Metalepse

In dem Buch "Tintenherz" von Cornelia Funke kann die Protagonistin Meggie Figuren aus einem Buch lesen, die ihr dann gegenüberstehen und sich in ihrer Welt bewegen können. Im Gegenzug verschwinden auch Personen aus Meggies Welt in die Fantasiewelt des gelesenen Buches. Deshalb ist Meggies Mutter auch in den Fantasy-Roman "Tintenherz" gelangt und Meggie und ihr Vater versuchen nun, sie zu retten.

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    Solche Grenzüberschreitungen zwischen den Welten eines Buches bzw. der Realität bezeichnet man als narrative Metalepse. Dieser Begriff stammt jedoch ursprünglich aus der Rhetorik. Die Definition bezeichnet daher auch ein rhetorisches Stilmittel.

    Metalepse – Definition

    Die Definition des Begriffs Metalepse kann vom griechischen Wort metalambánein hergeleitet werden, das so viel wie "teilnehmen", "übertragen" oder "verändern" bedeutet. Der lateinische Begriff dafür, translation bzw. transumptio, bedeutet so viel wie "eine Sache für etwas anderes annehmen oder verstehen".

    Einfach erklärt ist eine Metalepse eine rhetorische Figur, die Wörter vertauscht. Beispielsweise werden Synonyme verwendet, die aber in diesem konkreten Kontext nicht der gemeinten Bedeutung entsprechen.

    Metalepse – Rhetorik

    In der Rhetorik wird "Metalepse" bzw. auch "Metalepsis" für verschiedene Dinge verwendet. Die älteste Herleitung stammt aus der antiken Gerichtsrede:

    In diesem Kontext bezeichnet die Metalepse ein Gerichtsverfahren, bei dem der/die Angeklagte versucht, das Verfahren oder das Gericht anzuzweifeln.

    Allerdings ist diese Definition heute kaum noch relevant. Heute wird der Fachbegriff "Metalepse" meist in der Erzähltheorie oder als rhetorisches Stilmittel verwendet.

    Als "Rhetorik" bezeichnet man die Lehre von der Kunst und wirkungsvollen Gestaltung des Redens. Wenn Du mehr zu diesem Thema erfahren möchtest, schau Dir die Erklärung "Rhetorik" von StudySmarter an!

    Metalepse – Stilmittel

    Unter dem Begriff "Metalepse" können zwei verschiedene Stilmittel verstanden werden.

    Beide Definitionen der Metalepse gehören jedoch zu den sogenannten Tropen.

    Tropen sind rhetorische Stilmittel, die sich nur auf ein Wort beziehen und das Gemeinte durch einen anderen sprachlichen, oft bildhaften Ausdruck ersetzen.

    Wenn Du mehr zu weiteren Tropen erfahren willst, klick Dich durch die Erklärung "rhetorische Stilmittel" oder "Tropen" bei StudySmarter!

    Metalepse als Synonym

    Mit der Metalepse in der Verwendung als Stilmittel kann Folgendes bezeichnet werden:

    Unter der Metalepsis bzw. Metalepse versteht man das Ersetzen eines Wortes durch ein Synonym, das nicht oder nur zum Teil in diesen Zusammenhang passt.

    Ein Synonym ist ein Begriff, der eine ähnliche oder gleiche Bedeutung hat.

    Wenn man von der Metalepse in Rhetorik spricht, wird auch oft der aus dem griechischen kommende Begriff "Metalepsis" verwendet.

    Metalepse – Beispiel

    Ein Beispiel für die Metalepse als Stilmittel ist:

    "Die Mahlzeit tagt."

    anstelle von

    "Das Gericht tagt."

    In diesem Beispiel wird das Wort "Gericht" durch das in diesem Kontext unpassende Wort "Mahlzeit" ersetzt. Eigentlich ist im Beispiel das Gericht als juristische Institution und nicht das Gericht als Mittagessen gemeint, denn das Essen kann nicht tagen.

    Die Metalepse kann nur bei Wörtern genutzt werden, die mehr als eine Bedeutung haben. Denn bei diesem Stilmittel wird ein Synonym für die Wortbedeutung genutzt, die nicht gemeint ist.

    Mehrdeutige Wörter

    Wörter mit mehr als einer Bedeutung werden auch Homonyme bzw. Polyseme genannt.

    Polyseme sind Wörter, die

    • gleich aussehen,
    • mehrere Bedeutungen haben und
    • sprachgeschichtlich einen gemeinsamen Ursprung haben.

    Beispiel: Die Computermaus ("Maus") sieht wie das Tier aus und wurde deshalb nach ihr benannt.

