Gullivers Reisen

Der Roman "Gullivers Reisen" von Jonathan Swift wurde 1726 veröffentlicht. Er handelt von Lemuel Gulliver, der zur Zeit der Entdeckung der Weltmeere auf verschiedenen Schiffsreisen außergewöhnliche Orte entdeckt. Gulliver beschreibt die Kultur, Sprache und Besonderheiten der Völker und berichtet, was er dort erlebt. Als er nach über 16 Jahren wieder nach England zu seiner Familie zurückkehrt, hat Gulliver sich den anderen Menschen entfremdet.

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Inhaltsverzeichnis
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    Historisch ist zu dieser Zeit (17. und 18. Jahrhundert) die Erschließung der Seewege und Entdeckung der Weltmeere auf einem Hoch. Allerdings sind die von Gulliver entdeckten Orte fiktiv, also erfunden und existieren nicht wirklich (außer Länder wie Japan oder England natürlich).

    Der vollständigen Titel dieses Klassikers lautet: "Travels into Several Remote Nations of the World in Four Parts By Lemuel Gulliver, first a Surgeon, and then a Captain of Several Ships". Häufig kennt man nur die Teile, die als Kinderbuch erschienen sind. Tatsächlich gibt es aber vier Teile des Romans, denn neben Liliput und Brobdingnag besucht Gulliver auch Laputa, Balnibarbi, Luggnagg, Glubbdubdrib, Japan und das Land der Houyhnhnms.

    Diese Reisen sind erfundene Geschichten des Autors Jonathan Swift und sollen von Mai 1699 bis Dezember 1715 stattgefunden haben. Zwischen jeder der vier Reisen kehrt Lemuel Gulliver für einige Zeit (Tage bis Monate) nach England zurück.

    Charaktere in "Gullivers Reisen"

    Gulliver ist die einzige konstante Hauptperson in "Gullivers Reisen". Die meisten anderen Charaktere symbolisieren einen bestimmten Aspekt, den Swift in seinem Satire-Roman anprangert und sind nicht unbedingt als einzelner Charakter zu sehen.

    Weiter unten bei "Symbole" wird näher auf die Eigenschaften und Bedeutungen der Völker eingegangen.

    Lemuel Gulliver

    • Ich-Erzähler und Protagonist
    • intelligent, gebildet, sorgfältig
    • aber auch naiv und gutgläubig
    • kein Bewusstsein für sein Gefühlsleben
    • kein typischer Held
    • eher sachlich, praktisch und passiv als reflektiert, einfallsreich oder aktiv
    • antriebslos

    Lemuel Gulliver ist studiert und belesen, ist allerdings auch sehr gutgläubig und kommt schlecht in der realen Welt zurecht. Er versucht durch seine Beschreibungen analytisch zu wirken, scheitert aber daran, die Intentionen anderer zu deuten oder sein eigenes Handeln und Fühlen zu hinterfragen.

    Der Name Gulliver wird von dem englischen Wort gullible abgeleitet und bedeutet "gutgläubig", "leichtgläubig" oder "einfältig". Der naiv-leichtgläubige Charakterzug wird also sogar im Namen genannt.

    Zusammenfassung von "Gullivers Reisen"

    Lemuel Gulliver wuchs in England auf und machte eine Ausbildung zum Wundarzt. Nach einigen Schiffsreisen wollte er sich mit seiner Frau in England niederlassen. Da er dort aber kaum Geld verdient, verlässt er seine Frau und Kinder, um mehr Geld als Wundarzt auf See zu verdienen.

    Seit dem Mittelalter bis ins späte 19. Jahrhundert nannte man handwerklich ausgebildete Chirurg*innen "Wundarzt" oder "Wundärztin" – wobei dieser Beruf wohl größtenteils von Männern ausgeübt wurde. Zu ihren Aufgaben zählten: Aderlass (Blutabnahme als Heilungstherapie), Behandlung von äußerer Wunden, Verbrennungen, Knochenbrüchen, Verrenkungen oder Tumoren, Amputationen und Herstellung von Prothesen und Behandlung von Zahnschmerzen und das Ziehen von Zähnen.

    Teil 1: Die Reise nach Liliput

    Lemuel Gulliver erreicht als einziger Schiffbrüchiger einen Strand. Dort schläft er vor Erschöpfung ein. Als er aufwacht, ist er mit kleinen Stricken am Boden festgebunden. Wie sich herausstellt, ist er in Liliput, einer Insel, auf der kleine Menschen – Liliputaner – leben.

