Thematisiert wird der vorübergehende Sommer, der durch den nahenden Herbst seine Farben verliert. Dabei ist es das Beobachten dieses Übergangs, der das lyrische Ich dazu bringt, die Einsamkeit der Menschen zu thematisieren. Einschlägig ist dabei das Ende des Sommers und der Einzug des Herbstes, wobei der Mensch inmitten dieser Naturerlebnisse in sich selbst zurückgeworfen wird und einer drohenden Vereinsamung entgegenblickt.
Das lyrische Ich ist der/die Sprecher*in eines Gedichts. Dabei handelt es sich um eine fiktive, vom Autoren / von der Autorin erfundene Stimme, die dem Lesenden ihre Gedanken und Gefühle mitteilt. Die Person des lyrischen Ichs bleibt meist unbekannt und ist fiktiv.
"Herbsttag" (Rilke) – Gedicht
Innerhalb von drei Strophen findest Du im Folgenden den Text des Gedichts "Herbsttag" aufgeführt.
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
– Rainer Maria Rilke, "Herbsttag" (1902)
Obwohl das Gedicht den Titel "Herbsttag" trägt, wird in dem Text nicht ein Tag des Herbstes, sondern der Übergang des Sommers in den Herbst geschildert. In den ersten beiden Strophen bittet das lyrische Ich Gott, den Herbst einziehen zu lassen. Dabei werden symbolisch die letzten Mechanismen des vorübergehenden Sommers aufgeführt.
Der Herbst wird anschließend in der letzten Strophe durch das Verhalten der Menschen beschrieben. Wenn die Menschen "wachen, lesen, lange Briefe schreiben" (V. 10) und "unruhig wandern" (V. 12), treiben die Blätter in den Alleen. Damit herrscht der Herbst gewissermaßen über die Menschen, denn sobald er da ist, vereinsamen diese.
Das Gedicht hat drei Strophen, wobei die Strophen im Verlauf des Gedichts länger werden. Im Folgenden erhältst Du eine Analyse zu "Herbsttag". Diese Analyse umfasst das Reimschema, die sprachlichen Mittel, die Symbole sowie das Metrum des Gedichts.
"Herbsttag" (Rilke) – Reimschema
In der ersten Strophe handelt es sich um einen umarmenden Reim.
Ein umarmender Reim besteht aus zwei Reimpaaren. Er folgt dem Reimschema abba. Dabei umschließt ein Reimpaar das andere, wobei der erste Vers sich auf den letzten Vers der Strophe reimt. Schließt ein umarmender Reim ein anderes Reimpaar vollständig ein, spricht man von einem vollständig umarmenden Reim. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich meist um ein Reimpaar, das einen reimlosen Vers einschließt. Was ein reimloser Vers ist, erfährst Du weiter unten.
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. a
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, b
und auf den Fluren lass die Winde los. a
Bei diesem Reimschema umarmt das letzte Wort der ersten Zeile jeweils das letzte Wort der dritten Zeile. In der Regel besteht der umarmende Reim aus zwei Reimpaaren – in diesem Fall liegt nur ein Reimpaar (a-a) vor. Die Zeile in der Mitte (b) kann dabei als reimloser Vers ausgemacht werden, denn sie reimt sich auf keine weitere Zeile der Strophe.
Ein reimloser Vers wird in der Verslehre auch als Reimwaise bezeichnet. Der reimlose Vers steht zwischen Versen, die sich reimen. Reimwaisen sind insbesondere in Strophen auszumachen, die drei Zeilen haben.
In der zweiten Strophe handelt es sich ebenfalls um einen umarmenden Reim:Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein; a
gib ihnen noch zwei südlichere Tage, b
dränge sie zur Vollendung hin und jage, b
die letzte Süße in den schweren Wein. a
Hier ist zu erkennen, dass sich die letzten Worte der ersten und letzten Zeile miteinander reimen. Man spricht auch von einem vollständig umarmenden Reim (a-b-b-a). Der umarmende Reim schließt dabei ein anderes Reimpaar ein.
In der dritten Strophe lässt sich ebenfalls ein vollständig umarmender Reim erkennen, wobei sich der letzte Vers (treiben) auf die Verse zwischen dem umarmenden Reim (a-a) reimt:Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. a
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, b
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben b
und wird in den Alleen hin und her a
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. b
"Herbsttag" (Rilke) – Sprachliche Mittel
Antithese
Eine Antithese ist ein sprachliches Mittel, bei dem Gegensätze einander gegenübergestellt werden und für Widerspruch sorgen. Das passiert in der ersten Strophe des Gedichts. Dort wird der Schatten (V. 2) den Sonnenuhren (V. 2) gegenübergestellt. Wenn eine Sonnenuhr von einem Schatten überdeckt wird, ist die Sonnenuhr nicht mehr zu lesen, sodass ein Messen der Zeit zwangsläufig unmöglich wird.
