Eine Theorie, mit der man den optimalen Standort für sein Unternehmen ermitteln können soll, ist die Standorttheorie Weber des gleichnamigen Wirtschaftswissenschaftlers Alfred Weber.
Alfred Weber – Kurzbiographie
Abb. 1 - Porträt von Alfred Weber
Alfred Weber wurde am 30. Juli 1868 in Erfurt geboren.
Nach seinem Abitur in Berlin studierte Weber Jura und Nationalökonomie in den Städten Tübingen und Berlin. Nachdem er promoviert hatte, wurde Alfred Wegener im Jahr 1904 Professor in Prag. 1907 kam er zurück nach Deutschland und lehrte Nationalökonomie an der Universität Heidelberg.
Im Jahr 1909 stellte er seine wissenschaftliche Arbeit zur Standorttheorie „Über den Standort der Industrien“ fertig und veröffentlichte sie. Am 2. Mai 1958 verstarb Alfred Weber im Alter von 89 Jahren in Heidelberg.
Bis heute ist Weber bekannt als bedeutender Volkswirtschaftler und gilt als wichtiger Ökonom auf dem Gebiet der Standorttheorien.
Standorttheorie Weber – Zusammenfassung
Im Jahr 1909 beendete Alfred Weber seine Theorie „Über den Standort der Industrien“, auch genannt die Standorttheorie Weber. Mit dieser Arbeit trug Weber viel zur Forschung rund um Standorttheorien und -analysen bei.
Standorttheorie Weber – Definition
Die Standorttheorie Weber ist eine Theorie zur Ermittlung des optimalen Standorts eines Unternehmens unter Berücksichtigung von drei bestimmten Standortfaktoren: Transportkosten, Arbeitskosten und Agglomerationswirkungen.
Diese Theorie soll in jedem Wirtschaftssystem anwendbar sein und einem Unternehmen helfen, den geeignetsten Produktionsstandort für sich zu finden.
In der Wirtschaftsgeographie bezeichnet der Begriff Standort den geographischen Ort, an dem sich ein Unternehmen befindet.
Je nach Art, Branche und Produkt eines Unternehmens kann ein bestimmter Standort unterschiedlich gut für verschiedene Unternehmen geeignet sein.
Standorttheorie Weber – Grundidee
Die Grundidee der Theorie basiert auf bestimmten Annahmen. Damit Webers Theorie tatsächlich anwendbar wird, setzt der Volkswirtschafter sieben Gegebenheiten voraus.
Diese sieben Annahmen sind:
- Standorte der Rohmaterialien sind bekannt und gegeben.
- Räumliche Verteilung des Konsums ist bekannt und gegeben.
- Räumliche Verteilung der Arbeitskräfte ist bekannt und gegeben.
- Arbeitskräfte sind immobil, aber unbegrenzt verfügbar.
- Lohnhöhe ist konstant, aber räumlich differenziert.
- Transportkosten sind einheitlich und als Funktion von Gewicht und Entfernung darstellbar.
- Wirtschaftliches, kulturelles und politisches System ist homogen.
Diese generellen Angaben sind wichtig, damit seine Standorttheorie funktioniert.
Standorttheorie Weber – Modell der Standortfaktoren
Weber fokussiert sich in seiner Standorttheorie auf genau drei Standortfaktoren, um den geeignetsten Unternehmensstandort ermitteln zu können.
Standortfaktoren sind Eigenschaften eines Ortes oder einer Region, die die Attraktivität und Qualität dieses Ortes für Unternehmen bestimmen.
Die drei Standortfaktoren, die Weber in seiner Theorie berücksichtigt, sind:
- Transportkosten
- Arbeitskosten
- Agglomerationswirkungen
Mehr zu Standortfaktoren in der Wirtschaftsgeographie findest Du in der gleichnamigen Erklärung dazu.
Standortfaktor Transportkosten
Die größte Bedeutung in Webers Standorttheorie haben die Transportkosten.
Der ideale Standort für die Produktion nach der Standorttheorie Weber ist grundsätzlich der Ort, an dem die geringsten Transportkosten entstehen – der sogenannte Transportkostenminimalpunkt.
Die Höhe der Transportkosten ist nach Weber von drei Faktoren abhängig:
- Gewicht des Ausgangsmaterials und des Endprodukts
- Materialvorkommen
- Konsumort
Das Ausgangsmaterial unterteilt Alfred Weber in zwei Arten – lokalisierte Materialien und Ubiquitäten.
Lokalisierte Materialien
Lokalisierte Materialien können nur an bestimmten Orten gewonnen werden, sie sind gebunden an ihren Fundort.
