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MeToo – Bedeutung
Mit dem #MeToo (deutsch: #IchAuch) teilten überwiegend Frauen und einige Männer auf sozialen Netzwerken ihre persönlichen Erfahrungen mit sexueller Belästigung, Missbrauch oder Vergewaltigung. Inspiriert und ermutigt von den vielen Opfern, die ihre Erlebnisse bereits teilten, erhoben viele Betroffene erstmals 2017 ihre Stimmen.
Insbesondere gegen berühmte Personen wurden schwere Anschuldigungen erhoben und es entstand die länger andauernde gesellschaftliche MeToo-Debatte, die neben der Thematik der sexuellen Belästigung und Sexualstraftaten auch eine Diskussion über die strukturelle Diskriminierung von Frauen anstieß.
MeToo – Prägung des Begriffs
Ursprünglich prägte die Aktivistin Tarana Burke die Bezeichnung „MeToo“. Sie engagierte sich 2006 auf dem sozialen Netzwerk MySpace für eine Kampagne, die afroamerikanische Frauen untereinander helfen sollte, offener und empathischer beim Umgang mit Erfahrungen von sexueller Belästigung und Missbrauch zu werden.
MeToo – Entstehung
Die aktuelle #MeToo Bewegung entstand im Oktober 2017, als mehrere Frauen begannen, den berühmten Filmproduzenten Harvey Weinstein öffentlich der sexuellen Belästigung, Nötigung oder der Vergewaltigung zu beschuldigen.
Vor allem die Begriffe sexuelle Belästigung und sexuelle Nötigung lassen sich nicht trennscharf voneinander unterscheiden. Je nach Art der Betrachtung gibt es hier unterschiedliche Abgrenzungen.
Auch das deutsche Strafrecht ist nach einigen Reformen in diesem Bereich nicht mehr hundertprozentig eindeutig.
Vereinfacht gesagt, gilt die sexuelle Nötigung nach § 177 StGB als eine Art Überbegriff für die meisten Sexualstraftaten. Der Straftatbestand der sexuellen Nötigung ist erfüllt, sobald jemand sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt, vornehmen lässt oder diese von einem/einer Dritten an einem Opfer duldet. Dies trifft ebenfalls zu, wenn der/die Täter*in beim Opfer eine Situation ausnutzt, in der das Opfer nicht in der Lage ist, sein Unwohlsein auszudrücken.
Seit 2016 gilt die sexuelle Belästigung nach § 184i StGB als eigener Straftatbestand, wenn eine Person gegen ihren Willen in sexuell bestimmter Weise berührt wird.
Die Vergewaltigung ist im deutschen Strafrecht nach § 177 StGB Abs. 6 eine Extremform der sexuellen Nötigung. Sie liegt laut diesem Paragrafen immer dann vor, wenn der/die Täter*in am Opfer Beischlaf oder dem Beischlaf ähnliche Handlungen (Oral- oder Analverkehr) vollzieht. Das Eindringen mithilfe eines Fingers oder mit mehreren Fingern in das Opfer wird in der Rechtsprechung nicht zwangsläufig als Vergewaltigung verurteilt. Hierbei kommt es auf die Länge und Tiefe des Eindringens in das Opfer an.
Als Reaktion darauf forderte die Schauspielerin Alyssa Milano am 15. Oktober 2017 Frauen weltweit auf, mit dem #MeToo ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung oder Gewalt zu teilen. Ihre Intention war es, die weitverbreitete, normalisierte Alltagsdiskriminierung von Frauen sichtbar zu machen und besonders den Opfern von sexueller Belästigung und Gewalt Gehör und Glaube zu schenken.
Die Idee, das Ausmaß der Problematik zum ersten Mal flächendeckend sichtbar zu machen, indem man die Debatte in den Fokus der Öffentlichkeit rückte, gelang rasant.
Entwicklung der MeToo Bewegung und Debatte
Als Antwort auf Milanos Tweet oder als eigene Kommentare mit dem #MeToo wurden noch am selben Tag 200.000 und am darauffolgenden Tag 500.000 Kurznachrichten auf Twitter geteilt. Auf Facebook wurden im Verlauf der ersten 24 Stunden sogar 12 Millionen Beiträge von insgesamt 4,8 Millionen Nutzer*innen geteilt.
