Doch nicht nur bei dem Wort "Spieglein", auch bei "Schneewittchen" und "Märchen" handelt es sich jeweils um ein Diminutiv, das heißt um die grammatische Verkleinerungsform eines Substantivs beziehungsweise Nomens. Neben Substantiven können auch einige Verben und Adjektive verniedlicht, beziehungsweise verkleinert werden. Das Gegenteil eines Diminutivs ist übrigens das Augmentativ.
Diminutiv – Definition
Die Definition vom Diminutiv lautet wie folgt:
Das Diminutiv ist die grammatische Verkleinerungsform eines Substantivs. Der Begriff stammt vom lateinischen Wort deminuere ab, was übersetzt "verringern, vermindern" bedeutet. Das Diminutiv wird häufig auch Verniedlichungsform genannt.
Diminutiv – Bedeutung
Das Diminutiv ist ein rhetorisches Stilmittel und gehört zur Gruppe der Wortfiguren. Durch Wortfiguren werden der Sinn und die Bedeutung von einzelnen Wörtern oder Wortpaaren abgeändert.
Rhetorische Stilmittel sind Gestaltungselemente der Sprache. Sie werden unter anderem auch als rhetorische Figuren, sprachliche Mittel und Sprachfiguren bezeichnet. Da die Gruppe der rhetorischen Stilmittel sehr groß ist, werden diese noch weiter in
Diminutiv – Bildung
Diminutive werden durch das Anhängen der beiden Diminutivsuffixe -chen und -lein an den Wortstamm des Substantivs, das verniedlicht werden soll, gebildet.
Suffixe sind Nachsilben. Sie gehören zu den Affixen und werden nach dem Wortstamm an das Wort angehängt, um neue Wörter zu bilden (acht-sam), oder grammatische Merkmale (Der Besitzer des Buch-s) anzugeben. Es gibt verschiedene Arten von Suffixen, die sich nach ihrem jeweiligen Zweck unterscheiden.
Eine Art von Suffixen sind Diminutivsuffixe. Diminutivsuffixe werden angehängt, um die Verkleinerungsform eines Substantivs zu bilden.
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Das Diminutivsuffix -chen ist im Standarddeutschen geläufiger als das Diminutivsuffix -lein. Das Suffix -lein wird hingegen öfter im Süddeutschen Sprachraum verwendet sowie bei Substantiven, deren Wortstamm auf -ch oder -g endet.
Buch → Büchlein
Ding → Dinglein
Enden Substantive auf die Endung -sch, dann kann trotzdem ein -chen angehängt werden. Zum Beispiel wird aus "Fisch" "Fischchen". Man könnte aber durchaus auch "Fischlein" sagen.
Wenn Du einen Diminutiv bildest, ändern sich bei vielen Substantiven die Stammvokale "a", "o" und "u" zu den Umlauten "ä", "ö" und "ü".
Im Deutschen gibt es einige Wörter, die einen Doppelvokal besitzen. Lediglich die Vokale "a", "e" und "o" können gedoppelt auftreten. Verfügt ein Wort über die Doppelvokale "aa" oder "oo", so wird in der Diminutivform des Substantivs der Doppelvokal durch den Umlaut "ä" oder "ö" ersetzt.
Enden Substantive auf -en oder -e, fällt das -en oder -e beim Anhängen des Diminutivsuffixes weg.
Außerdem ist das Genus (Geschlecht) der Verniedlichungsform im Nominativ Singular immer sächlich, das heißt, dass der bestimmte Artikel "das" verwendet wird, unabhängig davon, ob das ursprüngliche Genus des verniedlichten Substantivs männlich ("der"), weiblich ("die") oder sächlich ("das") ist.
Die Katze → Das Kätzchen
Der Stein → Das Steinchen
Verniedlichungsformen im Nominativ Plural werden hingegen immer mit dem Artikel "die" gebildet.
Die Katzen → die Kätzchen
Achtung: Nicht bei jedem Substantiv, dass auf -chen endet, handelt es sich um ein Diminutiv!