Dabei wird zwischen Reingewichtsmaterialien und Gewichtsverlustmaterialien unterschieden.
Reingewichtsmaterialien sind Materialien, deren ganzes Gewicht im Endprodukt enthalten ist.
Gewichtsverlustmaterialien sind Materialien, deren Gewicht nur teilweise im Endprodukt enthalten ist.
Reingewichtsmaterialien werden also komplett verarbeitet, wohingegen von den Gewichtsverlustmaterialien nur ein bestimmter Teil für das Endprodukt gebraucht wird.
Ein Beispiel für ein typisches Reingewichtsmaterial sind Edelmetalle, wie Gold.
Ein häufig genutztes Gewichtsverlustmaterial ist beispielsweise Eisenerz. Davon wird nur ein Teil für die Produktion von Eisen und Stahl verwertet.
Für die Wahl des Standorts ist nun der Materialindex entscheidend.
Der Materialindex ist der Quotient aus dem Gewicht der lokalisierten Materialien und dem Gewicht des Endprodukts.
Ist der Materialindex hoch, das heißt nahe der 1, ist die Standortwahl materialorientiert. Ist er niedrig, also nahe der 0, wird die Standortwahl konsumorientiert getroffen.
Einfacher gesagt bedeutet das, je mehr Gewicht das Material im Vergleich zum Endprodukt verliert, desto näher sollte der Produktionsstandort am Fundort des Materials liegen.
Ubiquitäten
Ubiquitäten sind Materialien, die an jedem möglichen Standort zur Verfügung stehen.
Sie haben demnach nach der Standorttheorie Weber keinen Einfluss auf die Höhe der Transportkosten und damit auch nicht auf die Standortwahl.
Einfache Beispiele für eine Ubiquität sind Wasser oder Luft.
Standorttheorie Weber – Erklärung am Beispiel für Transportkostenminimalpunkt
Vereinfacht kann man die Ermittlung des Transportkostenminimalpunkts mithilfe eines Dreiecks darstellen. Zwei Materialienfundorte und der Kosumort bilden dabei die Ecken des Dreiecks.
Hier findest Du zwei kurze Beispiele, die Dir den Transportkostenminimalpunkt für zwei Situationen veranschaulichen.
Werden für die Produktion eines Endprodukts zwei Reingewichtsmaterialien benötigt, ist der Konsumort auch gleichzeitig der beste Standort für die Produktion. Da beide Materialien kein Gewicht bei der Produktion verlieren, geht der Materialindex der beiden Reingewichtsmaterialien gegen 0 und die Standortwahl wird deshalb rein konsumorientiert getroffen.
Werden für die Produktion hingegen zwei Gewichtsverlustmaterialien verwendet, befindet sich der optimale Standort der Produktion näher an den beiden Fundorten. Das liegt daran, dass die beiden Materialien bei der Produktion Gewicht verlieren und der Materialindex dadurch sehr hoch ist. Bei einem hohen Index wird die Standortwahl materialorientiert getroffen und der Standort befindet sich so genau gleich weit entfernt von Material 1, Material 2 und dem Konsumort.
Standortfaktor Arbeitskosten
Nachdem der optimale Standort aufgrund der Höhe der Transportkosten ermittelt wurde, wirft man einen Blick auf die Arbeitskosten, die an diesem Standort auf das Unternehmen zukommen.
Sind die Arbeitskosten an einem anderen Standort geringer als an dem Transportkostenminimalpunkt, kann der Standort noch mal verlegt werden, allerdings nur, wenn man sich so mehr Geld spart.
Wenn also an einem anderen Standort mehr Transportkosten anfallen würden, aber die Ersparnis durch weniger Arbeitskosten noch größer ist, lohnt es sich, den Standort zu verlegen.
An Standort A, dem Transportkostenminimalpunkt, fallen 200 € Transportkosten und 400 € Arbeitskosten an.
An Standort B würden zwar 300 € Transportkosten, jedoch nur 200 € Arbeitskosten anfallen. Insgesamt sind das 100 € weniger an Kosten für das Unternehmen, obwohl die Transportkosten höher sind.
In diesem Fall lohnt es sich, den Standort noch einmal zu verlegen.
Standortfaktor Agglomerationswirkungen
Genau wie die Arbeitskosten können auch die sogenannten Agglomerationswirkungen nach der Standortwahl mithilfe der Transportkosten noch Einfluss auf eine Verlegung des Standorts nehmen.
In der Wirtschaftsgeographie bezeichnet der Begriff Agglomeration die Anhäufung mehrerer Unternehmen an einem bestimmten Standort.