    Liliputaner kommt von dem englischen Wort Lilliputian und bezeichnet die Bewohner der Insel Liliput. Zu beachten ist, dass der Begriff Liliputaner auch abwertend als Bezeichnung für kleinwüchsige Menschen benutzt wurde, was hier aber nicht der Fall ist und auch so nicht mehr verwendet werden sollte.

    Die Zwerge haben ihn gefangen genommen und betäubt in ihre Stadt gebracht. Dort wird er zwar angekettet, aber auch gastfreundlich bewirtet. Da alles sehr klein ist, müssen für Gullivers Aufenthalt große Mengen an Essen und Trinken bereitgestellt werden. Der Kaiser der Liliputaner stellt als Bedingung für die Abnahme Gullivers Fesseln, dass er dem Kaiser in Zukunft diene. Gulliver willigt ein.

    Gulliver wird in die politische Dynamik eingeführt und erfährt von den Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Parteien in Liliput. Einige Liliputaner weigern sich, Eier nur am spitzen Ende zu öffnen – was in Liliput aber die Regel ist. Die Abtrünnigen flohen auf die Insel Blefuscu. Da Blefuscu Liliput nun angreifen will, entführt Gulliver die Kriegsflotte aus Blefuscu. Kurz darauf schließen die Völker Frieden.

    Gulliver dokumentiert die Lebensweise der Liliputaner genauestens. Als man ihn vor Gericht stellen will, weil er einen Brand im Palast mit seinem Urin löscht, flieht er nach Blefuscu. Dort baut er sich ein Boot, mit dem er zurück nach England fahren möchte.

    Teil 2: Die Reise nach Brobdingnag

    Ein englisches Schiff entdeckt Gulliver und nimmt ihn mit zurück nach England. Allerdings bleibt er nur zwei Monate dort und bricht dann wieder zur nächsten Schiffsreise auf. Das Schiff kommt allerdings vom Kurs ab und die Mannschaft entdeckt eine unbekannte Insel, wo sie an Land geht. Als ein Riese auftaucht, flieht die Besatzung von der Insel und lässt Gulliver zurück.

    Gulliver erfährt, dass er auf Brobdingnag ist, die Insel der Riesen. Dort wird er von einer Bauernfamilie aufgenommen. Er lernt ihre Sprache und wird auf dem Markt ausgestellt, wo er Kunststücke vorführen soll, damit der Bauer Geld verdient.

    Das Königshaus möchte den winzigen Gulliver der Bauernfamilie abkaufen. Die Tochter der Bauern, Glumdalclitch, darf mit Gulliver an den Königshof, um sich dort um Gulliver zu kümmern. Am Hof unterhält er sich mit dem König über die englische Politik, die der König als unvorteilhaft und abstrakt empfindet.

    Gulliver würde gerne fliehen, aber wird ständig überwacht und von den Riesen in einem Kästchen, was als seine Wohnung dient, transportiert. Eines Tages wird sein Kästchen von einem Vogel entführt und ins Meer geworfen. Eine Schiffsmannschaft rettet sein Kästchen und sägt es auf, damit er entkommen kann. Die Besatzung nimmt ihn mit, sodass er bald wieder in England ankommt.

    Teil 3: Die Reisen nach Laputa, Balnibarbi, Luggnagg, Glubbdubdrib und Japan

    Gulliver wird diesmal auf ein Schiff eingeladen und sticht keine zehn Tage nach seiner Ankunft in England schon wieder in See. Wegen eines Piratenangriffs wird er aber in einem kleinen Boot ausgesetzt und gelangt über eine Kette zu der schwebenden Insel Laputa, die Insel der Gelehrten.

    Er wird sofort in der Landessprache unterrichtet und erfährt, dass die schwebende Insel durch einen Magneten gesteuert wird. Balnibarbi ist Laputa unterstellt und muss ihnen regelmäßig Abgaben in Form von Verpflegung leisten. Falls diese Abgaben nicht geleistet werden können, schwebt Laputa zur Bestrafung über der Land-Insel Balnibarbi und schirmt sie so von Sonne und Regen ab.

