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Reichskristallnacht – Definition
Die Novemberpogrome von 1938, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November ausgeführt wurden, sind auch unter dem Begriff Reichskristallnacht bekannt.
Reichskristallnacht – Begriffserklärung
Der Begriff Reichskristallnacht findet seinen Ursprung in den unzähligen Glasscherben, die nach den Gewaltmaßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung und ihre Häuser oder Geschäfte ausgeübt wurden, überall auf den Straßen verteilt lagen – sie sollen wie Kristalle gefunkelt haben. Das Wort "Reichskristallnacht" oder auch nur "Kristallnacht" wird heute zumeist als verharmlosend gesehen. Erst Jahrzehnte nach den Novemberpogromen wurde der Begriff "Reichspogromnacht" geläufiger.
Reichskristallnacht – Pogrom
Worum genau handelt es sich aber bei einem Pogrom? Generell ist "Pogrom" kein Wort, welches sich nur auf die antisemitischen Ausschreitungen des 09. und 10. Novembers 1938 bezieht.
Bei einem Pogrom handelt es sich um gewalttätige Ausschreitungen gegen eine bestimmte Gruppe – zumeist eine religiöse, nationale oder ethnische Minderheit.
Der Begriff "Pogrom" selbst stammt aus dem Russischen: Das Wort погром bedeutet so viel wie "Verwüstung", "Krawall" oder "Zerstörung".
Reichskristallnacht – Auslöser
Bereits in den vorherigen Jahren, seit der Machtergreifung Hitlers 1933, wurden die Juden in Deutschland immer stärker diskriminiert. Dies hatte zu Beginn hauptsächlich rassistische und antisemitische Gründe, die von der nationalsozialistischen Regierung propagiert wurden. Ab 1938 wurde die jüdische Bevölkerung auch noch aus einem anderen Grund stärker verfolgt: Die Kriegsvorbereitung für den Zweiten Weltkrieg lief zu dieser Zeit bereits auf Hochtouren und durch die Enteignung des jüdischen Kapitals sollte diese zusätzlich finanziert werden.
Antisemitismus beschreibt Hass oder Feindschaft gegenüber Juden und dem Judentum.
Vorbereitungen für die Enteignung, systematische Verfolgung und Abschiebung der Juden wurden bereits in den Jahren zuvor getroffen. Im August 1935 wurde eine Judenkartei von der Gestapo eingeführt, in der die deutschen Juden lokal und regional erfasst wurden. Ab dem 14. Juni 1938 mussten jüdische Gewerbebetriebe sich registrieren lassen und von außen sichtbar markiert werden – so konnten diese bei den Pogromen auch besser erkannt werden. Außerdem mussten Juden im selben Jahr ihr gesamtes Vermögen detailliert beim Finanzamt offenlegen.
Die Gestapo war die "Geheime Staatspolizei" des nationalsozialistischen Staates.
Die "Polenaktion"
Im Oktober 1938 kam es zur sogenannten Polenaktion. Die polnische Regierung hatte zuvor verordnet, dass alle Pässe von Polen, die länger als fünf Jahre im Ausland waren, auslaufen sollten. Davon waren besonders viele arme Juden in Deutschland betroffen, die illegal im Reich lebten.
Die deutsche Regierung verhaftete, auf Anweisung Heinrich Himmlers hin, mindestens 17.000 aus Polen eingewanderte Juden und brachte sie zur polnischen Grenze bei Zbąszyń, wo sie diese über die Grenze jagten. Einige der Vertriebenen wurden daraufhin in einem Flüchtlingslager auf der polnischen Seite interniert. Die gewaltsame Abschiebung kam für die betroffenen Menschen vollkommen überraschend.
Heinrich Himmler war NSDAP-Politiker, Reichsführer der SS und Chef der Polizei.
Das Attentat vor der Reichspogromnacht
Am 07. November 1938 kam es daraufhin zu einem Attentat in der deutschen Botschaft in Paris. Dort erfuhr der 17-jährige Herschel Grynszpan, dass auch seine Familie nach Zbąszyń abgeschoben wurde. Als Rache besorgte er sich einen Revolver, um den deutschen Botschafter zu erschießen. Stattdessen erschoss er einen NSDAP-Mann, Ernst Eduard vom Rath, der zwei Tage später verstarb – dieses Attentat wurde von den Nationalsozialisten als Anlass für die Pogrome gegen die deutschen Juden genommen.
Reichskristallnacht – Reichspogromnacht
Schon am 07. November 1938 kam es zu den ersten Übergriffen auf jüdische Bevölkerungsgruppen und ihr Eigentum. Am 08. November 1938 erreichte dann die Nachricht von der Ermordung vom Raths die deutsche Bevölkerung. In verschiedenen Zeitungen wurde der Mord durch den Juden öffentlichkeitswirksam ausgeschlachtet. Auch in der Parteizeitung der NSDAP, der Völkische Beobachter, war von einer neuen Haltung gegenüber den Juden die Rede und es wurde subtil zu Gewalttaten gegen Juden aufgefordert. Am 08. November 1938 brannten bereits die ersten Synagogen.