Sonnenuhren stammen aus der Zeit der Antike. Mithilfe des Stands der Sonne am Himmel zeigen sie die Tageszeit an. Dabei wird der Schatten eines Stabes verwendet, der die Uhrzeit auf dem skalierten Zifferblatt anzeigt.
Metapher
Eine Metapher ist ein sprachliches Bild. Dieses Bild kann in der zweiten Strophe ausgemacht werden. Das lyrische Ich gibt an, dass der Herr den "letzten Früchten" (V. 1) "noch zwei südlichere Tage" (V. 2) geben soll. Diese südlichen Tage können als Wärme und Helle des Sommers gedeutet werden.
Die Metapher ersetzt den eigentlich gemeinten Begriff durch einen anderen sprachlichen Ausdruck – ein sprachliches Bild – und überträgt dabei eine Bedeutung. Möchtest Du mehr über die Metapher erfahren, sieh Dir die Erklärung "Metapher" auf StudySmarter an.
Anapher
Eine Anapher ist eine Wiederholung von einem oder mehrerer Wörter zu Beginn eines Satzes oder Verses. In der dritten Strophe ist dieses sprachliche Mittel in den ersten beiden Versen auszumachen: "Wer jetzt..." (V. 1) sowie "Wer jetzt..." (V. 2). Die Anapher dient hier zur Verdeutlichung des Zustands für den Menschen. Sie weist darauf hin, dass der Herbst eine lange Zeit andauern wird. Dabei ist es dessen Wirkung auf den Menschen, die verdeutlicht wird: Im Herbst vereinsamt der Mensch, er wandert unruhig hin und her.
Zur näheren Interpretation erfährst Du nachfolgend mehr.
"Herbsttag" (Rilke) – Symbole
Der Dichter Rainer Maria Rilke ist insbesondere für seine symbolhaften Gedichte bekannt. Auch das Gedicht "Herbsttag" gilt als ein symbolisches Gedicht.
In der Literatur, insbesondere in der Lyrik, werden Symbole zur vereinfachten Darstellung eines Sachverhalts verwendet. Symbole gelten als Stilmittel. Sie sind Zeichen, die für einen Sachverhalt stehen. Symbole wirken häufig etwas abstrakt, da nicht immer klar ist, was das jeweilige Symbol meint oder wofür es steht. Als Beispiel hierfür kann die blaue Blume in der Epoche der Romantik gelten. Gedeutet wird die blaue Blume als Symbol für die Sehnsucht des Unerreichbaren und Unendlichen sowie als Symbol der Verbindung zwischen Mensch und Natur.
Das Gedicht "Herbsttag" kann aufgrund seiner vielen Symbole auch als symbolisches Gedicht bezeichnet werden. Im Folgenden erhältst Du drei Beispiele für diese Symbole:
Der Herbst
Bereits der Titel "Herbsttag" verweist auf das Symbol "Herbst". Der Herbst kann als Symbol einer Zeit gedeutet werden, in der das lyrische Ich und seine Mitmenschen zur Ruhe kommen. Diese Jahreszeit kann den Menschen darüber hinaus zur Selbstreflexion bringen. Auf diese Reflexion verweisen die Verben "wachen, lesen, schreiben" (V. 10).
Hierfür lässt sich auch der Begriff "Schatten" (V. 2) heranziehen. Der Schatten legt sich auf die Sonnenuhr, sodass die Helligkeit und Wärme des Sommers verschwindet und der Herbst samt seiner Veränderung eingetroffen ist. Die Aussage "Herr, es ist Zeit" (V. 1) deutet darauf hin, dass der Sommer lang genug war und die Zeit des Herbstes reif ist.
Der Wein
Ebenso kann der "schwere Wein" (V. 7) als Symbol gedeutet werden. Der Wein kann dabei für den Rauschzustand stehen, den er beim Trinkenden verursacht. Weil mit dem Ende des Sommers dessen "letzte Süße" (V. 7) vorüber ist, ist auch der Wein kein Getränk mehr, das aus Genuss getrunken wird, sondern vielmehr den bloßen Rauschzustand und den vergangenen Sommer verkörpert. Dass das Ende des Sommers naht, kann von den Menschen als Belastung empfunden werden, denn auf das Ende der warmen und hellen Jahreszeit – des Sommers – folgt der dunkle und kalte Herbst.