    Homonyme sind dagegen Wörter, die

    • zwar gleich geschrieben werden,
    • aber verschiedene Dinge bedeuten können.
    • Sie haben keine gemeinsame Wurzel.

    Beispiel: Ein "Ball" kann ein rundes Spielzeug oder auch eine große Festveranstaltung (bspw. Maskenball) sein.

    Metalepse als Umkehrung

    Die andere Variante der Metalepse als Stilmittel bezeichnet Folgendes:

    Als Metalepse wird das Vertauschen bzw. Ersetzen von Ursache und Wirkung bezeichnet.

    Das bedeutet, dass etwa die Folge anstelle der Ursache oder der Grund anstelle des Ergebnisses genannt werden kann. Um dies zu veranschaulichen, schau Dir die Beispiele an.

    Diese Definition der Metalepse bildet den Ausgangspunkt für ihre Verwendung in der Erzähltheorie. Genaueres erfährst Du weiter unten in dieser Erklärung.

    Metalepsen – Beispiele

    Ein Beispiel, in dem die Ursache anstelle der Wirkung genannt wird, ist:

    Die Sonne dringt durch Ritzen des Vorhangs.

    Eigentlich müsste in diesem Beispiel das Sonnenlicht genannt werden, denn die Sonne fällt ja nicht plötzlich vom Himmel durch das Fenster, sondern ihr Licht gelangt in den Raum. Somit wird hier die Quelle des Lichts, also die Ursache anstelle der eigentlich gemeinten Wirkung (das Sonnenlicht) genannt.

    Ein anderes Beispiel, bei dem die Folge vor der Ursache benannt wird, ist:

    Die blasse Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.

    In diesem Beispiel ist das Erblassen eigentlich eine Folge der Angst, denn wer sich fürchtet, wird meistens blass im Gesicht. Trotzdem wird das Adjektiv (blass) vor die Ursache (die Angst) gesetzt. Auch diese Kombination kann man als "Metalepse" bezeichnen.

    Die Metalepse als Umkehrung kann man auch dem rhetorischen Stilmittel "Metonymie" unterordnen.

    Die Metonymie gehört zu den Tropen und bezeichnet ein Stilmittel, bei dem Wörter, die in einem logischen Zusammenhang miteinander stehen, gegeneinander ausgetauscht werden.

    Daher gehören die Beispiele der Metalepse als Umkehrung auch zur Metonymie, denn hier werden Ursache und Folge vertauscht. Diese stehen in einem kausalen Zusammenhang, das bedeutet: Die Wirkung geschieht aufgrund der Ursache.

    Metalepse – Funktion

    Die Funktion der Metalepse ist je nach Kontext verschieden und natürlich auch abhängig davon, welche Definition gemeint ist.

    Metalepse KontextMetalepse – Beispiel Metalepse – Funktion
    Metalepse als Synonym"Die Mahlzeit tagt." (anstelle von "Das Gericht tagt.")
    • irritiert Leser*innen
    • richtet Aufmerksamkeit auf den Satz
    • Metalepse spielt mit Wort-Bedeutungen
    • kann ggf. auch Übersetzungsfehler sein
    Metalepse als Umkehrung"Die blasse Angst steht ihm im Gesicht." (anstelle von "Die Angst lässt ihn erbleichen".
    • abhängig von Satz-Zusammenhang
    • verstärkt die Aussage
    • meist wesentlich bildlicher
    • einprägsamer

    Wenn Du noch mehr über die Metonymie (zu der die Metalepse als Umkehrung gezählt werden kann) erfahren möchtest, schau Dir die Erklärung "Metonymie" bei StudySmarter an!

    Metalepse – Erzähltheorie

    Der Begriff der Metalepse wird noch gar nicht so lange in der Erzähltheorie verwendet. Der französische Literaturwissenschaftler Gérard Genette verwendete ihn erstmals in den 1970er-Jahren und weitete sein Begriffsverständnis rund 30 Jahre später auch auf Filme, das Theater und Kunst aus.

    Narrative Metalepse – Genette

    Die narrative Metalepse wird in der Erzähltheorie von Gérard Genette folgendermaßen definiert:

    In der Erzähltheorie bezeichnet die "narrative Metalepse" die Grenzüberschreitung zwischen der realen und fiktiven Welt.

    Diese Vermischung von Realität und Fiktion kommt beispielsweise vor, wenn ein/e Autor*in selbst in seinem Werk vorkommt oder eine Figur über ihn/sie spricht und sich somit bewusst ist, dass sie als Figur nur fiktiv ist. Auch das Eintauchen eines Erzählers in die Welt, von der er erzählt, kann dazu zählen, wenn er außerhalb dieser erzählten Welt steht.

