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Aphorismen zu schreiben, ist der Versuch, eine An- oder Einsicht in wenige Worte zu fassen – und glaubhaft zu machen, dass es dem nichts hinzuzufügen gibt.
(Markus Mirwald, 2017)
Es ist natürlich eine Übertreibung, dass mit nur einem Satz alles zu einem Thema gesagt sei. Dennoch haben Aphorismen den Anspruch, in nur wenigen Worten eine tieferliegende Wahrheit zu formulieren und das auch besonders pointiert.
Aphorismus – Definition
Eine Definition für den Aphorismus zu bilden ist nicht unkompliziert, denn der Begriff kann Verschiedenes beschreiben. In der heutigen Zeit werden unter dem Wort aber vor allem Gedankenfiguren verstanden, die eine Weisheit oder eine Wahrheit ausdrücken.
Das griechische Wort aphorismόs bedeutet so viel wie "Abgrenzung" oder "Definition" und leitet sich von dem Verb aphorízein ab, das so viel wie "abgrenzen, genau bestimmen" bedeutet.
Ein Aphorismus besteht nur aus einem oder wenigen Sätzen. Er ist ein selbstständiger Gedanke, der eine Lebensweisheit oder ein Urteil zu einem bestimmten Thema ausdrückt. Aphorismen können auch als allgemeine Sinnsprüche bezeichnet werden und formulieren eine Einsicht auf eine rhetorisch ansprechende Art und Weise. Die Verfasser*innen von Aphorismen werden als Aphoristiker*innen bezeichnet.
Andere Worte, die für Aphorismen verwendet werden können, sind Sentenz, Maxime oder Bonmot.
Gedankenfiguren gehören zu den rhetorischen Stilmitteln. Sie dienen der Strukturierung eines Gedankens und bezeichnen meist einen oder wenige Sätze. Dadurch stehen sie den Wortfiguren gegenüber, die sich nur auf ein einzelnes Wort beziehen. Gedankenfiguren sind häufig an der Syntax (dem Satzbau) erkennbar.
Wenn Du mehr zu den "Gedankenfiguren" erfahren möchtest, lies Dir unsere Erklärungen dazu durch.
Gedanken, die kurz und prägnant formuliert sind, gelten demnach häufig als Aphorismen. Es gibt Bücher, die nur aus einzelnen Gedankenfiguren bestehen und ähnlich wie Lyrikbände zusammengestellt sind.
Zitate, die aus anderen Werken, zum Beispiel aus Romanen oder Dramen entnommen werden, sind keine Aphorismen.
Historische Entwicklung von Aphorismen
Auch wenn das Wort "Aphorismus" aus dem Griechischen kommt, stammt der Aphorismus, wie wir ihn heute kennen, nicht aus der Zeit der griechischen Antike. Heute wird dieses Stilmittel als eine Zwischenform der Literatur und Philosophie definiert. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes war allerdings eine ganz andere.
Der Philosoph Heraklit von Ephesos gilt als der erste Aphoristiker der Geschichte. Er verfasste seine Werke oft in Aphorismen, wodurch sie von vielen als doppeldeutig und vielschichtig wahrgenommen wurden und man ihm den Beinamen "Der Dunkle" gab.
Das erste Werk, das ausschließlich aus Aphorismen bestand, war die hippokratische Schriftensammlung. Zur Entstehungszeit des Werkes, zwischen dem 6. und dem 2. Jahrhundert v. Chr., wurden unter der Bezeichnung "Aphorismus" nur medizinische Lehrsätze versammelt.
Die hippokratischen Schriften sind eine Sammlung von Aphorismen verschiedener Autoren.
Erst im 17. und 18. Jahrhundert entwickelte sich des Aphorismus zur literarisch-philosophischen Gattung. Besonders die französischen Philosophen der Moralistik haben die Gattung in dieser Art verwendet.
Moralistik war eine philosophische Schule und Literaturepoche im Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Moralisten vertraten aufklärerische Gedanken und deuteten die Handlungsweisen ihrer Mitmenschen anhand moralischer Standards.