Das Haus
Das "Haus" (V. 8) kann ebenfalls als Symbol gedeutet werden. In Verbindung mit der Anapher ("Wer jetzt") zeigt es eine gewisse Dringlichkeit auf: "Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr" (V. 8). Das Haus kann deshalb für die Schutzmöglichkeit im Herbst stehen. Das Haus ist ein Rückzugsort. Es kann den Schutzsuchenden vor Einsamkeit oder gar Heimatlosigkeit bewahren.
Das Metrum in "Herbsttag"
Das Metrum (auch Versmaß genannt), gibt Auskunft über die Struktur und den Rhythmus eines Gedichts. Die Abfolge von betonten und unbetonten Silben in einem Vers stellen das Metrum dar.
Das Versmaß beschreibt den klanglichen Aufbau eines Gedichts. Bei diesem Aufbau geht es um die betonten und unbetonten Folgen innerhalb eines Verses. Betonte Silben werden als Hebungen, unbetonte Silben als Senkungen bezeichnet.
Für die Bestimmung des Versmaßes muss die Abfolge von Hebungen und Senkungen in einem Gedicht betrachtet werden. Unter einem Jambus versteht man einen Versfuß, der aus einer unbetonten und einer betonten Silbe besteht.
Für mehr Informationen über das Metrum, sieh Dir die Erklärung "Versmaß" auf StudySmarter an!
Das Gedicht "Herbsttag" ist jambisch (zweisilbig) und hat fünf Hebungen:
Be-fiehl den letz-ten Früch-ten voll zu sein
x X x X x X x X x X
Hebung: XSenkung: xDie Hebungen stellen die betonten Silben und die Senkungen die unbetonten Silben dar. Wenn Du diesen Vers laut liest, kannst Du auch anhand Deiner Betonung erkennen, was mit "Hebung" und "Senkung" gemeint ist.
"Herbsttag" (Rilke) – Interpretation
Die Analyse des Gedichts "Herbsttag" hat Dir gezeigt, dass diesem viele Symbole und sprachliche Mittel zugrunde liegen. Bereits die von Strophe zu Strophe steigende Versanzahl gibt Auskunft über die inhaltlichen Aspekte des Gedichts: Zu Beginn des Gedichts wird der vorübergehende Sommer in kürzeren Strophen beschrieben, während der dominierende Inhalt des Gedichts (nämlich der Herbst und dessen Wirkung auf den Menschen) mit steigender Versanzahl in der dritten und längsten Strophe thematisiert wird.
Die erste und zweite Strophe
In der 1. Strophe spricht das lyrische Ich den Herrn (gemeint kann Gott oder eine höhere Instanz sein) direkt an, indem es darauf verweist, dass der Sommer vorüber ist. Das lyrische Ich bittet den Herrn darum, "die Winde" (V. 3) loszulassen.
Während das lyrische Ich also in dieser ersten Strophe noch gemächlich das Ende des Sommers einleitet, unterlegt es dieses Sommerende in der zweiten Strophe mit drängenden Verben. "Befiehl" (V. 4) sowie "dränge" (V. 6) weisen durch deren Befehlsform darauf hin, dass der Sommer nun endgültig schwinden muss, und dass seine "letzte Süße" (V. 7) zu "schwere[m] Wein" (V. 8) werden wird. Mit dem Ende des Sommers endet auch dessen Wärme und Helle.
Als dritte von vier Jahreszeiten folgt der Herbst auf den Sommer. Er hält die Veränderung bereit, die das lyrische Ich durch das Vergehen des Sommers beschreibt: "Der Sommer war sehr groß" (V. 1), "befiehl den letzten Früchten, voll zu sein" (V. 4) sowie "dränge sie zur Vollendung hin" (V. 6). Diese Vollendung beschreibt die letzten Mechanismen des Sommers, die im Herbst schließlich aufgebrochen werden: Die Blätter fallen, die Bäume werden kahl und die Sonne schwindet.
Die dritte Strophe
Die dritte Strophe zeigt durch die Anapher ("Wer jetzt") an, dass der Herbst da ist und der Mensch durch den Eintritt des Herbstes in sich selbst zurückgeworfen wird. Dies zeigen die Verben "wachen", "lesen" und "schreiben" (V. 10) auf, die für Tätigkeiten stehen, denen der Mensch in der Regel alleine nachgeht.
Der Herbst steht für die schwindende Sonne und die kühler werdenden Temperaturen, weshalb der Mensch mehr Zeit drinnen als draußen verbringt. Anzunehmen ist, dass die Zeit im Inneren der Grund dafür ist, dass der Mensch mehr Zeit mit sich selbst verbringt.