Je nach Dialekt werden in Deutschland aber auch andere Suffixe verwendet, um ein Wort "kleiner zu machen".
Im Bairischen hört man dafür auch häufig die Suffixe -erl oder -l.
Beispiele:
Glas → Glaserl
Puppe → Pupperl
Kind → Kindl
In Deutschland werden verschiedene Dialekte der deutschen Sprache gebraucht. Dieses Phänomen nennt man auch innere Mehrsprachigkeit. Wenn Du mehr zu dem Thema "Mehrsprachigkeit" erfahren willst, lies Dir doch die passende Erklärung dazu auf StudySmarter durch!
Diminutiv – Wirkung
Ein Diminutiv hat die Wirkung, bspw. einen Gegenstand kleiner und niedlicher erscheinen zu lassen. Auch Personen, die Du in der Verkleinerungsform ihres Namens ansprichst, wirken nicht besonders einschüchternd, vielleicht sogar schwächer und gebrechlicher als andere Personen.
Großvater → Großväterchen
Gleichzeitig kann das Diminutiv auch bewusst eingesetzt werden, um eine Person oder einen Gegenstand abzuwerten. Wenn eine ranghöhere Person oder Autorität andere Personen mit der Verkleinerungsform anspricht, kann die verniedlichte Person
- untergeordnet oder
- wenig respektiert erscheinen.
In solchen Fällen kann durch das verwendete Diminutiv ein Machtgefälle verdeutlicht werden. Auch kann durch die Verwendung des Diminutivs der Eindruck vermittelt werden, dass man einer Person ihre Kompetenz abspricht.
Verwendung von Diminutiven
Diminutive tauchen häufig im alltäglichen Sprachgebrauch sowie in allen literarischen Gattungen (Epik, Lyrik, Dramatik) auf. Im Folgenden findest Du ein paar Beispiele dafür, wie Diminutive verwendet werden.
Diminutiv Beispiel – Verwendung im Alltag
In der deutschen Sprache werden Diminutive in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt. Sie können als Koseform eines Namens auftreten, zum Beispiel bei Kindernamen, sowie verwendet werden, um kleine Gegenstände oder kleine Lebewesen zu bezeichnen.
Bestimmte Diminutive sind in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen, das heißt, sie werden als eigenständige Bezeichnungen verwendet.
Im Laufe der Zeit wurde beispielsweise aus dem Substantiv "Magd" zunächst die Verkleinerungsform "Mägdchen" und dann die Verkleinerungsform "Mädchen" gebildet. Auch "Eichhörnchen" kennt man nicht mehr unter ihrem ursprünglichen Namen "Eichhorn" und zu "Radieschen" sagt heutzutage kaum noch einer "Radies".
Darüber hinaus werden Diminutive auch als Untertreibung oder Verharmlosung einer Situation eingesetzt.
"Ich bin doch nur ein Minütchen zu spät zu unserem Treffen erschienen."
Diminutiv Beispiel – Verwendung in Märchen
Diminutive tauchen in allen literarischen Gattungen (Epik, Lyrik, Dramatik) auf, besonders häufig jedoch lassen sie sich in Märchen finden. Das zu Beginn der Erklärung erwähnte Märchen "Schneewittchen" eignet sich besonders gut, um noch weitere Diminutive aufzuzeigen.
Märchen gehören zu den ältesten Textgattungen und werden in vielen Kulturen seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben. Märchen sind völlig frei erfunden, beinhalten thematisch fantastische Geschehnisse und ihre Handlung ist weder zeitlich noch örtlich festgelegt.
Der Begriff "Märchen" ist selbst ein Diminutiv. Es ist die Koseform des mittelhochdeutschen Wortes mære (= "Kunde, Bericht, Nachricht").
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Das folgende Zitat stammt aus dem Märchen "Schneewittchen" und ist voller Diminutive (grün markiert), durch die hervorgehoben wird, wie klein und zierlich das Haus sowie die Inneneinrichtung der sieben Zwerge ist.
