Reales Gas

Du hast bestimmt schonmal beobachtet, wie sich am Fenster nach dem Duschen oder an einem kalten Wintertag Wassertröpfchen bilden und Dir die Sicht nach draußen versperren. Doch wo kommen diese Tröpfchen her? Du zielst doch wohl nicht absichtlich mit dem Duschkopf auf Dein Fenster! Es muss also eine andere Erklärung her und diese Erklärung betrifft das reale Gas.

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Springe zu einem wichtigen Kapitel

    Vielleicht hast Du schonmal über das ideale Gas gehört. Ideales Gas wird nämlich dazu verwendet, um das Verhalten aller Gase auf eine einfache Weise zu erklären. So einfach die Theorie dahinter auch sein mag, so schwer tut sie sich damit, einfache Phänomene wie die Kondensation an Deinem Fenster zu erklären. Also muss eine neues, besseres Modell her. Lass uns also schauen, ob es etwas Besseres gibt!

    Ideales Gas und Definition vom Realgasfaktor

    Es gibt unterschiedliche Ansätze, mit denen Physiker versuchen, das Verhalten von Gasen zu beschreiben. Die einfachste und wohl bekannteste Modellvorstellung bietet das ideale Gas. Dieses wird im Artikel Ideales Gas näher erläutert. Wenn Du also mehr darüber erfahren willst, dann schau doch dort vorbei!

    Bei dem idealen Gas werden zwei vereinfachende Annahmen über die Gasmoleküle getroffen: Einerseits wird angenommen, dass die Moleküle idealer Gase keine Ausdehnung besitzen. Damit wird also ihr Eigenvolumen vernachlässigt. Andererseits wird ihnen nachgesagt, die Moleküle würden nicht miteinander wechselwirken. Es finden lediglich elastische Stöße statt.

    Ideale Gas Gleichung und Reale Gase

    Der Druck, das Volumen und die Temperatur eines idealen Gases hängen über die ideale Gasgleichung zusammen. Mit dieser kannst Du das Verhalten des Gases bei unterschiedlichen Zustandsänderungen beschreiben.

    Die Zustandsgleichung idealer Gase, sogenannte ideale Gasgleichung, kann entweder in Abhängigkeit von der Stoffmenge n oder der Teilchenzahl N dargestellt werden:

    p·V=n·R·T bzw. p·V=N·kB·T

    Dabei ist p der Gasdruck, V das Gasvolumen und T die Temperatur in Kelvin. Mit R=8,314 JK·mol als universelle Gaskonstante und kB=1,38·10-23 JK als Boltzmann-Konstante.

    Im Gegensatz zu idealen Gasen können reale Gase miteinander wechselwirken. Diese Wechselwirkungen führen unter anderem zu Änderungen von Aggregatzuständen. Außerdem haben Gasmoleküle, so wie andere Moleküle auch, ein Volumen. Da dieses Volumen, je nach Art des Gases auch relativ groß werden kann, muss es in einer genauen Beschreibung berücksichtigt werden.

    Einige reale Gase, wie N2 oder die Edelgase lassen sich in bestimmten Bereichen gut durch das ideale Gas annähern, da sie kaum miteinander wechselwirken. Ist der Druck zudem klein und das Volumen groß, so lässt sich praktisch jedes Gas durch das Modell des idealen Gases beschreiben. In diesem Fall sind die Teilchen nämlich so weit auseinander, dass sowohl ihr Eigenvolumen als auch die Wechselwirkungen vernachlässigbar klein sind.

    Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von idealen und realen Gasen sind hier nochmal zusammengefasst:

    Teilchen haben ein VolumenTeilchen wechselwirken miteinanderAggregatzustände ändern sichTeilchen stoßen elastisch mit den GefäßwändenTeilchen stoßen elastisch miteinander
    Ideales Gas
    Reales Gas

    Das reale Gas unterscheidet sich also in den beiden grundlegenden Annahmen vom idealen Gas. Dieser Unterschied besteht nicht nur in der Theorie, sondern äußert sich auch in dem Verhalten. Inwieweit sich das Verhalten eines realen Gases vom Verhalten idealer Gase unterscheidet, wird durch den Realgasfaktor angegeben.

    Realgasfaktor

    Der Unterschied zwischen idealen und realen Gasen macht sich hauptsächlich im Volumen bemerkbar. Um hier einen Vergleich machen zu können, wurde das molare Volumen definiert.

