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Angst – Definition Psychologie
In der Psychologie lautet die Definition für Angst wie folgt:
Angst (von lat. angustus, "eng") bezeichnet in der Psychologie einen emotionalen Zustand, der sich auf verschiedenen Ebenen des Erlebens und Verhaltens zeigt:
- psychologische Ebene: Nervosität und Sorgen über zukünftige bedrohliche Ereignisse
- körperliche Ebene: u. A. Anspannung, innere Unruhe, Herzrasen oder Schwitzen
- Verhaltensebene: Kampf, Flucht oder Erstarren
Angst tritt nicht ausschließlich in gefährlichen oder lebensbedrohlichen Situationen auf. Während der Mensch heute längst nicht mehr so vielen Gefahren ausgesetzt ist, wie seine Vorfahren, ist das Gefühl von Angst doch häufig präsent. Auch scheinbar ungefährliche Alltagssituationen können Angst auslösen, weil sie häufig indirekt eine Gefahr für die Sicherheit des Betroffenen darstellen.
Einige Menschen sind anfälliger, Ängste auszubilden als andere. Menschen, die eher dazu neigen eine Angsterkrankung auszubilden, weisen häufig eine größere Sensibilität und Vulnerabilität (Verletzlichkeit) auf als Menschen, die unempfindlicher für Angst sind. Stressempfindliche Menschen haben ein leicht reizbares vegetatives Nervensystem. Das führt dazu, dass Angstreaktionen bereits durch alltägliche Situationen, wie eine Aufzugfahrt mit vielen Menschen, ausgelöst werden können.
Das vegetative Nervensystem regelt all die Abläufe im Körper, die man nicht bewusst steuern kann. Es ist kontinuierlich aktiv und reguliert beispielsweise den Stoffwechsel, den Herzschlag und die Atmung. Dafür empfängt das vegetative Nervensystem Signale aus dem Gehirn und sendet sie an den Körper. Ist es nun leicht reizbar, kann es schneller gestört werden und es kommt zu Beschwerden wie Nervosität oder einer beschleunigten Herzfrequenz.
Im Laufe der Zeit haben sich eine Reihe verschiedener Theorien und Modelle zur Ausbildung und Entwicklung und Erklärung von Angst entwickelt.
Riemann-Modell – Grundformen der Angst
Das Riemann-Modell zu den Grundformen der Angst geht zurück auf den Psychoanalytiker Fritz Riemann. Dieser versuchte 1961 verschiedene Formen der Angst zu klassifizieren. Seiner Ansicht nach lassen sich alle Ängste auf vier Grundformen zurückführen. Im Riemann-Modell charakterisiert er vier verschiedene Persönlichkeitstypen und ihre jeweiligen Grundformen der Angst:
- schizoider Charakter: Angst vor der Hingabe
- zeichnen sich durch ihr Streben nach Selbstbewahrung sowie das teilweise übersteigerte Bedürfnis nach Autonomie aus
- hegen Angst vor Abhängigkeiten
- depressiver Charakter: Angst vor der Selbstwerdung
- zeichnen sich durch unzureichende Entwicklung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse aus
- hegen Angst vor der Anerkennung der eigenen Individualität
- zwanghafter Charakter: Angst vor Veränderung
- zeichnen sich durch ihr Streben nach verlässlicher Struktur und Ordnung sowie das Festhalten am Bestehenden und Vertrauten aus
- hegen Angst vor Neuem und Weiterentwicklung
- hysterischer Charakter: Angst vor Notwendigkeit
- zeichnen sich aus durch ihr Streben nach Abwechslung und Sorglosigkeit aus
- hegen Angst vor Verpflichtungen und Verantwortung
Jeder Mensch setzt sich im Laufe seines Lebens mit allen vier Typen auseinander und ist vielmehr eine Mischung aus verschiedenen Charakteren, statt ein einziger Charakter. Meistens ist einer der Charaktere dabei stärker ausgeprägt als die anderen. Dieser prägt dann die eigene Persönlichkeit und das eigene Angstverhalten.
