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Euthanasie im "Dritten Reich" - Definition
Das Wort "Euthanasie" stammt aus dem Griechischen und leitet sich von dem Wort "euthanasía" ab, welches als "leichter Tod" übersetzt werden kann. Euthanasie beschreibt im Grunde die Sterbehilfe bei unheilbar kranken Patienten.
Betrachtet man das Wort "Euthanasie" jedoch im Kontext des Nationalsozialismus, so wird schnell klar, dass es dort missbräuchlich verwendet wurde und nur wenig mit der eigentlichen Definition zu tun hatte – im "Dritten Reich" wurden 200.000 bis 300.000 Menschen systematisch im Rahmen der NS-Euthanasieaktionen ermordet. Daher wird häufig, wenn es um die Geschichte der Euthanasie im "Dritten Reich" geht, auch vom Krankenmord gesprochen.
Der Begriff "Euthanasie" ist inzwischen veraltet und wird in der Regel nicht mehr verwendet. Die Euthanasie im "Dritten Reich" trägt einen wesentlichen Teil zur heutigen Meidung des Wortes bei.
Rassenhygiene und Euthanasie im "Dritten Reich" – die "Wissenschaft" hinter dem Krankenmord
Falls dieses Thema gänzlich neu für dich ist, fragst du dich jetzt sicher, was die Ermordung von Menschen mit Wissenschaft zu tun hat und wieso das Wort oben in Anführungszeichen steht. Diese Fragen sind zum Glück sehr leicht zu beantworten: Der NS-Krankenmord war nämlich eng mit den "Wissenschaften" der Rassenhygiene und Eugenik verknüpft. Aus heutiger Sicht können diese Disziplinen, in erster Linie die Rassenhygiene, nicht mehr als Wissenschaft angesehen werden. Vor hundert Jahren war dies allerdings anders.
Das Wort "Eugenik" stammt aus dem Altgriechischen ("eugenes") und bedeutet so viel wie "Wohlgeborenheit" / "guter Zeugung" / "guter Abstammung".
Bevor du Genaueres zu den Euthanasieaktionen im "Dritten Reich" lernst, bekommst du also erst einmal einen Einblick in die Eugenik und Rassenhygiene – das ist ein wichtiger Grundstein dieser Thematik, der dir dabei helfen wird sie besser zu verstehen.
Eugenik und Rassenhygiene
Die Begriffe "Eugenik" und "Rassenhygiene" werden häufig synonym verwendet. Dabei muss jedoch immer auf den Kontext geachtet werden. Vor allem für die Zeit des Nationalsozialismus ist eine gleichbedeutende Nutzung der beiden Worte gang und gäbe. In der Nachkriegszeit blieb die Wissenschaft der Eugenik noch für einige Zeit bestehen, wurde allerdings zunehmend unpopulärer und Wissenschaftler distanzierten sich immer mehr von ihr. Doch was genau waren überhaupt die Inhalte dieser rassenhygienischen "Wissenschaft" und wo finden sich ihre Wurzeln?
ACHTUNG: Im weiteren Verlauf dieses Artikels werden die Begriffe "Eugenik" und "Rassenhygiene" ebenfalls synonym verwendet!
Entstehung der Disziplin
Zum ersten Mal taucht das Wort "eugenics" 1883 in einem Werk des britischen Naturforschers Francis Galton auf. Dieser verstand darunter die Wissenschaft, die sich mit den Kriterien beschäftigt, welche sich positiv auf die Erbqualitäten nachfolgender Generationen auswirken.
Die Idee, dass eine Höherentwicklung des Menschen überhaupt möglich war, fußte auf der berühmten Evolutionstheorie des Naturforschers Charles Darwins – vielleicht hast du seinen Namen ja sogar schon einmal gehört. Einhergehend mit der Annahme, dass sich der Mensch gezielt weiter entwickeln könnte, war allerdings auch die Angst vor "Degeneration" oder "Entartung".
"Degeneration" bedeutet so viel wie "Rückgang"/"Rückbildung" oder beschreibt den Zerfall von Zellen/Organen/Gewebe.
