Aufbau und Funktionsweise des Geschwindigkeitsfilters
Der Geschwindigkeitsfilter funktioniert nur für geladene Teilchen, da hierbei nur zwei Kräfte auftreten, die auf die geladenen Teilchen wirken: Die Coulombkraft und die Lorentzkraft. Im Filter wird ein elektrisches Feld durch einen Plattenkondensator erzeugt. Parallel zur Flugrichtung, aber senkrecht zu den Kondensatorplatten befindet sich ein Helmholtz-Spulenpaar. Dieses erzeugt ein homogenes Magnetfeld, das senkrecht zur Bewegungsrichtung und senkrecht zum elektrischen Feld wirkt.
Abbildung 1: Aufbau eines Wienschen Geschwindigkeitsfilters
Nun wirkt die Kraft durch das elektrische Feld auf die Teilchen beispielsweise nach oben. Im Magnetfeld werden die Teilchen durch die Lorentzkraft abgelenkt. Die Ablenkungsrichtung der Teilchen kann durch die Drei-Finger-Regel bestimmt werden. Das Magnetfeld muss nun so ausgerichtet werden, dass die Lorentzkraft nach unten, also der Ablenkung durch das E-Feld entgegen, wirkt. Die Felder stehen dementsprechend auch senkrecht zueinander.
Abbildung 2: Bewegungsrichtung eines Teilchens und Wirkungsweise des magnetischen und elektrischen Feldes.
Bewegt sich nun ein Teilchen durch den Filter ist die Stärke der Ablenkung durch das elektrische Feld nur abhängig von dessen Ladung und der Feldstärke:
Bewegen sich also nur Teilchen einer Art (beispielsweise nur Elektronen) durch den Filter, werden alle Teilchen in eine Richtung mit der gleichen Kraft abgelenkt. Dadurch würde keines der Teilchen das Ende des Filters erreichen.
Um zu verhindern, dass alle Teilchen auf die Kondensatorplatten treffen, muss das Magnetfeld nun richtig eingestellt werden. Da die Lorentzkraft der Ablenkung durch das elektrische Feld entgegenwirkt, müssen beide Kräfte gleich groß sein, damit ein Teilchen den Filter passieren kann.
Abbildung 3: Kräftegleichgewicht bei geradliniger Bewegung und Passieren des Geschwindigkeitsfilters.
Die Lorentzkraft hängt von drei Dingen ab: Der Ladung der Teilchen, der magnetischen Flussdichte und der Geschwindigkeit der Teilchen. Letztere ist das einzige, worin sich die Teilchen unterscheiden. Verändert sich nun die Stärke des Magnetfeldes, ist die Lorentzkraft für die verschiedenen Teilchen unterschiedlich stark. Auf die schnelleren Teilchen wirkt die Kraft stärker, als auf die langsameren. Nur bei einer bestimmten Geschwindigkeit der Teilchen ist die Lorentzkraft genauso groß, wie die Kraft, die durch das Elektrische Feld auf die Teilchen wirkt.
Abbildung 4: Ablenkung der Teilchen durch Wechselwirkung mit der Coulomb- und Lorentzkraft.
Ist ein Teilchen zu schnell, ist die Lorentzkraft größer als die Coulombkraft. Dann wird es zur Kathode hin abgelenkt und schafft es nicht durch die Blende. Ist ein Teilchen hingegen zu langsam, reicht die Lorentzkraft nicht aus, um die Ablenkung durch den Kondensator auszugleichen. Das Teilchen wird dann zur Anode hin abgelenkt.
Die Lochblende passieren kann das Teilchen nur mit der optimalen Geschwindigkeit. Dann gleichen sich die Kräfte perfekt aus.
Herleitung der Geschwindigkeitsformel
Wichtig ist natürlich, wie du die Geschwindigkeit berechnen kannst, mit der die Teilchen den Filter passieren können. Auch, weil du deinen Filter nur dann richtig einstellen kannst. Nur, wenn du diese Rechnungen beherrschst, kannst du das Experiment nutzen.
Die Grundbedingung für diese Rechnung ist, dass die Lorentzkraft, die durch das Magnetfeld in die eine Richtung wirkt und die elektrische Kraft, die durch das elektrische Feld in die entgegengesetzte Richtung wirkt, sich ausgleichen müssen:
Die elektrische Kraft ist definiert als das Produkt aus der elektrischen Feldstärke E und der Ladung des Teilchens im Feld Q. Die Lorentzkraft ist das Produkt aus ebendieser Ladung, der Geschwindigkeit des Teilchens v und der magnetischen Flussdichte B:
Da die Ladung sich auf das gleiche Teilchen bezieht, kann diese herausgekürzt werden. Dadurch sind in der Formel nur noch die Geschwindigkeit und die beiden Größen, die sie beeinflussen übrig. Die Ladung des Teilchens spielt dabei keine Rolle.
