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Entwicklungstheorien versuchen, diese Frage zu beantworten. Es gibt verschiedene Entwicklungstheorien, die mit unterschiedlichen Ansätzen versuchen, etwa die Unterentwicklung eines Landes zu begründen. Eine Entwicklungstheorie ist unter anderem die Modernisierungstheorie.
Doch welche Merkmale hat die Modernisierungstheorie und welche Kritik wird an ihr geübt?
Modernisierungstheorie – Entwicklungstheorie
Entwicklungstheorien beschäftigten sich mit der Frage, warum Industrieländer höher entwickelt sind als Entwicklungsländer. Zusätzlich sollen sie Strategien für einen möglichen Fortschritt in der Entwicklung bieten.
Als Entwicklungsländer werden Staaten bezeichnet, deren Wirtschaft vom landwirtschaftlichen Sektor geprägt ist. Sie sind durch Merkmale wie Armut oder hohe Erwerbslosigkeit gekennzeichnet.
Unter Industrieländern versteht man hingegen Länder, in denen die Wirtschaft primär auf den industriellen Sektor spezialisiert ist. Im Vergleich zu Entwicklungsländern verfügen Industrieländer etwa über mehr finanzielle Kapazitäten, qualifizierte Arbeitskräfte oder eine ausgebaute Infrastruktur.
Die verschiedenen existierenden Entwicklungstheorien unterscheiden sich in ihren Ansätzen. Eine bekannte Entwicklungstheorie ist etwa die Modernisierungstheorie.
Mehr zu den verschiedenen Entwicklungstheorien erfährst Du in der Erklärung dazu!
Modernisierungstheorie – Definition
Die Modernisierungstheorie ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Theorien. Sie versucht die Entwicklungsstadien von Ländern mit endogenen – inländischen – Ursachen zu erklären.
Endogenen Ursachen sind inländische Faktoren, die eine schlechte Entwicklung eines Landes begründen können. Dazu gehört unter anderem eine mangelnde Leistungsbereitschaft der Bevölkerung. Laut der Modernisierungstheorie sind die endogenen Faktoren der Grund für die Unterentwicklung eines Landes.
Modernisierungstheorie – Unterentwicklung
Unterentwicklung meint im Rahmen der Modernisierungstheorie einen Entwicklungsrückstand von Ländern zu Industrieländern.
Unterentwicklungen von Entwicklungsländern werden folglich anhand der Merkmale der Entwicklungsländer begründet. Die Modernisierungstheorie besagt, dass ein Land sich erst weiterentwickeln kann, wenn diese Merkmale des Landes modernisiert werden.
Exogene Ursachen, also äußere Ursachen, werden bei der Beurteilung der Entwicklung eines Landes nicht berücksichtigt.
Eine äußerliche Ursache kann etwa der Einfluss von anderen Ländern sein.
Die Ursache, warum also Industrieländer entwickelter sind als Entwicklungsländer, liegt laut der Modernisierungstheorie an den modernen inländischen Merkmalen der Industrieländer.
Um welche Merkmale es sich handelt, erfährst Du im Folgenden!
Modernisierungstheorie – Merkmale
Es gibt eine Vielzahl von Merkmalen, die ein Land beschreiben und die Entwicklung des Landes beeinflussen können. In der Modernisierungstheorie sind unter anderem vier Merkmale besonders wichtig:
- Industrialisierung
- Demokratie
- Mobilität
- Säkularisierung1
Je stärker die oben genannten Merkmale in einem Land ausgeprägt sind, desto moderner und weiterentwickelter ist das Land.
Modernisierungstheorie – Industrialisierung
Die Industrialisierung spielt laut der Modernisierungstheorie eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des Entwicklungsstands eines Landes. Die Theorie besagt, dass die Industrialisierung eine Voraussetzung dafür ist, dass ein Land sich zu einem Industrieland entwickeln kann.
Die Industrialisierung beschreibt den Wandel von der handwerklichen und agrarischen Produktion zur industriellen und maschinellen Produktion.
Laut der Modernisierungstheorie handelt es sich und ein entwickeltes Land, wenn etwa die Haupteinnahmequellen des Landes aus dem Industriesektor stammen und nicht aus dem Agrarsektor.