    Gulliver findet keinen Anschluss in Laputa und bittet darum, nach Balnibarbi gehen zu dürfen. In der Hauptstadt Balnibarbis, Lagado, sieht Gulliver die Versuche der Einheimischen in einer Akademie die theoretischen Überlegungen Laputas in die Praxis umzusetzen. Zum Beispiel ein Haus vom Dach nach unten zu bauen oder aus einer Gurke Sonnenlicht zu gewinnen.

    Gulliver geht anschließend nach Glubbdubdrib, die Insel der Zauberer und Magier. Dort trifft er einen Gouverneur, der alle lebenden und toten Menschen erscheinen lassen kann. Gulliver möchte historische Figuren treffen, wie Alexander den Großen, Julius Caesar oder Aristoteles – ist von diesen aber nicht sonderlich begeistert.

    Danach begibt sich Gulliver nach Luggnagg. Dort soll es eine Volksgruppe namens Struldbrugs geben, die als unsterblich gilt. Gulliver wünschte, er wäre ein Struldbrug bis ihm erklärt wird, dass man trotzdem altert und nach der normalen Lebenslänge nur noch existiert. Letztlich schätzt er es doch, sterblich zu sein. Über Japan gelangt er schließlich wieder nach England.

    Teil 4: Die Reise in das Land der Houyhnhnms

    Nach fünf Monaten in England sticht Gulliver wieder in See – diesmal als Kapitän. Wegen einer Meuterei wird Gulliver auf einer unbekannten Insel ausgesetzt, wo er von Pferden aufgenommen wird. Die Pferde nennen sich Houyhnhnms und sind die herrschende Spezies dieser Insel. Es gibt menschenähnliche TiereYahoos – die als Nutztiere gehalten werden. Auch Gulliver halten sie zuerst für einen Yahoo.

    Ihm gelingt es aber, sich durch seine Kleidung und das Erlernen der Sprache der Houyhnhnms von den anderen Yahoos abzuheben. Er erzählt ihnen von seinen Reisen und von England. Die Houyhnhnms finden heraus, dass Gulliver seine Klamotten ablegen kann und den anderen Yahoos ähnlicher ist als gedacht. Daraufhin muss er die Insel verlassen.

    Zunächst will Gulliver nicht mehr unter Menschen leben. Er sieht sich selbst als höheres Wesen und blickt auf die Menschen herab. Er schafft es aber nicht, woanders Fuß zu fassen und gelangt schließlich zurück nach England. Gulliver fühlt sich den Menschen fremd und überlegen und kauft sich deshalb zwei Pferde als Gesellschaft.

    Erzählperspektive und Sprache in "Gullivers Reisen"

    Jonathan Swift schrieb aus der Ich-Perspektive (first-person perspective) von Lemuel Gulliver. Die Intention von Swift ist es, den Roman als Reisetagebuch des Hauptcharakters Lemuel Gulliver aufzuziehen. Er verwendet demnach hauptsächlich Präteritum (Simple Past), um seine Erlebnisse nachzuerzählen. Die Beschreibungen sind weitestgehend emotionslos in zeitgenössischem Englisch verfasst und beinhalten häufig viele Fakten. Es geht oft um Größen, Entfernungen, Daten und Zeitangaben, was dem Roman einen Reisetagebuchcharakter verleiht, wie dir das folgende Zitat zeigt.

    By an observation, we found ourselves in the latitude of 30 degrees 2 minutes south. Twelve of our crew were dead by immoderate labour and ill food; the rest were in a very weak condition. On the 5th of November, which was the beginning of summer in those parts, the weather being very hazy, the seamen spied a rock within half a cable's length of the ship […]1

    Gullivers Handeln und Fühlen wird aber eher unreflektiert und undetailliert wiedergegeben. Der Sprachstil generell ähnelt eher einer Dokumentation oder Zusammenfassung als einem typischen Tagebuch. Dieser Stil ist beabsichtigt, um Lemuel rational und sachlich erscheinen zu lassen. Zwar beschreibt Lemuel Gulliver seine Gedanken und körperliche Verfassung, aber lässt kaum Emotionen oder Reflexion während des Niederschreibens hineinfließen:

    I was almost choked with the filthy stuff the monkey had crammed down my throat: but my dear little nurse picked it out of my mouth with a small needle, and then I fell a-vomiting, which gave me great relief. Yet I was so weak and bruised in the sides with the squeezes given me by this odious animal, that I was forced to keep my bed a fortnight.1

