzgeschichte von Julia Franck aus dem Jahr 2000.
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