Balkankrise

Die Balkankrise war der Vorläufer der Balkankriege, die letztlich zum Ersten Weltkrieg führten. Eine Krise, ausgelöst durch das Bröckeln eines ehemals großen Reichs, sorgte für Spannungen zwischen den europäischen Großmächten und Russland.

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    Balkankrise Definition

    Die Balkankrise war eine Krise zwischen den europäischen Großmächten und Russland, die sich im Balkan abspielte und von 1875 bis 1878 andauerte. Die Krise stand mit den Bestrebungen der Balkanvölker nach Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich eng in Verbindung. Sie führte zum Russisch-Osmanischen Krieg, der von 1877 bis 1878 wütete, und anschließend zum Frieden von San Stefano im Jahr 1878. Mit dem Berliner Kongress, der die Grenzen des Balkans neu bestimmte, endete die Balkankrise.

    Um 1840 waren die europäischen Großmächte Großbritannien, Frankreich, Preußen, Österreich und Russland. Zwischen ihnen wurde ein Gleichgewicht der Kräfte angestrebt. Die europäischen Großmächte werden auch Pentarchie genannt.

    Der Balkan ist eine geographisch nicht genau definierte Region in Südosteuropa. Der Begriff wird häufig als Synonym für Südosteuropa genutzt. Im Grunde beschreibt der Balkan die europäischen Länder, die durch das Byzantinische Reich und später durch das Osmanische Reich geprägt wurden.

    Das Osmanische Reich war ein von 1299 bis 1922 existierendes Reich, das zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung, um das 17. Jahrhundert, eine europäische Großmachtrolle hatte. Konstantinopel, das heutige Istanbul, war die Hauptstadt des Osmanischen Reichs.

    Balkankrise Ursachen

    Die primäre Ursache für den Ausbruch der Balkankrise war die Orientalische Frage. Durch den Zerfall des Osmanischen Reichs entstanden einige Probleme, die unter dem Begriff "Osmanische Frage" zusammengefasst wurden. Das Osmanische Reich wurde durch Aufstände seiner Völker im europäischen Territorium geschwächt und damit immer mehr zum Spielball europäischer Großmächte. 1804 lehnten sich die Serben gegen das Osmanische Reich auf und erhielten als Ergebnis bis 1830 ihre Autonomie. In den 1820er-Jahren blühte außerdem die von einigen Europäern unterstützte griechische Unabhängigkeitsbewegung auf.

    Der russische Zar hatte schon lange Interesse daran, sich die Schwäche des Osmanischen Reichs zunutze zu machen und die Regierungen von Österreich und Großbritannien für eine Aufteilung des Osmanischen Reichs zu gewinnen. Allerdings sahen Österreich, Großbritannien und Frankreich die Gefahr, dass Russland durch ihre Expansion Schlüsselpositionen im Balkan einnehmen könnte. Daher zogen sie es vor, ein schwaches Osmanisches Reich aufrecht zu erhalten.

    Die Schlüsselposition ist im militärischen Sinne eine Stellung von entscheidender Bedeutung.

    Großbritannien wollte außerdem den Seeweg nach Indien kontrollieren und die Vormacht Russlands in Asien verhindern. Diesen Kampf um die Vormacht in Asien nannte man das "Great Game".

    Im Great Game geht es um den Kampf um die Vormacht in Asien zwischen Russland und Großbritannien zwischen 1813 und 1907. Die Russen versuchten, einen Mittelmeerzugang zu erlangen, um einen eisfreien Hafen bauen zu können. Sie hatten außerdem Pläne, den Briten Indien zu entreißen. Großbritannien hingegen versuchte alles, um Russlands Expansionsbestrebungen zu verhindern. Dieser Konflikt wurde von einigen militärischen Auseinandersetzungen in Form von Kriegen begleitet.

    Als das Osmanische Reich im Jahr 1839 einen Krieg gegen den ägyptischen Vizekönig verlor, brach die Orientkrise von 1839 bis 1841 aus, da sich die europäischen Mächte in den Konflikt zwischen dem Osmanischen Reich und Ägypten einmischten.

    Die Orientkrise wurde durch das Einmischen der europäischen Mächte in den Konflikt zwischen dem Osmanischen Reich und Ägypten ausgelöst. Der osmanische Sultan Mahmud II. weigerte sich, den ägyptischen Vizekönig Muhammad Ali Pascha als Statthalter (eine Art regionaler Verwalter) in Syrien einzusetzen. Daraufhin besetzten ägyptische Truppen 1831 Palästina und Syrien und rückten 1832 nach Anatolien vor. Russland entsandte Truppen zur Unterstützung des osmanischen Sultans. 1833 im Frieden von Kütajeh erkannte man Muhammad Alis Herrschaft in Syrien vorerst an.

