Nach dem Ende der Französischen Revolution 1819 versuchten die regierenden Fürsten und Adeligen des Deutschen Bundes ihre Privilegien und ihre politischen Führungsrollen zu sichern. Doch diese "Restaurationspolitik" stieß auf Unmut bei der deutschen Bevölkerung und im Zuge des "Vormärz" entstanden liberale und nationalistische Bewegungen. Die Liberalen und Nationalisten sprachen sich für einen deutschen Nationalstaat und gegen die Restauration aus und bedrohten so die Stellung der machthabenden Fürsten im Deutschen Bund enorm. Vonseiten der Regierung bestand dringender Handlungsbedarf, die revolutionären Strömungen einzudämmern. Und eine Maßnahme dies zu tun, waren die "Karlsbader Beschlüsse".
Bei den"Karlsbader Beschlüssen"von 1819handelte es sich um eine Reihe von Maßnahmen und Gesetzen zurUnterdrückung liberaler und nationalistischer Bewegungeninnerhalb des Deutschen Bundes.
Karlsbader Beschlüsse – Hintergrund
Mit den Beschlüssen desWiener Kongresses von 1815hatte sich diekonservative und reaktionäre(gegenrevolutionäre) Führungsriege des Deutschen Bundes ihre vorrevolutionärepolitische Stellung und ihre adeligen Privilegien zurückgeholt. DieRestaurationspolitik sorgte dafür, dass die Landesfürsten ihreSouveränitätinnerhalb ihrerKleinstaatenbehielten.
In der deutschenBevölkerungaber regte sichWiderstandgegen den staatlichen und politischen Rückschritt,den die Restauration bedeutete. Zunehmend begannen sich liberale und nationalistische Anhänger zuorganisieren, zum Beispiel in den sogenanntenBurschenschaften(Studentenverbindungen). Diese Zusammenschlüsse machten es sich zum Ziel, konkrete Forderungen gegen die Restauration und für einen deutschen Nationalstaat und für einheitliche Grund- und Freiheitsrechtezu formulieren (zum Beispiel auf dem Wartburgfest 1817).
Solche Verbände stellten eine konkrete Gefahrfür dieregierenden Fürsten dar. Wenn diese "staatsfeindlichen" Burschenschaften noch mehr Anhänger gewonnen und deren nationalistischen Forderungen auch Runde in der deutschen Bevölkerung gemacht hätten, so hätten die Fürsten befürchten müssen, ihre privilegierte Stellung im Zuge einer möglichen Revolution zu verlieren.
Die Fürsten mussten etwasgegen die revolutionären Bewegungen im Volk unternehmen und 1819 bot sich schließlich eine Gelegenheit dafür.
Wenn Du mehr über die Burschenschaften und das Wartburgfest 1817 sowie deren Bedeutung für die deutsch-nationalistische Bewegung erfahren möchtest, dann wirf doch mal einen Blick in die Erklärungen "Burschenschaften" und "Wartburgfest" hier auf StudySmarter!
Karlsbader Beschlüsse – Anlass
Am 23. März 1819wurde der SchriftstellerAugust von Kotzebuein Mannheim von einemStudentennamensKarl Ludwig Sandermordet.
Kotzebue war einantiliberaler und reaktionärer Schriftsteller, der die Restaurationspolitik und die Kleinstaaterei des Deutschen Bundes verteidigte. Somit erschien es als "Feind" der liberalen und nationalistischen Burschenschaftenund einer davon gehörte auch Karl Ludwig Sand an.
Das Attentat schlug große Wellen sowohl in der Bevölkerung als auch in den politischen Reihen:
Bei vielen liberalen Anhängern wurde Sand als eine Art Held gefeiert.
Die Öffentlichkeit hingegen war geschockt von dem Verbrechen.
