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Es handelt sich um ein Phänomen, das nach der Wende entstanden ist und sich auf nostalgische Weise an die DDR erinnert oder sich diese zurückwünscht. Die retrospektive Loyalität ist geprägt von Erfahrungen und Werten aus DDR-Zeiten, die oft erst deutlich später so positiv wahrgenommen wurden, weil es vor der Wende größtenteils keine einheitliche DDR-Identität gab.
Da es keine eindeutige Definition für den Begriff gibt, gilt dieser als sehr dehnbar und kann eine generelle Ostidentität, eine ostdeutsche Mentalität oder auch ein neues ostdeutsches Selbstbewusstsein umfassen. Erstmalig im öffentlichen Leben verwendet wurde der Begriff vom Kabarettisten Uwe Steimle, dessen Programm von 1992 "Ostalgie" genannt war.
Hintergründe der Ostalgie
Nach der Wiedervereinigung, also dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, stand vor allem die ehemals ostdeutsche Bevölkerung vor einem komplizierten Transformationsprozess. Innerhalb relativ kurzer Zeit wurden die bestehenden staatlichen Strukturen aufgelöst und es musste eine allgemeine Anpassung an das politische, wirtschaftliche, rechtliche und soziale System der Bundesrepublik erfolgen.
Auch wenn dieser Übergangsprozess aus politik- und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht meist als erfolgreich eingeordnet wird, war die Entwicklung nach der Wende für viele Ostdeutsche auch von Verlusten und großer Enttäuschung geprägt. Nachdem viele der vor allem ökonomisch in Aussicht gestellten Zukunftsperspektiven nicht eintraten, entstand Anfang der 1990er-Jahre in manchen Teilen der ehemals ostdeutschen Bevölkerung eine zunehmende Abneigung gegen die BRD. Zeitgleich setzte die nostalgische Sehnsucht nach DDR-Zeiten ein, die bis heute bestehen bleiben sollte.
Äußerung und Ablauf der Ostalgie
Die Entstehung der Ostalgie umfasste eine flächendeckende Wiedererkennung vieler alltäglicher Gewohnheiten und Produkte der DDR, die größtenteils mit dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland aus dem Leben der meisten verschwanden. Besonders typische Produkte aus Zeiten der Konsumgesellschaft unter Erich Honecker erlebten eine Renaissance.
Medien
Als zentrales Medium knüpften viele Filme und Fernsehshows in den 1990er- und 2000er-Jahren an die aufkommende Ostalgie an. Der 1999 veröffentlichte Film "Sonnenallee" bediente die DDR-Nostalgie so erfolgreich, dass weitere sogenannte Mauerkomödien folgten. Neben Filmen wie "Herr Lehmann", "Kleinruppin forever" oder dem besonders erfolgreichen "Goodbye Lenin" konnten sich auch Fernsehsendungen wie die "Ostalgie Show" oder "Ein Kessel DDR", die den DDR-Alltag nachstellten, großer Beliebtheit erfreuen.
Auch die Comiczeitschrift "Mosaik" und das kultige "Ost-Sandmännchen" kehrten im Laufe der ostalgischen Hochphase zurück.
Lebensmittel
Mit Beginn der 1990er-Jahre gab es wieder klassische Ostprodukte im Handel, die nun nicht wie zu DDR-Zeiten als billige Kopien westlicher Produkte galten, sondern als authentische Originale von "bekennenden Ostmarken" gefeiert wurden.
In modernisierten, an die aktuellen Konsumwünsche angepassten, Formen erlebten ehemalige Verkaufsschlager wie die schokoladenähnliche Süßtafel "Bambina" ein großes Comeback. Auch Spreewaldgurken und Hallorenkugeln wurden schnell zu Verkaufsschlagern. Mit ihrem hohen Wiedererkennungswert appellierten die Produkte an die Erinnerungen und Erfahrungen Ostdeutscher, sodass die Ostalgie zu einer äußerst erfolgreichen Werbestrategie wurde.
Symbole und Kultprodukte
Auch viele weitere kultige Objekte und Symbole der DDR wurden wiederentdeckt. So wurden Pionierkleidung, der Trabbi (auch Trabi), Plattenbauten, alte ostdeutsche Inneneinrichtung oder das Ostampelmännchen als Identitätsanker der ehemaligen ostdeutschen Gesellschaft gesehen und wieder zu kommerziellen Produkten stilisiert.
Ostalgie als Lebensstil
Neben den vielen Produkten, die die aufkommende Ostalgie repräsentierte, entstanden auch Ostalgie-Hotels und Unterkünfte, die sich mit ihrer Einrichtung und Küche als die Lösung für die Sehnsucht nach der DDR darstellten.
Auch Ostalgie-Partys im privaten und öffentlichen Raum erfreuten sich immer größerer Beliebtheit. Es wurde meist DDR-typische Kleidung oder sogar Uniformen getragen und die Räumlichkeiten wurden mit ehemaligen SED- bzw. DDR-Artikeln wie Fähnchen, Transparente, Porträts oder Orden ausgestattet.