    Das molare Volumen, bzw. Molvolumen, Vm entspricht dem Volumen, das von 6,022·1023 Teilchen eingenommen wird. Es wird berechnet als der Quotient vom Volumen V und der Stoffmenge n:

    Vm=Vn

    Das Molvolumen eines idealen Gases beträgt bei einer Temperatur von 0 °C und einem Druck von 101,325 kPa immer

    Vm, ideal=22,414 Lmol

    Das Molvolumen eines realen Gases ergibt sich aus seiner molaren Masse M und der Dichte ϱ:

    Vm=Mρ

    Nun lässt sich das molare Volumen jedes realen Gases mit dem molaren Volumen von idealen Gasen vergleichen. Nach der idealen Gasgleichung folgt für das Volumen

    V=n·R·Tp

    beziehungsweise für das Molvolumen des idealen Gases bei beliebigem Druck und Temperatur:

    Vm, ideal=VnVm, ideal=R·Tp

    Um das Volumen eines realen Gases mit dem idealen Molvolumen zu vergleichen, bildest Du den Quotienten beider Größen. Der entsprechende Wert hat eine besondere Bedeutung in der Thermodynamik, da er die Abweichung vom idealen Gas quantifiziert. Deswegen trägt er auch einen eigenen Namen: der Realgasfaktor.

    Der Realgasfaktor Z, auch Kompressionsfaktor genannt, ist ein Maß für die Abweichung des realen Gases vom idealen Gas. Er ist definiert als das Verhältnis des realen Molvolumens Vm zum Molvolumen eines idealen Gases Vm, ideal:

    Z=VmVm, ideal

    Alternativ kannst Du ihn auch über die ideale Gasgleichung definieren:

    Z=p·VmR·T

    Dabei ist p der Druck, R die ideale Gaskonstante und T die Gastemperatur.

    Weil für alle idealen Gase das Molvolumen immer den gleichen Wert einnimmt, ist der Realgasfaktor für ideale Gase Z=1. Da bei kleinen Drücken die Moleküle realer Gase sich nicht oft begegnen, verhalten sich reale Gase hier wie ideale Gase. Demnach liegt der Realgasfaktor bei kleinen Drücken für alle Gase etwa bei 1. Wie sich der Realgasfaktor bei unterschiedlichen Drücken und Temperaturen verhält, kannst du in folgender Abbildung am Beispiel von Stickstoff sehen:

    Während der Realgasfaktor bei Drücken um 0 bar für alle Temperaturen bei etwa 1 liegt, sinkt er mit zunehmendem Druck auf einen Wert unter 1. Dies liegt daran, dass die Teilchen eines realen Gases näher zusammenrücken und anfangen, miteinander zu wechselwirken. Da bei mittleren Drücken überwiegend Anziehungskräfte vorherrschen, wird eine Kompression des Gases sogar begünstigt und das Gas lässt sich leicht zusammendrücken.

    Ab einem bestimmten Druck steigt der Realgasfaktor über den Wert 1 an. Je höher die Temperatur dabei ist, desto schneller wird dieser Punkt auch erreicht. Hier sind die Gasmoleküle so nah beieinander, dass nun Abstoßungskräfte dominieren. Wenn du da versuchst, das Gas zu komprimieren, dann wirst du schnell merken, dass es nur schwer geht.

    Für ideale Gase hat der Realgasfaktor den Wert Z=1.

    Bei kleinen Drücken liegt der Realgasfaktor für reale Gase etwa bei Z1.

    Bei mittleren Drücken lassen sich Gase leicht komprimieren und es gilt Z<1.

    Bei hohen Drücken sind Gase schwer komprimierbar, dabei gilt Z>1.

    An dieser Stelle wird es deutlich, weshalb der Realgasfaktor auch Kompressionsfaktor genannt wird. Er setzt nämlich nicht nur ein Maß für die Abweichung vom idealen Gas, sondern gibt auch an, ob sich das reale Gas unter gegebenen Bedingungen komprimieren lässt.

    Reales Gas und seine Eigenschaften

    Solange keine detaillierte Beschreibung verlangt wird und lediglich qualitative Zusammenhänge betrachtet werden, kannst Du das Modell des idealen Gases auf reale Gase anwenden. Dieses reicht beispielsweise aus, um den Zusammenhang zwischen Druck, Temperatur und Volumen ganz allgemein zu erklären.

