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Kulturkampf

Otto von Bismarck war für seine teils rigorose Innenpolitik in Preußen und dem Deutschen Kaiserreich berühmt. Ein bedeutender Teil davon war der sogenannte “Kulturkampf”, bei dem er das Reich kurzerhand vom Einfluss der katholischen Kirche befreien wollte.

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Otto von Bismarck war für seine teils rigorose Innenpolitik in Preußen und dem Deutschen Kaiserreich berühmt. Ein bedeutender Teil davon war der sogenannte “Kulturkampf”, bei dem er das Reich kurzerhand vom Einfluss der katholischen Kirche befreien wollte.

Kulturkampf – Definition

Als “Kulturkampf” bezeichnet man den Kampf Otto von Bismarcks gegen den (politischen) Einfluss der katholischen Kirche im Deutschen Kaiserreich von 1871 bis 1887.

Grundlegend lässt sich der Kulturkampf in zwei Phasen einteilen:

  • 1871–1878: Bismarck erließ eine Reihe von Gesetzen, um die (politische) Handlungsmacht der Kirche im Reich einzuschränken.
  • 1878–1887: Langwierige diplomatische Annäherungen zwischen Bismarck und katholischer Kurie führten 1887 zum Ende des Kulturkampfs.

Kulturkampf Bismarck StudySmarterAbb. 1: Karikaturistische Darstellung des Kulturkampfs als Schachspiel zwischen Bismarck und Papst Pius IX. - Satirezeitschrift "Kladderadatsch" 1875

Kulturkampf – Vorgeschichte

Doch welche Entwicklungen führten zu einem Vorgehen Bismarcks gegen die katholische Kirche im Reich?

Der politische Einfluss der römisch-katholischen Kirche

Seit dem Mittelalter war die römisch-katholische Kirche ein wesentlicher Einflussfaktor innerhalb der europäischen Reiche – sie war Teil der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft.

Doch im Laufe der Frühen Neuzeit und im Zuge der Aufklärung schwand der Einfluss der römisch-katholischen Kirche immer mehr. Die sogenannte Säkularisierung schritt stetig voran.

Der Begriff “Säkularisierung” beschreibt den Prozess der Abkehr (der Menschen) von religiösen Geboten und der Kirche – eine “Verweltlichung” der Lebensweise.

Kulturkampf – Unfehlbarkeitsdogma

Wohl auch mit der Absicht, den macht-politischen Einfluss der katholischen Kirche erneut zu stärken, erließ Papst Pius IX. 1870 das sogenannte Unfehlbarkeitsdogma.

Dieses erklärte den Papst als “unfehlbar” in seinen religiösen Entscheidungen und verurteilte zugleich

  • jene, die diese Entscheidungen des Papstes anzweifelten und
  • die Staaten, die ohne die katholische Kirche als Teil des Staats agieren wollten (Stichwort: Trennung von Staat und Kirche).

Vor allem bei den aufklärerischen, liberalistischen Strömungen und deren Anhängern sorgte dieses Dogma für Empörung – so auch bei Otto von Bismarck. Bismarck war die politische Einmischung der Kirche in Landes- und Staatsangelegenheiten auch schon vor dem Unfehlbarkeitsdogma ein Dorn im Auge gewesen. Nun jedoch erschwerte dies seinen Plan, das Deutsche Kaiserreich endgültig von kirchlichen Einflüssen zu befreien.

Ausgangslage im Deutschen Kaiserreich

Die Reichsgründung im Jahr 1871 machte das Deutsche Kaiserreich endgültig zu einem Nationalstaat, wobei der Großteil des Reichs aus dem protestantisch geprägten Preußen bestand.

Politischer Katholizismus im Deutschen Kaiserreich

Jetzt fanden sich die Anhänger der römisch-katholischen Kirche als eine Minderheit im Reich wieder. Und trotzdem hatten die Katholiken mit ihrer “Zentrumspartei” großen politischen Einfluss im Reichstag.

Die “Zentrumspartei” im deutschen Reichstag war eine Manifestation des sogenannten “politischen Katholizismus”.

“Politischer Katholizismus” nannte man es, wenn eine Partei ihre politischen Entscheidungen auf Grundlage der römisch-katholischen Glaubenslehre traf und versuchte, die Anliegen der katholischen Kirche mithilfe ebendieser politischen Entscheidungen im Reich durchzusetzen.

In Bismarcks Augen stellten der politische Katholizismus der Zentrumspartei und ihre antinationalistische Einstellung eine Bedrohung für die nationalstaatliche Einheit des Reichs dar.

So beschloss Bismarck 1871 gezielt gegen die katholische Kirche unter Führung von Papst Pius IX. und den politischen Einfluss der Katholiken im Land vorzugehen.