    Für Frankreich war der Konflikt die Gelegenheit, die Teile von Afrika, die ans Mittelmeer grenzten, zu französischem Einflussgebiet zu machen, indem sie Muhammad Ali Pascha dabei unterstützten, sich aus der Oberhoheit des osmanischen Sultans zu befreien.

    Der 1838 gestartete Versuch osmanischer Truppen, Muhammad Ali aus Syrien zu vertreiben, scheiterte im Jahr 1839 durch den Sieg von seinem Sohn Ibrahim Pascha. Das Osmanische Reich wurde durch diese Niederlage so sehr geschwächt, dass sich Russland, Großbritannien, Preußen und Österreich einmischten, um das Osmanische Reich zu erhalten. Frankreich hingegen stellte sich auf die Seite von Muhammad Ali.Am 15. Juli 1840 schlossen Russland, Großbritannien, Preußen und Österreich den Londoner Vertrag, der die Orientkrise beenden sollte und Muhammad Ali zum Rückzug aufforderte. Als dieser der Aufforderung nicht nachkam, sich zurückzuziehen, nahmen die vier Mächte Beirut und weitere Städte ein. Frankreich konnte Muhammad Ali nicht weiter unterstützen, so dass er 1841 gezwungen war, seine Herrschaft in Palästina und Syrien aufzugeben. Er blieb allerdings Herrscher in Ägypten.Der Dardanellen-Vertrag vom 13. Juli 1841 beendete die Orientkrise. In diesem Vertrag wurden Beschränkungen für die Schifffahrt in die Dardanellen festgelegt.

    Der nächste Krieg, der Krimkrieg von 1853 bis 1856, wurde durch die russische Besatzung der Fürstentümer Walachei und Moldau ausgelöst. In diesem Krieg kämpfte Russland gegen das Osmanische Reich und deren Verbündete Großbritannien, Frankreich und Sardinien. Der Krieg endete mit dem Frieden von Paris von 1856, bei dem beschlossen wurde, dass ein Teil des südlichen Bessarabiens zurück an das Fürstentum Moldau ging. Moldau wurde außerdem ein autonomer Staat unter der Oberhoheit der Osmanen. Das Schwarze Meer wurde entmilitarisiert.

    Bessarabien war ein Gebiet in Südosteuropa, das vom Schwarzen Meer im Süden abgegrenzt wurde. Der Fluss Pruth grenzte das Gebiet im Westen und der Fluss Dnjestr im Osten ab.

    Nach dem Russisch-Türkischen Krieg 1877 zwang Russland das Osmanische Reich dazu, fast all seine europäischen Territorien abzutreten, was zur Balkankrise führte. Großbritannien und Österreich-Ungarn konnten diese Forderung nicht hinnehmen. Österreich sah die Gefahr, dass im Falle einer militärischen Auseinandersetzung sowohl Österreich als auch Russland deutsche Hilfe erwarten würden, da sie beide Bündnispartner Deutschlands waren.

    Balkankrise Zusammenfassung

    Innenpolitische Probleme des Osmanischen Reichs, die Orientalische Frage, Russlands Expansionsbestrebungen im Balkan und der Widerstand der europäischen Großmächte gegen diese Expansionsbestrebungen führten zu explosiven Spannungen im "Pulverfass Balkan".

    Mit dem Pulverfass Balkan, werden metaphorisch die explosiven Spannungen zwischen den Großmächten bezeichnet, die besonders im Balkan durch den androhenden Zusammenbruch des Osmanischen Reichs entstanden.

    Die Vorgeschichte

    Die größtenteils christliche und slawische Bevölkerung in den europäischen Regionen des Osmanischen Reichs strebten nach Souveränität. Dieses Souveränitätsstreben schwächte das Osmanische Reich und führte letztlich zu vielen militärischen Auseinandersetzungen um die Orientalische Frage. Russland nutzte die Befreiungsbewegung der christlichen und slawischen Völker, denn durch die stärker werdende Ideologie des Panslawismus ist es für Russland innenpolitisch wichtig, die Balkannationen zu unterstützen. Zudem hatte Russland auch ein strategisches Expansionsinteresse an einem freien Zugang zum Mittelmeer durch den Bosporus.