Pass auf, dass Du Begriffe wie "Entartung", "Degeneration" etc. (vor allem) in diesem Kontext immer in Anführungszeichen setzt, um klar zu machen, dass Du Dich von den Worten distanzierst, da sie Teil des Nazi-Jargons sind.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann die neu aufgekommene "Wissenschaft" der Rassenhygiene schnell an Popularität und international zunehmend an Bedeutung. In Deutschland wurde sie 1895 mit dem Werk "Die Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen" vom Nationalökonom Alfred Ploetz eingeführt. In diesem Buch beschrieb und erklärte er die Grundlinien der Rassenhygiene. 1905 gründete Ploetz außerdem die "Deutsche Gesellschaft für Rassenhygiene" in Berlin.
Neben Ploetz gilt der Arzt Wilhelm Schallmeyer als Mitbegründer der Rassenhygiene in Deutschland. 1903 veröffentlichte er das Werk "Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker" und wenige Jahre später "Vererbung und Auslese. Grundriss der Gesellschaftsbiologie und der Lehre vom Rassedienst" . In letzterem Titel stellte er die These auf, dass, durch die zunehmend besser werdenden hygienischen und medizinischen Umstände, beim Menschen keine "natürliche Auslese" mehr stattfinden könne, wodurch wiederum die "Rassetüchtigkeit" sinken würde.
Rassenhygiene in der Weimarer Republik
Zur Zeit der Weimarer Republik erfuhr die "Wissenschaft" der Rassenhygiene besonderen Aufwind – an Universitäten wurden Professuren und Lehrstühle eingerichtet, die sich speziell mit der Eugenik beschäftigten. Es waren jedoch nicht nur rechte und völkische Kreise, die sich mit den eugenischen Thematiken auseinandersetzten. Die Rassenhygiene war eine angesehene, neue Disziplin, die sich problemlos in der Sozialdemokratie etablieren konnte.
Der Psychiater Alfred Hoche veröffentlichte 1920 allerdings ein Werk mit dem Titel "Die Freigabe der Vernichtung unwerten Lebens: ihr Maß und ihre Form". Dieses Buch, mit der Forderung "lebensunwertes Leben" zu "vernichten" stieß auf starke Ablehnung und stellte einen eindeutigen Tabubruch dar.
Die "Wissenschaft" der Rassenhygiene genoss also durchaus großes Interesse in akademischen Kreisen, schon vor dem Beginn des "Dritten Reichs". An drastische Maßnahmen, wie einer landesweiten Euthanasieaktion, war zu diesem Zeitpunkt allerdings in keiner Weiser zu denken. Es ging hier vielmehr darum die Vererbung von Krankheiten, sowie psychischen und physischen Merkmalen besser zu verstehen und dieses Wissen für die "Aufwertung" der Menschheit zu nutzen.
Inhalte und Ziele der NS-Eugenik
Wie du dir sicherlich vorstellen kannst, war die Herangehensweise der Nationalsozialisten an die Eugenik deutlich extremer. Sie glaubten ohnehin bereits an die Existenz von "Menschenrassen" und dass es unter diesen "wertvolle" sowie "minderwertige Rassen" gebe. Aus Sicht der Nazis müsse sich das "deutsche Volk" vor schädlichen Einflüssen aus eben diesen "minderwertigen Rassen" schützen, um "rein" zu bleiben.
Insgesamt hatte die Rassenideologie einen enorm hohen Stellenwert im breiten Geflecht der NS-Ideologie. Daher wurde auch, unmittelbar nachdem Hitler an die Macht kam, mit der Umsetzung rassenhygienischer Maßnahmen begonnen.
Doch was waren eigentlich die Ziele der NS-Eugenik?
- Personen mit "minderwertigem" Erbgut sollten keine Kinder bekommen dürfen
- Menschen mit "wertvollen" Merkmalen (keine psychischen oder physischen Krankheiten, "nordische Rassenmerkmale") sollten früh heiraten und viele Nachkommen zeugen
- "Schlechte Erbanlagen" sollten durch die Sterilisierung von "Asozialen", Kriminellen und "Minderwertigen" vollständig ausgelöscht werden
- finanzielle Entlastung des Staates durch erhoffte rückläufige Kriminalitätsrate und weniger Menschen in Pflegeeinrichtungen
- Erschaffung eines gesünderen und "rassisch hochwertigeren Volkes"
- "Vernichtung lebensunwerten Lebens" (Ermordung kranker Menschen / Menschen mit Behinderungen)
Bitte halte Dir immer vor Augen, dass es sich bei der Rassenhygiene um keine tatsächliche Wissenschaft handelt und dass all diese Ziele der Nazis auf keinen fundierten wissenschaftlichen Fakten, sondern Rassismus und Menschenverachtung beruhten! So etwas, wie eine "genetische Aufwertung" eines "Volkes" ist und war nie möglich.