    Richard Sympson, der fiktive Editor von "Gullivers Reisen" fügt zudem Kommentare ein. Diese Einschübe haben Ähnlichkeit mit den Einleitungen von wissenschaftlichen Arbeiten und sollen die Sachlichkeit der Berichte bestärken. Das komplette Buch ist aber nur von dem Autor Jonathan Swift verfasst. In den eingeschobenen Passagen erklärt er, was der vermeintliche Autor Lemuel Gulliver an dieser Stelle ausschweifend erklärt hätte und was im folgendem Text beschrieben wird. Dabei verwendet Swift das Passiv (Passive Voice):

    A great storm described; the long boat sent to fetch water; the author goes with it to discover the country. He is left on shore, is seized by one of the natives, and carried to a farmer's house. His reception, with several accidents that happened there. A description of the inhabitants.1

    Der Roman gilt als Satire, denn er kritisiert die modernen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Unterschwellig werden die staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungen der zivilisierten Welt belächelt. Absurde Handlungen und Begriffe werden oft verwendet und zusammen mit der naiven und vermeintlich analytischen Schilderung der Fakten zum humoristischen Stilmittel.

    Satire bezeichnet Kritik an den Menschen, die durch die Verwendung von Humor, Ironie, Übertreibung oder Spott geäußert wird. Vor allem geht es dabei um den Kontext der zeitgenössischen Politik und aktueller Themen.

    Im Laufe des Satireromans wird der Protagonist und Erzähler Gulliver immer kritischer in seinem Ton gegenüber seiner Heimat. In den ersten drei Teilen ist Gulliver noch stolz auf sein Herkunftsland England. Er beschreibt gerne den Herrschern, die er auf seinen Reisen trifft (in diesem Fall dem König von Brobdingnag) die Politik, Religion und das gesellschaftliche Zusammenleben der Engländer*innen:

    I began my discourse by informing his majesty, that our dominions consisted of two islands, which composed three mighty kingdoms, under one sovereign, beside our plantations in America. I then spoke at large upon the constitution of an English parliament; partly made up of an illustrious body called the House of Peers; persons of the noblest blood, and of the most ancient and ample patrimonies.1

    Auch wenn der König Brobdingnags skeptisch ist und die englischen Politik und Kultur hinterfragt, steht Gulliver zu seinem Volk und ist stolz, Engländer zu sein.

    Die Kritik des Königs von Brobdingnag an England ist ein Satire-Element und die eigentliche Nachricht von Jonathan Swift an die Leserschaft.

    Durch seine vierte Reise und dem Leben auf der Insel der Houyhnhnms verändert Gulliver letztlich seine Sichtweise auf seine Heimat drastisch. Lemuel erklärt sich seinen bisherigen Standpunkt mit der Voreingenommenheit, die man für gewöhnlich gegenüber seinem eigenen Geburtsort hat:

    For, indeed, who is there alive that will not be swayed by his bias and partiality to the place of his birth?1

    Lemuels Ton wird im Laufe des vierten Teils deutlich direkter und äußert sich selbstkritischer an der Menschheit bzw. der modernen Zivilisation, wie er sie kennt. Er stellt alle Menschen (auch Freund*innen und Familie) mit den Yahoos, den Nutztieren der Houyhnhnms, auf eine Stufe. Gulliver gibt zwar zu, dass Menschen zivilisierter und sprachgewandter sind als Yahoos, aber kritisiert ihre Unvernunft und Vermehrungsdrang:

    When I thought of my family, my friends, my countrymen, or the human race in general, I considered them, as they really were, Yahoos in shape and disposition, perhaps a little more civilized, and qualified with the gift of speech; but making no other use of reason, than to improve and multiply those vices […] 1

    Symbole in "Gullivers Reisen"

    Jedes Volk, dem Gulliver auf seinen Reisen begegnet, symbolisiert einen Aspekt der menschlichen Natur. Im Folgenden werden dir die jeweiligen Symbole erklärt.

    Liliputaner

    Die Liliputaner sind trotz ihrer kleinen Größe militärisch gut ausgestattet und bereit, ihr Land zu verteidigen. Kein anderes Volk empfand sich selbst für so ehrenvoll und war dabei so selbstgefällig wie die Liliputaner. Sie behandeln Gulliver gastfreundlich und schenken ihm Aufmerksamkeit, aber nur, damit er ihren Interessen nachgeht. Sie haben ihn fixiert, betäubt und sogar Pläne, ihn, wenn nötig, auszuschalten.

