Göttinger Sieben – Definition
Als "Göttinger Sieben" bezeichnete man sieben Professoren der Universität Göttingen, die im Jahr 1837 Protest gegen die Abschaffung der liberalen Verfassung im Königreich Hannover einlegten.
Göttinger Sieben – Geschichte
Neben dem Zusammenschluss der souveränen Einzelstaaten zum Deutschen Bund sahen die Beschlüsse des Wiener Kongresses 1815 ebenfalls vor, dass jeder dieser Staaten auch eine eigene Verfassung erhalten sollte.
Manche Länder kamen dieser Forderung schneller nach, manche langsamer – im Königreich Hannover war es schließlich 1833 so weit und eine landständische Verfassung, das sogenannte "Staatsgrundgesetz" wurde erlassen.
An der Erarbeitung dieser Verfassung waren, anders als in vielen anderen deutschen Staaten, liberal gesinnte Personen beteiligt, so zum Beispiel Christoph Friedrich Dahlmann (Professor der Universität Göttingen und Abgeordneter der zweiten hannoverschen Ständeversammlung).
Entsprechend seiner Verfasser, war das "Staatsgrundgesetz" von 1833 schlussendlich in großen Teilen liberal geprägt – ganz zum Unmut von Ernst August I., der vier Jahre später (1837) den Thron von Hannover bestieg.
Abbildung 1: Ernst August I. (König von Hannover 1837–1851)
Das "Staatsgrundgesetz"
Die Ausarbeitung der hannoverschen Verfassung von 1833 war ein langwieriger Prozess. Doch am Ende konnten die liberalen Verfechter, die daran mitgewirkt hatten, zufrieden sein, denn das "Staatsgrundgesetz"
ermöglichte es neben dem Adel nun auch Bauern und Bürgern Teil der Zweiten Kammer der Ständeversammlung (Parlament) zu werden,
schränkte die Verantwortung der Minister ein,
stärkte die Selbstverwaltung der Städte
und schuf eine einheitliche Steuerkasse, deren Geldmittel von der Ständeversammlung verwaltet wurden beziehungsweise freigegeben werden mussten.
Göttinger Sieben 1837
Ernst August I. war ein sehr konservativer Herrscher und konnte der liberalen Verfassung des Königreichs, anders als sein Vorgänger, nicht viel abgewinnen.
Am 5. Juli 1837 verkündete er schließlich sein Vorhaben, das "Staatsgrundgesetz" wieder abzuschaffen, da die Verfassung ohne seine Zustimmung erlassen wurde und er sich ihr in keiner Weise verpflichtet fühlte.
Diese Neuigkeiten erreichten auch Christoph Friedrich Dahlmann, der an der Entstehung der Verfassung beteiligt gewesen war. Als Professor der Universität Göttingen versuchte er das Universitätskuratorium (universitärer Vorstand) und seine Kollegen dazu zu bewegen, Protest gegen Ernst Augusts Vorhaben einzulegen – jedoch vergeblich.
Als der König die Verfassung nun am 1. November 1837 für offiziell für ungültig erklärte, unternahm Dahlman einen erneuten Versuch des Protestes.
Protest der Göttinger Sieben
Dahlmann setze ein Protestschreiben auf, in dem er sich entschieden gegen die Abschaffung der liberalen "Staatsgrundgesetze" aussprach und erklärte, der Verfassung auch weiterhin treu zu bleiben.
Und erneut wandte er sich mit seinem Anliegen an die Universität und an seine Kollegen und bat um Unterstützung – große Zustimmung erhielt er aber nicht und schlussendlich unterzeichnet neben ihm nur noch sechs weitere Professoren die Protestschrift.
Auch wenn der Lehrkörper den Protest nicht unterstützte, so taten es dennoch zahlreiche der Göttinger Studenten!
Göttinger Sieben – Namen
Die Namen der sieben Professoren, die später als die "Göttinger Sieben" in die Geschichtsbücher eingehen sollten, lauten:
- Christoph Friedrich Dahlman
- Wilhelm Eduard Albrecht
- Georg Heinrich August Ewald
- Georg Gottfried Gervinus
- Jakob Grimm
- Wilhelm Grimm
- Wilhelm Weber
Der schriftliche Protest wurde am 18. November 1837 dem Universitätskuratorium vorgelegt.
Bei Jacob und Wilhelm Grimm handelt es sich übriges tatsächlich um die "Gebrüder Grimm", die bekannten deutschen Märchenschreiber!
Abbildung 2: Die Göttinger Sieben. (v.o.n.u/ v.l.n.r. Wilhelm Grimm, Jacob Grimm, Wilhelm Eduard Albrecht, Christoph Friedrich Dahlmann, Georg Gottfried Gervinus, Wilhelm Eduard Weber und Heinrich Georg August Ewald)
Auszug aus dem Protestschreiben der Göttinger Sieben
"Wenn daher die unterthänigst Unterzeichneten sich nach ernster Erwägung der Wichtigkeit des Falles nicht anders überzeugen können, als daß das Staatsgrundgesetz seiner Errichtung und seinem Inhalte nach gültig sei, so können sie auch, ohne ihr Gewissen zu verletzen, es nicht stillschweigend geschehen lassen, daß dasselbe ohne weitere Untersuchung und Vertheidigung von Seiten der Berechtigten, allein auf dem Wege der Macht zu Grunde gehe. Ihre unabweisliche Pflicht vielmehr bleibt, wie sie hiermit thun, offen zu erklären, daß sie sich durch ihren auf das Staatsgrundgesetz geleisteten Eid fortwährend verpflichtet halten müssen, und daher weder an der Wahl eines Deputirten zu einer auf andern Grundlagen als denen des Staatsgrundgesetzes berufenen allgemeinen Ständeversammlung Theil nehmen, noch die Wahl annehmen, noch endlich eine Ständeversammlung, die im Widerspruche mit den Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes zusammentritt, als rechtmäßig bestehend anerkennen dürfen."