Männer als Teil der MeToo Bewegung
Neben vielen prominenten Frauen öffneten sich auch einige männliche Prominente gegenüber der Öffentlichkeit und teilten persönliche Erfahrungen. Somit wurde auch darüber aufmerksam gemacht, dass sexuelle Belästigung und Gewalt nicht nur Frauen widerfahren kann, sondern in weniger Fällen auch Männer betroffen sind (denen aufgrund ihres Geschlechts meist noch seltener Beachtung geschenkt wird).
Ein #HowIWillChange Tweet von Jem McDowall verspricht:
1. Ich werde etwas sagen, wenn ich etwas höre / sehe. 2. Ich werde meine eigenen Worte sorgfältig wählen. 3. Ich werde mir immer im Klaren über meine Handlungen sein. 4. Ich werde immer eine Person sein, in deren Umgebung man sicher ist. 5. Ich werde ein Vorbild für andere Männer sein.1
Andere Männer zeigten sich mit der Bewegung solidarisch, indem sie sich mit dem Hashtag #HowIWillChange (deutsch: #WieIchMichÄndernWerde) ehrlich zu früherem Fehlverhalten gegenüber Frauen bekannten, sich öffentlich dafür entschuldigten und ihre Unterstützung der Bewegung beteuerten. Viele weitere nutzten das Hashtag, um zu zeigen, dass sie die Problematik verstanden hatten und diese in Zukunft aktiv bekämpfen würden.
Verbreitung und Entwicklung des Hashtags #MeToo
Das Hashtag schaffte es in über 85 Staaten in die Social Media Trends und wurde somit extrem populär. In vielen Ländern gab es Abwandlungen von #MeToo in der jeweiligen Landessprache. In Frankreich wurde beispielsweise #balanceTonPorc (deutsch: #VerpfeifDeinSchwein) verwendet. Nach knapp einem Jahr gab es bereits circa 19 Millionen #MeToo Tweets.
Die wachsende Bekanntheit des Hashtags sorgte schnell dafür, dass sich dessen Bedeutung erweiterte. So wurden nach kurzer Zeit nicht nur Erlebnisse geteilt, die sexuelle Belästigung oder Angriffe beinhalteten, sondern auch viele kleinere Momente, in denen (vorwiegend Frauen) geschlechtsbasierte Diskriminierung erfuhren.
Als geschlechtsbasierte Diskriminierung bezeichnet man einen Oberbegriff, welcher ein breites Spektrum an Einzelphänomenen von bewusster oder unbewusster Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes erfasst. Man bezeichnet diese Form der Diskriminierung auch als Sexismus.
Die Spannweite der Inhalte war äußerst breit und reichte von unangebrachten Spitznamen wie „Schätzchen“ oder Kommentaren zur Menstruation („Hast Du Deine Tage oder warum bist Du so zickig?“) über systematische Ausgrenzung oder Verwehrung von bestimmten Privilegien aufgrund des Geschlechts bis hin zur sexualisierten Gewalt oder sogar Vergewaltigungen.
MeToo Debatte
Der Ursprung dieser Ungleichbehandlung, Diskriminierung und in extremen Fällen Ausnutzung so vieler Frauen geht auf grundlegende patriarchale Strukturen zurück, die in unserer Gesellschaft schon ewig bestehen. Die überlegene Stellung gibt Männern meist deutlich größere Chancen als Frauen, resultiert aber somit auch in einem gewissen Machtanspruch, den viele Männer verinnerlicht haben.
Der Begriff Patriarchat leitet sich vom altgriechischen Wort patriarches (deutsch: Erster unter den Vätern, Stammesführer, Herrschaft der Väter etc.) ab. Er bezeichnet in der Soziologie ein System von sozialen Beziehungen, bei welchem die maßgeblichen Werte wie Macht oder Ordnung den Männern zugeschrieben werden.
Vereinfacht gesagt könnte man den Begriff Patriarchat also auch als Vormachtstellung der Männer in einer Gesellschaft bezeichnen.
Genau dieser Machtanspruch führt laut vielen Expertinnen und Experten zu der Häufung an diskriminierenden, belästigenden und gewalttätigen Vorfällen, die von Männern gegenüber Frauen verübt werden.
Durch das #MeToo wurde plötzlich die schwierige Realität vieler Frauen sichtbar und weltweit waren Menschen von den Inhalten, aber auch der Anzahl der Berichte geschockt.
Innerhalb kürzester Zeit entstand eine öffentliche Debatte, die die generellen Geschlechterrollen hinterfragte und in vielen Fällen die Position der Frau in unserer modernen Gesellschaft kritisierte.