Und die konservativen Fürsten, allen voran der österreichische Außenminister Fürst Klemens von Metternich, sahen nun eine Gelegenheit gekommen, aktiv und mit voller Härte gegen die Liberalen und Nationalisten vorzugehen. Die Ermordung Kotzebues hatte ihnen den passenden Anlass dafür geliefert.
In der Erklärung "Fürst von Metternich" kannst Du mehr über den österreichischen Außenminister und reaktionären Politiker Klemens von Metternich erfahren.
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Um einweiteres Vorgehengegen die liberalen und nationalistischen Bewegungen zu besprechen, wurde im August 1819 eineMinisterialkonferenz einberufen. An der Versammlung unterFührungvon Fürst Metternich nahmenMinister und Diplomatenaus folgendenzehndeutschen Staaten teil.
Österreich
Preußen
Bayern
Baden
Württemberg
Hannover
Sachsen
Nassau
Mecklenburg-Schwerin
Mecklenburg-Strelitz
Veranstaltungsort war derKurort Karlsbad in Böhmen, damals noch Teil des österreichischen Kaiserreichs. Getagt wurde vom 6. bis zum 31. August 1819.
wirksame Mittel und Maßnahmen zurUnterdrückungder liberalen und nationalistischen Bestrebungen im Deutschen Reich zu finden.
wirksame Mittel und Maßnahmen zur Überwachung von potenziellen Risikogruppenzu finden.
Für diese Zwecke wurden die Karlsbader Beschlüsse formuliert – eine Reihe von Gesetzen, die gezielt auf dieRepression (Unterdrückung) "staatsfeindlicher" Bewegungenabzielten.
Karlsbader Beschlüsse – Inhalt
Die Karlsbader Beschlüsse umfassten im Kern vier Gesetze: das "Universitätsgesetz", das "Preßgesetz", das "Untersuchungsgesetz" und die "Exekutionsordnung". Was es damit genau auf sich hatte, erfährst Du jetzt.
Karlsbader Beschlüsse – Universitätsgesetz
DasUniversitätsgesetzrichtete sich gezielt gegen die Burschenschaften und das Lehrpersonal der deutschen Universitäten. Denn diese waren einer dergrößten Risikofaktorenfür die deutsche Regierung und sollten so schnell wie möglichhandlungsunfähiggemacht und unter Kontrolle gebracht werden.
Hierfür wurden im "Universitätsgesetz" verschiedene Maßnahmen festgeschrieben:
Einschränkungder Lehrfreiheit.
Überwachungvonpolitisch auffälligen oder verdächtigen Studenten und Professoren.
GegebenenfallsEntlassungder verdächtigen Personen und anschließendesBerufs- oder Universitätsverbot.
Sämtliche Burschenschaftenund Turnvereine wurden offiziell verboten.
Verbreitete also ein Professor liberales Gedankengut und wurde dabei erwischt, so wurde er fristlos entlassen und er durfte seinen Beruf nicht weiter ausüben. Wurde ein Student in der gleichen Situation erwischt, so wurde er der Universität verwiesen und sichergestellt, dass er auch an keiner anderen Universität lernen durfte.
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Abbildung 2: Die Karikatur "Der Denker-Club" karikiert die beschnittene Meinungsfreiheit an den deutschen Universitäten nach den Karlsbader Beschlüssen
Karlsbader Beschlüsse – Preßgesetz
ImPreßgesetzwurde festgehalten, dass sämtliche Schriften, die unter 320 Seiten (20 Bogen) umfassten, einerZensurunterzogen werden mussten. Mit dieser Regelung griff das "Preßgesetz"massiv in die Presse- und Meinungsfreiheit im Deutschen Bund ein.
Von diesem Gesetz erhofften sich die Minister, dieVerbreitungvon liberalen und nationalistischen Schriften und Gedankenzu unterbinden.
Karlsbader Beschlüsse – Untersuchungsgesetz
Das Untersuchungsgesetzsah das Einrichten einer"Zentraluntersuchungskommission"in der Stadt Mainz vor.