Die Umsetzung eugenischer Maßnahmen im "Dritten Reich"
Wie Du an den Zielen, die die Nazis im Rahmen der Rassenhygiene verfolgten, bereits erkennen kannst, erachteten sie verschiedene Maßnahmen als nötig, um ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Es ist daher ebenfalls wichtig, bevor es genauer um die Euthanasie gehen soll, einen Blick auf die Sterilisation von Menschen zu werfen.
Sterilisation
Im Rahmen der rassenhygienischen Aktionen der Nazis im "Dritten Reich" wurden etwa 400.000 Menschen sterilisiert. In beinahe allen Fällen handelte es sich hierbei um einen Zwangseingriff – es gab nur wenige Menschen, die sich freiwillig dieser Operation unterzogen.
Die "Sterilisation" ist ein medizinischer Eingriff, welcher die Patient*innen unfruchtbar macht. Beim Mann werden die Samenleiter abgeklemmt oder durchtrennt und bei der Frau die Eileiter abgebunden.
Rechtlich legitimiert wurde dies durch das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN), welches bereits am 14. Juli 1933 erlassen wurde und ab dem 1. Januar 1934 in Kraft trat. Dieses Gesetz sah eine Sterilisation aller Personen vor, die beispielsweise unter Schizophrenie, Depressionen, Alkoholismus oder "angeborenem Schwachsinn" litten. All diese "Abweichungen vom Normalen" galten für die Nazis als "Erbkrankheiten".
Besonders die "Krankheit" der "Schwachsinnigkeit" mag aus heutiger Sicht besonders absurd klingen, war im "Dritten Reich", neben "Schizophrenie", jedoch die häufigste Diagnose, die die Zwangssterilisation rechtfertigen sollte. Die Definitionen dieser beiden "Erbkrankheiten" waren sehr lose und ungenau, dies ermöglichte es beinahe bei jedem eine solche "Krankheit" zu diagnostizieren.
In der Wissenschaft war zu dieser Zeit tatsächlich bereits bekannt, dass keine medizinische Notwendigkeit für Sterilisierungen bestand und "kranke" Eltern gesunde Kinder bekommen konnten. Dies passte aber natürlich nicht in das ideologische Narrativ der Nationalsozialisten, weshalb Walter Groß (Leiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP) 1936 in einer Rede betonte, dass keine Abhängigkeit zwischen wissenschaftlicher Forschung und rassegebundenen Werten bestehen dürfe.
Euthanasie
Nun soll es um die gravierendsten Maßnahmen der Rassenhygiene im "Dritten Reich" gehen: Die Euthanasie-Aktionen. Denn Menschen, die als "krank" und "minderwertig" betitelt wurden, "nur" von der Fortpflanzung auszuschließen, war den Nazis nicht genug. Sie sahen Patienten in Heil- und Pflegeanstalten, mit körperlichen und geistigen Behinderungen, als "wertlos" und eine Verschwendung von staatlichen Geldern an – deswegen sollten sie sterben.
Grob lässt sich zwischen drei "Phasen" der NS-Euthanasie unterscheiden: "Aktion T4", der "Kindereuthanasie" und der zweiten Phase der "Aktion T4", der "dezentralen Euthanasie".
"Aktion T4"
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde 1939 offiziell die Umsetzung des Krankenmordes eingeleitet.
Am 1. September 1939 forderte Hitler in einem handschriftlichen Schreiben, dass die Befugnisse bestimmter Ärzte
so erweitert werden sollten, dass diese "unheilbar Kranken" den "Gnadentod" gewähren konnten.
In der "Kanzlei des Führers" war das "Hauptamt II" (Angelegenheiten Betreffs Staat und Partei) alleinig für die "Euthanasieaktion" zuständig. Oberamtsleiter SS-Standartenführer Dr. Viktor Brack und SA-Obersturmführer Werner Blankenburg waren die Verantwortlichen im "Hauptamt II". Ihre Organisationszentrale zog im April 1940 in eine Villa in der Tiergartenstraße 4 in Berlin-Charlottenburg – sie wurde ab diesem Zeitpunkt nur noch "T4" genannt, weshalb die "Euthanasie Aktion" auch als "Aktion T4" bezeichnet wurde.