    Das Zwergenvolk symbolisiert die menschliche Überheblichkeit, sich als die kleinsten Wesen über alles zu stellen und auf alles Anspruch zu erheben und sich dem zu ermächtigen. Der Krieg mit Blefuscu beruht auf verletztem Stolz und unterstreicht durch die belanglosen Thematiken die Sinnlosigkeit von Krieg. Damit kritisiert Swift auch die Kriegsführung des 17. und 18. Jahrhunderts.

    Die Jahrzehnte vor Veröffentlichung des Buches sind als Barock (1600 bis 1720) bekannt. Die Zeit ist geprägt von Pestepidemien, dem Dreißigjährigen Krieg und Glaubenskriegen. Swift verarbeitete diese Aspekte hier als Satire.

    Brobdingnager

    Die Brobdingnagianer lassen Gulliver den Menschen näher betrachten. Im übertragenen Sinne sind sie dafür riesig, als würde man sie unter die Lupe nehmen. Es werden die guten und schlechten Eigenschaften und Gewohnheiten der Menschen gezeigt. Sie symbolisieren die private, persönliche und körperliche Seite, die Gulliver bei den anderen Völkern nicht zu sehen bekam – und die man auch in der Gesellschaft voneinander selten zu sehen bekommt.

    Hier ist Gulliver zum ersten und einzigen Mal in den privaten Räumlichkeiten seiner Gastgeber*innen und sieht, wie sie wirklich leben. Er beschreibt die Riesen zunächst erst als hässlich, da ihre Hautporen sowie jeder Makel für ihn riesig ist. Er lernt aber, dass alles eine Frage der Perspektive ist, da auch er für die Liliputaner so ausgesehen haben muss wie die Riesen für ihn aussehen.

    Laputaner

    Die Laputaner haben den Kopf seitlich geneigt und blicken mit ihren Augen in verschiedene Richtungen. Die Insel Laputer und deren Bewohner schweben über allem und haben keinen wirklichen Bezug zu den Menschen. Der Versuch, die Theorien in die Praxis umzusetzen, stürzte das Land in das Verderben. Damit wird die Realitätsferne der intellektuellen Verfechter der Aufklärung angeprangert. Die Laputaner symbolisieren nicht, wie man zuerst vermuten könnte, die Vernunft, sondern das Streben nach Wissen, das aber nicht zur Verbesserung des menschlichen Daseins beiträgt. Die Forschungen haben nichts mit der Anwendung in der Realität zu tun – also lösen die gelehrten Laputaner keine Probleme, sondern schaffen nur weitere.

    Immanuel Kant meinte 1784: "Habe Mut, Dich deines eigenen Verstandes zu bedienen." Dieser Satz wird zum Leitspruch der Aufklärung.

    Wichtige Themen der Literatur der Aufklärung, die in "Gullivers Reisen" aufgegriffen werden:

    • Kritik an Staat und Gesellschaft
    • Kritik an Kirche und Religion
    • Gleichsetzung von "gut" und "vernünftig"
    • unbedingter Fortschrittsglaube
    • Individualismus

    Houyhnhnms

    Die Houyhnhnms haben mehr als jedes andere Volk Symbolcharakter. Die Pferdewesen haben keine Namen und keine Vielfalt an Charakteren. Zudem haben sie scheinbar keine schlechten Eigenschaften. Zwar unterwerfen sie die Yahoos, aber dies nur aus Notwendigkeit.

    Houyhnhnms repräsentieren ein Ideal rationalen Denkens und harmonischen, praktischen Zusammenlebens. Sie halten sich nicht mit bedeutungslosen Dingen auf und handeln nach bester Vernunft. Sie reden nur zum Informationsaustausch und schweigen lieber als Stille mit Floskeln oder Smalltalk zu füllen. Es gibt auch keine Emotionen, weder positive noch negative.

    Trotz dieser Neutralität hat kein anderes Volk Gulliver so sehr beeinflusst wie die Houyhnhnms. Für Gulliver sind sie die erstrebenswertesten Wesen, denen er je begegnet ist. Er identifiziert sich am Ende mehr mit ihnen als mit anderen Menschen – verabscheut seine eigene Menschlichkeit sogar. Denn Menschen setzt er mit den in dem Land der Houyhnhnms lebenden Yahoos gleich.