Angst-Modell – Lazarus
Ein weiteres wichtiges Angst-Modell ist das Transaktionale Stressmodell von dem amerikanischen Psychologen Richard Lazarus. Es nimmt an, dass nicht eine Situation an sich stress- und angstauslösend ist, sondern die Art, wie man gedanklich damit umgeht und welche Handlungsmöglichkeiten gesehen werden. Nach dem Angst-Modell von Lazarus gibt es immer einen Wechselwirkungsprozess zwischen der Situation und der Person. Das folgende Beispiel soll diese Wechselwirkung noch einmal anschaulich verdeutlichen:
Mia und Leon sind Sitznachbarn in der Schule und schreiben gerade einen Überraschungstest. Sie haben beide dieselbe Vorbereitung in der letzten Unterrichtsstunde für den Test genossen, doch während Mia sehr gelassen mit der Bearbeitung der Aufgaben beginnt, spürt Leon Panik in seinem Inneren aufsteigen. Die Situation ist für beide Schüler gleich – sie verfügen über das gleiche Wissen und schreiben den gleichen Test. Dementsprechend muss Leons Stressreaktion und die Angst an seinem individuellen Umgang mit der Situation liegen.
Angst und Stress entstehen also laut Lazarus nicht einfach so, sondern setzen eine Auseinandersetzung bzw. Bewertung der Situation voraus. Jeder Mensch bewertet die Situation auf eine individuelle Art und Weise, weshalb es zu unterschiedlichen Stressreaktionen in ein und derselben Situation kommen kann. Lazarus unterscheidet den Bewertungsprozess einer Situation in drei Stufen:
1. Primäre Bewertung
Die Situation kann in der primären Bewertung mit Hilfe drei verschiedener Faktoren bewertet werden. Je nachdem welcher Faktor zur Bewertung herangezogen wird, wirkt sich das unterschiedlich auf die mögliche Stressreaktion aus. Bei den Faktoren handelt es sich um:
- positiv
- gefährlich (Herausforderung, Bedrohung oder ein Verlust)
- irrelevant
Bei einer positiven oder irrelevanten Bewertung kommt es zu keiner Stressreaktion. Einzig wenn die Situation als gefährlich bewertet wird, kann das zur Ausbildung von Stress führen. Übertragen auf Mia und Leon sähe die primäre Bewertung wie folgt aus:
Mia hatte die letzte Stunde aktiv am Unterricht teilgenommen und fleißig mitgeschrieben. Darüber hinaus hatte sie noch nie große Probleme mit Prüfungssituationen. Sie bewertet den Test als positiv und stürzt sich somit voller Tatendrang und ohne jegliche Stress- und Angstreaktionen auf die Aufgaben.
Leon hat zwar ebenfalls in der letzten Unterrichtsstunde aufgepasst und mitgearbeitet, doch hat er in der Vergangenheit schon öfters schlechte Noten geschrieben und in seinen Augen in den Tests versagt. Er hat nun erneut Angst, dass sein Wissen nicht ausreicht, eine gute Note zu erzielen. Aus diesem Grund sieht er die Prüfung als gefährlich an, da sie eine Herausforderung für ihn darstellt.
Wurde in der primären Bewertung die Situation als gefährlich eingestuft, dann kommt es zu einer weiteren Bewertung der Situation, der sekundären Bewertung.
2. sekundäre Bewertung: Analyse der verfügbaren Ressourcen.
Werden die verfügbaren Ressourcen als ausreichend bewertet, dann kann die Situation gut und ohne eine Stressreaktion bewältigt werden. Reichen die verfügbaren Ressourcen jedoch nicht aus, dann wird eine Stressreaktion ausgelöst. In diesem Fall muss eine Stressbewältingungsstrategie (Coping-Strategie) wie zum Beispiel Flucht oder Aggression, herangezogen werden.
3. Neubewertung der Situation: Bewertung des Erfolgs der Stressbewältigungsstrategie.
Da sich diese Erklärung auf die Erklärung von Angst und weniger die Angstbewältigung an sich bezieht, werden in dieser Erklärung die möglichen Bewältigungsstrategien nur kurz angedeutet. Ausführliche Informationen dazu findest Du in der Zusammenfassung "Lazarus Emotionstheorie".