"Aktion T4" war ein aufwendig geplantes "Euthanasieprogramm" mit "großräumigen Vernichtungsstrukturen" und es gab verschiedene Herangehensweisen bei der Ermordung von Patienten der Heil- und Pflegeanstalten. Zum einen gab es das Konzept der sogenannten "Niederführung" wobei die Menschen schlicht unterernährt wurden – diese "subtile" Art des Mordens führte dazu, dass im Nachhinein schwer nachzuvollziehen war, ob der Tod eines Patienten beabsichtigt oder Folge der allgemein schlechten Verhältnisse war, die in den Anstalten herrschten.
Neben der "Niederführung" gab es noch den direkten Weg der "Vernichtung" der Patienten. Dafür mussten die Anstalten Patienten in Listen eintragen, die es anhand strenger Anweisungen zu melden galt. Diese Listen mussten dann an das zuständige Gesundheitsamt sowie die GEKRAT ("Gemeinnützige Krankentransport GmbH") weitergeleitet werden. Die GEKRAT schickte dann Reisebusse, mit welchen die Patienten zunächst in eine Durchgangsanstalt gebracht wurden – dies diente allein zur Verschleierung. Danach wurden die Menschen durch Vergasung mit Kohlenmonoxyd getötet.
Diese Tabelle zeigt dir wie viele Menschen von welchen Anstalten in der ersten Phase der "Aktion T4" durch Vergasung getötet wurden:
Anstalt | Zeitraum | Opfer |
Grafeneck bei Reutlingen | Januar - Dezember 1940 | 9.839 |
Hadamar bei Limburg | Januar - August 1941 | 10.072 |
Brandenburg an der Havel | Februar - September 1940 | 9.722 |
Sonnenstein in Pirna | Juni 1940 - August 1941 | 13.720 |
Bernburg an der Saale | September 1940 - August 1941 | 8.601 |
Hartheim bei Linz | Januar 1940 - August 1941 | 18.269 |
Kindereuthanasie
Bereits im August 1939 wurde vom Reichsinnenministerium ein geheimer Erlass verabschiedet, der Hebammen und Ärzte dazu verpflichtete "körperlich und/oder geistig behinderte Kinder" bis zum dritten Lebensjahr an den "Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden" zu melden. So war es dem Regime möglich alle Kinder mit Behinderungen zu erfassen, auch wenn diese nicht in einem Heim untergebracht waren – der erste Schritt der "Kindereuthanasie".
Die Kindereuthanasie wurde legal, auf Gesetzesgrundlagen durchgeführt. Ziel war es möglichst alle Kinder mit "Erbkrankheiten" und/oder "Behinderungen" direkt nach der Geburt "abzufangen" und zu töten. Die offizielle Altersgrenze für den Mord an Kindern wurde später auf das 17. Lebensjahr angehoben.
In der Regel wurden die Kinder dafür in eine sogenannte "Kinderfachabteilung" geschickt, wo sie zunächst für eine Weile beobachtet wurden und dann, nach einer entsprechenden Einschätzung der zuständigen Ärzte, durch eine Überdosis an Beruhigungsmitteln umgebracht wurden. Etwa 5.000 Kinder und Jugendliche wurden Opfer der Kindertötung.
Dezentrale Euthanasie / Phase Zwei der "Aktion T4"
Vielleicht ist dir bei der Tabelle oben bereits aufgefallen, dass spätestens im August 1941 die Ermordung der Patienten zu stoppen schien. Das liegt daran, dass am 24. August 1941 ein "Euthanasiestopp" erfolgte – Grund dafür waren Proteste gegen die "Euthanasieaktion". Die Kritik am Krankenmord kam vor allem aus der Medizin selbst, aber auch aus der Kirche.
Leider konnte dieser offizielle "Euthanasiestopp" die Patienten in den Heil- und Pflegeanstalten nicht retten. Die Menschen wurden nun zwar nicht mehr vergast, aber dafür entweder durch Medikament-Überdosen oder Unterernährung umgebracht. Diese dezentrale Ermordung der Patienten stellt die zweite Phase der "Aktion T4" dar und dauerte bis zum Ende des NS-Regimes an.
"Dezentral" bedeutet an sich "von einem Mittelpunkt entfernt" oder "nicht von einer Stelle ausgehend / auf verschiedene Stellen/Orte verteilt".In diesem Kontext ist mit "dezentral" also gemeint, dass der Krankenmord nicht mehr offiziell und öffentlich gesteuert und praktiziert, sondern geheim und unterschwelliger durchgeführt wurde.