    Eine Ideologie ist eine Art Weltanschauung oder Denkweise.

    Panslawismus ist eine nationalistische Bewegung, deren Ziel die kulturelle, religiöse und politische Einheit aller Slawenvölker ist. Die Tschechoslowakei und Jugoslawien gingen aus der Bewegung hervor. Seit dem Zerfall dieser Staaten gilt der Panslawismus als gescheitert.

    Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870 kündigte Russland den Pariser Frieden von 1856. Auf der Pontuskonferenz von 1871 erreichte Russland mit der Unterstützung Bismarcks eine Aufhebung der Neutralität und der Entmilitarisierung des Schwarzen Meeres. Damit hatte Russland die Voraussetzungen für militärische Manöver im Balkan geschaffen.

    Der Ausbruch

    Im Juli 1875 fanden massenhaft Aufstände der christlichen Bevölkerung gegen die osmanische Unterdrückung in Herzegowina, Bosnien und Thrakien statt. Montenegro und Serbien schlossen sich den Aufständen im serbisch-türkischen Krieg von 1876 bis 1878 an. Bulgarien folgte mit dem Aprilaufstand im Jahr 1876. Türkische Truppen behielten allerdings die Kontrolle über die Aufständischen und "rächten" sich an ihnen, wodurch sich die europäischen Mächte und Russland in den Konflikt einmischten.

    Mit der Botschafterkonferenz von Vertretern der europäischen Großmächte in Konstantinopel vom

    12. Dezember 1876 bis zum 20. Januar 1877 versuchte man, die Balkankrise noch auf multinationaler diplomatischer Ebene zu lösen. Die Hohe Pforte unter Sultan Abdülhamid II lehnte die Reformvorschläge der Botschafterkonferenz allerdings ab. Damit wurde eine friedliche Lösung der Balkankrise deutlich schwerer. Russland und Österreich-Ungarn schlossen auf dieser Konferenz ein geheimes Abkommen über die Machtverteilung in Südosteuropa und über Österreich-Ungarns Neutralität: Den Budapester Vertrag.

    Mit der Hohen Pforte ist der Sitz der osmanischen Regierung gemeint.

    Die wichtigsten Punkte im Budapester Vertrag:

    • Im Falle eines russischen Angriffs auf das Osmanische Reich blieb Österreich neutral.
    • Im Gegenzug durfte Österreich Bosnien und die Herzegowina besetzen.
    • Serbien, Montenegro und ein Teil von Herzegowina galten für beide Mächte als "Neutrale Zone".

    Falls das Osmanische Reich zerfiel:

    • Russland und Österreich würden dafür sorgen, dass eine Reihe kleiner souveräner Staaten entstehen, aber kein großer slawischer Staat, der das europäische Gleichgewicht gefährden könnte.
    • Konstantinopel könnte eine freie Stadt werden.
    • Russland würde das südliche Bessarabien erhalten.
    • Albanien, Bulgarien und Rumelien würden unabhängig werden.
    • Griechenland würde neue Gebiete erhalten.

    Am 24. April 1877 erklärte Russland den Krieg gegen das Osmanische Reich unter dem Vorwand, die Christen vor den türkischen Ausschreitungen schützen zu wollen. An Russlands Seite kämpften Serbien, Rumänien, Montenegro und bulgarische Freiwillige. Sie besetzten die Donautiefebene und den Schipkapass, nahmen Plewen Stara Sagora ein und marschierten nach Konstantinopel (heutiges Istanbul).

    Im März 1878 endete der Krieg mit dem Frieden von San Stefano. Das Ergebnis des Friedens war eine Vergrößerung von Serbien, Rumänien und Montenegro und die Wiederherstellung von Bulgarien als Staat, der dem Sultan des Osmanischen Reichs als nominell tributpflichtiges Fürstentum unterstellt war.

    Russlands Einfluss auf den Balkan hatte sich durch diesen Krieg vergrößert, was zu Protesten der europäischen Großmächte führte. Österreich-Ungarn wollte die nördlichen Balkanländer und somit eine Revision des Ergebnisses von San Stefano. Großbritannien fürchtete das Erstarken vom russischen Einfluss im Mittelmeer, da Großbritannien durch die Verbindung des Suez Kanals nach Britisch-Indien selbst ein strategisches Interesse am Mittelmeer hatte. Außerdem sah Großbritannien mit dem Ergebnis von San Stefano eine Gefährdung des europäischen Gleichgewichts.