Beispiele für #MeToo
Damit Du eine Idee bekommst, welche mutmaßlichen bekannten Täter beschuldigt wurden und welche Branchen besonders betroffen waren, findest Du hier einige prominente Beispiele.
Beispiele für #MeToo – Harvey Weinstein
Ein Fall von großer Bekanntheit war der um den US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein, welcher die MeToo-Bewegung überhaupt erst losgetreten hatte. Es hatte lange Gerüchte um den Hollywoodfilm-Produzenten gegeben, doch ab Oktober 2017 folgte eine Reihe heftiger Anschuldigungen von (ehemaligen) Kolleginnen und Frauen aus Weinsteins Umfeld. Der sexuellen Belästigung oder Nötigung beschuldigten ihn über 80 Frauen, sechs davon zusätzlich der Vergewaltigung.
Im Januar 2020 begann Weinsteins Prozess am höchsten Gericht in New York, an dem er wegen besonders schwerer Vergewaltigung und gewalttätiger sexueller Nötigung zum Nachteil von zwei Frauen angeklagt war. Er wurde in den Anklagepunkten der Vergewaltigung und sexueller Nötigung schuldig gesprochen und im März 2020 zu einer Haftstrafe von 23 Jahren verurteilt
Beispiele für #MeToo Donald Trump und George H. W. Bush
Auch innerhalb der Politik kam es zu Anschuldigungen durch die MeToo-Debatte. Ein 2016 veröffentlichtes Video des damaligen US-Präsidenten Donald Trump wurde beispielsweise während der MeToo-Debatte immer wieder aufgegriffen. Das Video zeigt einige problematische Äußerungen Donald Trumps in seinem Umgang mit Frauen. In dem dreiminütigen Ausschnitt aus dem Jahr 2005 sagt Donald Trump gegenüber dem Fernsehmoderator Billy Bush:
I just start kissing them. It’s like a magnet. Just kiss. I don’t even wait. And when you’re a star, they let you do it. You can do anything. […] Grab ’em by the pussy. You can do anything.
Deutsche Übersetzung: „Ich fange einfach an, sie zu küssen. Das ist wie ein Magnet. Einfach küssen. Ich warte nicht mal. Und wenn Du ein Star bist, lassen sie Dich das tun. Du kannst alles machen. […] Sie an der Muschi anfassen. Du kannst alles tun.“
Auch gegen den Onkel des Gesprächspartners von Donald Trump, George H. W. Bush (auch George Bush Senior genannt) wurden während der MeToo-Debatte Anschuldigungen erhoben. Ihm wurde unter anderem von acht Frauen vorgeworfen, sie sexuell belästigt zu haben. Meistens beruhten diese Anschuldigungen auf unsittlichen Berührungen während Foto-Terminen.
Die Vorwürfe gegen die beiden ehemaligen US-Präsidenten George H. W. Bush (1989–1993) und Donald Trump (2017–2021) zeigen die Relevanz der MeToo-Bewegung. Der Sprecher von George H. W. Bush äußerte sich zu den Vorwürfen, indem er anzügliche Kommentare des ehemaligen Präsidenten als Mittel zur Stimmungsaufheiterung und die unsittlichen Berührungen vonseiten Bushs als freundliches Tätscheln abtat.
Anhand dieser „Erklärung“ für das Fehlverhalten wird gut deutlich, auf welches Problem die MeToo-Debatte aufmerksam machen möchte. Vor allem Männer denken oft in veralteten Rollenmustern und nutzen Machtgefälle zu Frauen zu ihrem eigenen Vorteil aus. Eigenes Fehlverhalten wird dabei als nicht so schlimm abgetan. Donald Trump stellt bei dieser Problematik die Spitze des Eisberges dar. Er umschreibt diesen Umstand nicht nur, sondern gibt ihn mit den Worten „And when you’re a star, they let you do it. You can do anything.“ sogar offen zu.
Beispiele für #MeToo – Kevin Spacey
Große mediale Aufmerksamkeit erlangten auch die Missbrauchsvorwürfe gegen den Schauspieler Kevin Spacey. Nachdem der Schauspieler Anthony Rapp angegeben hatte, im Alter von 14 Jahren auf einer Party von Spacey sexuell belästigt worden zu sein, brachen auch acht weitere Männer, die ähnliche Erfahrungen mit Spacey gemacht hatten, ihr Schweigen. Dies führte dazu, dass Netflix ihn aus ihrer beliebten „House of Cards“-Produktion warf.