Es wird angenommen, dass nach dem "Euthanasiestopp" noch mindestens 90.000 weitere Menschen im Rahmen der dezentralisierten Euthanasie, allein im Deutschen Reich (Österreich ausgeschlossen) umgebracht wurden. Eine genaue Zahl lässt sich hier schwer feststellen, da auch hier nicht klar erkennbar ist, welche Tode in den Anstalten mit Absicht herbeigeführt wurden – mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch nahezu alle.
Wie viel wusste aber das "Volk" über die eugenischen Maßnahmen des Regimes?Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten – geht es um die Sterilisation, so ist davon auszugehen, dass jeder Bescheid wusste, da dieser Eingriff offen propagiert wurde. Mit der Euthanasie verhält es sich anders, diese wurde zu Teilen öffentlich und zu Teilen geheim durchgeführt.
Die Nazis waren sich der Tatsache bewusst, dass die Ermordung kranker Menschen auf mehr Widerstand stoßen würde als die Unfruchtbarmachung. Der Krankenmord wurde also nicht offen "beworben", wie die Sterilisation, aus eugenischen Schriften der NS-Zeit ist jedoch klar herauszulesen, dass die "Vernichtung lebensunwerten Lebens" Teil der rassenhygienischen Maßnahmen sein musste, wollten sie ihre Ziele erreichen.Dass die Ermordung so vieler Menschen nicht unbemerkt bleiben konnte liegt wohl auf der Hand. Die meisten der Verstorbenen hatten natürlich Angehörige, die stellten Fragen, dazu liefen Krematorien Tag ein Tag aus – das lies die Menschen zumindest vermuten, was dort vor sich ging. Dass dies, wie zu erwarten war, nicht auf euphorische Zustimmung traf, zeigt sich beispielsweise an diesem Auszug eines Briefs, den der Patient einer Anstalt in Weilmünster, Ernst P., 1943 an seine Mutter schrieb:"Wir wurden [...] verlegt, [...] damit man uns in dieser wenig bevölkerten Gegend unauffällig verhungern lassen kann. [...] Die Menschen [...] sterben wie die Fliegen. [...] Früher ließ man in dieser Gegend die Leute schneller töten und in der Morgendämmerung zur Verbrennung fahren. Als man bei der Bevölkerung auf Widerstand traf, da ließ man uns einfach verhungern."
Quelle: LWV-Archiv, Best. 12 Nr. K2274, Brief von Ernst P. an seine Mutter (3.9.1943), zitiert nach: Sandner, Peter: Planwirtschaft und Krankenmord, in: Hedwig, Andreas; Peter, Dirk (Hg.): Auslese der Starken - "Ausmerzung" der Schwachen - Eugenik und NS-"Euthanasie" im 20. Jahrhundert, Marburg 2017.
Stellung der Kirche zur Euthanasie im "Dritten Reich"
Wie eben bereits kurz erwähnt, sorgte unter anderem der Protest Seitens der Kirche für den "Euthanasiestopp". Der Grund hierfür ist natürlich nicht verwunderlich, da die christliche Kirche stets die Nächstenliebe predigte und bei der Versorgung von Kranken und Bedürftigen half.
Tatsächlich war die Kirche der sogenannten "positiven Eugenik" nicht abgeneigt, da sie ebenfalls die "Verbesserung" des Menschen als Ziel sah. Dies sollte jedoch durch ein gottesfürchtiges Leben und der Abkehr von Lastern erreicht werden. Dem Eingriff in die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen widersprach sie von Beginn an eindeutig.
Den Nazis war von vornherein klar, dass die Kirche versuchen würde sich dem Krankenmord in den Weg zu stellen. Aus diesem Grund wurden, bereits Jahre vor Beginn der "Aktion T4", zahlreiche Patienten aus kirchlichen Einrichtungen in staatliche verlegt – dies sollte später einen unproblematischen Deportationsverlauf garantieren.
Dass der Mord an hunderttausenden Menschen jedoch nicht gänzlich geheim gehalten werden konnte ist, wie oben bereits erwähnt, recht offensichtlich. Im Sommer 1940 begann die Kirche ihre Vermutungen, dass das Regime "kranke" Menschen umbringe, laut auszusprechen. Es folgten zahlreiche Briefe von Bischöfen, Kardinälen und anderen Geistlichen an die NS-Regierung. Dir Kirche bot sogar an "Kranke" aufzunehmen, um somit die Kosten für den Staat zu reduzieren und die Menschen so retten zu können.
