Thünensche Ringe – Johann Heinrich von Thünen
Johann Heinrich von Thünen wurde am 24. Juni 1783 in Canarienhausen (Wangerland) geboren. Er ist in Hooksiel und Jever aufgewachsen, wo er ein Gymnasium besuchte. Anschließend absolvierte er von 1799 bis 1803 eine landwirtschaftliche Ausbildung. Ab 1803 nahm er für zwei Semester ein Studium an der Universität Göttingen auf.
Abb. 1 - Johann Heinrich von Thünen
Seine Frau Helena Sophia Berlin heiratete er 1806. Helena war die Tochter des Bürgermeisters- und Gutsbesitzers in Friedland. Noch im selben Jahr fing Thünen an, sein eigenes Gut zu bewirtschaften.
Neben der Bewirtschaftung stellte er sich Fragen zur Bodenfruchtbarkeit und der Entstehung der Getreidepreise. Die Erkenntnisse dazu veröffentlichte er 1826 in seinem Buch „Der isolierte Staat“, wofür er 1830 die Ehrendoktorwürde von der philosophischen Fakultät der Universität Rostock verliehen bekam. Das Buch beinhaltet unter anderem das Thünen Modell.
Thünen befasste sich zudem auch mit dem natürlichen Lohn und dem Gewinnbeteiligungsmodell. Der natürliche Lohn sollte dafür sorgen, dass die Arbeitskräfte mindestens alles für ihre Existenz bezahlen können. Thünen hat eine Formel zur Berechnung des natürlichen Lohns erstellt. Dieser konnte somit aus Existenzminimum und dem Arbeitsergebnis berechnet werden.
1848 trat auch das von Thünen geplante Gewinnbeteiligungsmodell für die Tellower Arbeitskräfte in Kraft, woraufhin er zum Ehrenbürger der Stadt Teterow erklärt wurde. Mit dem Gewinnbeteiligungsmodell hat Thünen bereits erste Ansätze einer Sozialversicherung aufgestellt.
Am 22. September 1850 starb Thünen in Tellow. Sein Grabstein wird von der Definition für den natürlichen Arbeitslohn verziert.
Thünensche Ringe – Definition
1826 veröffentlichte Thünen nicht nur sein Buch, er stellte damit auch das Thünen Modell auf. Dies ist eine Standorttheorie, die sich mit der bestmöglichen Landwirtschaft in einer idealisierten Region beschäftigt. Bei einer idealisierten Region herrschen überall identische Faktoren.
Um diese idealisierte Region geht es etwas später im Text genauer.
Mittels Standorttheorien werden Standorte auf ihre optimalen Gegebenheiten für ein Unternehmen untersucht.
In dem Thünenmodell werden hauptsächlich die Transportkosten und die Bodennutzung einbezogen.
Thünensche Ringe – Transportkosten
In seinem Modell unterteilt Thünen den Staat in Ringe um das Zentrum herum, ein. Diese Ringe stellen jeweils ein Anbaugebiet für ein bestimmtes Gut dar.
Dabei gibt es für jedes landwirtschaftliche Produkt einen bestimmten Abstand zum Zentrum, in dem sich die Produktion lohnt. Eine sich lohnende Produktion bedeutet, den optimalen Gewinn zu erzielen.
Es gilt:
- Je weiter entfernt vom Markt, desto höher die Transportkosten.
- Je weiter entfernt vom Markt, desto niedriger die Lagerenten.
Daraus lässt sich schließen, dass die Grenze für ein Anbaugebiet genau dort liegt, wo ein Verlust entstehen würde und die Transportkosten höher als der Reinertrag sind. Als Reinertrag wird der Gewinn bezeichnet, der nach Abzug aller entstandenen Kosten übrig bleibt.
Produkte, die in Marktnähe angebaut werden, bringen somit einen hohen Ertrag pro Flächeneinheit und Produkte, welche ländlicher angebaut werden, eher einen geringen Ertrag pro Flächeneinheit, ein. Dadurch ergibt sich ein weiteres Kernelement des Thünenmodell – die Lagerente.
Thünensche Ringe – Lagerente
Die Lagerente bezeichnet den Mehrgewinn einer landwirtschaftlichen Fläche in unmittelbarer Nähe zum Markt im Vergleich zu einer weiter entfernten gleich großen Fläche.
Die Lagerente ist abhängig von der Bodennutzung und der Entfernung zum Absatzort – dem Markt. Eine Lagerente beschreibt den höheren Gewinn, durch einen kürzeren Transportweg.