Kulturkampf – Bismarcks Ziele

Bismarcks Kulturkampf gegen die katholische Kirche hatte klar Ziele:

  • Der politische Katholizismus sollte unterbunden werden.
  • Die staatliche Autonomie des Reichs stand an erster Stelle und sollte gegen die kirchlichen Einflüsse verteidigt und durchgesetzt werden.
  • Staat und Kirche sollten endgültig voneinander getrennt werden. Dies umfasste auch den Ausschluss der Kirche (also des politischen Katholizismus) von staatlichen Entscheidungen.

Verlauf des Kulturkampfes und Gesetze

Um diese Ziele zu erreichen, erließ der deutsche Reichskanzler von 1871 bis 1875 eine Reihe von neuen Gesetzen und Maßnahmen, die entweder nur Preußen oder aber das ganze Reich betrafen:

Gesamtes Reich:

  • Kanzelparagraf
  • Zivilehe
  • Jesuitengesetz (Verbot der Jesuitenorden)

Preußen:

  • “Katholische Abteilung” im preußischen Kultusministerium wird geschlossen.
  • Schulaufsichtsgesetz
  • Maigesetze
  • Brotkorbgesetz
  • Klostergesetz
  • Aufhebung der gesetzlichen “Kirchenartikel”, die die Autonomie der katholischen Kirche innerhalb der preußischen Verfassung sicherstellten.

Im Folgenden werden die wichtigsten Gesetze in chronologischer Reihenfolge genauer betrachtet.

Kanzelparagraf (1871 / Gesamtes Reich)

Eine der ersten Maßnahmen war der sogenannte “Kanzelparagraf”, den Bismarck im Dezember 1871 im gesamten Reich erließ. Dieses Gesetz verbot es Klerikern, sich bei der Ausübung ihres Amtes (also zum Beispiel während der Predigt von der Kanzel herab), kritisch über Staatsangelegenheiten und die politische Lage des Reichs zu äußern und so den Frieden zu gefährden.

Auszug aus dem Gesetzestext:

Ein Geistlicher [...] welcher in Ausübung [...] seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge [...] Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft.

Schulaufsichtsgesetz (1872 / Preußen)

1872 wurde mithilfe des “Schulaufsichtsgesetzes” veranlasst, dass die vielerorts von geistlicher Hand geleiteten Bildungseinrichtungen (geistliche Schulaufsicht) allesamt in staatliche Hand übergehen sollten (staatliche Schulaufsicht).

Damit wurde der kirchliche Einfluss auf das Bildungswesen in Preußen minimiert.

Maigesetze (1873 / Preußen)

Mit den “Maigesetzen” 1873 wurde die Kirche in Preußen vollständig der staatlichen Hoheit unterstellt. Angehende Kleriker/Theologen mussten staatlich geprüft (Kulturexamen) und anerkannt werden. Außerdem hatte der Staat bei der Besetzung kirchlicher Stellen ebenso wie bei der Vermögensverwaltung der kirchlichen Güter das Sagen.

Zivilehe (1875 / Gesamtes Reich)

Die Ehe war seit jeher ein heiliges Sakrament der katholischen Kirche und wurde auch nur durch kirchliche Vertreter legitimiert.

Mit der sogenannten “Zivilehe”, die Bismarck 1875 einführte, wurde der Kirche dieses Vorrecht aberkannt. Im Zuge der “Zivilehe” waren nur jene Eheschließungen rechtens und gültig, die vor einer staatlichen Behörde (Standesamt) geschlossen wurden.

Brotkorb- und Klostergesetz (1875 / Preußen)

Ebenfalls 1875 erließ Preußen das Brotkorbgesetz und das Klostergesetz.

Ersteres sorgte dafür, dass die Kirche keine finanziellen Zuschüsse mehr vom Staat erhielten.

Auszug aus dem Gesetzestext:

In [...] den Diözesen [...] werden vom Tage der Verkündung dieses Gesetzes ab sämmtliche, für die Bisthümer, die zu denselben gehörigen Institute und die Geistlichen bestimmte Leistungen aus Staatsmitteln eingestellt.

Das Klostergesetz wiederum veranlasste die Auflösung der Klostergemeinschaften von geistlichen Orden. Ausgenommen waren hierbei aber die sogenannten und rein karitativen “Krankenpflegeorden”, die große Bedeutung für das preußische Gesundheitswesen hatten.

Folgen des Kulturkampfes

Der Kulturkampf verlief allerdings nicht so, wie Bismarck sich das vorgestellt hatte.

“Aufstand” der katholischen Bevölkerung

Viele der katholischen Würdenträger und Kleriker weigerten sich, sich an die neuen Gesetze zu halten. Dies führte im Laufe der Jahre zu mehr als 1.500 Inhaftierungen.