    Wenn Du allerdings ins Detail gehen und spezifische Phänomene erklären möchtest, brauchst Du ein anderes Modell. Um reale Gase ausreichend beschreiben zu können, müssen sowohl das Eigenvolumen als auch die Wechselwirkungen der Gasmoleküle untereinander berücksichtigt werden.

    Lass uns nochmal auf unser Beispiel mit dem beschlagenen Fenster blicken. Hast Du mal versucht, dieses Phänomen zu erklären?

    Wasser ist nur deshalb flüssig, weil die Wassermoleküle durch Wasserstoffbrückenbindungen miteinander verbunden sind. Dies kannst Du Dir folgendermaßen vorstellen:

    Dabei stellen die großen, roten Kugeln jeweils ein Sauerstoffatom dar, an dem zwei Wasserstoffatome (weiß) gebunden sind. Die Wasserstoffatome wechselwirken über Wasserstoffbrücken (gestrichelt) jeweils mit den benachbarten Sauerstoffatomen eines anderen Wasser-Moleküls.

    Es gibt allerdings auch immer Wassermoleküle, die sich nicht mit ihren nächsten Nachbarn verbinden. Da sie somit nichts in dem flüssigen "Netzwerk" hält, gehen sie in die Gasphase über. Sie verdampfen also. Demnach schwirren beim Duschen die Wassermoleküle nicht nur aus dem Duschkopf in den Abfluss, sondern auch überall um Dich herum in der Luft.

    Die gasförmigen Wassermoleküle können sich an kalten Oberflächen wieder in Form von Kondenswasser absetzen. Dabei bilden sie wieder Wasserstoffbrücken zu nächstgelegenen Wassermolekülen aus. Das sehen wir als Tropfen, die sich auf der Oberfläche bilden.

    Was Du aus diesem Beispiel mitnehmen kannst? Einerseits, dass Wasser auch durchaus als Gas vorkommen und deswegen als ein reales Gas betrachtet werden kann. Andererseits sind es die Wechselwirkungen zwischen den Molekülen, in diesem Fall Wasserstoffbrückenbindungen, die eine Änderung vom Aggregatzustand ermöglichen.

    Es ist tatsächlich gewöhnungsbedürftig, von Wasser als ein reales Gas zu sprechen, denn wir sind es aus dem Alltagsleben gewohnt, klar zwischen Flüssigkeiten und Gasen zu unterscheiden. Dies liegt daran, dass sich unser Leben bei relativ kleinen Drücken abspielt und unter diesen Bedingungen alle Stoffe entweder flüssig, fest oder gasförmig sind.

    Bei hohen Drücken hingegen herrschen andere Gesetze, sodass eine sinnvolle Unterteilung zwischen flüssig und gasförmig oft nicht mehr möglich ist. Deswegen fassen Physiker Flüssigkeiten und Gase oftmals im Bergriff Fluide zusammen. Dadurch, dass Physiker also keine klare Grenze zwischen Flüssigkeiten und Gasen ziehen, fällt es ihnen auch leichter, Wasser, zumindest in seinem gasförmigen Zustand, als ein reales Gas zu betrachten.

    Die Verdampfung und Kondensation von Wasser erleben wir täglich als Wolkenbildung, Nebel, Tau oder im eigenen Badezimmer. Allerdings könntest Du sie nicht mit der Theorie über das ideale Gas erklären, denn die Moleküle eines idealen Gases wechselwirken nicht miteinander. Also brauchst Du eine erweiterte Beschreibung, die zwar den Zusammenhang zwischen den Zustandsgrößen von Gasen beibehält, die Wechselwirkungen und das Eigenvolumen jedoch zusätzlich berücksichtigt.

    Es ist nicht einfach, ein treffendes Modell, das alle Eigenschaften realer Gase ausreichend berücksichtigt, aufzustellen. Bewaffnet mit der idealen Gasgleichung haben einige der größten Physiker also versucht, diese Gleichung um weitere experimentelle Beobachtungen zu erweitern.

    Bisher allerdings konnte keine gemeinsame Gasgleichung gefunden werden, die alle Eigenschaften realer Gase zusammenfasst. Vielmehr existieren mehrere theoretische Modelle, die unter verschiedenen Bedingungen für einzelne Gase gute Übereinstimmung mit experimentellen Daten liefern. Einen großen Beitrag dazu leistete der holländische Physiker Johannes Diederik van der Waals, der mit nur zwei Anpassungen die wohl bekannteste Gleichung für reale Gase entwickelte.