Angst-Vermeidungs-Modell
Das Angst-Vermeidungs-Modell (englisch Fear-Avoidance-Model) beschreibt, wie Menschen chronische Schmerzen als Folge von Vermeidungsverhalten und Angst vor bestimmten (schmerzbezogenen) Aktivitäten entwickeln. Vermeidungsverhalten meint im Angst-Vermeidungs-Modell den Versuch, jegliches Verhalten zu unterlassen, sodass potentielle Schmerzen (seelische sowie körperliche) überhaupt nicht erst auftreten können.
Gerade nach einer Verletzung sind Angst und Vermeidung sinnvoll, da Bewegung in der Regel vorübergehend vermieden werden sollte. Zum einen kann man den Schmerz als vorübergehend akzeptieren und somit keine Angst vor ihm haben. Dann ist man normalerweise schon bald wieder schmerzfrei. Man kann jedoch auch eine Angst gegenüber dem Schmerz entwickeln und beginnen zu katastrophieren, sich also übertrieben viele negative Gedanken machen.
Eine negative Einstellung in Bezug auf den Schmerz führt schließlich dazu, dass alle Bewegungen und Handlungen vermieden werden, die potentiell Schmerz auslösen könnten. Als Folge wird das betroffene Körperteil noch schwächer, was neue Schmerzen mit sich ziehen kann. Es kommt zu einer Art (Teufels-)Kreislauf aus körperlichen und emotionalen Schmerzen, die sich gegenseitig verstärken. Folgendes Beispiel verdeutlicht Dir den Teufelskreislauf anhand einer Verletzung des Ellenbogens:
Paul spielt seit seinem vierten Lebensjahr Tennis. Mittlerweile ist er 24 Jahre alt. In seiner Jugend hat alles danach ausgesehen, als würde er eine Karriere als Tennisprofi einschlagen. Es ist schon immer sein Traum gewesen, eines Tages Leistungssportler zu sein. Kurz vor seinem 16. Geburtstag dann der Schock: Paul hat einen Tennisarm. Plötzlich schmerzte sein Ellenbogen bei jedem Schlag. Der Arzt bat ihn, seinen Arm eine Weile zu schonen und nicht zu überlasten. Er riet Paul, am besten ein paar Wochen das Training ausfallen zu lassen.
Für Paul brach in diesem Moment die Welt zusammen. Schweren Herzens hielt sich Paul schließlich an den ärztlichen Rat und pausiert das Tennisspielen. Stattdessen begann er sich auf die Schmerzen in seinem Arm zu konzentrieren, die seinen großen Traum zerstört hatten. Plötzlich schmerzte der Ellenbogen auch nicht nur beim Tennisspielen, sondern auch bei alltäglichen Bewegungen, wie dem Anheben eines Wasserglases. Paul driftete immer weiter ab in eine negative Gedankenspirale und seine Schmerzen schienen immer stärker zu werden. Deshalb begann er aus Angst vor den Schmerzen immer mehr seinen Arm zu schonen, in der Hoffnung so eines Tages wieder spielen zu können. Letzten Endes bauen sich die Muskeln in seinem Arm ab und seine Gelenke wurden steif. Diese Spirale zog sich immer weiter, bis er eines Tages jede Hoffnung aufgab, je wieder Tennis zu spielen.
Zwei-Faktoren-Modell – Angst
Das Zwei-Faktoren-Modell der Angst stammt aus dem Jahr 1947 und wurde von Orval H. Mowrer entwickelt. Es stellt eine Weiterentwicklung der behavioristischen Konditionierungstheorie der Angst dar. Das Zwei-Faktoren-Modell besagt, dass Ängste
- durch klassische Konditionierung erworben
- durch operante Konditionierung aufrechterhalten werden.
Wie genau Du Dir das Zusammenspiel zwischen der klassischen und operanten Konditionierung vorstellen kannst, erfährst Du im Folgenden.
Klassische Konditionierung
Zunächst wird bei einer klassischen Konditionierung ein ursprünglich neutraler Reiz bzw. Stimulus (NS) durch das zeitgleiche Anbieten eines unkonditionierten Stimulus (UCS) zu einem konditionierten Stimulus (CS). Auf den unkonditionierten Stimulus reagiert eine Person mit einer unkonditionierten Reaktion (UCR). Durch die Verknüpfung des unkonditionierten Stimulus mit dem konditionierten Stimulus kommt es auch bei dem konditionierten Stimulus zu einer Reaktion, der sogenannten konditionierten Reaktion (CR).