    Diese Spannung eskalierte so weit, dass Österreich-Ungarn und Großbritannien Russland mit Krieg drohten.

    Der Berliner Kongress dauerte vom Juni 1878 bis zum Juli 1878. Die Ergebnisse der Friedensverhandlungen waren die Selbstständigkeit Rumäniens, Serbiens und Montenegros. Das Fürstentum Bulgarien erhielt weitgehende Autonomie. Makedonien, das seit San Stefano zu Bulgarien gehörte, ging zurück an die Osmanen. Ostrumelien, das seit San Stefano auch zu Bulgarien gehörte, erhielt Autonomie. Russland erhielt Südbessarabien und Teile Armeniens, Großbritannien erhielt Zypern und Österreich-Ungarn besetzte Bosnien-Herzegowina und Sandschak Novi Pazar.

    Der Frieden blieb erhalten, aber Russland und Österreich-Ungarn gingen deutlich verstimmt aus dieser Verhandlung heraus. Entgegen der Beschlüsse vom Berliner Kongress behielt das Osmanische Reich aber die meisten europäischen Balkanstaaten, so konnten diese ihre nationalen Bestrebungen nicht durchsetzen, was sich mit den Balkankriegen änderte.

    Balkankrise, Neue Grenzen in Balkan nach dem Berliner Kongress, StudySmarter

    Abbildung 2: Die neuen Grenzen im Balkan nach dem

    Berliner Kongress

    Balkankrise 1. Weltkrieg

    Der Erste Weltkrieg wurde durch das Attentat eines serbischen Studenten auf den österreich-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 ausgelöst. Wenn man den Hintergrund dieses Attentats jedoch einmal genauer betrachtet, erkennt man, dass dieses Attentat das Ergebnis von jahrelangen Spannungen zwischen Österreich-Ungarn und Russland um den Einfluss im Balkan war.

    Mit diesem Attentat wollten die von Russland unterstützten serbischen Panslawisten ihre Forderungen nach einem von Österreich-Ungarn unabhängigen serbischen Nationalstaat deutlich machen. Österreich-Ungarns Einflussnahme auf Serbien und Russlands Unterstützung der serbischen Panslawisten in ihrer Unabhängigkeitsbewegung führten zu diesem Attentat, das den Ersten Weltkrieg auslöste.

    Bismarck hatte die Streitparteien daraufhin zum Berliner Kongress eingeladen, um Frieden zu vermitteln. Deutschland hatte ein Interesse an diesem Frieden, da Russland und Österreich-Ungarn Bestandteil von Bismarcks Bündnissystem waren und ein Streit der beiden militärische Folgen haben könnte. Das würde bedeuten, dass sich Deutschland auf eine Seite stellen müsste und das Bündnis geschwächt würde.

    Balkankrise - Das Wichtigste

    • Krise zwischen europäischen Großmächten und Russland, die sich zwischen 1875 und 1878 im Balkan abspielte.
    • Verursacht durch Orientalische Frage und Schwächung des Osmanischen Reichs durch Aufstände.
    • Streit um Einfluss im Balkan, besonders zwischen Russland, Großbritannien und Österreich-Ungarn.
    • Hatte Balkankriege und Ersten Weltkrieg zur Folge.

    Nachweise

    1. Abb. 1 - Congress of Berlin, 13 July 1878 (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Congress_of_Berlin,_13_July_1878,_by_Anton_von_Werner.jpg) von Anton Alexander von Werner; gemeinfrei
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Balkankrise

    Wie kam es zur Balkankrise?

    Zur Balkankrise kam es durch die Schwächung des Osmanischen Reichs und durch das Einmischen der europäischen Mächte sowie die daraus entstehenden Spannungen um Einfluss im Balkan.

    Wann war die Balkankrise?

    Die Balkankrise dauerte von 1875 bis 1878 an.

    Warum war der Balkan ein Krisenherd?

    Der Balkan war durch die Schwächung des Osmanischen Reichs und das anschließend entstehende Machtvakuum ein Krisenherd. Die Unabhängigkeitsbewegungen der christlichen und slawischen Völker im Osmanischen Reich befeuerten den Krisenherd.

    Welche Rolle spielte der Balkan für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs?

    Der Erste Weltkrieg wurde durch die Nachwirkungen der Balkankrise ausgelöst. Österreich-Ungarns Einflussnahme auf Serbien bewegte die serbische panslawische Unabhängigkeitsbewegung zu dem Attentat am österreich-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand.

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