Die Wortbildung umfasst mehrere Verfahren, mit denen sich durch verschiedene Zusammensetzungen von Morphemen unterschiedliche Wörter bilden lassen.
Die kleinsten Teile der Wortbildung
Bei der Wortbildung werden die einzelnen Bestandteile, sogenannte Morpheme, in unterschiedlicher Weise zusammengesetzt. Um die Prinzipien der Wortbildung gut verstehen zu können, lernst Du zunächst die wichtigen Grundbegriffe.
Morpheme
Morpheme sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten der Sprache. Ein Wort setzt sich aus verschiedenen Morphemen zusammen.
Es gibt verschiedene Arten von Morphemen.
Das Basismorphem
Basismorpheme, auch Grundmorpheme genannt, bilden das Grundelement eines Wortes. Sie enthalten die inhaltliche Information und können allein auftreten.
Das Wort "Teil" ist ein Basismorphem. Es bildet den inhaltlichen Kern des Wortes und kann durch verschiedene Affixe ergänzt werden:
Wortbildungsmorpheme – Affixe
Mit den Wortbildungsmorphemen, den sogenannten Affixen, werden konkrete Wörter gebildet. Sie ergänzen den Stamm, indem sie davor oder dahinter angehängt werden.
Bei dem Wort "gebaut" ist "ge-" ein Affix. Durch das Anhängen verschiedener Affixe an denselben Stamm können viele unterschiedliche Wörter entstehen: Ge-bäude, bau-t-en, Baut-en, ein-ge-bau-t, bau-en usw.
Man unterscheidet zwischen drei Arten von Affixen:
- Präfix
- Präfixe stehen vor dem Stamm.
- z. B. Ge-schenk
- Suffix
- Suffixe stehen hinter dem Stamm.
- z. B. schenk-en
- Zirkumfix
- Zirkumfixe bilden einen Rahmen um den Stamm. Sie stehen sowohl davor als auch dahinter.
- z. B. ge-schenk-t
Auf StudySmarter findest Du einen ganzen Artikel rund um das Thema "Morphem" sowie zu den einzelnen Affixen "Präfix" und "Suffix". Klick Dich doch rein!
Das Phonem
Ein Phonem ist die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit einer Sprache. Es handelt sich dabei um die Funktion und Realisierung von Sprachlauten.
Ein Phonem ist also ein einzelner Laut. Es besteht oft nur aus einem einzelnen Buchstaben und ist damit nicht mit Silben zu verwechseln.
Phoneme sind z. B.:
Es wird als kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit bezeichnet, weil durch den Austausch eines einzelnen Lautes im Wort dadurch ein anderes Wort mit einer anderen Bedeutung entstehen kann:
Das Lexem
Ein Lexem ist die Grundform eines Wortes, die auch im Lexikon zu finden ist und eine sprachliche Bedeutungseinheit darstellt. Dabei werden die verschiedenen Flexionsformen (Biegungsformen) des Wortes nicht berücksichtigt.
"Baum" ist ein Lexem. Durch Flexion sind verschiedene Varianten des Wortes möglich.
Bäume, (des) Baumes, (den) Bäumen
Der Wortstamm/die Wortfamilie
Der Wortstamm bildet den inhaltlichen Kern eines Wortes. Aus einem Wortstamm lassen sich viele verschiedene Wörter bilden.
Der Stamm ist der Grundbaustein eines Wortes, der durch weitere Stämme oder Affixe ergänzt werden kann. So können viele verschiedene Wörter entstehen.
"zeit": zeit-lich, zeit-los, Uhr-zeit, Zeit-en, Stein-zeit
Der Stamm "zeit" kann durch das Anhängen anderer Stämme (Uhr, Stein, los) oder Affixen (lich, en) variiert werden.
Alle Wörter, die auf denselben Stamm zurückzuführen sind, bilden eine Wortfamilie.
Gründe für die Wortbildung
Es gibt verschiedene Gründe für die Bildung neuer Wörter. Die wichtigsten sind:
BenennungsbedürfnisGegenstände und Sachverhalte benötigen eine sprachliche Bezeichnung, um darüber sprechen zu können bzw. darauf verweisen zu können.