Die Reichskristallnacht – 09. November 1938
In der Nacht vom 09. November 1938 nutzten Hitler und Goebbels den Mord schließlich, um das "Weltjudentum" vor versammelter SA- und Parteiführung für den Tod Raths verantwortlich zu machen und lobten die bereits stattgefundenen Aktionen gegen die Juden. Dies war der Aufruf für die anwesenden SA-Führer, mit eigenen Aktionen gegen die Juden vorzugehen.
Das Weltjudentum ist eine antisemitische Verschwörungstheorie, nach welcher es einen Zusammenschluss an Juden gebe, welcher die Weltherrschaft anstrebe oder sogar bereits besitze.
So wurde zum einen die Festnahme von 20.000 bis 30.000 wohlhabenden Juden vorbereitet und zum anderen Instruktionen für die Zerstörung von jüdischem Eigentum gegeben. Dies galt freilich nicht für Wertgegenstände, diese gingen unbeschadet in den Besitz der Nationalsozialisten über.
In der Nacht kam es dann zu den Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung, die auch noch am 10. November 1938 andauerten. In vereinzelten Orten hörten die Randale erst am 13. November 1938 auf. Geschäfte wurden zerstört, Synagogen abgebrannt, in Wohnungen von Juden wurde eingebrochen und Tausende wurden gefangen genommen. Etwa 30.000 junge, wohlhabende, männliche Juden wurde in die zuvor extra erweiterten Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen gebracht.
Reichskristallnacht – Folgen
Die Folgen der Reichspogromnacht waren für die jüdische Bevölkerung verheerend. Waren sie davor nur diskriminiert worden, markierte diese Nacht den offiziellen Beginn der systematischen und gewaltsamen Verfolgung der Juden. Außerdem durften sie ab diesem Moment nicht mehr Teil der deutschen Wirtschaft sein – viele versuchten Deutschland zu verlassen.
Schätzungen zu Folge starben etwa 400 Juden während der Pogrome der Reichskristallnacht. Auch sollen über 1.400 Synagogen zerstört worden sein. Viele jüdische Kulturgemeinden lösten sich auf. Circa 30.000 Juden wurden in die deutschen Konzentrationslager verschleppt.
Reichskristallnacht – Das Wichtigste
- In der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 kam es zur Reichskristallnacht/Reichspogromnacht, bei der es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen die deutsche jüdische Bevölkerung kam.
- Vom Regime und der Presse als willkürlicher Volkszorn beschrieben, waren sie schon lange geplant gewesen, um die "Arisierung" der deutschen Wirtschaft zu verwirklichen und die Juden für die Kriegsaufrüstung bezahlen zu lassen.
- Im ganzen Deutschen Reich kam es zu Ausschreitungen gegen Juden und ihre Besitze – sie wurden umgebracht, ihre Geschäfte und Wohnungen geplündert und zerstört, Synagogen abgebrannt.
- Bis zu 400 Juden starben in der Nacht vom 09. November 1938 und beinahe alle Synagogen im Land wurden zerstört.
- Bis zu 30.000 Juden wurden in der Reichspogromnacht festgenommen, ihr Besitz enteignet und in die deutschen Konzentrationslager geschickt. Die Reichskristallnacht markierte den Beginn der systematischen Verfolgung der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus.
Nachweise
- Abb. 1 - "Bilder der Novemberpogrome 1938 in Berlin" by Unknown author on wikimedia (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_day_after_Kristallnacht.jpg) licensed under Public Domain
- Abb. 2 - "Plakat im Fenster eines französischen Restaurants" by Bundesarchiv, Bild 183-S59096 (bundesarchiv.de) licensed under CC-BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)
- Abb. 3 - "Börnerplatz synagogue in Frankfurt am Main was set on fire by a Nazi mob during Kristallnacht" by Wikimedia (www.wikimeadia.org) licensed under Creative Commons Attribution 4.0 International (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en)
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Reichskristallnacht
Woher kommt der Begriff Kristallnacht?
Es ist nicht klar, wer den Begriff "Reichskristallnacht" eingeführt hat. Die Nazis selber erwähnten ihn nur einmal. Erst nach 1945 etablierte sich der Begriff neben "Reichspogromnacht", um die Ereignisse zu beschreiben. Ein Pogrom hingegen, ist eine gewalttätige Aktion gegen Menschen, die einer Minderheit angehören. Daher ist der Begriff "Kristallnacht" verharmlosend für die brutalen Übergriffe auf Juden vom 9. November 1938.
Was ist in der Reichskristallnacht passiert?
In der "Reichskristallnacht" fand ein Pogrom, eine gewalttätige Aktion gegen Menschen einer Minderheit, gegen Juden statt. Dazu gehörte auch die Zerstörung ihrer Geschäfte und Gotteshäuser - den Synagogen. Auch vor brutalen Angriffen auf offener Straße und Mord schreckten die Nazis nicht zurück.
Warum darf man nicht mehr Reichskristallnacht sagen?
Der Begriff "Reichskristallnacht" ist im Vergleich zum Begriff Reichspogromnacht verharmlosend. Anstatt auf die brutalen Angriffe auf die Juden aufmerksam zu machen, weist der Begriff lediglich auf zerbrochenes Glas hin. Somit ist Reichspogromnacht besser zutreffend und macht die Gewalttaten deutlicher.
Was bedeutet Pogrom einfach erklärt?
Ein Pogrom ist eine Gewalttat gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen, zumeist handelt es sich um eine religiöse, nationale oder ethnische Minderheit.
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