Beispiele für #MeToo – Bill Cosby
Einer der wenigen Verurteilten nach der MeToo-Debatte ist der Schauspieler und Comedian Bill Cosby. Dieser wurde bereits vor dem Weinstein-Skandal wegen sexuellen Missbrauchs verklagt, nachdem er von über 60 Frauen der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde. Sein Urteil von mindestens 3 Jahren wurde jedoch wegen Ungültigkeit aufgehoben.
Beispiele für #MeToo – Roy Moore
Dem ehemaligen Richter des höchsten Gerichts des Bundesstaates Alabama, Roy Moore, wurde 2017 von einer Frau vorgeworfen, sie als Minderjährige zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben. Nachdem acht weitere Frauen die Vorwürfe der sexualisierten Gewalt gegen Moore unterstützt hatten, verlor er die außerordentliche Wahl zum Senat der Vereinigten Staaten in Alabama 2017.
MeToo – Deutschland
Prominentester Fall in Deutschland war der Filmregisseur Dieter Wedel. Die Anschuldigung, zwei Frauen sexuell belästigt und eine Schauspielerin vergewaltigt zu haben, waren schon seit 2018 bekannt und es kam Anfang 2021 zu einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft München.
Auch die im Sommer 2021 erhobenen Vergewaltigungsvorwürfe gegen den bekannten Rapper Samra sorgten für ein erneutes Aufflammen der Debatte. Während es als Reaktion vor allem zu einem Shitstorm gegen das vermeintliche Opfer kam, initiierte die Rapperin Shirin David die Bewegung #deutschrapmetoo, die offen die Diskriminierung, Objektifizierung und Verherrlichung der Gewalt an Frauen im Deutschrap adressierte.
In Deutschland führte die MeToo-Debatte zur Gründung der Themis-Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt, die Betroffene aus der Unterhaltungs- und Medienbranche berät und unterstützt.
Hintergründe der MeToo Vorfälle
Allgemein zeigte sich, dass die Verteilung von veröffentlichten Fällen besonders die Branchen Film und Fernsehen, Musik, Medien und Politik betraf. Dies lässt sich insofern erklären, als in den Bereichen oft Machtverhältnisse herrschen, die die Männer in eine begünstigte Position bringen, in der der Erfolg der Frauen von ihrer Gunst abhängig ist. So haben in all diesen Branchen meist Männer die entscheidungstragenden Stellungen wie Regisseure, Produzenten oder generelle Vorgesetzte.
Während zum einen für die Frauen oft das Gelingen ihrer Karriere von den männlichen Vorgesetzten abhängt, führt dies auch dazu, dass nur sehr wenige den Mut aufbringen, Grenzüberschreitungen anzuzeigen oder öffentlich über diese zu sprechen. Dies wird zudem noch durch eine generelle Angst bestärkt, dass sie mit negativen Konsequenzen rechnen müssen oder dass ihnen nicht geglaubt wird.
Als dramatisch wurde besonders die Vielzahl der Fälle aus unterschiedlichen Branchen gesehen. Es zeigte sich, dass sowohl gefeierte Ikonen aus Hollywood als auch Männer, die im Dienst des Staates, in der Politik oder für das Rechtssystem arbeiteten, eine grundlegend objektivierende und respektlose Sichtweise auf Frauen hatten und ihre Positionen auf Kosten dieser schamlos ausnutzten.
Wenn die Schuld für ein Vergehen beim Opfer statt bei dem/der Täter*in gesucht wird, spricht man von Victimblaming (deutsch: Opferbeschuldigen). Synonyme dafür sind auch blaming the victim oder Täter-Opfer-Umkehr.
Im Kontext der sexuellen Belästigung oder Gewalt kann dies häufig bedeuten, dass nach Entschuldigungen für das Verhalten des Täters gesucht wird, wie freizügige Kleidung der Frau als vermeintlicher Grund für sexuelle Belästigung. Dies geschieht bei sexuellen Übergriffen häufiger, sodass viele Betroffene oft noch mehr Angst davor haben, von ihren Erfahrungen zu berichten.
Kontroverse um MeToo
Im Rahmen der breit gefächerten Diskussionen rund um Geschlechterrollen, die Sexualisierung und Objektifizierung der Frau, die schwierigen Machtstrukturen und die generelle gesellschaftliche Handhabung von sexueller Belästigung und Gewalt kristallisierten sich einige klare Kritikpunkte an der MeToo-Bewegung heraus.