Das Telefon brauchte, nachdem es erfunden wurde, eine sprachliche Bezeichnung, um darüber sprechen zu können.
Sprachkulturelle UrsachenDie Anpassung der Sprache an die Kultur, vor allem auf Grundlage umgangssprachlicher Variationen von Wörtern.
plappern – Geplapper – Plapperei
Flexionslücken auffüllen
Es gibt keine Einzahl von "Eltern", daher etablierte sich das Wort "Elternteil"
Präzisierung von bestimmten Wörtern
Marmelade: Erdbeermarmelade, Himbeermarmelade, Pflaumenmarmelade, ...
Pragmatische Gründe
Die soziale Entwicklung der Gesellschaft führt dazu, dass Wörter nicht mehr der zeitgenössischen Moral entsprechen. Daher werden diese Begriffe verändert.
Ausländer → Menschen mit Migrationshintergrund
Ökonomische Gründe
Diese Gründe beziehen sich vor allem auf Abkürzungen und erleichtern den Sprachfluss.
Uni statt Universität, Bus statt Omnibus
Formen der Wortbildung
Man unterscheidet zwischen vier wesentlichen Arten der Wortbildung: der Derivation, der Konversion, der Komposition und der Flexion. Auch die Kurzwortbildung, Wortkreuzungen und Dopplungen zählen zu Arten der Wortbildung.
Die Derivation
Bei der Derivation wird ein Wort aus dem Stamm und mindestens einem Affix gebildet.
Stamm + Affix = Wort
schenk + en = schenken
Ge + schenk = Geschenk
Bei der Derivation kann sich die Wortart verändern, muss aber nicht zwingend.
Freund (Substantiv) + lich = freundlich (Adjektiv)
In diesem Beispiel verändert sich die Wortart vom Substantiv zum Adjektiv.
Freund (Substantiv) + schaft = Freundschaft (Substantiv)
In diesem Beispiel wird die Wortart nicht gewechselt. Bei beiden Wörtern und dem Ergebnis der Wortbildung handelt es sich um ein Substantiv.
Wenn Du mehr über die "Derivation" erfahren möchtest, lies Dir unseren Artikel dazu durch!
Die Konversion
Bei der Konversion handelt es sich um einen Wechsel der Wortart. Wichtig ist, dass sich der Stamm dabei nicht ändert.
Aus dem Verb "treffen" wird das Substantiv "Treff", ohne dass sich der Stamm ändert. Bleibt das Wort in seiner Zusammensetzung exakt gleich (abgesehen von der Großschreibung des Nomens), spricht man von einer Wortkonversion. Mit den meisten Verben ist so etwas möglich.
Das Verb "laufen" kann auch als Nomen "das Laufen" verwendet werden. Solche Substantive stehen immer im Neutrum, werden also immer mit dem Artikel "das" ergänzt.
Wenn Du mehr über die "Konversion" erfahren möchtest, lies Dir unseren Artikel dazu durch!
Die Komposition
Die Komposition ist eine Zusammensetzung aus verschiedenen Morphemen.
Morphem + Morphem = Kompositum
Schiff + Fahrt = Schifffahrt
Bei dieser Art der Wortbildung wird häufig ein sogenanntes Fugen-s zur Verbindung der Wörter verwendet.
Geburt + Tag + Kuchen = Geburtstagskuchen
Die Flexion
Die Flexion kann auch als Beugung bezeichnet werden. Dabei entsteht kein neues Wort, sondern nur eine neue grammatische Form des Wortes.
Die Konjugation
Bei der Konjugation werden Verben an die grammatischen Kategorien Person, Numerus, Tempus, Modus und Genus Verbi angepasst.