Bedeutende deutschsprachige Aphoristiker waren zum Beispiel Georg Christoph Lichtenberg, Johann Wolfgang von Goethe und Franz Kafka. Seit dem 20. Jahrhundert werden Aphorismen in der Literaturwissenschaft als eigene Prosagattung behandelt.
Aphorismus – Beispiele & Eigenschaften
Aphorismen verfügen über bestimmte Eigenschaften, die sie von anderen rhetorischen Stilmitteln und Literaturgattungen abgrenzen. Diese Eigenschaften beziehen sich dabei auf die literaturwissenschaftlichen Definitionen, die sich im 20. Jahrhundert durchgesetzt haben.
Die Kürze des Aphorismus
Ein Aphorismus ist in der Regel kurz. Auch wenn es keine Obergrenze gibt, wie lang ein Text sein darf, um noch als Aphorismus gelten zu können, beschränken sie sich höchstens auf ein paar Sätze. Der sprachliche Stil zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, dass die Sätze meist kurz sind und eine tiefere Wahrheit ausdrücken.
Viele Aphorismen bestehen nur aus einem Satz, in dem die Reflexion des/der Autor*in zu einem bestimmten Thema ausführlich enthalten sein soll.
Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang.
(Hippokrates)
In nur acht Wörtern wird in Hippokrates` Aphorismus die Reflexion über das Verhältnis von Leben und Kunst ausgedrückt. Der griechische Arzt beschreibt mit diesem kurzen Satz die Langlebigkeit der Kunst, die ein Menschenleben weit überschreiten kann.
Die Aussage des Aphorismus
Einem Aphorismus ist immer ein Sinn, ein Urteil oder eine Aussage zuzuordnen. Dies unterscheidet ihn beispielsweise von Slogans sowie von anderen rhetorischen Stilmitteln, die größtenteils nicht anhand ihres Inhalts abgegrenzt werden.
Wahrheit will keine Götter neben sich. – Der Glaube an die Wahrheit beginnt mit dem Zweifel an allen bis dahin geglaubten Wahrheiten.
(Friedrich Nietzsche, 1954)
Der Aphorismus des Philosophen Friedrich Nietzsche spricht sich über die Wahrheitssuche aus. Durch die Gleichsetzung von Wahrheit und Gott übt er auch Kritik an der Religion. Dadurch kann diesem Satz ein tieferer Sinn zugeordnet werden, der den Zweifel als einzigen Weg zur Wahrheit bezeichnet.
Eine der wichtigsten Eigenschaften, die den Aphorismus von einem Sprichwort unterscheidet, ist ihre Zuordnung. Sprichwörter haben meist keinen/keine Autor*in. Bei Aphorismen hingegen können die Urheber*innen immer genannt werden.
Aphorismen – Wirkung
Es können verschiedene Effekte durch Aphorismen hervorgerufen werden. Meistens geschieht dies durch die Kürze der Sätze oder die Art des Ausdrucks. Die wichtigsten Wirkungen gehen von der Mehrdeutigkeit aus, die Aphorismen oft innehaben oder durch das Brechen einer Erwartung innerhalb des Aphorismus.
Die Mehrdeutigkeiten
Häufig sind Aphorismen mehrdeutig, wodurch die eigentliche Aussage, die durch den/die Autor*in getroffen werden soll, zuerst nicht erkennbar ist. Es wird dabei oft auf etwas angespielt oder ein sprachliches Bild für einen anderen Sinnzusammenhang verwendet.
Durch die Mehrdeutigkeit wird das Interesse geweckt. Es ist möglich, dass ein Satz anfangs keinen Sinn ergibt und erst nach dem Lesen noch ein weiterer Sinn erschlossen werden kann. In folgendem Beispiel des Schriftstellers Franz Kafka wird dies deutlich:
Ein Käfig ging einen Vogel suchen.
Auf den ersten Blick scheint die Aussage, dass ein Käfig nach einem Vogel suchen würde, unsinnig. Jedoch drückt der Aphorismus aus, dass Personen mit Macht diejenigen Menschen benötigen, über die sie ihre Macht ausüben können. So hat ein Käfig keinen Sinn, wenn in ihm kein Vogel gefangen ist.