Das Prinzip der klassischen Konditionierung im Sinne der Zwei-Faktoren-Theorie der Angst kannst Du Dir folgendermaßen vorstellen:
Mia befindet sich in einem übermäßig gefüllten Aufzug. Die Nähe zu den anderen Personen (UCS) löst in ihr das Gefühl der Einengung, Bedrohung und Angst (UCR) aus. Ihr Herzschlag beschleunigt sich und sie hat das Gefühl, plötzlich keine Luft mehr zu bekommen.
Wenn Du mehr über die "klassische Konditionierung" und über (un)konditionierte Reiz-Reaktionen lernen möchtest, schaue Dir die Erklärung zu dem Thema an!
Operante Konditionierung
Da die konditionierte Reaktion (Angst) für die Person äußerst unangenehm ist, kommt es zu einer Vermeidung des auslösenden Reizes (konditionierten Stimulus). Die betroffene Person erkennt, dass sie durch Vermeidung des Stimulus die Angst lindern kann. Jedoch kommt es damit gleichzeitig zu einer negativen Verstärkung und Aufrechterhaltung des Vermeidungsverhaltens.
Der Prozess der operanten Konditionierung als zweiten Schritt der Zwei-Faktoren-Theorie würde übertragen auf Mias Situation folgendermaßen aussehen:
Der Aufzug kann durch die Angst, die Mia empfindet, für sie zu einem konditionierten Stimulus (CS) werden, was gemäß der klassischen Konditionierung zu einer Angst vor Aufzügen (CR) führen kann.
Vermeidet Mia daraufhin Fahrten mit dem Aufzug, kann es zu einer Verstärkung und Aufrechterhaltung der Angst gemäß einer operanten Konditionierung kommen.
Wenn Du mehr zum Lernprinzip gemäß positiver oder negativer Verstärkung erfahren möchtest, klick Dich rein in die interessante Erklärung "operante Konditionierung"!
3-Komponenten-Modell – Angst
Das 3-Ebenen-Modell der Angst besagt, dass sich die Angst auf drei verschiedenen Reaktionsebenen ausbildet. Dabei handelt es sich um die:
- körperlich-physiologische Ebene, wie z.B. Herzrasen, Schwitzen oder Zittern
- emotional-kognitive Ebene, wie z.B. Blackouts
- behavioral-verhaltensbezogene Ebene, wie z.B. Flucht oder Vermeidung
Greifen alle drei Ebenen zusammen, handelt es sich um eine Angstreaktion, wie man sie sich typischerweise vorstellt. Am Beispiel von Mia und ihrer Aufzugsfahrt auf, könnte das Zusammenwirken aller Ebenen folgendermaßen aussehen:
Mia spürt, wie ihr Herz zu rasen beginnt, kaum dass sie den Aufzug betreten hat. Ihre Hände werden feucht und schwitzig und das starke Verlangen aus der Situation schnellstmöglich zu flüchten steigt in ihr auf. Auch wird ihr leicht schwindelig und sie merkt, wie ihre Gedanken zu rasen beginnen und ihr plötzlich immer wieder kurz schwarz vor Augen wird.
Es müssen aber nicht immer alle Ebenen gleichermaßen auftreten und gleich ausgeprägt sein. Tatsächlich kann eine Ebene auch selbstständig bzw. verstärkt auftreten, während sich die anderen beiden Ebenen im Hintergrund halten. Übertragen auf Mia würde ihre Situation wie folgt aussehen:
Kaum dass sich der Aufzug in Bewegung gesetzt hat, spürt Mia, wie sich ihr Puls beschleunigt. Doch obwohl sie Fahrten mit dem Aufzug alles andere als angenehm findet, sie ihr Angst machen und sie am liebsten die Treppe nimmt, verspürt sie selten bis nie das Verlangen, den Aufzug schnellstmöglich wieder verlassen zu müssen. Sie ist lediglich froh, wenn sie an ihrem Ziel angekommen ist und sich wieder in einer luftigeren Umgebung befindet. Es ist noch nie vorgekommen, dass ihr schwindelig oder schwarz vor Augen geworden ist. Einzig ihr Herzschlag beschleunigt sich bei Aufzugfahrten.
