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E. T. A. Hoffmann "Der Sandmann" – Inhaltsangabe
Die Geschichte des eigentlichen Ich-Erzählers wird mit drei Briefen eingeleitet. Der Protagonist Nathanael wendet sich im ersten Brief an seinen Ziehbruder Lothar und erzählt ihm von der Begegnung mit einem Wetterglashändler namens Giuseppe Coppola, die ihn in starke Unruhe versetzt habe.
Der Hintergrund der Unruhe ist ein Kindheitstrauma, welches Nathanael sogleich beschreibt. Als Kind habe seine Mutter ihn jeden Abend mit der Drohung ins Bett geschickt, dass der Sandmann kommen würde. Der junge Nathanael habe daraufhin immer merkwürdige Geräusche vernommen und eines Tages beschlossen, sich im Zimmer seines Vaters zu verstecken, um seine Neugier nach der Identität des Sandmanns zu befriedigen.
Tatsächlich habe er im Sandmann den der Familie verhassten Advokaten Coppelius erkannt, der mit seinem Vater alchemistische Experimente vollzog. Nathanael wurde aber von den beiden entdeckt und von Coppelius misshandelt. Ein Jahr später kam es zu einem Unfall, bei dem Nathanaels Vater verstarb – er beschuldigte Coppelius und erkannte diesen in dem Wetterglashändler wieder. Nathanael schwört Rache.
Im Antwortschreiben seiner Verlobten Clara (diese habe den an ihren Bruder Lothar adressierten Brief fälschlicherweise erhalten und gelesen) äußert sie ihre Unruhe und Anteilnahme an Nathanaels seelischem Zustand. Sie versucht ihn zu beruhigen, indem sie die Gefahr des Sandmanns/Coppelius als bloße Einbildung abtut.
Im dritten und letzten Brief wendet sich Nathanael nochmals an Lothar und äußert seine Wut gegenüber Claras rationalem Erklärungsversuch – gleichzeitig pflichtet er ihr bei und verneint, dass Coppelius und Coppola dieselbe Person seien.
Daraufhin werden die weiteren Ereignisse von einem Ich-Erzähler dargestellt, der sich als enger Freund Lothars vorstellt. Er schildert, dass sich Nathanael mit der Zeit immer mehr in seine Vorstellungen von bösen Mächten reinsteigert und dies seine Beziehung zu Clara sehr belastet. So führt ein unheimliches Gedicht zu einem großen Streit zwischen den beiden. Nathanael schafft es aber, sich wieder zu fassen und kehrt nach einigen glücklichen Tagen an seinen Studienort zurück.
Dort wird er wieder vom Wetterglashändler Coppola aufgesucht und kauft von ihm ein Perspektiv, mit dem er heimlich Olimpia, die Tochter des Professors Spalanzani beobachtet. Er verliebt sich in die merkwürdig stille Schönheit und verbringt viel Zeit mit ihr. Nathanael möchte ihr sogar einen Heiratsantrag machen, platzt aber in einen Streit zwischen Spalanzani und dem Wetterglashändler Coppola herein, bei dem er erkennt, dass Olimpia in Wahrheit ein Automat (Puppe) ist. Coppola schafft es, mit ihrem leblosen Körper zu verschwinden und Nathanael verfällt in wahnsinnige Rage, wobei er versucht, Spalanzani zu erwürgen.
Er wird in letzter Minute davon abgehalten und kommt in eine Irrenanstalt. Nach längerer Krankheit und Bewusstlosigkeit wacht Nathanael im Kreis seiner Familie auf und die Geschichte scheint ein Happy End zu haben. Doch bei einem Ausflug erleidet Nathanael auf einem Aussichtsturm einen derben Rückschlag und versucht, seine Verlobte Clara vom Turm zu werfen. Lothar kann dies verhindern und als Nathanael bei den unten versammelten Menschen den Advokaten Coppelius wiedererkennt, stürzt er sich in selbstmörderischer Absicht vom Turm.
Der Erzähler schließt die Geschichte mit einer scheinbar glücklichen Deutung über Claras Schicksal ab.
Durch seine unheimliche und unerklärbare Geschichte nimmt die Erzählung von E.T.A. Hoffmann in der Literaturepoche der Romantik (ca. 1795 – 1835) eine besondere Stellung ein. Hoffmann gilt mit dem Der Sandmann als der Begründer der Schwarzen Romantik.
"Der Sandmann" – Epoche & Autor
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (mit drittem Namen eigentlich Wilhelm – Hoffmann war aber ein großer Fan von Mozart und nannte sich deshalb um) kann als Universalgenie bezeichnet werden. Er war Musiker, Maler, Anwalt und Dichter. Geboren am 24. Januar 1776 in Königsberg zeigte er schon in frühester Kindheit eine musikalische Begabung, welche durch die alleinerziehende Mutter gefördert wurde.