Sie war zuständig für die systematischeÜberwachung und Verfolgungvon
revolutionären Aktivitäten,
politische Risikogruppen,
politischen Straftätern,
und "demagogischen" Organisationen und Verbindungen.
Demagogenverfolgung
Der Begriff"Demagogie"ist eine abwertende Bezeichnung für (politische)Hetze.
DieVerbreitung liberalen und nationalistischen Gedankenguteswurde von der reaktionären Regierung des Deutschen Bundes als "Volksverhetzung"angesehen. In den Augen der machthabender Fürsten waren es vor allem die liberalen und nationalitischenUniversitätsprofessoren, welche diese "Volksverhetzung" betrieben und so wurden diese folglich als "Demagogen" bezeichnet.
Diegezielte Überwachungund Verfolgung der Demagogen, wie sie auch im Untersuchungsgesetz vorgesehen war, wird"Demagogenverfolgung"genannt.
Genaueres zur "Demagogenverfolgung" erfährst Du in der gleichnamigen Erklärung hier auf StudySmarter!
Karlsbader Beschlüsse – Exekutionsordnung
DieExekutionsordnungsah vor, dass derDeutsche Bundim Falle von politischen Unruhenin den einzelnenMitgliedstaaten militärisch aktiv werden konnte.
Würde es in einem deutschen Staat also beispielsweise zu liberalen und nationalistischen Ausschreitungen kommen, so dürfte der Deutsche Bund militärisch einschreiten und das im Zweifelsfall auch ohne die Zustimmung des jeweiligen Landesfürsten.
Nach derMinisterialkonferenzwurden die Beschlüsse dem Bundestag in Frankfurtvorgelegt. Dieser musste seine Zustimmung geben, um die Gesetze und Verordnungen fürrechtskräftig zu erklären.
Am20. September 1819 wurden die Karlsbader Beschlüsse dann invollem Umfangvom Bundestagbewilligt.
Die Karlsbader Beschlüsse griffenmassivin dieRechteder einzelnen Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes ein. Umso überraschender kann es einem erscheinen, dass all diese Gesetze tatsächlich vom Bundestag und damit auch von den einzelnen Staaten, derenSouveränität beschnitten wurde, bewilligt wurden.
An der klaren Zustimmungfür die Karlsbader Beschlüsse kann erkannt werden, wie groß dieFurcht der Regierungenund der Fürsten vor derAblehnung der Restaurationund den daraus entstehendenrevolutionären Unruhenwirklich war.
Karlsbader Beschlüsse – Folgen
Auch wenn die Karlsbader Beschlüsse in dieRegierungsgeschäfte der einzelnen Staateneingriffen, so waren sie für diereaktionären Fürsten doch von Vorteil. Nun hatten sierechtskräftige Instrumente zur Hand, mithilfe derer sie diepolitischen Strömungenin der Bevölkerung, die sichgegensie und die Restauration richteten,gezielt unterbindenkonnten.
Aufseiten der Bevölkerung hingegen sah das Ganze anders aus. Die erlassenen Gesetze bedeuteten einen Alltag voll von Unterdrückung, Zensur, Überwachung und Verfolgung.Meinungsfreiheit existierte so gut wie nicht mehr,das Äußern von Kritikundpolitische Diskussionenwurden zumTatbestandund die Menschen mussten fürchten, für bestimmte Aussagen ihre Arbeitsplätze zu verlieren oder verhaftet zu werden – der Deutsche Bund entwickelte sich zu einer Art"Polizeistaat".
Die wohl verheerendsten Folgen hatten die Beschlüsse aber für dieUniversitäten. Auf Grundlage des Universitätsgesetzes und im Zuge der Demagogenverfolgung wurden zahlreiche Professoren entlassen oder verhaftet, studentische Verbindungen jedweder Art wurden verboten und die Mitgliedschaft in einer solchen unter Strafe gestellt – das kulturelle und geistige Leben an den Universitäten kam fastvollständig zum Erliegen.