Modernisierungstheorie – Demokratie
Ein weiteres Merkmal, anhand dessen die Modernisierungstheorie den Entwicklungsstand eines Landes bestimmt, ist der Grad der Demokratie eines Landes. Je demokratischer ein Land ist, desto entwickelter soll es sein.
Demokratie verspricht eine Mitbestimmung der Bevölkerung über Gesetze und Vorhaben in einem Land. Dadurch werden die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung vertreten.
Die Demokratie versucht durch die Verteilung der politischen Macht zu verhindern, dass eine Einzelperson oder eine einzelne Institution die alleinigen Entscheidungen für ein Land treffen kann. Damit wird das Ziel verfolgt, politische Entscheidungen gemeinsam zu treffen, von denen die Mehrheit profitiert.
Modernisierungstheorie – Mobilität
Damit eine gesellschaftliche Entwicklung stattfinden kann, muss Mobilität innerhalb der Gesellschaft gewährleistet sein. Das bedeutet, jede Person im Land soll die Möglichkeit haben, jeder sozialen und beruflichen Gruppe anzugehören.
Das kann durch Universitäten oder Ausbildungsstätten geschehen, die Weiterbildungen in Wunschfachgebiete anbieten. Oder auch durch Krankenhäuser und soziale Systeme wie die Rentenversicherung, die der Bevölkerung eine gesundheitliche und soziale Absicherung versprechen.
Denn Menschen können sich mithilfe einer Weiterbildung für mehr Berufe qualifizieren und sich etwa für ihren Wunschberuf bewerben. Auch soll durch ein ausgebautes Gesundheitssystem und Sozialsystem garantiert werden, dass die Erwerbstätigen aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können.
Durch soziale Absicherungen wie ein Gesundheits- oder Sozialsystem muss sich die Bevölkerung zudem nicht darum sorgen, dass bei einer Arbeitsunfähigkeit oder einem Job mit geringem die Lebensunterhaltungskosten nicht gezahlt werden können.
Der Ausbau von Institutionen und Systemen für die Gesundheit und Bildung trägt also zur Entwicklung eines Landes bei. Die Bevölkerung hat dadurch nämlich mehr Möglichkeiten, ihre Berufsgruppe und soziale Gruppe frei von äußerlichen Einflüssen auszuwählen.
Modernisierungstheorie – Säkularisierung
Säkularisierung beschreibt die Loslösung von religiösen Glauben und Traditionen hin zu weltlichen Ansichten.
Weltliche Ansichten distanzieren sich von religiösen Perspektiven und konzentrieren sich auf wissenschaftliche Fakten und Begebenheiten.
Laut der Modernisierungstheorie muss sich ein Land für eine Entwicklung nicht komplett von der Religion abwenden, sondern lediglich die Religion von Bereichen wie der Politik, Wirtschaft und Recht trennen. Religiöse Vorstellungen sollen Entscheidungen aus anderen Bereichen nicht beeinflussen.
Modernisierungstheorie – Geographie
Im Geographieunterricht hast Du möglicherweise bereits den Entwicklungsstand eines Landes und dessen Hintergründe untersucht. Entwicklungsstände von Ländern können anhand verschiedener Theorien begründet werden. Das ist auch mit der Modernisierungstheorie möglich.
Modernisierungstheorie – Fallbeispiel
Ein Fallbeispiel, bei dem die Begründung der Modernisierungstheorie zutreffen kann, ist das Land Südkorea. Südkorea war bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs eine japanische Kolonie. Als damalige Kolonie begann der Modernisierungsprozess in Südkorea später.
Kolonien sind Regionen im Ausland, die von Kolonialmächten in Besitz genommen und ausgebeutet wurden. Zudem wurde die dort ansässige Bevölkerung oftmals unterworfen, vertrieben oder ermordet.
Die Kolonialzeit begann circa im Jahre 1500 und endete mit dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1945. Damalige Kolonialmächte waren unter anderem Spanien, Portugal, Großbritannien, Deutschland und Japan.