    Reales Gasgesetz Formel für das Van der Waals Gas

    Um reale Gase zu beschreiben, wird am häufigsten die Van der Waals Näherung verwendet. Dabei werden sowohl das Eigenvolumen, als auch die Wechselwirkungen der Teilchen untereinander berücksichtigt. Diese Korrekturen werden in der Van der Waals Gleichung zusammengefasst, die im Gegenteil zur idealen Gasgleichung, zum Beispiel die Verflüssigung von Gasen erklären kann.

    Van der Waals Gleichung

    Über die Van der Waals Gleichung konnte die Siedekurve für den Übergang vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand erstmals qualitativ richtig beschrieben werden. Sie ist zwar für alle Gase gültig, wird jedoch über die gasspezifischen Parameter a und b an das entsprechende Gas angepasst. Dabei wird im sogenannten Kovolumen b die eigene Ausdehnung der Teilchen und im Kohäsionsdruck a ihre Wechselwirkungen untereinander berücksichtigt.

    Die Van der Waals-Gleichung stellt eine Erweiterung der idealen Gasgleichung für reale Gase dar. Demnach ergibt sich der Druck p aus der Gastemperatur T und dem Molvolumen Vm:

    p=R·TVm-b-aVm2

    Dabei ist R die universelle Gaskonstante, a der Parameter für den Kohäsionsdruck und b das Kovolumen.

    Aber wie kam Van der Waals von der idealen Gasgleichung auf seine eigene Zustandsgleichung für ideale Gase, die seit ihrer Entdeckung im Jahr 1873 noch immer breite Anwendung findet und zu den bekanntesten Zustandsgleichungen zählt? Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns seinen Gedankengang Schritt für Schritt in der Vertiefung an.

    Bis 1873 wurden Gase durch die ideale Gasgleichung beschrieben. Diese kannst Du, unter der Verwendung des Molvolumens Vm=Vn auch folgendermaßen ausdrücken:

    p·V=n·R·T ÷Vp=n·R·T Vp=R·T Vm

    Hast Du es bis hier geschafft, dann trennen Dich von der Van der Waals Gleichung nur zwei Korrekturen: einerseits das Eigenvolumen der Gasteilchen und andererseits ihre Wechselwirkungen untereinander. Fangen wir mit dem Eigenvolumen an.

    Dadurch, dass die Teilchen eines realen Gases eine Ausdehnung haben, steht ihnen nun im selben Volumen viel weniger Platz zur Verfügung. Dies kannst Du Dir folgendermaßen im Vergleich zum idealen Gas vorstellen:

    Demnach verringert sich das Molvolumen um einen bestimmten Wert, das sogenannte Kovolumen b. Dieser Wert hängt vom verwendeten Gas ab und wird experimentell ermittelt. Mit dieser ersten Korrektur folgt für die Gasgleichung:

    p=R·T Vm-b

    Vergleich dieses Zwischenergebnis mal mit der Van der Waals Gleichung. Wie du sehen kannst, sind wir fast am Ziel!

    Nun bleiben nur noch die Anziehungskräfte zwischen den Gasmolekülen. Druck entsteht, wenn die Gasteilchen gegen die Gefäßwände stoßen. Wenn sie sich jedoch untereinander anziehen, dann verkleinert sich die Kraft, mit der sie auf die Gefäßwände treffen. Dies wird durch den Kohäsionsdruck a berücksichtigt. Wie es bei realen Gasen mit Anziehungskräften aussieht, kannst du dir etwa so vorstellen:

    Diese Anziehungskräfte haben zwar eine relativ kleine Reichweite, wirken aber bei Teilchen in der Nähe der Gefäßwand überwiegend nach innen. Dadurch werden die auf die Gefäßwände wirkenden Kräfte verringert, sodass auch der Gesamtdruck sinkt. Insgesamt sind diese Kräfte proportional zum Quadrat der Teilchendichte und, da Dichte und Volumen antiproportional zueinander sind, sind sie auch antiproportional zum Quadrat des Molvolumens. Also wird der Druck insgesamt um den Faktor

    aVm2

    verringert. Mathematisch gesehen entspricht die Verkleinerung einer Subtraktion. Daher wird dieser Faktor vom Gesamtdruck abgezogen:

    p=R·TVm-b-aVm2

    Fertig. Nun hast Du die Van der Waals Gleichung auch selber hergeleitet!