Missachtung des Ursprungs von MeToo
Die erste Erfinderin der Bezeichnung MeToo, Tarana Burke, lobte zwar alle Teilnehmenden für ihre Stärke, kritisierte aber, dass die Mühe afroamerikanischer Frauen sexuelle Belästigung und Gewalt unter dem ursprünglichen MeToo Ausdruck zu bekämpfen, nicht gewürdigt werden würde.
Falscher Fokus und diskriminierende Tendenzen
Auch die Tatsache, dass die Bewegung vor allem prominenten weißen Frauen Gehör für ihre Erlebnisse verschaffte, wurde als vielseitig problematisch erachtet. Hier wurden von Kritiker*innen aber tendenziell rassistische Tendenzen, die das Interesse der Bevölkerung widerspiegeln und nicht die Bewegung an sich als Ursache definiert. Trotzdem fehlte einigen der Fokus auf die Belästigung und Gewalt an Frauen, die sich als Person of Color (PoC) identifizieren und Frauen aus sozial schwächeren Umfeldern, da diese tendenziell Hauptbetroffene sind.
Am Ziel vorbei
Einige Kritiker*innen meinen außerdem, dass die Schilderung der vielen persönlichen Erlebnisse den Fokus von sexueller Belästigung und Gewalt als strukturelles Problem nehmen würde. Anderseits finden hier jedoch viele, dass die persönlichen Aspekte sogar dafür sorgten, nicht Betroffenen einen Zugang zum Thema zu ermöglichen und Verständnis aufzubauen, sodass ein effektiver Diskurs entstehen konnte.
Undifferenziertheit der Diskussion
Auch innerhalb Europas gab es viel an der MeToo-Bewegung auszusetzen. Allgemeiner Vorwurf war häufig, dass zu leicht eine Vermengung von Situationen und Taten entstand, sodass die eigentlich nötige trennscharfe Linie zwischen sexualisierten Straftaten wie Missbrauch oder Vergewaltigungen und plumpen Anmachen oder sexistischen Kommentaren verschwand.
Dies würde laut Kritiker*innen Opfern richtiger Straftaten nicht gerecht werden, die Bewegung allgemein diskreditieren und auch die verantwortlichen Männer zu Unrecht generell und gleichwertig verurteilen. Andere argumentieren hier jedoch, dass all diese Erfahrungen ein gemeinsames strukturelles Problem zugrunde liegen haben und sie nicht als gleichzusetzende Vorfälle zu betrachten sind, sondern viel mehr als Darstellung des Auswirkungsspektrums der männlichen Vormachtstellung.
Zweifel an Wahrheit der Vorfälle
Über den Verlauf der gesamten Debatte wurde immer wieder aufgebracht, dass die Frauen auch lügen und die benachteiligte Position ihres Geschlechtes in der Gesellschaft ausnutzen könnten, um persönliche Rache an Männern auszuüben. Dieser Vorwurf wurde jedoch meist rasant damit entkräftet, dass gerade bei prominenten Personen erst eine Person ihre Erfahrungen offenbarte, dann aber innerhalb kurzer Zeit weitere Betroffene ihre Erlebnisse schilderten und die Vorwürfen mehr und mehr untermauerten.
Der „Pence-Effekt“
Auch der sogenannte Pence-Effekt, benannt nach dem damaligen US-Vizepräsidenten Mike Pence, wurde von Kritiker*innen angeführt. Pence hatte geäußert, dass er es aus Angst vor falschen Vorwürfen vermied, allein mit Frauen zu essen. Der nach ihm benannte Effekt bezeichnet die Sorge unter Männern, Opfer falscher Vorwürfe zu werden.
Dies birgt den Nachteil für Frauen, dass ihre Karrierechancen sinken, wenn ein Mann sie einstellt. Doch auch dieser definierte negative Effekt stößt auf viel Gegenwind. So heißt es, dass die sinkenden Karrierechancen für Frauen nicht auf eine Angst vor falschen Vorwürfen, sondern auf einen männlichen Stolz zurückzuführen sind, sich differenziert und empathisch mit der Thematik auseinanderzusetzen.