Göttinger Sieben – Folgen
Ernst August I. empfand den Protest der Göttinger Sieben als Provokation und als Beleidigung und entschloss hart gegen die liberalen Professoren vorzugehen:
- Am 4. Dezember 1837 mussten sich die Göttinger Sieben vor dem Universitätsgericht verantworten.
- Am 14. Dezember 1837 wurden sie ihrer Ämter als Professoren der Universität Göttingen enthoben.
- Weiter wurden Dahlman, Gervinus und Jacob Grimm zum Exil verurteilt – sie mussten das Land innerhalb von drei Tagen verlassen.
- Albrecht, Ewald, Weber und Wilhelm Grimm hingegen durften weiter in Göttingen bleiben.
Göttinger Sieben – Auswirkungen
Zuerst war die Protestaktion der Göttinger Sieben lokal begrenzt, dies änderte sich jedoch, als zahlreiche Studenten auf Anregung von Gervinus hin Abschriften der Protestschrift anfertigten.
So verbreitete sich diese auch über die Landesgrenzen des Königreichs Hannover hinaus, in die anderen deutschen Staaten und erregte dort großes öffentliches Aufsehen.
Vielerorts wurde das Abschaffen der Verfassung und das harte Vorgehen Ernst Augusts I. als Anmaßung und Rechtsbruch verurteilt.
Die Göttinger Professoren hingegen wurden als Helden gefeiert, die stellvertretend für die Rechte der liberalen Bevölkerung eingestanden waren. Die Courage der Sieben, für ihre Treue zur Verfassung einzustehen und sich gegen ihren Landesherrn aufzulehnen, obwohl dies gravierende Folgen für ihre Leben hatte, sorgte landesweit für Sympathiebekundungen.
Der Protest der Göttinger Sieben sollte noch lange nachhallen, denn
- er rückte das liberale Anliegen wieder verstärkt in das Licht der Öffentlichkeit
- und trug so maßgeblich zur Stärkung der liberalen Bewegungen und des Konstitutionalismus auf deutschem Boden bei.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt konnten die Beschlüsse und Verordnungen der konservativen deutschen Führungsriege die Massenbewegung des Liberalismus nicht mehr so einfach unterdrücken.
Die Göttinger Sieben und ihre Aktion trugen durch das enorme politische Echo, das sie verursachten, maßgeblich zur Märzrevolution 1848 bei.
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Die Göttinger Professoren und die Paulskirchenverfassung
Vier der sieben Göttinger Professoren waren übrigens auch Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, dem ersten gesamtdeutschen Parlament, das im Zuge der Märzrevolution einberufen wurde.
Dahlmann, Grevinus, Albrecht und Jacob Grimm waren dort sowohl an der Ausarbeitung der "Grundrechte des Deutschen Volkes" als auch der "Verfassung des Deutschen Reichs" (auch Paulskirchenverfassung genannt) maßgeblich beteiligt.
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Göttinger Sieben – Denkmal
Noch heute erinnern Gedenktafeln und Denkmäler an die Göttinger Sieben und ihren Protest.
In der Aula der Göttinger Universität wurde 1987 eine Gedenktafel für die sieben Professoren angebracht und der zentrale Campus der Universität trägt heute den Namen "Platz der Göttinger Sieben".
1998 wurde ein Bronze-Denkmal für die Göttinger Sieben auf dem Vorplatz des Niedersächsischen Landtages errichtet.
Abbildung 3: Das Denkmal der Göttinger Sieben auf dem Vorplatz des Niedersächsischen Landtages
Göttinger Sieben – Das Wichtigste
- Die Göttinger Sieben waren sieben Professoren der Universität Göttingen, die 1837 schriftlich Protest gegen die Abschaffung der liberalen Verfassung im Königreich Hannover durch König Ernst August I. einlegten.
- Die Namen der Professoren lauteten: Christoph Friedrich Dahlman, Wilhelm Eduard Albrecht, Georg Heinrich August Ewald, Georg Gottfried Gervinus, Jakob Grimm, Wilhelm Grimm und Wilhelm Weber.
- Als Folge des Protestes wurden alle sieben Professoren ihrer Ämter enthoben, drei Mitglieder der Gruppe wurden sogar des Landes verwiesen.
- Durch Abschriften der Protestschrift verbreitete sich das Anliegen der Göttinger Sieben auch über Landesgrenzen hinaus und erregte so große Aufmerksamkeit in der politischen Öffentlichkeit.
- Die Göttinger Sieben wurden von der Bevölkerung als liberale Helden gefeiert, die trotz persönlicher Nachteile für ihre Werte eingestanden sind – so trugen sie maßgeblich zur Stärkung der liberalen Bewegungen und des Konstitutionalismus auf deutschem Boden bei.
Nachweise
- Abbildung 1: Ernst August I. (König von Hannover 1837–1851) (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ernst_August_von_Hannover_(1771-1851),_by_Edmund_Koken.jpg) – Public Domain
- Abbildung 2: Die Göttinger Sieben. (v.o.n.u/ v.l.n.r. Wilhelm Grimm, Jacob Grimm, Wilhelm Eduard Albrecht, Christoph Friedrich Dahlmann, Georg Gottfried Gervinus, Wilhelm Eduard Weber und Heinrich Georg August Ewald) (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:G%C3%B6ttinger_Sieben-RZ.jpg) – Public Domain
- Abbildung 3: Das Denkmal der Göttinger Sieben auf dem Vorplatz des Niedersächsischen Landtages (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Denkmal_Goettinger_Sieben.jpg) – Public Domain
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