Verben lassen sich konjugieren. Dabei wird das Verb an die folgenden Kategorien angepasst:
- Person
- erste, zweite oder dritte Person
- Numerus (Anzahl)
- Singular (Einzahl) oder Plural (Mehrzahl)
- Tempus (Zeit)
- Modus (Art und Weise einer Aussage)
- Indikativ (Wirklichkeitsform), Imperativ (Befehlsform) oder Konjunktiv (I oder II) (Möglichkeitsform)
- Genus Verbi
Person | Numerus | | Präsens | Präteritum | Perfekt | Plusquamperfekt | Futur I |
1. Person | Singular | ich | suche | suchte | habe gesucht | hatte gesucht | werde suchen |
2. Person | Singular | du | suchst | suchtest | hast gesucht | hattest gesucht | wirst suchen |
3. Person | Singular | er, sie, es | sucht | suchte | habt gesucht | hatte gesucht | wird suchen |
1. Person | Plural | wir | suchen | suchten | haben gesucht | hatten gesucht | werden suchen |
2. Person | Plural | ihr | sucht | suchtet | habt gesucht | hattet gesucht | werdet suchen |
3. Person | Plural | sie | suchen | suchten | haben gesucht | hatten gesucht | werden suchen |
Die fett gedruckten Affixe zeigen jeweils die Änderung des Verbs durch die Konjugation. Der Übersicht halber beschränkt sich die Tabelle auf den Modus Indikativ und das Genus Aktiv.
Wenn Du mehr über die einzelnen Kategorien des Verbs erfahren möchtest, lies Dir gerne unsere Artikel "Modus", "Zeiten", oder "Aktiv und Passiv" dazu durch.
Die Deklination
Substantive, Adjektive, Pronomen und Artikel lassen sich deklinieren. Dabei werden sie an die folgenden Kategorien angepasst:
- Kasus (Fall)
- Numerus (Anzahl)
- Singular (Einzahl) oder Plural (Mehrzahl)
- Genus (Geschlecht)
- maskulin (männlich), feminin (weiblich) oder Neutrum (sachlich)
Kasus | Genus | Singular | Plural |
Nominativ | maskulin | der Baum | die Bäume |
feminin | die Blume | die Blumen |
Neutrum | das Auto | die Autos |
Akkusativ | maskulin | den Baum | die Bäume |
feminin | die Blume | die Blumen |
Neutrum | das Auto | die Autos |
Dativ | maskulin | dem Baum | den Bäumen |
feminin | der Blume | den Blumen |
Neutrum | dem Auto | den Autos |
Genitiv | maskulin | des Baumes | der Bäume |
feminin | der Blume | der Blumen |
Neutrum | des Autos | der Autos |
Der Kasus ist nicht immer eindeutig. Nominativ und Akkusativ gleichen sich beispielsweise bis auf die männliche Form. Wenn Du Dir bezüglich des Kasus also unsicher bist, suche nach einem männlichen Synonym. Daran wird der Kasus immer deutlich.
Dabei handelt es sich auch um eine Form der Flexion!
Die Komparation
Adjektive lassen sich komparieren (steigern). Durch die Komparation lassen sich Unterschiede deutlich machen bzw. Dinge vergleichen.
Positiv (Grundform) | Komparativ | Superlativ |
schön | schöner | am schönsten |
groß | größer | am größten |
Zur Bildung des Komparativs wird an die Grundform des Adjektivs das Suffix "-er" gehängt.
Zur Bildung des Superlativs wird an die Grundform des Adjektivs das Suffix "-ten" gehängt. Ausnahmen gibt es bei unregelmäßigen Adjektiven.
Die Kurzwortbildung
Man unterscheidet zwischen drei verschiedenen Arten der Kurzwortbildung: der Kürzung, der Abkürzung und dem Akronym. Abkürzungen kommen prinzipiell vor allem bei langen Wörtern vor.
Die Kürzung
Bei einer Kürzung wird eine Kurzform eines Wortes genutzt. Dabei wird oft ein langer Teil des Wortes weggelassen.
Universität – Uni
Kriminalpolizei – Kripo
Die Abkürzung
Bei der Abkürzung werden nur noch die Anfangsbuchstaben der gemeinten Wörter oder vereinzelte Buchstaben aus dem Wort genannt.