Soziale Angst – Ursachen-Modell
Das Ursachen-Modell der sozialen Angst versucht zu erklären, wie sich soziale Phobien festigen (chronifizieren) können. Es nimmt an, dass hauptsächlich ein sogenanntes Sicherheitsverhalten für die Aufrechterhaltung sozialer Phobien verantwortlich.
Mit Sicherheitsverhalten werden Verhaltensweisen bezeichnet, die zur Aufrechterhaltung von Befürchtungen beitragen, ohne dass diese Befürchtungen eintreten.
Kommt eine Person mit sozialen Ängsten in eine angstauslösende soziale Situation, kommt es zu einer Aktivierung von belastenden Grundannahmen basierend auf früheren Erfahrungen, wie z.B. "Ich bin sowieso nicht gut genug". Zugleich entwickelt sie Gedanken, mit denen sie die Situation als gefährlich oder auch peinlich bewertet. Als Folge verspürt die Person körperliche Reaktionen bzw. Anzeichen der Angst, wie Herzrasen, Zittern oder Schwitzen. Dadurch können die bereits vorhandene Gedanken verstärkt oder gar neue belastende Gedanken entwickelt werden.
In der Absicht, diese eingebildete soziale Gefahr zu reduzieren, verstärkt die Person ihr Sicherheitsverhalten und hofft so, das gefürchtete Resultat zu verhindern. Sie entwickelt schließlich "ungesunde" Verhaltensweisen, wie z.B. den Blickkontakt zu vermeiden oder sich aus Gesprächen rauszuhalten, aus Angst etwas falsches zu sagen. Es wird nicht mehr reflektiert, ob die Befürchtungen überhaupt zutreffen und eine ausgeprägte Erwartungsangst entsteht. Es kommt zu einem Kreislauf aus Angst und Vermeidung, der nur schwer zu durchbrechen ist.
Zur Veranschaulichung des Modells der sozialen Ängste kann man erneut Mia und ihre Angst vor Aufzugsfahrten heranziehen:
Kaum dass Mia gedankenverloren den Aufzug betreten hat, schließen sich die Türen hinter ihr und der Aufzug setzt sich in Bewegung, noch bevor sie reagieren kann. Zu ihrem Schrecken stellt sie fest, dass der Aufzug sehr voll und die maximale Belastungsgrenze von acht Personen mit ihr erreicht ist. Sofort beginnen ihre Gedanken zu rasen und sie erinnert sich an die eine Aufzugfahrt, bei der der Aufzug steckengeblieben ist. Zwar liegt diese Erfahrung bereits viele Jahre zurück und Mia war noch ein kleines Mädchen gewesen, dennoch führt es dazu, dass ihr Herzu schnell zu schlagen beginnt und ihre Handflächen feucht werden. Weiter wird ihr schwindelig und ihre Kehle schnürt sich zu.
Ihre körperliche Reaktion bestätigt Mia erneut darin, dass Aufzugfahrten gefährlich und schlimm sind. Da der Aufzug sehr langsam fährt und Mia in den 20. Stock muss, hat sie alle Zeit der Welt, sich auf ihren Körper zu konzentrieren. Ihr Herzschlag hämmert laut in ihren Ohren und plötzlich hat sie das Gefühl, dass alle Menschen um sie herum ebenfalls ihren Herzschlag hören können und merken, wie sehr sie Angst vor dem Aufzugfahren hat. Mia beginnt sich für ihre Angst zu schämen, besonders da alle Personen um sie herum den Eindruck erwecken, als würde ihnen das Fahren mit dem Aufzug nichts auszumachen. Kaum dass der Aufzug zum Stehen kommt, flüchtet Mia aus der Kabine und schwört sich selbst, nie wieder mit einem Aufzug zu fahren, selbst wenn sie die 20 Stockwerke zu Fuß die Treppe herunterlaufen muss.