Doch nicht nur der Klerus selbst, sondern auch die katholische Bevölkerung wehrte sich gegen den Kulturkampf. Bismarcks Gesetze hatten den Einfluss der katholischen Kirche anfänglich zwar geschwächt, doch zugleich auch den Zusammenhalt der katholischen Kirchenanhänger im Reich untereinander immens verstärkt – und damit auch den Zuspruch der “Zentrumspartei”.

Politische Folgen im Reichstag

Eine Stärkung der Zentrumspartei und damit des politischen Katholizismus war eigentlich etwas, das Bismarck durch seine neuen Gesetze verhindern wollte. Doch statt seine politischen “Feinde” zu schwächen, hatte er ihnen geholfen, neue Anhänger und damit auch neuen Einfluss zu gewinnen. Bei den Reichstagswahlen 1877 erhielt die Zentrumspartei nach der Nationalliberalen Partei die zweitmeisten Stimmen.

Doch nicht nur das Zentrum stellte ein Problem für den Reichskanzler dar. Auch seine politischen Verbündeten, die Protestanten und die Liberalen, sahen ihr Freiheitsrechte zunehmend bedroht und begannen, an Bismarcks Kurs und seinen Maßnahmen zu zweifeln. Bismarck musste fürchten die Mehrheit im Reichstag zu verlieren.

Schlussendlich blieb dem Reichskanzler nichts anderes übrig, als einzulenken. So versuchte er, sich ab 1878 der katholischen Kirche und dem neuen Papst Leo XIII. wieder anzunähern.

Ende des Kulturkampfes

Erste Erfolge bei den Verhandlungen zwischen Bismarck und der katholischen Kurie wurden 1880 erreicht: Der Papst billigte, dass die Neubesetzung kirchlicher Stellen dem Staat gemeldet werden mussten.

Von 1880 bis 1883 wurden dann drei sogenannten “Milderungsgesetze” erlassen, die einige der Kulturkampf-Maßnahmen abschwächten (etwa die Kulturexamenspflicht, die in den Maigesetzen erlassen wurde).

1886 und 1887 traten schließlich zwei “Friedensgesetze” in Kraft, die bis auf das Schulaufsichtsgesetz und die Zivilehe alle Kulturkampfgesetze abschafften. Im selben Zug versöhnten sich Bismarck und Papst Leo XIII. und erklärten den Kulturkampf für beendet.

Kulturkampf – Das Wichtigste

  • Als “Kulturkampf” bezeichnet man den Kampf Otto von Bismarcks gegen den Einfluss der katholischen Kirche im Deutschen Kaiserreich von 1871 bis 1887.
  • Ziel des “Kulturkampfs” war es, Kirche und Staat voneinander zu trennen und den politischen Einfluss der Kirche im Reich zu unterbinden.
  • Dazu erließ Otto von Bismarck eine Reihe von Gesetzen, wie zum Beispiel den Kanzelparagraf, das Schulaufsichtsgesetz oder die Zivilehe.
  • Schlussendlich führten die Diskriminierung der katholischen Bevölkerung und der massive Eingriff in die Freiheitsrechte zu politischen Spannungen im Reichstag.
  • Um seine Mehrheit im Reichstag nicht zu gefährden, musste Bismarck seinen Kulturkampf “abbrechen” und legte den Streit schließlich 1887 mit Papst Leo XIII. bei.

Nachweise

  1. Abb. 1: Licensed under public domain (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/81/Kladderadatsch_1875_-_Zwischen_Berlin_und_Rom.png).

Häufig gestellte Fragen zum Thema Kulturkampf

Als  "Kulturkampf" bezeichnet man den Kampf Otto von Bismarcks gegen den (politischen) Einfluss der katholischen Kirche im Deutschen Kaiserreich von 1871–1887.  

Der Kulturkampf war von 1871 bis 1887. Er lässt sich in zwei Phasen unterteilen:

  1. 1871–1878: Bismarck erlässt die Kulturkampfgesetze.
  2. 1878–1887: Diplomatische Annäherung zwischen Bismarck und dem Papst und Ende des Kulturkampfs. 

Bismarck erließ eine Reihe von Gesetzen, die den Einfluss der katholischen Kirche im Reich unterbinden sollten. Schlussendlich führten die Diskriminierung der katholischen Bevölkerung und der massive Eingriff in die Freiheitsrechte aber zu politischen Spannungen im Reichstag.

Bismarck war gezwungen, mit dem Papst zu verhandeln und sich der Kirche erneut anzunähern.  

Der Kulturkampf endete 1887 nach fast 10 Jahren der diplomatischen Verhandlungen zwischen Bismarck und Papst Leo XIII. Alle Gesetze bis auf das Schulaufsichtsgesetz und die Zivilehe wurden wieder gekippt – somit kann man davon sprechen, dass Bismarcks Kulturkampf gescheitert war. 

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