Die Begriffe "Innen" und "Außen" müssen aber nicht nur für Räume stehen, sondern können ebenfalls für eine "Innenwelt" und "Außenwelt" aus Perspektive eines Menschen stehen. Die Zeit innerhalb eines Raums kann deshalb für die Zeit stehen, die der Mensch in seiner "Innenwelt" (also mit sich selbst) verbringt.
Innerhalb dieser drei Strophen fällt auf, dass das Gedicht erst die Natur, und mithilfe dieser den Menschen thematisiert. Denn während das lyrische Ich in der ersten Strophe den Übergang des Sommers in den Herbst beschreibt, zeigt es auf, dass die Veränderung der Natur (und damit der Übergang von Sommer auf Herbst) der Grund dafür ist, dass der Mensch in sich selbst zurückgeworfen wird ("Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben" (V. 9).
Diese letzte Strophe ist zentral für die Interpretation des Gedichts. Nachdem das lyrische Ich den Herrn darum gebeten hat, die letzten Früchte zur Vollendung zu drängen, steht der Mensch nun im Mittelpunkt. Ihm drängt sich die Frage auf, wohin er gehört und ob er auf den Herbst vorbereitet ist. Denn "wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr" (V. 8) und "wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben" (V. 9). Diese Phase des Rückwurfs in sich selbst endet schließlich mit der Einsamkeit des Menschen und der Natur, die den Menschen immerfort begleitet. Das lyrische Ich beschreibt deshalb den Kreislauf von Natur und Mensch.
Die Natur verändert und vollendet sich. Sie geht vom Sommer in den Herbst über, während der Mensch diesem Kreislauf unterliegt und dafür sorgen muss, dass er auf den Zeitenwechsel vorbereitet ist. Dabei kann ihn die Einsamkeit überkommen und unruhig zurücklassen, während die Natur sich mit dem Zeitenwechsel verändert.
"Herbsttag" (Rilke) – Epoche
Rainer Maria Rilke verfasste das Gedicht "Herbsttag" im Jahre 1902. Diese Zeit ist der Epoche des Symbolismus zuzuordnen. Rilke gilt als bedeutender Vertreter des Symbolismus. Vielleicht sagt Dir sein Gedicht "Der Panther" etwas – dieses wird häufig als Beispiel des Symbolismus in der Literatur herangezogen.
Der Symbolismus entwickelte sich in der Moderne. Er wird auf den Zeitraum von 1890 und 1920 datiert. Neben namhaften Epochen wie dem Impressionismus oder dem Expressionismus bildeten sich in der Moderne zahlreiche Epochen heraus. Den Vertretenden des Symbolismus ging es darum, eine schöne Welt zu gestalten. Dies strebten sie an, indem sie mithilfe von Symbolen eine schöne Welt zu erschaffen suchten. Diese Welt sollte eher mystisch als rational sein. Deshalb war der Symbolismus die Gegenbewegung zum Realismus und Naturalismus.
Die Vertretenden des Symbolismus verwendeten eine symbolhafte und bildliche Sprache. Hierdurch rückten sie das Alltägliche in einen bis dahin neuen und rätselhaften Zusammenhang. Dieser rätselhafte Zusammenhang wurde durch Motive wie "das Unbewusste" oder "die Seele" erschlossen.
Ferner wurden Emotionen häufig auf Gegenstände oder sogar Tiere verlagert. Dies geht aus dem Gedicht "Der Panther" von Rilke hervor.
Die literarische Epoche der Moderne ist auf den Zeitraum zwischen 1880 und 1920 datiert. Der Begriff wird als Sammelbegriff für unterschiedliche Strömungen verwendet, wie z.B. den Expressionismus, den Impressionismus oder den Symbolismus. Als zentrales Merkmal der Moderne gilt der Bruch mit den Traditionen, weshalb die Autoren ihre Werke frei und ihren eigenen Vorstellungen nachgestalteten. Deswegen sind Subjektivität und Individualität zentrale Merkmale der Moderne.
Um die Jahrhundertwende fanden in der Gesellschaft zahlreiche Umwälzungen statt. Auf einen technischen und wissenschaftlichen Fortschritt folgte die Industrialisierung, die Relativitätstheorie oder auch die Radioaktivität. Dies führte von einer Abwendung von der Religion hin zu einer Zuwendung zu philosophischen Theorien (z.B. Materialismus und Positivismus).
Der Materialismus ist eine philosophische Position (Geisteshaltung), bei dem davon ausgegangen wird, dass alles (Gedanken, Gefühle usw.) auf Materie zurückgeführt werden kann. Damit gibt es laut dieser Position auch keinen Gott. Er ist eine Form des Naturalismus.