1792 begann er ein Studium der Rechtswissenschaften, wobei sich sein Fokus eher auf das künstlerische Schaffen richtete. Zunächst tendierte er sogar zu einer Karriere als Musiker – das bezeugen zahlreiche Symphonien. Doch er legte sein erstes Staatsexamen in Königsberg ab und arbeitete als Rechtsreferendar in Berlin.
Das zweite Staatsexamen schloss er mit sehr guten Noten ab, hatte aber beruflich einige Probleme, da er sich immer wieder dazu hinreißen ließ, Politiker und hochrangige Beamte lächerlich zu machen. Ab 1802 hatte er auch eine privat sehr anstrengende Zeit, da er nicht nur eine Zeit lang arbeitslos war, sondern sein künstlerisches Schaffen keinen Erfolg brachte und seine einzige Tochter verstarb.
Ab 1808 arbeitete Hoffmann als Musikdirektor in Bamberg, wo er jedoch nach ein paar Monaten aufgrund unzureichender Leistungen und interner Intrigen scheiterte.
Ein Jahr später erscheint seine erste Erzählung Ritter Gluck. Das Werk leitet Hoffmanns Karriere als Schriftsteller ein, wobei viele Motive, die der Verfasser auch in seinen späteren Werken übernimmt, hier ihren Ursprung finden.
In der kurzen Erzählung geht es um die Frage nach der wahren Identität eines Komponisten, der sich dem Ich-Erzähler am Ende als Ritter Gluck vorstellt. Der Leser bleibt aber fragend zurück, da er nicht weiß, ob es sich bei der Offenbarung des Komponisten um die Wahrheit handelt oder nicht. Einige Deutungsansätze geben sogar an, der Ich-Erzähler hätte sich die Figur, mit der er interagiert hat, nur ausgedacht.
Mit dem Ritter Gluck zeigt Hoffmann schon früh seinen Hang, Realität und Fantasie zu vermischen und damit seine Leser zu verwirren. Er kehrte zwar nach dem Sieg Preußens über Napoleon 1813 in den Staatsdienst zurück, intensivierte aber gleichzeitig sein literarisches Schaffen.
Zur selben Zeit ändert sich sein Erzählstil, welcher bis dato noch von den Idealen der Romantik geprägt war. Dabei rücken die Gefahren, die sich auf das künstlerische Genie während seines Schaffungsprozesses auswirken, in den Vordergrund. Die fantastische Vorstellungskraft braucht somit einen Ausgleich in der Wirklichkeit.
Diese Forderung Hoffmanns findet sich im Der Sandmann (1816) in der Figur des Protagonisten Nathanael wieder. Die zunehmende Idealisierung der Fantasiewelt führt zu gesellschaftlicher Ausgrenzung, psychischen Erkrankungen und sogar zum Tod.
Die Literaturepoche der Romantik
Der Begriff des Romantischen (Literaturepoche der Romantik von circa 1790 bis 1835) wurde damals zunächst negativ konnotiert – Kitsch und Schund wurden mit diesem Begriff verbunden. Erst mit der Zeit wandelte sich die Semantik (Wortbedeutung) des Romantischen hin zum Unheimlichen, Mythischen, Gefühlvollen und Wunderbaren.
Spätestens ab hier wird klar, dass die Romantik sehr komplex zu verstehen ist. Daher gibt es auch zahlreiche Unterteilungen innerhalb dieser literarischen Strömung (Früh-, Hoch-, Spätromantik).
Der Protagonist Nathanael ist aufgrund seines Hangs zum Fantastischen eine romantische Figur. Die Figur Clara dagegen steht für Vernunft und Realismus, verkörpert also Aufklärung. Somit stehen sich in "Der Sandmann" die Ideale der Romantik und die der Aufklärung direkt gegenüber.
Wenn Du noch mehr über das Zusammenspiel von Romantik und Aufklärung in "Der Sandmann" erfahren möchtest, dann klick Dich gerne auch in die Erklärung "Der Sandmann Interpretation".
Hoffmanns Erfolg als Autor von Schauergeschichten verdankt er nicht nur seinem Schreibstil, sondern auch den Ansätzen, die er in seinen Werken behandelt. Zeitgenössische Erkenntnisse aus der Medizin, Psychoanalyse und der Naturwissenschaft versucht Hoffmann in Form von Verschwimmen der Grenze zwischen Fantasie und Realität, Wahnsinn und Vernunft, Krankheit und Gesundheit einzubauen und findet dadurch Zugang zu einem breiten Publikum.
Dies hat aber auch seine Schattenseiten, denn Hoffmanns literarisches Schaffen – vor allem sein konfuser Stil wird nicht selten auf eine mögliche Alkoholsucht zurückgeführt. 1822 verstirbt E. T. A. Hoffmann im Alter von 46 Jahren an einer fortgeschrittenen Lähmung, die sich mehr und mehr seines Körpers bemächtigte und schließlich zu einer Atemlähmung führte. Indes war seine geistige Funktion nie durch die Krankheit eingeschränkt.
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