    Sowohl der Kohäsionsdruck als auch das Kovolumen nehmen für unterschiedliche Gase unterschiedliche Werte ein. Da ihnen eine große Bedeutung zugeschrieben wird, tragen sie sogar einen eigenen Namen. Sie heißen, nach ihrem Entdecker, Van der Waals Konstanten.

    Van der Waals Konstanten

    Die Van der Waals Konstanten einiger wichtiger Gase (in der Gasphase) kannst du der folgenden Tabelle entnehmen:

    Gasa in 10-3 Pa·m6mol2b in cm3mol
    Wasser557,2931
    Sauerstoff137,831,8
    Stickstoff140,839,1
    Kohlenstoff Dioxid363,742,7
    Helium3,4523,7

    Bei idealen Gasen ist a=b=0. In diesem Fall entspricht die Van der Waals Gleichung genau der idealen Gasgleichung.

    Isothermen eines realen Gases: pV-Diagramm

    So wie es in der Thermodynamik üblich ist, wurde auch die Van der Waals Gleichung ausgehend von Beobachtungen entwickelt, wobei die Van der Waals Konstanten als experimentelle Werte erhalten wurden. Obwohl diese Modellvorstellung in bestimmten Bereichen qualitativ gute Ergebnisse liefert, hat sie auch ihre Schwachpunkte. Die offensichtlichste Schwachstelle findet sich im pV-Diagramm wieder.

    Theoretische Berechnung und Van der Waals Schleifen

    Mit der Van der Waals Gleichung kannst Du die Isothermen des pV-Diagramms bei unterschiedlichen Temperaturen selbst berechnen und grafisch darstellen. Dazu suchst Du Dir ein beliebiges Gas aus und setzt in die Van der Waals Gleichung die entsprechenden Van der Waals Konstanten, so wie den Wert der universellen Gaskonstante ein.

    Prozesse, die bei konstanter Temperatur ablaufen, sind isotherm. Deswegen werden Diagramme, die bei konstanter Temperatur aufgenommen werden, auch als Isothermen bezeichnet. Bei Gasgesetzen entsprechen Isothermen immer einem pV-Diagramm.

    Damit zeichnest Du nun den Druck (auf der y-Achse) in Abhängigkeit vom Molvolumen (auf der x-Achse) bei unterschiedlichen Temperaturen ein. Für ein beliebiges reales Gas würden Deine Isothermen folgendermaßen aussehen:

    Die Abbildung zeigt, dass bei hohen Temperaturen oberhalb der kritischen Temperatur (T4>TK) die Isothermen den gleichen Verlauf haben, wie die Isothermen eines idealen Gases. In diesem Fall steigt der Druck an, wenn das Volumen verkleinert wird.

    Der kritische Punkt eines Stoffes wird durch die kritische Temperatur, kritischen Druck und das kritische Molvolumen charakterisiert. Diese drei Größen sind stoffspezifisch, haben also für jedes Gas einen anderen Wert. Oberhalb des kritischen Punkts kannst du die Gasphase nicht mehr von der Flüssigkeit unterscheiden. Es entsteht ein neuer Aggregatzustand, das überkritische Fluid.

    Genau bei der kritischen Temperatur TK weist die Isotherme einen Sattelpunkt auf. Dieser Punkt ist der kritische Punkt. Der entsprechende Druck ist der kritische Druck und das Volumen an dieser Stelle ist das kritische Volumen.

    Eine Besonderheit findest Du bei Temperaturen unterhalb der kritischen Temperatur (T1,2<TK). Hier kannst Du sehen, dass der Druck zunächst ansteigt, wenn das Volumen verringert wird. Bei einem bestimmten Wert sinkt der Druck allerdings bis zu einem Minimum, obwohl das Gas noch weiter komprimiert wird. Anschließend steigt der Druck bei kleiner Volumenänderung sehr schnell ins Unendliche.

    Physikalisch gesehen ergibt ein Druckabfall bei sinkendem Volumen keinen Sinn, da Volumen und Druck sich immer antiproportional zueinander verhalten. Da diese Anomalie jedoch charakteristisch für die Van der Waals Gleichung ist, heißen die entsprechenden Kurvenbereiche Van der Waals Schleifen.