Ergebnisse: MeToo 4 Jahre später
Während die MeToo-Bewegung tausende Frauen animierte, ihre Stimmen zu erheben, gab es auch viel Kritik. Doch vier Jahre nach dem Entflammen der Debatte lassen sich die Konsequenzen besser einordnen und bewerten.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass durch die MeToo-Bewegung die Thematik der Diskriminierung und der Sexualdelikte erstmalig in den vollen Fokus der Öffentlichkeit rückte. Diese plötzliche Sichtbarkeit von Strukturen, unter denen besonders Frauen schon ewig gelitten haben, gilt als einer der größten Erfolge.
Politische Maßnahmen
Einige Regierungen auf der Welt reagierten auf die neue Realität und initiierten Schutz- und Beratungskonzepte für Frauen, beziehungsweise erarbeiteten neue Gesetze, um höhere Sicherheit bei sexuellen Handlungen zu unterstützen.
USA
Das Repräsentantenhaus der USA entschied 2017, dass es jährlich Anti-Sexismus-Seminare für Abgeordnete und andere Mitarbeiter*innen politischer Strukturen geben solle.
Deutschland
In Deutschland wurde bereits vor dem Entflammen der #MeToo-Debatte ein Gesetz zur Verbesserung des Sexualstrafrechtes beschlossen. Die in dem Gesetz enthaltende „Nein heißt Nein“-Regelung besagt, dass es sich immer dann um eine Sexualstraftat handelt, wenn das Opfer sein Unwohlsein mit der sexuellen Handlung ausdrückt.
Schweden
In Schweden wurden 40 große Unternehmen beauftragt, detaillierte Konzepte über ihr Vorgehen gegen sexualisierte Gewalt vorzulegen. Zudem besagt seit 2018 das sogenannte „samtyckeslag“ (deutsch: Einwilligungsgesetz), dass beim Sex beide Partner*innen ausdrücklich und für die andere Person erkennbar ihr Einverständnis geben müssen. Tut einer der beiden Partner*innen dies nicht, wird dies als Vergewaltigung gewertet.
Die schwedische Regelung mag für einige auf den ersten Blick drastisch klingen. Jedoch versucht das Gesetz, die Problematik, welche durch die MeToo-Debatte erstmals eine große Aufmerksamkeit erlangte, an der Wurzel zu packen. Der damalige schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven beschrieb dies als einen „historischen Gesetzesvorschlag, welcher das regelt, was eigentlich selbstverständlich ist, [nämlich] dass Sex freiwillig sein sollte“.
Kritik an der Umsetzbarkeit in der Beweisführung ist im Falle des Gesetzes legitim. Dieser Umstand schmälert jedoch nicht die Tatsache, dass es sich bei dem neuen Gesetz um eine Regelung handelt, welche das Potenzial bietet, ein Umdenken im Bereich der Sexualität auszulösen. Ein Umdenken in diesem Bereich ist wichtig, da viele Opfer von sexueller Belästigung oder Gewalt oft in eine Art Schockstarre verfallen, in der sie nicht aktiv ihr Unwohlsein äußern können.
Übergeordnetes Ziel des Strafrechts sollte es immer sein, die Prävention von verletzendem, beziehungsweise unangemessenem Verhalten zu gewährleisten. Da Erfahrungen mit sexueller Belästigung oder Gewalt für die meisten Opfer noch jahrelange psychische und im schlimmsten Fall auch physische Folgen mit sich ziehen, sanktioniert das schwedische Sexualstrafrecht jetzt folgerichtig die „Oaktsam våldtäkt“.
Wörtlich übersetzt bedeutet dies „unachtsame Vergewaltigung“. Juristisch bedeutet die „Oaktsam våldtäkt“ im Deutschen jedoch eher, dass der/die Täter*in eine Vergewaltigung fahrlässig in Kauf nimmt.
Australien
In Australien wurde im Zuge der MeToo-Debatte 2018 die Menschenrechtskommission damit beauftragt, eine breit angelegte Studie zu sexueller Belästigung vorwiegend am Arbeitsplatz durchzuführen, um in Zukunft effektive Maßnahmen zum Schutz von Frauen treffen zu können.
Auswirkungen in der allgemeinen Öffentlichkeit
Öffentlich aufgegriffen wurde die Debatte auch von dem Film „Promising Young Woman“, der 2020 in die Kinos kam. Er thematisiert die Auswirkungen von Sexualdelikten auf die Psyche der Opfer und Angehörigen und zeigt, wie eine junge Frau sich gegen diese Taten wehrt. Auch viele Männer bezogen öffentlich Stellung und gaben in den vergangenen Jahren an, ihre Handlungen besser zu reflektieren.