    Die Symbolik der idealen Pferde deutet an, dass diese Eigenschaften nicht gleichzusetzen sind mit einem realistischen, idealen Menschen. Die Houyhnhnms verkörpern eine durch die Aufklärung geschaffene Utopie. Schau Dir gerne die Erklärung zu "Utopia and Dystopia" an, um mehr darüber zu erfahren.

    Interpretation von "Gullivers Reisen"

    Hier findest du die Interpretation einer Szene des vorletzten Kapitels von "Gullivers Reisen". Auf seinen Reisen lernt Gulliver neue Sprachen und Kulturen kennen, die zwar alle seine Perspektive prägen, aber keine so sehr wie die letzte Reise.

    Nach seinem Aufenthalt in dem Land der Houyhnhnms sieht Gulliver die Welt und sein bisheriges Leben mit völlig anderen Augen. Die folgende Stelle ist der Höhepunkt des Romans. Gullivers charakterliche Entwicklung führt zu einem Konflikt mit seiner eigenen Identität und seiner Meinung über die Menschen.

    Part IV Kapitel XI

    Gulliver möchte nicht mehr zurück in die Zivilisation. Er beschließt, lieber auf einer Insel mit Barbaren zu wohnen als unter den "Yahoos" in England. Aber die Besatzung eines portugiesischen Schiffs findet ihn auf der Insel als sie frisches Trinkwasser holen wollen. Sie nehmen ihn unfreiwillig mit auf ihren Weg nach Lissabon. Auf hoher See wird Gulliver von dem Kapitän gastfreundlich behandelt. Gulliver wundert sich über die zivilisierte Art des Kapitäns und die Qualität seines Aufenthalts:

    […] (he) spoke so many obliging things, that I wondered to find such civilities from a Yahoo.1

    […] he ordered me a chicken, and some excellent wine, and then directed that I should be put to bed in a very clean cabin. I would not undress myself, but lay on the bed-clothes […]1

    Immer wieder erkennt Gulliver die positiven Eigenschaften und Handlungen anderer Menschen (Gastfreundschaft, zivilisiertes Verhalten, Streben nach Sauberkeit), aber interpretiert sie als Ausnahme für die ansonsten abstoßenden "Yahoos". Diese Abscheu äußert sich auch in Selbsthass: Er verabscheut seinen eigenen "Yahoo"-Körper, weshalb er sich nicht entkleiden möchte, um ins Bett zu gehen. Kleidung verhilft Gulliver dazu, seinen Körper zu verstecken und sich so von den "Yahoos" zu distanzieren. Auch durch pferdeartiges Wiehern beim Sprechen möchte er sich von den Menschen abgrenzen.

    Trotz der Gastfreundschaft möchte Gulliver fliehen, aber wird von einem Matrosen aufgehalten. Der Kapitän möchte seine Beweggründe erfahren:

    […] [he] spoke so very movingly, that at last I descended to treat him like an animal which had some little portion of reason.1

    Trotz seiner Abneigung gegenüber den Menschen bzw. "Yahoos", die ihn ins offene Meer hätte springen lassen, musste er dem Kapitän Vernunft zusprechen. Vermutlich auch, um sein eigenes "Yahoo"-Dasein zu relativieren. Allerdings ändert es nichts an Gullivers Einstellung. Die Menschen sind für ihn seit seinem Besuch auf der Insel der Houyhnhnms Tiere und haben keine Chance, diesen Status zu ändern, egal, wie freundlich oder vernünftig sie sind.

    Verfilmung von "Gullivers Reisen"

    Von "Gullivers Reisen" gibt es mittlerweile einige unterschiedlich abgewandelte Verfilmungen:

    • 1939: "Gullivers Reisen" ("Gullivers Reisen")
    • 1960: "The three worlds of Gulliver" ("Die Drei Welten des Gulliver")
    • 1977: "Gulliver's Travels" ("Gullivers tolle Reisen")
    • 1995: "Gulliver's Travels" ("Gullivers Reisen")
    • 2010: "Gulliver's Travels" ("Gullivers Reisen – Da kommt was Großes auf uns zu")

    Die Besetzung der 2010 verfilmten Version von "Gullivers Reisen" besteht aus einigen bekannten Schauspielern. Jack Black spielt Lemuel Gulliver (siehe Abbildung 3), der im Film durch das Bermudadreieck nach Liliput, das Land der Zwerge, und später nach Brobdingnag, das Land der Riesen, gelangt. Emily Blunt verkörpert Prinzessin Mary, die Tochter des Liliputanerkönigs Theodor, der von Sir William "Billy" Connolly gespielt wird. Jason Segel ist ein Liliputaner, der sich mit Gulliver anfreundet.