Ende der Euthanasie im "Dritten Reich"
Wie du vielleicht aus den vorherigen Abschnitten bereits entnehmen konntest, gab es kein wirkliches "Ende der Euthanasie" im "Dritten Reich". Nach dem "Euthanasiestopp" am 24. August 1941 wurden die Patienten von Heil- und Pflegeanstalten zwar nicht mehr vergast, aber trotzdem weiterhin umgebracht, bloß unauffälliger. Die Euthanasie des "Dritten Reichs" endete somit erst mit Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Untergang des Nazi-Regimes.
Im Rahmen der Nürnberger Prozesse gab es einen eigenen Ärzteprozess vom 9. Dezember 1946 bis zum
20. August 1947, bei welchem die Ärzte des NS-Regimes für ihre Taten, besonders im Zusammenhang mit der Euthanasie, aber auch in Konzentrationslagern, zur Rechenschaft gezogen werden sollten. Zahlreiche Ärzte versuchten ihr Handeln damit zu rechtfertigen, dass sie ihres Erachtens nach die Menschen bloß "von ihrem Leid erlöst" hätten.
Von 23 Angeklagten wurden sieben freigesprochen, weitere sieben zum Tode verurteilt, fünf zu lebenslanger Haft und vier zu Haftstrafen zwischen 10 und 20 Jahren verurteilt.
Euthanasie im dritten Reich – Das Wichtigste
- Die Euthanasie im "Dritten Reich" wurde vor allem durch die "Wissenschaft" der Rassenhygiene/Eugenik gerechtfertigt – psychisch oder körperlich "kranke" Menschen wurden als "wertlos" und eine "Geldverschwendung" angesehen und sollten daher getötet werden.
- Grob kann zwischen der "Kindereuthanasie" der "Aktion T4" und der "dezentralen Euthanasie" unterschieden werden.
- Das "Kindereuthanasie-Programm" hatte zum Ziel möglichst viele "minderwertige" Kinder direkt nach der Geburt abzufangen und umzubringen.
- Die "Aktion T4" war die offizielle Euthanasieaktion, welche es ermöglichte Patienten von Heil- und Pflegeanstalten durch Kohlemonoxyd zu vergasen – sie wurde mit Beginn der Zweiten Weltkrieges eingeleitet.
- Im Rahmen der "dezentralen Euthanasie", nach dem "Euthanasiestopp", wurden tausende weitere Menschen in Anstalten durch Unterernährung oder Medikament-Überdosen ermordet.
Nachweise
- Abb. 1 - "Logo of the Second International Congress of Eugenics, 1921" by Harry H. Laughlin on Wikimedia (www.wikimedia.org) licensed under Public Domain
- Abb. 2 - "Villa Tiergartenstraße" by National Libary of Norway (https://www.nb.no) licensed under Public Domain
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Euthanasie im Dritten Reich
Was ist Euthanasie im Dritten Reich?
Die Euthanasie im "Dritten Reich" war die Ermordung psychisch oder körperlich kranker/behinderter Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus – auch bekannt als "Krankenmord".
Wer wurde euthanasiert?
Im Rahmen der NS-Euthanasie wurden vor allem Menschen ermordet, die geistige oder körperliche Behinderungen hatten, besonders viele Patienten von Heil- und Pflegeanstalten fielen also der Euthanasie zum Opfer – darunter auch Kinder.
Was versteht man unter Euthanasie?
Das Wort Euthanasie stammt aus dem Griechischen und leitet sich von dem Wort "euthanasía" ab, welches als "leichter Tod" übersetzt werden kann. Euthanasie beschreibt im Grunde die Sterbehilfe bei unheilbar kranken Patienten. Betrachtet man das Wort "Euthanasie" jedoch im Kontext des Nationalsozialismus, so wird schnell klar, dass es dort missbräuchlich verwendet wurde und nur wenig mit der eigentlichen Definition zu tun hatte – im "Dritten Reich" wurden 200.000 bis 300.000 Menschen systematisch im Rahmen der NS-Euthanasieaktionen ermordet.
Wer fiel der Euthanasie zum Opfer?
Besonders Patienten von Heil- und Pflegeanstalten, also Menschen mit psychischen oder körperlichen Krankheiten/Behinderungen fielen der Euthanasie im "Dritten Reich" zum Opfer – darunter auch Kinder.
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