    Van der Waals Schleifen treten im pV-Diagramm auf, wenn der Verlauf mit der Van der Waals Gleichung berechnet wird. Sie äußern sich durch ein Maxium und ein Minimum der Isothermen und entsprechen nicht dem realen Verhalten von Gasen.

    Wie Du Dir vielleicht denken kannst, sind die Van der Waals Schleifen allerdings nicht ganz bedeutungslos. Deswegen lohnt es sich, in diesem Bereich einen genauen Blick auf experimentelle Beobachtungen zu werfen.

    Experimentelle Beobachtung

    Führst Du ein Experiment durch, indem Du ein reales Gas bei unterschiedlichen Temperaturen komprimierst und den Druck in Abhängigkeit vom Volumen aufzeichnest, so werden Deine Isothermen in etwa so aussehen:

    Sowohl die überkritische Isotherme bei T4>TK als auch die kritische Isotherme bei TK entsprechen der theoretischen Erwartung aus Abbildung 7. Interessant wird es bei den unterkritischen Isothermen (T1,2>TK). Am besten schaust Du Dir den Verlauf in Verbindung mit der entsprechenden Beobachtung an.

    Startest Du bei einem großen Volumen, so ist Dein Gas gasförmig und es lässt sich leicht komprimieren. Der Druck steigt in diesem Bereich bis zu einem bestimmten Wert (bei T1 ist es p1 und bei T2 ist es p2) leicht an. Dieser Druck (p1 bzw. p2) entspricht dem Dampfdruck des Gases: dem Druck, bei dem der Wechsel zwischen flüssigem und gasförmigem Aggregatzustand stattfindet.

    Sobald der Dampfdruck also erreicht ist, verflüssigt sich dein Gas. Dabei steigt der Druck nicht weiter an (siehe Abbildung 7, Gerade zwischen Punkt A und D). Dass der Druck während des Phasenübergangs konstant bleibt, liegt daran, dass die Teilchen sich durch Wechselwirkungen eher zur Flüssigkeit verbinden, als einander abzustoßen und gegen die Gefäßwände zu drücken. Je weiter du das Volumen dann verringerst, desto mehr Teilchen werden zusammengebracht und der Flüssigkeitsanteil steigt.

    Zwischen den Punkten A und D bei Temperatur T1 und den Punkten B und C bei Temperatur T2 sind die Teilchen also sowohl im gasförmigen als auch im flüssigen Zustand. Dabei wird der Anteil der Moleküle in Gasphase immer kleiner, je näher du an den Punkt D bzw. C kommst. Du kannst diese Punkte, zusammen mit dem kritischen Punkt verbinden und erhältst so das sogenannte Zwei-Phasen-Gebiet, also den Bereich wo das Fluid sowohl gasförmig als auch flüssig sein kann.

    Am Punkt C (oder D) angekommen, sind nun alle Teilchen in der flüssigen Phase. Da sich Flüssigkeiten nicht, zumindest nicht mit menschlicher Kraft, komprimieren lassen, steigt hier der Druck bei kleiner Volumenänderung ins Unendliche an.

    Du siehst also: Die Modellvorstellung von van der Waals ist doch nicht ganz daneben. Natürlich könntest Du jetzt nach einer passenderen Gleichung suchen, der Erfahrung nach dauert dies allerdings mehrere Jahrzehnte. Also muss es einen Weg geben, wie Du die Theorie mit Deiner experimentellen Messung verbinden kannst.

    Verbindung von Theorie und Experiment

    Diese Verbindung gibt es tatsächlich. Da sie von James Clerck Maxwell eingeführt wurde, wird sie auch in seinen Ehren als Maxwell-Konstruktion bezeichnet. Dabei wird eine horizontale Gerade (Isobare) so durch die Van der Waals Schleifen gelegt, dass die beiden entstandenen Flächen oberhalb und unterhalb der Geraden denselben Flächeninhalt haben:

    Werden die Isobaren richtig platziert, dann stimmt ihre Lage mit dem experimentell ermittelten Dampfdruck überein. Wenn Du Dir dann die Van der Waals Schleifen wegdenkst, dann sollte das Modell Deine experimentelle Messung aus Abbildung 7 bestätigen.