Auch die Musik orientierte sich an ostdeutschen Schlagern oder Popsongs, oder es wurden abgewandelte Fassungen der sozialistischen Arbeiter- und Kampflieder gespielt. Hier war der Erfolg so groß, dass es professionelle Veranstalter gab, die durch die neuen Bundesländer tourten und Ostalgie-Partys veranstalteten.
Ironischerweise wurden viele der kultigen Produkte, die mit der aufkommenden Ostalgie eine Wiederentdeckung erfuhren, von Betrieben hergestellt, die bereits von Westfirmen gekauft wurden.
Ostalgie heute
Obwohl die Lebensstandards in den neuen Bundesländern seit der Wiedervereinigung gestiegen sind, wird dort die DDR zunehmend positiver wahrgenommen. Während direkt nach der Wende die ostdeutsche Bevölkerung die DDR großflächig negativ beurteilte, schneidet sie heute besonders in Bezug auf Sozialpolitik besser als die BRD ab.
Dies wird vor allem mit der großen Enttäuschung vieler Menschen in Ostdeutschland in Verbindung gebracht, für die die Wiedervereinigung von Verlusten und Misserfolgen geprägt war. Diese Ernüchterung, die mit einer tendenziellen Ablehnung der BRD einhergeht, ist nach wie vor die Grundlage für die nostalgische Sehnsucht nach der DDR.
Kontroverse und Kritik
Seit das Phänomen der Ostalgie verstärkt auftritt, gibt es immer wieder scharfe Kritik. Zentrales Argument ist, dass die Ostalgie als positives Zurücksehnen nach der Vergangenheit die teils fatalen gesellschaftspolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Zustände in der DDR außen vorlässt oder diese sogar unangemessen beschönigt. In den Augen vieler Kritiker*innen handle es sich also um eine völlig unangebrachte retrospektive Verherrlichung eines menschenverachtenden Unrechtsstaates.
Demgegenüber steht die ebenfalls sehr verbreitete Annahme, dass es bei der Ostalgie nicht um eine vermisste menschenfeindliche Diktatur geht, sondern vielmehr um die Suche nach einem Identitätsanker. Die Menschen aus der ehemaligen DDR machten einen radikalen und oft enttäuschenden Lebensumbruch durch, der vielen das Gefühl gab, entwertet und zu Fremden im eigenen Land zu werden. Für sie gilt die Ostalgie daher als Verarbeitungsstrategie, die es ermöglicht, Erfahrungen, Erinnerungen, Normen und Werte ihres früheren Lebens beizubehalten und mit anderen zu teilen.
Ostalgie - Das Wichtigste auf einen Blick
- Ostalgie bedeutet die nostalgische Sehnsucht nach der DDR mit ihren typischen Lebensformen und Produkten.
- Hintergründe sind vor allem der rasante Lebensumbruch für Menschen in Ostdeutschland und die oftmals große Enttäuschung über die Wiedervereinigung.
- Seit Beginn der 1990er-Jahre ist das Phänomen der Ostalgie präsent und äußert sich über diverse Filme und Sendungen, Konsumgüter und Veranstaltung, die an den DDR-Alltag erinnern.
- Während viele die Ostalgie für eine Suche nach Identität und Herkunft halten, sehen Kritiker*innen eine problematische Verherrlichung eines menschenverachtenden Staates.
Nachweise
- Abbildung 1: Ost-Sandmännchen (https://wordpress.org/openverse/image/5f836bc8-4c53-420d-be62-8355374282ca) by mibuchat licensed by CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/?ref=openverse)
- Abbildung 2: Trabant ("Trabi") (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Trabant_601.jpg) Public Domain
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Ostalgie
Was versteht man unter Ostalgie?
Unter dem Begriff versteht man grundsätzlich eine nostalgische Sehnsucht nach bestimmten alltäglichen Lebensformen und Objekten aus der DDR bzw. dem Osten.
Gibt es auch Westalgie?
Als Westalgie bezeichnet man die nostalgische Sehnsucht nach dem alten Westdeutschland und Westberlin zu Zeiten der deutschen Teilung. Dennoch gibt es keine Community, die dies derart auslebt wie unter Ostalgiker*innen.
Wie kam es zur Ostalgie?
Zur Ostalgie, also der Sehnsucht einiger ehemaliger Ostdeutscher nach der alten Lebensweise kam es vor allem durch die Verschlechterung der sozioökonomischen Lage vieler Ostdeutscher. Viele fühlten sich von dem neuen System und den neuen Lebensweisen abgehängt und überrumpelt.
Was war der Trabi?
Trabi ist eine Abkürzung für den Trabant, einen Pkw der ab 1958 in Ostdeutschland produziert wurde. Da er dort lange der einzige zu erwerbende Kleinwagen war, wurde er zu einem typischen Symbol der DDR.
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