Als es ganz dunkel geworden war, kamen die Herren von dem Häuslein, das waren die sieben Zwerge, die in den Bergen nach Erz hackten und gruben. Sie zündeten ihre sieben Lichtlein an, und wie es nun hell im Häuslein ward, sahen sie, daß jemand darin gewesen war, denn es stand nicht alles so in der Ordnung, wie sie es verlassen hatten. Der erste sprach "wer hat auf meinem Stühlchen gesessen?" Der zweite "wer hat von meinem Tellerchen gegessen?" Der dritte "wer hat von meinem Brötchen genommen?" Der vierte "wer hat von meinem Gemüschen gegessen?" Der fünfte "wer hat mit meinem Gäbelchen gestochen?" Der sechste "wer hat mit meinem Messerchen geschnitten?" Der siebente "wer hat aus meinem Becherlein getrunken?" Dann sah sich der erste um und sah, daß auf seinem Bett eine kleine Delle war, da sprach er "wer hat in mein Bettchen getreten?”
Alle Zitate stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus Jacob und Wilhelm Grimms "Grimms Märchen: Voll illustriert und biografisch kommentiert" (2012, Altenmünster: Jazzybee Verlag).
Diminutiv – Adjektiv
Ein Diminutiv ist oft ein verniedlichtes oder verkleinertes Adjektiv. Dies geschieht durch den Suffix -lich.
Diminutiv – Verben
Auch einige Verben, können ein Diminutiv sein. Verben, die auf -en enden, können mit der Nachsilbe -eln in ihre Diminutivform verwandelt werden.
Doch auch hier gilt: Nicht bei allen Adjektiven, die auf -lich enden und nicht bei allen Verben, die auf -eln enden, handelt es sich um Diminutive!
Diminutive – Gegenteil: Augmentativ
Das Gegenteil des Diminutiv stellt das sogenannte Augmentativ dar.
Der Begriff "Augmentativ" stammt vom lateinischen Wort augmen ab, was in etwa "Vermehrung, Zuwachs" bedeutet. Das Augmentativ ist die grammatikalische Vergrößerungsform eines Substantivs. Auch Adjektive können augmentiert werden.
Im Standarddeutschen wird das Augmentativ im Vergleich zu anderen Sprachen nicht durch das Anhängen von Suffixen gebildet, sondern durch Präfixe.
Ein Präfix ist eine Vorsilbe. Präfixe gehören ebenso wie Suffixe zu den Affixen. Durch Präfixe werden neue Wörter mit einer neuen Bedeutung gebildet, indem sie vor den Wortstamm gestellt werden.
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Um ein Wort zu augmentieren, können zum Beispiel die Präfixe Un- , Ur- oder Hyper- verwendet werden.
Menge → Unmenge
alt → uralt
Inflation → Hyperinflation
Diminutiv - Das Wichtigste
- Diminutiv – Definition: grammatische Verkleinerungs- bzw. Verniedlichungsform eines Substantivs
- Diminutiv – Bedeutung: ein rhetorisches Stilmittel und gehört zur Gruppe der Wortfiguren, die die Bedeutung von Wörtern abändern können
- Diminutiv – Bildung: durch das Anhängen der Diminutivsuffixe -chen und -lein
- Diminutiv – Wirkung:
- Verniedlichung eines Substantivs
- Abwertung
- Verharmlosung
- Diminutiv – Beispiel: Pflanze → Pflänzchen
- Diminutiv – Adjektiv:
- durch Suffix -lich
- bspw. schwach → schwächlich
- Diminutiv – Verben:
- Verben, die auf -en enden → Nachsilbe in -eln umwandeln
- bspw. husten → hüsteln
- Diminutiv – Gegenteil: Augmentativ ist das Gegenteil des Diminutiv; grammatikalische Vergrößerungsform eines Wortes.
- Diminutive werden in allen literarischen Gattungen (Epik, Lyrik, Dramatik) verwendet, besonders häufig jedoch kommt das Diminutiv in der epischen Textart Märchen vor.
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