Kolonien entwickelten sich meistens später als andere Länder, da alle ihre wirtschaftlichen Bereiche während der Kolonialzeit an die Interessen und Vorteile der Kolonialmächte angepasst wurden.
Südkorea begann in den folgenden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg – mit ihrer Unabhängigkeit von Japan – eine Demokratie aufzubauen.3
Zudem änderte sich die Wirtschaftspolitik von Südkorea. Unter japanischer Leitung hatte Südkorea damals Rohstoffe hauptsächlich nach Japan geliefert und ihre Landwirtschaft ausgebaut. Nach der Loslösung von Japan spezialisierte sich Südkorea auf Industriebereiche wie die Elektronikindustrie. Auch fokussierte sich Südkorea auf eine exportorientierte Produktion.
Unter Export versteht man den Verkauf von inländischen Gütern und Dienstleistungen an das Ausland.
Durch die neue Wirtschaftspolitik und die Demokratisierung wurde Südkorea in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Tigerstaat. Tigerstaaten sind Länder, die ein großes wirtschaftliches Wachstum erlebten und den Aufstieg zu einem Industrieland erreicht haben.
Das Wirtschaftswachstum von Südkorea kann man etwa anhand des Aufstieges der südkoreanischen Elektronikfirma Samsung erkennen.
Mehr zu den Tigerstaaten erfährst Du in der Erklärung dazu!
Südkorea wurde demokratisiert und hat sich auf den Industriesektor spezialisiert, somit konnte das Land durch eine Modernisierung sich zu einem Industrieland weiterentwickeln. Das Fallbeispiel von Südkorea stützt dementsprechend die Modernisierungstheorie, da sich das Land durch eine Modernisierung ihrer Merkmale entwickelt hat.3
Modernisierungstheorie – Kritik
Die Modernisierungstheorie wird aber auch kritisiert, Hauptkritikpunkte sind unter anderem:
- Zu generelle Formulierung von Unterentwicklung
- Unterschiedliche Entwicklungslage von damaligen Ländern und heutigen
- Vernachlässigung von exogenen Ursachen
Ein Kritikpunkt ist die zu generelle Formulierung einer Unterentwicklung. Die Modernisierungstheorie begründet eine Unterentwicklung durch das Fehlen oder die mangelhafte Ausprägung von Merkmalen. Jedoch unterscheiden sich die Entwicklungsländer individuell in ihrem Entwicklungsstadium.
Daher können sich nicht alle Entwicklungsländer durch die Veränderung der gleichen Merkmale weiterentwickeln.
In China herrscht das Einparteiensystem, was sich von der typischen Demokratie mit einem Mehrparteiensystem unterscheidet.
Trotz der nicht besonders ausgeprägten Demokratisierung erlebt das Land Erfolge in der Wirtschaft und der Technikentwicklung und -produktion.1
Zudem waren die Vorbildländer in der Modernisierungstheorie die ersten Industrieländer wie die USA und einige westeuropäischen Länder. Die genannten Kriterien und Merkmale in der Modernisierungstheorie sind also an die ersten Industrieländer angepasst.
Die damalige Ausgangssituation der ersten Industrieländer unterscheidet sich jedoch von der momentanen Situation der heutigen Entwicklungsländer.2
Damals war der Großteil der Industrieländer Kolonialmächte, während ein Großteil der Entwicklungsländer damalige Kolonien waren. Im Laufe der Zeit erklärten die Kolonien ihre Unabhängigkeit. Ihre eigene Entwicklung begann dementsprechend erst ab dem Zeitpunkt ihrer Unabhängigkeit und dementsprechend später als die der Industrieländer.
Der späte Beginn der Entwicklung und die Ausgangslage von damaligen Kolonien werden in der Modernisierungstheorie nicht einbezogen. Allerdings kann der späte Entwicklungsstart der Kolonien ein Grund für ihre Unterentwicklung sein.
Die Modernisierungstheorie geht nur von endogenen, also innerlichen Ursachen aus. Das bedeutet, dass laut der Modernisierungstheorie, das eigene Land den Entwicklungsstand beeinflusst. Kritisierende argumentieren jedoch, dass auch exogene, also äußerliche Ursachen, eine Rolle spielen.