    In Deutschland lief der Film "Gullivers Reisen – Da kommt was Großes auf uns zu" erst 2011 an.

    Autor von "Gullivers Reisen": Jonathan Swift

    Jonathan Swift, der Autor von "Gulliver's Travels" wurde 1667 in Dublin, im ehemaligen Königreich Irland, geboren. Er gilt als irischer Satiriker und Autor zu Beginn der Aufklärung. Sein Theologiestudium, das er nur wegen seines Onkels machte, bestand er nur knapp. Er arbeitete anschließend als Sekretär für einen entfernten Verwandten seiner Mutter – Sir William Temple, ein Diplomat im Ruhestand.

    In Swifts Leben folgte ein ständiger Wechsel zwischen Tätigkeiten, die entweder an Politik oder Religion angelehnt waren. Beides erfüllte ihn aber nicht, sondern enttäuschte ihn, weshalb er sich mehr dem Schreiben zuwendete. Letztlich startete er mit der Veröffentlichung von "Dissensions in Athens and Rome" 1701 seine Karriere als Schriftsteller. 1704 erschienen auch die zeitlich eigentlich früher verfassten Satirewerke "A Tale of a Tub" und "The Battle of the Books", die seinen Status als Autor und Satiriker festigten.

    Durch seinen fachlichen Bezug zu Politik und Religion hatte Jonathan Swift einen sehr guten Zugang zu diesen Themen. Seinen besonderen Blickwinkel muss dem Satiriker geholfen haben, in "Gullivers Reisen" diese gesellschaftskritischen Themen aufzugreifen. Jonathan Swift starb 1745. Bis dahin sind 37 Werke von ihm veröffentlicht worden, wobei seine ersten Werke vermutlich gar nicht bekannt sind.

    Er publizierte auch unter zahlreichen Pseudonymen wie Isaac Bickerstaff, A Dissenter, A Person of Quality, A Person of Honour, M.B. Drapier und T.R.D.J.S.D.O.P.I.I. (The Reverend Doctor Jonathan Swift, Dean of Patrick’s in Ireland).

    "Gullivers Reisen" - Das Wichtigste

    • "Gullivers Reisen" ist ein Satire-Roman der Aufklärung von Jonathan Swift, der 1726 veröffentlicht wurde.
    • Inhalt: Lemuel Gulliver entdeckt auf Schiffsreisen außergewöhnliche Orte und beschreibt die Kultur, Sprache und Besonderheiten der Völker und berichtet, was er dort erlebt. Durch seine Erlebnisse entfremdet er sich von den Menschen.
    • Roman ist Kritik an der modernen Gesellschaft und neuer Entwicklungen
    • Liliputaner symbolisieren die menschliche Überheblichkeit, sich als die kleinsten Wesen über alles zu stellen und auf alles Anspruch zu erheben
    • Brobdingnagier symbolisieren die private, persönliche und körperliche Seite des Menschen
    • Laputaner symbolisieren das Streben nach Wissen, das nicht zur Verbesserung des menschlichen Daseins beiträgt und realitätsfern ist
    • Houyhnhnms symbolisieren die Vernunft, das Ideal rationalen Denkens und harmonischen, praktischen Zusammenlebens.

    Nachweise

    1. Swift (1726). Gulliver's Travels.
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Gullivers Reisen

    Wohin reiste Gulliver?

    Gulliver reiste an viele verschiedene Orte. In dem Roman beschreibt er seine Reisen nach Liliput, Brobdingnag, Laputa, Balnibarbi, Luggnagg, Glubbdubdrib, Japan und in das Land der Houyhnhnms.

    Wie heißt Gulliver mit Vornamen?

    Gulliver heißt mit Vornamen Lemuel.

    Wie viele Reisen unternimmt Gulliver?

    Gulliver unternimmt vier Reisen. Der Roman "Gullivers Reisen" ist entsprechend in vier Teile aufgeteilt.

    Wie heißt das Land in Gullivers Reisen?

    Gulliver besucht auf seinen Reisen mehrere Länder:

    • Liliput, das Land der zwergenhaften Liliputaner
    • Brobdingnag, das Land der Riesen
    • Laputa, das Land der Gelehrten sowie Balnibarbi, Luggnagg, Glubbdubdrib
    • Land der Houyhnhnms 
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