Abbildung 5: Ablenkung der Teilchen zur Kathode oder Anode.
Ist ein Teilchen zu schnell, ist die Lorentzkraft zu groß. Dann wird es zur Kathode hin abgelenkt und schafft es nicht durch den Filter. Ist ein Teilchen hingegen zu langsam, reicht die Lorentzkraft nicht aus, um die Ablenkung durch den Kondensator auszugleichen. Das Teilchen wird dann zur Anode hin abgelenkt.
Aufgabe
Die Geschwindigkeit, mit der die Teilchen den Filter passieren können, kann dementsprechend durch die Stärken der beiden Felder direkt eingestellt werden.
Wie hoch ist die Geschwindigkeit der Teilchen, die den Filter passieren, wenn ein elektrisches Feld mit der Feldstärke und ein Magnetfeld mit der magnetischen Flussdichte vorliegt?
Lösung
Einsetzen in die hergeleitete Formel ergibt:
.
Wofür braucht man den Wienschen Geschwindigkeitsfilter?
Einsatz am Massenspektrometer
Der Geschwindigkeitsfilter ist in der Lage nur geladene Teilchen einer bestimmten Geschwindigkeit passieren zu lassen. Damit ist es ein wichtiges Bauteil für alle Experimente, die einen Teilchenstrahl mit einer bestimmten Geschwindigkeit benötigen. Dazu gehört zum Beispiel das Massenspektrometer, mit dem die Massen der beschleunigten Teilchen gemessen werden können. Für die Messergebnisse dieses Experimentes ist es zwangsläufig nötig, die Geschwindigkeit der Teilchen zu kennen, da später mit dieser weiter gerechnet wird.
Abbildung 6: Passieren des Teilchens durch den Geschwindigkeitsfilter und Ablenkung auf einer Kreisbahn zur Bestimmung der Teilchenmasse im Massenspektrometer.
Für mehr Details zum Massenspektrometer schau dir unbedingt unseren Artikel dazu an.
Geschwindigkeitsfilter im Teilchenbeschleuniger
An Teilchenbeschleunigern haben die Teilchen viele verschiedene Eigenschaften. Damit ein Experiment klappt, müssen davon die richtigen ausgewählt werden. Unter anderem müssen die Teilchen die exakt richtige Geschwindigkeit haben. Nur dann sind die Ergebnisse wirklich aufschlussreich. Dafür wird auch hier der Wiensche Geschwindigkeitsfilter eingesetzt.
Da die Teilchen auch andere Eigenschaften erfüllen müssen, ist der Filter hier Teil eines komplizierten Auswahlsystems.
Geschwindigkeitsmessung von Teilchen
Der Geschwindigkeitsfilter kann auch genutzt werden, um die Geschwindigkeiten von Teilchen, zum Beispiel am Ende eines Experimentes zu messen und damit andere Messergebnisse zu bestätigen. Da die Geschwindigkeit nur von der Stärke der Felder abhängt, kann durch Anpassen der Felder die Geschwindigkeit berechnet werden. Dazu veränderst du sie, bis die Teilchen passieren können und berechnest anschließend die Geschwindigkeit, die sie in diesem Fall haben müssen.
Werden Elektronen mit unbekannter Spannung beschleunigt, kannst du sie in einen Geschwindigkeitsfilter lenken. Schaltest du zunächst nur den Ablenkkondensator mit beliebiger Spannung ein, werden sie zur Anode hin abgelenkt und erreichen das Ende nicht mehr, in einem Detektor hinter dem Filter kommen nun keine Elektronen mehr an.
Abbildung 7: Ablenkung der Bewegungsrichtung des Teilchen zur Anode.
Drehst du nun die Stärke des Magnetfelds langsam auf, wird die Ablenkung schwächer und schwächer, bis die Elektronen den Filter passieren. Der Detektor registriert diese und du weißt, dass du das richtige Verhältnis zwischen elektrischem und magnetischem Feld gefunden hast.
Abbildung 8: Ein Teilchen wird nicht abgelenkt und wird am Detektor erfasst.
Liest du nun die Stärken der beiden ab, kannst du daraus die Geschwindigkeit errechnen, die die Elektronen haben und damit über die kinetische Energie auch die Beschleunigungsspannung berechnen.
Die Grenzen der Einsatzmöglichkeiten
Bei ungeladenen Teilchen scheitert der Wiensche Geschwindigkeitsfilter jedoch. Für die Funktionsweise verantwortlich sind die Coulombkraft und die Lorentzkraft. Beide wirken nur auf elektrische Ladungen. Ungeladene Teilchen würden daher unabhängig von ihrer Geschwindigkeit den Filter passieren.
Im Normalfall spielt das aber keine Rolle. In den meisten Experimenten, in denen der Filter verwendet wird, werden die Teilchen bereits zuvor durch die Coulombkraft beschleunigt. Ungeladene Teilchen sind im Teilchenstrom daher nicht vorhanden.
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