Bei "Volkswagen" handelt es sich um ein Kompositum aus den Morphemen "Volk" und "Wagen", die durch ein Fugen-s miteinander verbunden werden. Daher besteht die Abkürzung aus den Anfangsbuchstaben dieser beiden Morpheme.
Das Akronym
Auch beim Akronym treten nur noch die Anfangsbuchstaben der gemeinten Wörter auf. Im Gegensatz zur Abkürzung werden sie aber nicht wie Buchstaben gelesen, sondern wie ein zusammenhängendes Wort.
Technischer Überwachungsverein
TÜV
Sowohl bei Abkürzungen als auch bei Akronymen kann es vorkommen, dass nicht nur die Anfangsbuchstaben genannt werden, sondern auch Buchstaben innerhalb des Wortes. Das "V" bei TÜV ist eigentlich kein Anfangsbuchstabe, sondern steht mitten im Wort "Überwachungsverein". Hierbei handelt es sich um ein Kompositum aus "Überwachung" und "Verein". Da "Verein" auch als Nomen allein stehen kann, wird das "V" in TÜV großgeschrieben.
In Einzelfällen wird nicht nur der erste Buchstabe eines Wortes oder Wortteiles genannt, sondern mehrere aufeinanderfolgende Wörter:
Straßenverkehrsordnung
StVO
Dadurch wird der Bezug zum gemeinten Ausdruck noch deutlicher. In diesem Beispiel dient das "St" als Hinweis darauf, dass das "S" hier wie ein "Sch" ausgesprochen wird.
Wortkreuzungen (Kontamination)
Die Wortkreuzung wird auch Kontamination genannt. Dabei verschmelzen zwei Stämme zu einem neuen Stamm.
Ja + nein = Jein
teuer + Euro = Teuro
Bei diesen Beispielen handelt es sich um umgangssprachliche Begriffe. Auf diese Weise können aber auch neue Begriffe entstehen:
Solche Phänomene der Wortbildung werden als Portmanteau-Morpheme bezeichnet.
Die Doppelung
Die Wortbildung durch Dopplung spielt eine eher untergeordnete Rolle. Sie kommt vor allem in der Umgangssprache vor und bekräftigt das Gesagte.
Dabei muss es sich nicht zwingend um exakt dasselbe Wort handeln. Es gibt auch Dopplungen, bei denen zwei Wörter aus derselben Wortfamilie aneinandergereiht werden.
Wortbildung - Das Wichtigste
- Die Wortbildung beinhaltet verschiedene Verfahren, mit denen sich durch verschiedene Zusammensetzungen von Morphemen unterschiedliche Wörter bilden lassen.
- Morpheme sind die kleinsten bedeutungstragenden Bestandteile der Sprache. Ein Wort setzt sich aus verschiedenen Morphemen zusammen.
- Man unterscheidet zwischen dem Basismorphem als bedeutungstragenden Stamm des Wortes und den Wortbildungsmorphemen, den Affixen.
- Bei der Derivation wird ein Wort aus dem Stamm und mindestens einem Affix gebildet.
- Bei der Konversion handelt es sich um einen Wortartenwechsel. Dabei werden keine weiteren Affixe genutzt.
- Die Komposition ist eine Zusammensetzung aus verschiedenen Stämmen.
- Die Flexion kann auch als Beugung bezeichnet werden. Dabei entsteht kein neues Wort, sondern nur eine Form des Wortes.
- Auch Kurzwortbildungen, Wortkreuzungen und Wortdopplungen gehören zur Wortbildung.
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Gabriel Freitas ist AI Engineer mit solider Erfahrung in Softwareentwicklung, maschinellen Lernalgorithmen und generativer KI, einschließlich Anwendungen großer Sprachmodelle (LLMs). Er hat Elektrotechnik an der Universität von São Paulo studiert und macht aktuell seinen MSc in Computertechnik an der Universität von Campinas mit Schwerpunkt auf maschinellem Lernen. Gabriel hat einen starken Hintergrund in Software-Engineering und hat an Projekten zu Computer Vision, Embedded AI und LLM-Anwendungen gearbeitet.
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