    Seit ihrer Entdeckung in 1873 wurde die Van der Waals Gleichung stetig verbessert. Nennenswerte Weiterentwicklungen stellen die Redlich-Kwong Gleichung (veröffentlicht in 1949), die Redlich-Kwong-Soave Gleichung (aus 1972) und die Peng-Robinson Gleichung (1976) dar. Darüber hinaus wurden unzählige andere Modelle veröffentlicht, die auf unterschiedlichen Ansätzen beruhen.

    All diese Modelle haben jedoch gemeinsam, dass keins von ihnen das Verhalten von realen Gasen komplett und immer sinnvoll beschreiben kann. Daher stellt dieses Gebiet ein besonders spannendes Kapitel der Thermodynamik dar, indem es noch viel zu entdecken gibt. Wer weiß, vielleicht wird es auch irgendwann in der Zukunft möglich sein, die Kondensation an Fenstern lückenlos vorhersagen zu können?

    Reales Gas - Das Wichtigste

    • Im Gegensatz zu idealen Gasen haben reale Gase ein Eigenvolumen und die Moleküle wechselwirken auch miteinander.
    • Unter bestimmten Bedingungen können reale Gase durch die ideale Gasgleichung beschrieben werden. Diese gibt den Zusammenhang zwischen Temperatur T, Druck p und dem Gasvolumen V wieder:

    p·V=n·R·T

    Dabei ist R=8,314 JK·moldie universelle Gaskonstante und n die Stoffmenge.

    • Die Abweichung eines realen Gases vom idealen Gas wird durch den Realgasfaktor Z beschrieben. Dieser entspricht dem Verhältnis des Molvolumens vom realen Gas zum Molvolumen des idealen Gases. Dabei gilt:
      • ideale Gase: Z=1
      • reale Gase bei kleinen Drücken: Z1
      • reale Gase bei mittleren Drücken:Z<1
      • reale Gase bei hohen Drücken: Z>1
    • Das Molvolumen Vm ist der Quotient aus Gasvolumen und Stoffmenge. Für ideale Gase hat es den festen Wert Vm=22,414 Lmol. Für reale Gase kann es aus der Molaren Masse M und der Dichte ϱ berechnet werden:

    Vm=Mρ

    • Eine der wichtigsten Gleichungen zur Beschreibung realer Gase ist die Van der Waals Gleichung. Sie stellt eine Erweiterung der idealen Gasgleichung dar, wobei das Eigenvolumen im entsprechenden Parameter b (Kovolumen) und die Anziehungskräfte im Parameter a (Kohäsionsdruck) berücksichtigt werden. Damit folgt für den Druck p aus der Gastemperatur T und dem Molvolumen Vm:

    p=R·TVm-b-aVm2

    • Die Van der Waals Gleichung kann den Übergang vom gasförmigen zum flüssigen Aggregatzustand zwar qualitativ gut erklären, weist jedoch genau am Phasenübergang Druckschwankungen auf. Da diese sogenannten Van der Waals-Schleifen physikalisch nicht sinnvoll sind, können sie über die Maxwell-Anpassung umgangen werden.
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Reales Gas

    Welche Zustandsänderungen kann ein Gas erfahren?

    Bei isothermen Zustandsänderungen wird die Gastemperatur konstant gehalten. Isobare Zustandsänderungen laufen unter konstantem Druck ab. Bei isochoren Zustandsänderungen bleibt das Gasvolumen unverändert.

    Wann ist ein reales Gas ideal?

    Kleine, nicht wechselwirkende Gase (z. B. Wasserstoff oder Helium) können durch das ideale Gas angenähert werden. Außerdem gilt die Näherung auch für andere Gase bei geringen Drücken.

    Wann gilt das ideale Gasgesetz nicht mehr?

    Das ideale Gasgesetz gilt nicht für moderate bis hohe Drücke und große, wechselwirkende Gase.

    Warum ist Gas komprimierbar?

    Da das Gasvolumen groß ist, sind die Teilchen eines Gases weit auseinander. Wenn das Gas komprimiert wird, werden die Teilchen näher zusammengerückt. Dies erfordert nicht viel Kraft, da die Teilchen immer noch genug Platz haben. Sind die Teilchen eines realen Gases nahe genug beieinander, dann wechselwirken sie miteinander und es kommt zur Verflüssigung des Gases.

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