Ein exogener Faktor ist etwa der Handel mit anderen Ländern. Der Handel kann die wirtschaftliche Lage von Ländern stark beeinflussen. Zum einen kann ein Land durch den Handel wirtschaftliche Gewinne erzielen, zum anderen kauft ein Land auch Güter und Dienstleistungen aus dem Ausland.
Doch nicht alle Länder sind bereit zu handeln und ihre Preise können zwischen niedrigen und hohen Geldsummen variieren. Dadurch sind wirtschaftliche Gewinne und Verluste nicht allein vom eigenen Land abhängig.
Modernisierungstheorie – Dependenztheorie
Ein Gegenpol zur Modernisierungstheorie bildet die Dependenztheorie. Die Dependenztheorie geht davon aus, dass die Unterentwicklung eines Landes mit der Abhängigkeit von anderen Ländern begründet werden kann.
Laut der Dependenztheorie sind also Entwicklungsländer zu abhängig von Industrieländern, weshalb die Weiterentwicklung von Entwicklungsländern blockiert wird.
Die Abhängigkeit drückt sich etwa durch folgende Merkmale aus:
- Verschlechterung der Terms of Trade, also das Verhältnis zwischen Exportpreisen und Importpreisen
- Einseitige Abhängigkeit von Produkten der Industrieländer
Die Hauptaussage der Dependenztheorie ist es also, dass der Entwicklungsstand eines Landes durch exogene Ursachen beeinflusst wird.
Mehr zur Dependenztheorie kannst Du in der Erklärung dazu lesen!
Modernisierungstheorie – Das Wichtigste
- Die Modernisierungstheorie ist ein Oberbegriff für Theorien, die die Entwicklungsstadien von Entwicklungsländern und Industrieländern mit endogenen – inländischen – Ursachen begründet.
- Die Modernisierungstheorie ist eine Entwicklungstheorie und kann die Unterentwicklung eines Landes begründen.
- Merkmale der Modernisierungstheorie sind unter anderem der Grad der Ausprägung von: Industrie, Demokratie, Mobilität und Säkularisierung.
- Ein Fallbeispiel, wo die Modernisierungstheorie bestätigt wird, ist etwa der Aufstieg von Südkorea zu einem Industrieland.
- Kritik gegenüber der Modernisierungstheorie ist zum Beispiel: die zu generelle Formulierung einer Unterentwicklung, die unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Ländern damals und heute und die Vernachlässigung von exogenen Ursachen.
- Ein Gegenpol zur Modernisierungstheorie bildet die Dependenztheorie.
Nachweise
- ieg-ego.eu. Modernisierung – EGO. (18.10.2022)
- Ott (2000). Angleichung, nachholende Modernisierung oder eigener Weg?: Beiträge der Modernisierungstheorie zur geographischen Transformationsforschung. ssoar.info. (20.10.2022)
- Szell (2018). Modernisierung in (Süd-)Korea - Gewalt und Globalisierung. researchgate.net. (20.10.2022)
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Modernisierungstheorie
Warum ist die Modernisierungstheorie gescheitert?
Die Modernisierungstheorie ist oftmals gescheitert, da die Voraussetzungen, die in der Theorie genannt werden, nicht aktuell sind. Die Merkmale für eine Modernisierung sind an dem Vorbild der ersten Industrieländer angepasst und nicht der heutigen Entwicklungsländer.
Was versteht Hans Ulrich Wehler unter Modernisierung?
Hans Ulrich Wehler versteht unter Modernisierung den Wandel von Tradition zur Moderne, der unumkehrbar ist.
Was versteht man unter Modernisierungstheorie?
Unter Modernisierungstheorie versteht man einen Oberbegriff für mehrere Theorien, die die Entwicklungsstadien von Entwicklungsländern und Industrieländern mit endogenen Ursachen begründet.
Was ist ein Fallbeispiel für die Modernisierungstheorie?
Ein Fallbeispiel für die Modernisierungstheorie, bei dem die Begründung der Theorie zutreffen kann, ist das Land Südkorea. Durch den Modernisierungsprozess konnte Südkorea ein großes wirtschaftliches Wachstum erleben.
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