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Aufgrund derharten Repressionenzogen sich die politischen Revolutionäre in den Hintergrund zurück. Nun wurde die liberale und nationalistische Politik nicht mehr auf der Straße und in der Öffentlichkeit, sondern hinter verschlossenen Türen und im Privatlebengeführt.
Erst 13 Jahre spätersollte es wieder zu einemgroßen Aufschwungder revolutionären Bewegungen im Deutschen Bund kommen, nämlich bei einer groß angelegten politischen Versammlung – dem"Hambacher Fest" von 1832.
Mehr zum "Hambacher Fest" erfährst Du in der gleichnamigen Erklärung hier auf StudySmarter!
Karlsbader Beschlüsse – Ende
DieKarlsbader Beschlüsseprägten das politische Leben innerhalb des Deutschen Bundes rund29 Jahre lang. Erst1848,im Zuge derMärzrevolution, wurden die Karlsbader Beschlüsse offiziellabgeschafft.
Wenn Du Genaueres über die Märzrevolution erfahren möchtest, dann wirf doch mal einen Blick in die Erklärungen zum Thema "Revolution 1848" hier auf StudySmarter!
Karlsbader Beschlüsse – Das Wichtigste
Bei den "Karlsbader Beschlüssen" von 1819 handelte es sich um eine Reihe von Maßnahmen und Gesetzen zur Unterdrückung liberaler und nationalistischer Bewegungen innerhalb des Deutschen Bundes.
Anlass für die Karlsbader Beschlüsse war die Ermordung des antiliberalen Schriftstellers August von Kotzebue durch den studentischen Burschenschaftler Karl Ludwig Sand.
Die Karlsbader Beschlüsse wurden im Rahmen eine Ministerialkonferenz von 06. bis 31. August 1819 formuliert und schließlich am 20. September 1819 vom deutschen Bundestag in Frankfurt bewilligt.
Die Karlsbader Beschlüsse umfassten vier Gesetze – das Universitätsgesetz, das Preßgesetz, das Untersuchungsgesetz und die Exekutionsordnung.
Die Karlsbader Beschlüsse wurden erst 1848 im Zuge der Märzrevolution abgeschafft.
Nachweise
Abbildung 1: Der Attentäter Karl Ludwig Sand (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Karl_Ludwig_Sand.png) – Public Domain
Abbildung 2: Die Karikatur "Der Denker-Club" karikiert die beschnittene Meinungsfreiheit an den deutschen Universitäten nach den Karlsbader Beschlüssen (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bildarchiv_Preu%C3%9Fischer_Kulturbesitz.jpg) – Public Domain
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Karlsbader Beschlüsse
Was war der Anlass für die Karlsbader Beschlüsse?
Der Anlass für die Karlsbader Beschlüsse war die Ermordung des reaktionären und antiliberalen Schriftstellers August von Kotzebue durch den Studenten Karl Ludwig Sand am 23. März 1819 in Mannheim.
Wer hat die Karlsbader Beschlüsse beschlossen?
Entworfen wurden die Karlsbader Beschlüsse von Ministern und Diplomaten aus zehn Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes. Offiziell beschlossen bzw. bewilligt wurden die Karlsbader Beschlüsse vom deutschen Bundestag in Frankfurt.
Wann waren die Karlsbader Beschlüsse?
Die Ministerialkonferenz, auf der die Karlsbader Beschlüsse entworfen wurden, fand vom 06. bis 31. August 1819 statt. Bewilligt wurden die Karlsbader Beschlüsse am 20. September 1819 vom deutschen Bundestag in Frankfurt.
Wie lauten die Karlsbader Beschlüsse?
Die Karlsbader Beschlüsse umfassten vier Gesetze – das Universitätsgesetz, das Preßgesetz, das Untersuchungsgesetz und die Exekutionsordnung. Sie alle zielten auf die Verfolgung und Unterdrückung der liberalen und nationalistischen Bewegungen innerhalb des Deutschen Bundes ab.
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