    Denk daran, dass Du die Erzählinstanz nicht mit dem/der Autor*in gleichsetzen kannst, außer sie gibt sich direkt als diese/r zu erkennen!

    Die Definition von Genette geht auf die Definition der "Metalepse als Umkehrung" zurück, denn bei diesem Stilmittel werden Ursache und Folge getauscht. Da der/die Autor*in der/die Urheber*in seiner/ihrer Figuren ist und sie die Folge seines/ihres Schaffens sind, nannte Genette das Phänomen der Grenzüberschreitung innerhalb der Literatur "narrative Metalepse".

    Ein anschauliches Beispiel für die narrative Metalepse ist das Theater, auch wenn dort dramatische (und keine epischen) Texte aufgeführt werden. Auf der Bühne gibt es die sogenannte "vierte Wand" (die offene Seite der Bühne), welche

    • Publikum und
    • Schauspieler*innen

    voneinander abgrenzt. Manchmal wird diese Wand durchbrochen, zum Beispiel, wenn Figuren Personen im Publikum direkt ansprechen und eine Frage stellen.

    Die Figur ist Teil der fiktiven Geschichte, während das Publikum die Realität vertritt. In dem Moment, in dem einem/r Zuschauer*in eine Frage gestellt wird, wird er/sie Teil der Geschichte und interagiert mit der Figur. Somit wird die "vierte" Wand, die Grenze zwischen Realität und Fiktion, durchbrochen – Es kommt zu einer Metalepse.

    Narrative Metalepse – Wirkung

    Die narrative Metalepse lässt die klar definierten Grenzen zwischen Leser*innen und dem Erzählten verschwimmen und spielt mit dem Auflösen oder Durchdringen dieser Grenzen. Manchmal kann dies beängstigend oder komisch sein oder die Leser*innen bzw. Zuschauer*innen auch verwirren, in anderen Werken regt es dagegen die Fantasie an.

    Daher kommt die Wirkung immer auf das individuelle Werk an, in dem die Metalepse vorkommt. Ein paar Beispiele aus der deutschsprachigen Literatur findest Du im folgenden Abschnitt.

    Narrative Metalepse – literarische Beispiele

    Die narrative Metalepse kommt in vielen Werken aus verschiedenen Jahrhunderten vor, sie wurde von Autor*innen schon lange verwendet, bevor dieses literarische Phänomen von Genette einen Namen bekam. Besonders beliebt ist die Metalepse in der Fantasy-Literatur.

    "Der Sandmann" von E.T.A Hoffmann

    Das Werk "Der Sandmann" von E.T.A. Hoffmann aus dem Jahr 1816 beginnt unvermittelt mit drei Briefen der Hauptfigur Nathanael. Nach diesen Briefen stellt sich ein Ich-Erzähler vor:

    Seltsamer und wunderlicher kann nichts erfunden werden, als dasjenige ist, was sich mit meinem armen Freunde, dem jungen Studenten Nathanael, zugetragen, und was ich dir, günstiger Leser! zu erzählen unternommen.1

    Der Erzähler gibt sich als Freund von Nathanael und seinem Bruder zu erkennen, er betrachtet die geschilderte Handlung des Werkes also von außen, ist aber dennoch ein Teil des fiktiven Werkes (denn er erzählt ja die Geschichte). Trotzdem spricht er die Leser*innen direkt an und durchbricht so die Barriere zwischen Werk und Realität. Dies ist eine Metalepse. Er macht deutlich, dass er diese fiktive Geschichte an ein Publikum vermitteln möchte und ist sich so über seine Erzählerrolle im Klaren.

    Wenn Du mehr zu dem Werk "Der Sandmann" wissen möchtest, schau Dir die Erklärung "Der Sandmann" von StudySmarter an!

    "Emil und die Detektive" von Erich Kästner

    Im Werk "Emil und die Detektive" von Erich Kästner aus dem Jahr 1929 wird der Erzähler in einem Figurengespräch mit einem Kellner als "Herr Kästner" angesprochen:

    Bestimmt! Darauf können Sie Gift nehmen, Herr Kästner', ruft er und verschwindet; denn ein Gast klopft laut dem Messer ans Glas und will zahlen.2

    Auch in diesem Werk kann die Erzählerfigur das Geschehen überblicken, spricht seine Leser*innen direkt an und reflektiert den Schreibprozess des Werkes:

    Euch kann ich's ja ruhig sagen: Die Sache mit Emil kam mir selber unerwartet. Eigentlich hatte ich ein ganz anderes Buch schreiben wollen.2

    In diesem Fall kann man vermuten, dass die Erzählinstanz den Autor selbst abbilden soll, da sie mit demselben Namen angesprochen wird. Somit taucht eine reale Person als Figur in einem fiktiven Werk auf und tritt somit über die Grenze zwischen Realität und Fiktion.