Die Unterhaltungsbranche und auch andere Branchen haben zudem ihren Ansatz beim Umgang mit beschuldigten Männern geändert. So können vermehrte oder belegte Beschuldigungen für Männer heute auch das Ende ihrer Karriere oder einen Jobverlust bedeuten, was früher lange vermieden wurde.
Studien zu den Folgen von #MeToo
Auch aus statistischer Perspektive wird der „Erfolg“ der MeToo-Bewegung unterschiedlich bewertet. Einer US-amerikanischen Studie der University of Colorado zufolge sank die Anzahl der Frauen, die Erfahrungen mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gemacht hatten, zwischen 2016 und 2018 von rund 80 % auf ca. 50 %.
Eine andere Studie zeichnete eher die negativen Konsequenzen der Debatte ab. Es hieß, dass viele Frauen nun noch schlechtere Karrierechancen hätten, da viele Männer in vorgesetzten Positionen Angst vor falschen Anschuldigungen hätten. Rund ein Viertel der Männer gab an, daher nur in wenigen Fällen oder sogar gar keine Frauen mehr einstellen zu wollen. Unterstützer*innen der MeToo Bewegung argumentieren hier jedoch schnell, dass dies nicht den Frauen, die ihre Stimme erhoben, anzulasten wäre, sondern lediglich Produkt der vorausgehenden diskriminierenden Strukturen wäre.
#MeToo als Inspiration
Eine weitere Auswirkung der MeToo-Bewegung war, dass sie zur Inspiration für weitere Bewegungen wurde. So entstand beispielsweise die #TimesUp (deutsch: „Die Zeit ist um“) Bewegung, in dessen Namen sich vor allem prominente Frauen wie Meryl Streep, Taylor Swift, Oprah Winfrey oder Reese Witherspoon gegen die Benachteiligung von Frauen und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz stark machen. Auch viele prominente Männer aus dem Medienbusiness wie Steven Spielberg bekannten sich zu der Bewegung.Von #MeToo inspiriert rief der Aktivist Ali Can unter dem ähnlich klingenden #MeTwo dazu auf, die eigenen Erfahrungen mit rassistischer Diskriminierung zu teilen.
Als Rassismus bezeichnet man eine Ideologie, welche Menschen aufgrund von unterschiedlichen äußerlichen Merkmalen wie der Hautfarbe, der Augenform oder Ähnlichem in unterschiedliche „Rassen“ einteilt. Wichtig zu betonen ist, dass es sich beim Rassismus um eine Ideologie und auf keinen Fall um eine Meinung oder Theorie handelt, da es keinen wissenschaftlichen Beweis für unterschiedliche „Menschenrassen“ gibt.
Rassismus beruht auf der gleichen fehlerhaften Annahme wie jede andere Diskriminierungsform auch. Bei Diskriminierung werden aufgrund von äußerlichen Merkmalen wie zum Beispiel der Hautfarbe, der Religion, des Geschlechtes, der sexuellen Orientierung oder Identität zwei oder mehrere Gruppen geschaffen, denen meist unterschiedliche Wertigkeiten zugeschrieben werden. Die Gruppe, denen eine höhere Wertigkeit zugeschrieben wird, bezeichnet man oft als „Dominanzgesellschaft“.
Oftmals wird auch der Begriff „Mehrheitsgesellschaft“ verwendet. Dieser ist jedoch irreführend, da die genannte Gruppe nicht zwangsläufig größer sein muss. Die diskriminierte Gruppe bezeichnet man oft als „marginalisierte Gruppe“. Für Personen, die einer marginalisierten Gruppe angehören, ist die Diskriminierung allgegenwärtig. Sie werden meist mehrmals täglich schlechter behandelt als Menschen, welche der Dominanzgesellschaft angehören oder daran erinnert, dass sie vermeintlich „anders“ sind.
Wird eine Person, die gesamtgesellschaftlich gesehen der typischen „Dominanzgesellschaft“ angehört, aufgrund eines äußeren Merkmals herabgewürdigt, so spricht man nicht von Diskriminierung. Ein Beispiel dafür wäre eine Person mit weißer Hautfarbe, die in Deutschland aufgrund dieser beleidigt wird. Um von Diskriminierung zu sprechen, müssten diese und andere Personen mit weißer Hautfarbe jeden Tag eine schlechtere Behandlung aufgrund ihrer Hautfarbe erleben.