Das Brechen von Erwartungen
Auch das Brechen von Erwartungen in Aphorismen dient dazu, das Interesse des/der Leser*in zu erwecken. Hier verwendet das Stilmittel oft die Strukturen von Parallelismen oder Chiasmen, um in einem Satz oder einer Satzhälfte eine Erwartung aufzubauen und sie im zweiten Satz oder Satzteil brechen zu können.
Falls Du mehr über den Parallelismus und den "Chiasmus" erfahren möchtest, schau Dir doch die Erklärungen dazu an.
Sie hören weit, sie sehen fern.
(Erich Kästner, 1932)
Dieser Aphorismus des Schriftstellers Erich Kästner bricht im zweiten Teil des Satzes die Erwartung. Der erste Teil "Sie hören weit (...)" lässt noch eine sehnsüchtige Aussage erwarten. Diese wird durch die Doppeldeutigkeit des Wortes "fernsehen" gebrochen. Es kann einerseits für "in die Ferne schauen" stehen, wird aber vor allem für das Anschauen einer Sendung im Fernseher verwendet.
Auch humoristische Aphorismen spielen mit dem Brechen der Erwartungen, um als lustig wahrgenommen zu werden.
Verdeutlichung von Kritik
Durch einen Aphorismus kann eine allgemeine Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen oder an einer gewissen Politik ausgedrückt werden. Häufig werden dafür Vergleiche gezogen. Dabei wird ein Bezug zu dem hergestellt, was kritisiert werden soll.
Die Zahl der deutschen Kriegerdenkmäler zur Zahl der deutschen Heine-Denkmäler verhält sich hierzulande wie die Macht zum Geist.
Der Satiriker und Schriftsteller Kurt Tucholsky formuliert seine Kritik an der deutschen Gesellschaft anhand der Häufigkeit von bestimmten Denkmälern. Er ist der Auffassung, dass durch dieses Beispiel verdeutlicht wird, was einer Gesellschaft besonders wichtig zu sein scheint. Dabei kritisiert er, dass Krieger häufiger verehrt werden als beispielsweise Schriftsteller*innen, andere Kunstschaffende oder Philosoph*innen.
Aphorismus - Das Wichtigste
- Ein Aphorismus ist eine Gedankenfigur und besteht nur aus einem oder wenigen Sätzen. Er ist ein selbstständiger Gedanke, der eine Lebensweisheit oder ein Urteil zu einem bestimmten Thema ausdrückt.
- Aphorismen sind gleichzeitig rhetorische Stilmittel und eine eigene Gattung der Prosa.
- Ursprünglich wurden vor allem medizinische Lehrsätze als Aphorismen bezeichnet. Als literarische Gattung gelten Aphorismen erst seit dem zwanzigsten Jahrhundert.
- Im Gegensatz zu Sprichwörtern kann einem Aphorismus immer ein/eine Autor*in zugeordnet werden.
- Aphorismen werden verwendet, um Mehrdeutigkeit oder vergleichende Kritik und grundlegende Gedanken auszudrücken.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Aphorismus
Was bedeutet aphoristisch?
Als aphoristisch bezeichnet man eine Formulierung, die kurz und prägnant ist und einen Gedanken oder eine Lebensweisheit ausformuliert.
Was ist ein Aphorismus?
Ein Aphorismus ist eine Gedankenfigur und besteht meist nur aus einem oder wenigen Sätzen. Er ist ein selbständiger Gedanke, der eine Lebensweisheit oder ein Urteil zu einem bestimmten Thema ausdrückt.
Was bedeutet Sinnspruch?
Sinnsprüche, oder auch Aphorismen, sind Formulierungen eines allgemeinen Gedankens oder Urteils in einem oder wenigen Sätzen.
Was ist eine Lebensweisheit?
Eine Lebensweisheit, auch oft Aphorismus genannt, formuliert eine allgemeine Einsicht auf eine rhetorisch ansprechende Art und Weise.
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