Ein Bauer hat zwei Felder, auf denen er Getreide anbauen kann. Von Feld A zum Markt betragen die Transportkosten sieben Euro. Die Strecke von Feld B zum Markt ist kürzer und die Transportkosten liegen nur bei zwei Euro.
hohen Transportkosten - geringe Transportkosten = Lagerente
7 - 2 = 5
Die Lagerente beträgt daher fünf Euro.
Thünensche Ringe – Bodennutzung
Neben den Transportkosten wird auch die Bodennutzung in das Thünen Modell einbezogen. Der Boden soll hinsichtlich des Transportes möglichst effektiv genutzt werden. Ware, die viel Volumen einnimmt oder schnell verderblich ist, sollte in Marktnähe angebaut oder hergestellt werden.
Es lohnt sich mehr, wenn nur wenig Ware einen langen Transportweg hat und Ware mit viel Volumen oder Ware, die schnell verdirbt, einen kurzen Transportweg hat. Ansonsten würde der Transport kostenintensiver werden, da etwa mehr Fahrzeuge benötigt werden oder eine Kühlung für die Ware benötigt wird.
Ein Bauer hat drei Felder. Auf den Feldern möchte er Kartoffel, Erdbeeren und Getreide anbauen. Feld A ist nur 5 km vom Markt entfernt. Feld B ist 20 km vom Markt entfernt und Feld C ist 100 km vom Markt entfernt.
Auf Feld A sollten die Erdbeeren angebaut werden, da sie schnell verderblich sind und regelmäßig geerntet werden. Feld B eignet sich für die Kartoffeln. Diese haben ein hohes Volumen und können einige Zeit gelagert werden, ohne zu verderben. Das Getreide hingegen nimmt am wenigsten Volumen ein und verdirbt auch nicht so leicht. Daher kann es auf Feld C angebaut werden.
Thünensche Ringe – leicht erklärt
Thünen untersuchte in seinem Modell, wie die Art und die Intensität der landwirtschaftlichen Produktion in Abhängigkeit von den Transportkosten bis zum Absatzmarkt räumlich variieren können. Einfacher gesagt also, wie sich die Entfernung zum Mark je nach Produkt verändern musst, um einen Gewinn zu erzielen.
Ziel von Thünen war es, herauszufinden, wie die Bodennutzung zu dem höchstmöglichen Reinertrag führt. Der Reinertrag ergibt sich aus dem Gewinn abzüglich der entstandenen Kosten.
Die in der Landwirtschaft beschäftigte Bevölkerung bestrebt also, den größtmöglichen Gewinn zu erwirtschaften.
Wie weiter oben schon genannt, arbeitete Thünen in seinem Modell nur mit zwei Einflüssen – der Nutzung der Landfläche und den Transportkosten. Die restlichen Einflussfaktoren eliminiert er, indem er folgende Annahmen festlegt:
- Der Staat ist ein isolierter Staat mit einer kreisrunden, homogenen Fläche ohne räumliche Unterschiede.
- Der Raum ist ein abgeschlossener Wirtschaftsraum ohne Beziehungen nach außen.
- Die natürlichen Gegebenheiten, wie Klima, Wetter, Boden und Relief sind überall gleich.
- Alle Produzenten und Produzentinnen haben gleiche Mittel und gleichen Voraussetzungen, wie das Verkehrsnetz oder die Bildung.
- Der produzierende Sektor und ein Großteil der Bevölkerung liegen im Zentrum des Staates.
- Das Zentrum in Mitte des Staates ist die Stadt und fungiert als Markt für die im Umland erzeugten landwirtschaftliche Produkte.
- Transportkosten sind von Gewicht, Volumen und der Ware abhängig und nehmen proportional mit zunehmender Entfernung des Produktionsstandortes zum Markt zu.
- Das Ziel aller ist ein möglichst hoher Reinertrag.
Da das Modell nach Thünen auf einem Staat basiert, dessen Kern das Zentrum ist, wird die Theorie auch „Theorie der zentralen Orte“ genannt.
Thünensche Ringe – Modellbeschreibung
Aus diesen Erkenntnissen bilden sich die konzentrische Ringe, die in dem Modell der Thünenschen Ringe wie folgt benannt sind:
- Zentrum: Das Zentrum bildet den Absatzmarkt.