Im beschriebenen Beispiel handelt es sich jedoch statistisch gesehen um einen absoluten Ausnahmefall.
War #MeToo erfolgreich?
Ob #MeToo als erfolgreich oder nicht bewertet wird, hängt in der Regel stark von der jeweiligen Betrachtungsebene ab. Es lässt sich aber in jedem Fall sagen, dass die MeToo-Debatte als ein wichtiger Anstoß für eine gesellschaftliche Diskussion fungierte, die in den Augen vieler längst überfällig war.
Solltest Du von sexueller Belästigung oder Gewalt betroffen sein, gibt es verschiedene anonyme und kostenfreie Beratungs- und Hilfsangebote. Wir haben im Folgenden eine kleine Auswahl an Hilfsangeboten für Dich zusammengestellt:
Hilfetelefon Gewalt an Frauen: 0800 116 116
Hilfetelefon Sexueller Missbrauch (auch für Jungs und Männer): 0800 22 555 30
MeToo - Das Wichtigste
Ursprünglich geht das #MeToo auf die Aktivistin Tarana Burke zurück, die sich 2006 auf dem Netzwerk MySpace mithilfe einer Kampagne für einen offeneren und empathischeren Umgang mit sexueller Belästigung und Missbrauch unter afroamerikanischen Frauen einsetzte.
- Im Oktober 2017 erlangte das #MeToo durch den Aufruf von Alyssa Milano Bekanntheit.
- Alyssa Milano forderte Betroffene auf, ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und Gewalt zu teilen.
- Aus diesem Aufruf wurde jedoch recht bald eine weltweite gesamtgesellschaftliche Debatte über die Erfahrungen von Alltagsdiskriminierung, sexueller Belästigung und Gewalt von vor allem Frauen.
- Das Thema erlangte durch #MeToo zum ersten Mal die volle Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Infolgedessen schärften eine Reihe von Staaten ihre Gesetze im Bereich des Sexualstrafrechtes nach.
Nachweise
- Twitter /User @NYJemM: https://www.boredpanda.com/howiwillchange-tweets-metoo-benjamin-law/?utm_source=google&utm_medium=organic&utm_campaign=organic
- Abbildung 1: Tarana Burke (https://wordpress.org/openverse/image/a545d9fd-ae02-4a7d-af87-341e2e4ac3fc) by MIT Media Lab licensed by CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/?ref=openverse)
- Abbildung 2: Alyssa Milano (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:9.12.15AlyssaMilanoByLuigiNovi18.jpg) by Luigi Novi licensed by CC BY 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.en)
- Abbildung 3: Harvey Weinstein (https://wordpress.org/openverse/image/caccdd9a-4349-4b64-8371-47a114f12bba) by nick step licensed by CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/?ref=openverse)
- Abbildung 4: George H. W. Bush (r) und Donald Trump (l) (https://www.flickr.com/photos/148748355@N05/45466311874) Public Domain
- Abbildung 5: House of Cards Star Kevin Spacey (https://www.flickr.com/photos/64654599@N00/5407051681) by p_a_h licensed by CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/?ref=openverse)
- Abbildung 6: Bill Cosby (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2006_Bill_Cosby_photo_Navy_cropped_to_collar.jpg) Public Domain
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Häufig gestellte Fragen zum Thema MeToo
Was ist unter #MeToo zu verstehen?
Unter #MeToo versteht man ein berühmtes Hashtag, das von Betroffenen verwendet wird um ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und Gewalt zu teilen.
Was ist das Ziel der MeToo Bewegung?
Das Ziel der MeToo Bewegung ist es, auf sexuelle Belästigung und Gewalt aufmerksam zu machen und zu zeigen, wieviele Personen alltäglich davon betroffen sind.
Wie hat sich die MeToo Bewegung verbreitet?
Die MeToo Bewegung hat sich verbreitet, nachdem die Schauspielerin Alyssa Milano zur Nutzung des Hashtags #MeToo aufgerufen hatte. Danach teilten immer mehr Betroffene ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und Gewalt in den Medien.
Wer hat die MeToo Bewegung gestartet?
MeToo als Ausdruck geht ursprünglich auf Tarana Burke zurück, die sich gegen sexuelle Belästigung und Gewalt an afroamerikanischen Frauen einsetzt. 2017 hat Alyssa Milano zur Nutzung des #MeToo für alle Betroffenen aufgerufen.
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