Der Positivismus hingegen ist eine philosophische Position, bei der allein der Verstand genutzt wird, um Wissen zu erwerben. Demnach ist alles, was mit den Sinnen wahrnehmbar ist, wirklich.
Diese neuen Möglichkeiten bewirkten allerdings nicht nur Gefühle des Aufbruchs, sondern sorgten auch für ein pessimistisches Weltbild. Das Weltbild war deshalb pessimistisch, weil die Menschen sich durch die neue technisierte Welt weniger gebraucht fühlten.
Die Merkmale des Symbolismus wurden insbesondere innerhalb der literarischen Gattung der Lyrik angewandt. Typische Merkmale waren:
- eine schöne, harmonische Sprache,
- die Verwendung rhetorischer Mittel (z.B. Metaphern, Lautmalereien oder Wortneuschöpfungen),
- Tiefgründigkeit,
- sowie eine geheimnisvolle Sprache.
Da in der Literatur des Symbolismus viele Symbole verwendet wurden, kann die Sprache einerseits künstlich und/oder ähnlich dem Stile des Barocks wirken, andererseits lässt sie tiefgründige Gedankengänge erahnen und sorgt durch die geheimnisvolle Sprache für weite Interpretationsspielräume.
"Herbsttag" – Rainer Maria Rilke
Der Dichter und Schriftsteller wurde am 04.12.1875 in Prag geboren und starb am 29.12.1926 in einem Sanatorium in der Schweiz. Rilke gilt als einer der bedeutendsten Dichter der Moderne. Zur literarischen Schöpfung Rilkes zählen Übersetzungen, Gedichte, Aufsätze, Erzählungen und ein Roman.
Der Schriftsteller gilt als einer der wichtigsten Vertreter der literarischen Moderne. Seine Werke werden dem Symbolismus und dem Impressionismus zugeordnet. Rilke beeinflusste insbesondere die Gattung des Dinggedichts, woraus eines seiner bekanntesten lyrischen Werke "Der Panther" hervorgeht.
Das Dinggedicht ist eine Gedichtform, bei der ein Objekt in den Mittelpunkt gerückt wird und aus der Perspektive dieses Objekts geschrieben wird. Ziel dieser Gedichtform ist es, das Wesen des jeweiligen Objekts zu begreifen. Tiere werden in diesem Rahmen auch als Objekte bezeichnet, da sie keine eigene Stimme haben.
Im Jahre 1899 reiste Rilke nach Russland. Diese Reise prägt den jungen Schriftsteller maßgeblich, so entsteht im Anschluss daran eines seiner heute bekanntesten Werke, nämlich die Kurzerzählung "Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" (1912).
Sein Roman "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" (1910) ist ebenfalls ein bedeutendes Werk in der Literaturgeschichte. Dieses schrieb der Autor im Anschluss an einen Paris-Aufenthalt im Jahre 1904.
Im Jahre 1922 vollendete der Autor seine "Duineser Elegien". Nach dieser Sammlung von Elegien entstanden noch weitere Gedichte. Allerdings erkrankte Rilke in den Folgejahren an Leukämie, sodass er letztlich im Jahre 1926 starb.
Herbsttag - Das Wichtigste
- "Herbsttag" Rilke – Text: Das Gedicht hat drei Strophen, wobei die einzelnen Verse von Strophe zu Strophe länger werden.
- Innerhalb von diesen drei Strophen beschreibt das lyrische Ich den Herbst in seiner äußeren Form und zeigt zugleich auf, was diese Jahreszeit mit den Menschen macht.
- "Herbsttag" Rilke – Reimschema: Alle drei Strophen weisen jeweils einen umarmenden Reim auf.
- "Herbsttag" Rilke – Symbole: Das Gedicht enthält verschiedene Symbole. Beispiele dafür sind: der Schatten, der schwere Wein und das Haus.
- "Herbsttag" Rilke – Reimschema: Das Gedicht "Herbsttag" ist jambisch.
- "Herbsttag" Rilke – Interpretation: Das lyrische Ich beschreibt den Kreislauf von Natur und Mensch: In der ersten Strophe beschreibt es den Übergang des Sommers in den Herbst, woraufhin es in der zweiten Strophe den Herrn bittet, den letzten Früchten zu befehlen, reif zu werden.
- Nach der Vollendung der letzten Früchte und dem Ende des Sommers geht es um den Menschen, dessen Einsamkeit und Vorbereitung auf den Herbst, dem er unterworfen ist, weil er auf dessen Zeitenwechsel vorbereitet sein muss ("Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr" (V. 8).