    "Die unendliche Geschichte" und "Momo" von Michael Ende

    In "Die Unendliche Geschichte" aus dem Jahr 1979 von Michael Ende gelangt die Hauptfigur Bastian in die Fantasiewelt "Phantásien" aus dem Roman, den er gerade liest. Somit gibt es eine Metalepse innerhalb des Werkes, bei der die Grenze zwischen der fiktiven Realität von Endes Buch ("Die unendliche Geschichte"), also Bastians Welt, und der fiktiven Welt von Bastians Roman übertreten wird.

    Zudem wird durch den Bösewicht Gmork, einem Werwolf, der zwischen Bastians Welt und Phantásien wechseln kann, offenbart, dass Phantásien eine fiktive Welt ist:

    Was seid ihr denn, ihr Wesen Phantásiens? Traumbilder seid ihr, Erfindungen im Reich der Poesie, Figuren in einer unendlichen Geschichte! Hältst du dich selbst für Wirklichkeit, Söhnchen? Nun, gut hier in deiner Welt bist du's.3

    Die Metalepse wird, wie auch in diesem Werk, besonders gern in fantastischer Literatur genutzt. In diesem Fall wird die Figur Bastian selbst Teil eines Romans und erlebt in dieser Welt aufregende Abenteuer.

    Metalepse – Das Wichtigste

    • Metalepse – Definition: "eine Sache für etwas anderes annehmen oder verstehen"
    • Metalepse – Rhetorik: wird meist in der Erzähltheorie oder als rhetorisches Stilmittel verwendet
    • Metalepse – Stilmittel: kann als Stilmittel zwei Bedeutungen haben
      • Metalepse als Synonym: Austausch eines mehrdeutigen Wortes durch ein nicht in den Zusammenhang passendes Synonym ("die Mahlzeit tagt" statt "das Gericht tagt")
      • Metalepse als Umkehrung: vertauscht bzw. ersetzt Ursache und Wirkung ("die Sonne" statt "das Sonnenlicht")
    • Metalepse – Funktion: je nach Kontext verschieden
      • Metalepse als Synonym: kann irritieren und Aufmerksamkeit erregen
      • Metalepse als Umkehrung: ist meist bildlicher und kann eine verstärkende Wirkung haben
    • Metalepse – Erzähltheorie:
      • Narrative Metalepse – Genette: ist laut der Erzähltheorie von Gérard Genette die Grenzüberschreitung zwischen der realen und fiktiven Welt
      • Narrative Metalepse Beispiel:
        • Autor kommt im Buch vor
        • Figur weiß, dass sie erfunden ist

    Nachweise

    1. E.T.A. Hoffmann (2015). Der Sandmann. Reclam Verlag.
    2. Erich Kästner (2018). Emil und die Detektive. Atrium Verlag.
    3. Michael Ende (2019). Die unendliche Geschichte. Thienemann Verlag.
    4. Martin Huber; Wolf Schmid, Hrsg. (2017). Grundthemen der Literaturwissenschaft: Erzählen. De Gruyter Verlag.
    5. www.kinderundjugendmedien.de: Narrative Ebenen. (20.05.2022)
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Metalepse

    Was ist eine Metalepse?

    Eine Metalepse kann als Stilmittel entweder das Ersetzen eines Wortes gegen ein unpassendes Synonym meinen ("die Mahlzeit" statt "das Gericht" tagt) oder meint das Ersetzen bzw. Vertauschen von Ursache und Wirkung ("die Sonne" für "das Sonnenlicht"; "die blasse Angst"). In der Erzähltheorie meint die narrative Metalepse die Grenzüberschreitung zwischen Realität und Fiktion.

    Was ist ein Beispiel für eine Metalepse?

    Ein Beispiel für eine Metalepse ist: "Die Mahlzeit tagt" statt "Das Gericht tagt". Hier wurde ein Synonym benutzt, das aber in diesem (juristischen) Zusammenhang keinen Sinn ergibt. Eine narrative Metalepse ist z.B. das Eintauchen einer/s Autor*in in ihr/sein eigenes Werk.

    Wie wirkt eine Metalepse?

    Eine Metalepse wirkt je nach Kontext und Definition unterschiedlich. Sie kann verwirren oder komisch und belustigend sein. Eine Metalepse kann auch die Fantasie anregen.

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