- Freie Wirtschaft: Es werden Produkte angebaut, die schnell verderben oder hohe Transportkosten haben.
- Nutzholz: Holz wird nahe dem Zentrum angebaut, da der Transport kostenintensiv ist.
- Fruchtwechselwirtschaft: Im Wechsel werden Getreidesorten und Futterpflanzen angebaut.
- Koppelwirtschaft: Das Feld wird hier abwechselnd beweidet und bebaut.
- Dreifederwirtschaft: Auf je drei Feldern wird in drei Jahren abwechselnd Sommergetreide und Wintergetreide angebaut und ein Jahr lang wird nichts angebaut.
- Viehzucht: Die Erzeugnisse können aufgrund des hohen Wertes die Transportkosten tragen. Es ist die rentabelste Möglichkeit, die Flächen landwirtschaftlich zu nutzen. Es werden unter anderem Fleisch und Butter hergestellt.
Die marktnahen Böden erfahren eine große Nachfrage, weshalb hier die Preise für die Böden immer teurer werden. Die hohen Preise werden anschließend durch eine größere Arbeitsintensität kompensiert. Es muss mehr angebaut werden, um mehr Einnahmen zu erzielen.
Thünensche Ringe – Beispiel
Ein Beispiel für den landwirtschaftlichen Anbau nach den konzentrischen Ringen ist das Knoblauchsland bei Nürnberg. Dieses Gebiet wird auch heute noch als Gemüseanbaugebiet genutzt. Was angebaut wurde, hat sich mit der Zeit immer wieder geändert. Zuerst wurden Kohlarten und dann Feingemüse angebaut.
Heutzutage ist die landwirtschaftliche Nutzung in Form von konzentrischen Ringen häufig nur noch in Entwicklungsländern zu finden. In weiter fortgeschrittenen Ländern ist die Infrastruktur so weit ausgebaut und komplex geworden, dass die Transportkosten nicht mehr vereinheitlicht werden können.
Thünensche Ringe – Kritik
Es gibt mehrere Kritikpunkte zu dem Thünen Modell.
Die Annahme, dass in einem Staat bis auf die Transportkosten und die Nutzung des Landes alles gleich ist, ist unrealistisch. Es gibt immer Unterschiede. Beispielsweise ist kein Staat kreisrund und hat eine homogene Fläche mit völlig gleichen geographischen Gegebenheiten.
Zudem kann auch die Zonierung nicht so stark verallgemeinert werden. Durch verschiedene Prozesse können die typischen Ringe durchbrochen werden – Nutzholz wird also beispielsweise weiter vom Zentrum entfernt angebaut. Ursache dafür sind wachsende Städte, das Verlagern von Nutzungsgebiete und steigende Preise in zentrumsfernen Gebieten.
Das Modell der Thünenschen Ringe ist also heutzutage durch den Wandel von Städten und der Komplexität der Wirtschaft und Politik nicht mehr praktisch anwendbar. Dennoch gibt es immer noch landwirtschaftliche Gebiete, wie das Knoblauchsland in Nürnberg, die an das Thünen Modell angelehnt sind.
Thünensche Ringe – Das Wichtigste
Johann Heinrich von Thünen (*1783 – †1850) entwickelte 1826 das Thünen Modell.
Das Thünen Modell ist ein Modell für die bestmögliche Landwirtschaft unter idealisierten Bedingungen.
Der Ertrag ist von der Nutzung der Landflächen, der Bodenqualität und den Transportkosten bis zum Markt abhängig.
Die Lagerente bezeichnet den Mehrgewinn einer landwirtschaftlichen Fläche in unmittelbarer Nähe zum Markt im Vergleich zu einer weiter entfernten gleich großen Fläche.
Durch diese Abhängigkeiten entstehen sechs konzentrische Ringe. Die Grenze für ein Anbaugebiet liegt genau dort, wo ein Verlust entstehen würde.
Die Theorie ist sehr idealisiert und nicht wirklich auf die Realität übertragbar.
Nachweise
- Abb. 1 - Johann Heinrich von Thünen (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Johann_Heinrich_von_Thuenen.jpg) von Ruchhöf-Plau (https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Ruchh%C3%B6ft-Plau) unter der Lizenz von CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)
- diercke.westermann.de: Knoblauchsland-Gemüseanbau. (29.09.2022)
- thuenen.de: Johann Heinrich von Thünen. (03.10.2022)
- spektrum.de: Thünen'sche Ringe. (03.10.2022)
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