Durch eine solche Agglomeration mehrerer Unternehmen können große Vorteile – Agglomerationswirkungen – für die einzelnen Firmen entstehen. Solche Vorteile können unter anderem gemeinsame Lagerhallen oder eine geteilte Kita für Kinder von Mitarbeiter*innen sein, wodurch Kosten gespart werden.
Sind die Ersparnisse durch solche Agglomerationswirkungen größer als die zusätzlichen Transportkosten und können so Kosten eingespart werden, kann der bereits gewählte Standort noch mal geändert werden.
An Standort A, dem Transportkostenminimalpunkt, fallen 200 € Transportkosten und 400 € Arbeitskosten an.
An Standort B würden 300 € Transportkosten und ebenfalls 400 € Arbeitskosten anfallen, also 100 € mehr. Jedoch könnte sich das Unternehmen an Standort B eine Lagerhalle mit einem anderen Unternehmen teilen und würde so 200 € Miete sparen.
Insgesamt kommen an Standort B also 100 € weniger Kosten auf das Unternehmen zu, obwohl die Transportkosten höher sind.
Auch in diesem Fall lohnt es sich, den Standort noch einmal zu verlegen.
Agglomerationen von Unternehmen können in manchen Fällen auch negative Folgen, für die angesiedelten Firmen haben und zu einer Streuung der Standorte führen.
Mögliche Nachteile durch eine Agglomeration entstehen oft dann, wenn viele der Unternehmen in der gleichen Branche tätig sind und so der Wettbewerbskampf zunimmt.
Viele der Firmen können diesen Wettbewerb nur schwer überstehen und wählen deshalb lieber einen Standort, an dem weniger Konkurrenz angesiedelt ist.
Standorttheorie Weber – Kritik
Auch, wenn Alfred Weber bis heute als ein bedeutender Ökonom im Bereich der Standorttheorie gilt, wird seine Theorie „Über den Standort der Industrien“ von vielen Wirtschaftswissenschaftler*innen heutzutage stark kritisiert. Vor allem die unrealistische Vereinfachung vieler Annahmen der Theorie steht im Mittelpunkt der Kritik.
Ein oft genannter Kritikpunkt sind seine grundlegenden Annahmen. Mit diesen Grundsätzen schließt Weber viele Prozesse der heutigen Wirtschaft aus. Arbeitskräfte etwa werden immer mobiler und sind zudem nicht überall in gleicher Zahl und vor allem mit gleichem Fachwissen verfügbar. Auch die Annahme, Transportkosten seien immer einheitlich, trifft auf den modernen Markt nicht zu.
Ein weiterer Mangel, der von vielen Kritiker*innen aufgezeigt wird, ist die Beschränkung der Standorttheorie Weber auf nur drei Standortfaktoren. Der Erfolg eines Unternehmens wird von vielen weiteren Faktoren stark beeinflusst. Besonders weiche Standortfaktoren, wie das Freizeitangebot und das Wohnungsangebot für Mitarbeiter*innen, werden immer wichtiger.
Was weiche Standortfaktoren sind und weshalb sie auf dem heutigen Markt immer wichtiger werden, kannst Du in der Erklärung zu den harten und weichen Standortfaktoren nachlesen.
Ein letzter, oft kritisierter Punkt Webers Theorie ist sein ausschließlicher Fokus auf die Kostenminimierung. Um im Wettbewerb erfolgreich zu sein, muss sich ein Unternehmen im finanziellen Aspekt vorwiegend auf eine Gewinnmaximierung fokussieren. Diese lässt Weber völlig außer Acht.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass die Standorttheorie Weber nicht auf die heutige Zeit anwendbar ist.
Standorttheorie Weber - Das Wichtigste
- Alfred Weber gilt bis heute als wichtiger Ökonom auf dem Gebiet der Standorttheorien.
- Die Standorttheorie Weber ist eine Theorie zur Ermittlung des optimalen Standorts eines Unternehmens unter Berücksichtigung von drei bestimmten Standortfaktoren.
- Damit Webers Theorie tatsächlich anwendbar wird, setzt der Volkswirtschafter sieben Gegebenheiten voraus.
- Die drei Standortfaktoren, die Weber in seiner Theorie berücksichtigt, sind die Transportkosten, die Arbeitskosten und die Agglomerationswirkungen.
- Der ideale Standort für die Produktion nach der Standorttheorie Weber ist grundsätzlich der Ort, an dem die geringsten Transportkosten entstehen – der sogenannte Transportkostenminimalpunkt.
- Vor allem die unrealistische Vereinfachung der Standorttheorie Weber steht im Mittelpunkt der Kritik durch heutige Wirtschaftswissenschaftler*innen.
Nachweise
- Spektrum.de: Weber, Alfred. (02.07.2022)
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