Ursachen sozialer Angst
Häufig verbinden Menschen mit einer sozialen Angst bzw. Phobie eine Art Schüchternheit. Tatsächlich hat Schüchternheit nichts mit einer sozialen Angst zu tun. Hier handelt es sich um eine Charaktereigenschaft einer Person, die nicht gleichzusetzen ist mit einem Auslösefaktor für Angst. Schüchternheit verschwindet auch in der Regel sobald man häufiger mit der Person gesprochen hat – man taut sozusagen auf. Dennoch kann Schüchternheit zur Ausbildung einer sozialen Angststörung beitragen. Besonders in Kombination mit der genetischen Veranlagung in Form einer natürlichen Zurückhaltung oder Hemmung, kann Schüchternheit jedoch Ängste in sozialen Umgebungen triggern.
Haben bereits die Eltern eine soziale Phobie, besteht für das Kind ebenfalls ein erhöhtes Risiko, Ängste in sozialen Situationen zu entwickeln. So können Eltern, die eher wenige soziale Kontakte haben und einen sehr hohen Wert auf die Meinung Außenstehender legen, ein entscheidender Faktor bei der Ausbildung sozialer Ängste sein.
Ebenso verhält es sich, wenn Kinder ständig von ihren Eltern kritisiert werden, wenig Liebe erfahren oder mit dem Gefühl aufwachsen, dass sie stören. In all diesem Fällen können sie ein geringes Selbstwertgefühl entwickeln, das zu einer Verunsicherung führt und in der Folge auch auf andere Lebensbereiche übertragen werden kann. Andersherum lernen Kinder von übermäßig fürsorglichen Eltern hingegen unter Umständen nicht, mit negativen Erfahrungen und Fehlern im Leben umzugehen.
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Entwicklung sozialer Ängste sind einschneidende oder sozial belastende Erlebnisse in der Kindheit oder Jugend. Wenn ein Kind beispielsweise gehänselt, abgelehnt oder ausgelacht wurde oder das Gefühl hatte, in der Schule etwas Falsches gesagt zu haben, kann das zu starker Verunsicherung, Selbstzweifeln und somit zu Ängsten führen. Auch eine Scheidung, Konflikte in der Familie oder die psychische Erkrankung eines Elternteiles sind ebenfalls Negativerfahrungen, die die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung sozialer Ängste erhöhen können.
SORKC-Modell – Angst
Das SORKC-Modell dient bei Angst der Erklärung von (Problem-)Verhalten, insbesondere bezüglich der Identifikation von Auslösefaktoren und aufrechterhaltenden Einflüssen. Das Modell basiert auf der operanten Konditionierung und beschreibt insgesamt fünf Grundlagen von Lernvorgängen:
- Stimulus: innere (z.B. Schmerz, Hunger, Herzrasen) und äußere Reize (z.B. Temperatur oder Licht), in der die Reaktion auftritt
- Organismus: individuelle, biologische und lerngeschichtliche Reaktionsweisen der Person auf den Reiz
- Reaktion: beobachtbare Reaktion in Form von Verhalten auf den Reiz (behavioral, emotional, kognitiv)
- Kontingenz: Regelmäßigkeit, mit der das Verhalten auftritt
- Consequence bzw. Konsequenz: Belohnung oder Bestrafung als Folge des Verhaltens
Zur Veranschaulichung der einzelnen Grundlagen soll Dir das nachfolgende Beispiel dienen:
S: Ein Schüler bekommt eine schlechte Note in einem Test.
O: Er hat nie wirklich gelernt, mit solchen Enttäuschungen umzugehen.
R: Er zerreißt den Test und stößt Tische um. Kurz gesagt, er reagiert mit Wut.
K: In ähnlichen Situationen Zuhause, wie z.B. wenn sein Vater aufgrund seiner Arbeit wieder nicht zu seinem Fußballspiel kommen kann, hat sich dieses Verhalten bei dem Schüler bewährt.
C: Kurzfristig kann er so seinem Frust Luft machen, jedoch wird er langfristig Probleme durch sein Verhalten erfahren, da er spätestens im Berufsleben mit einem solchen Verhalten nicht durchkommen wird.
Wie Du anhand der verschiedenen Modelle zur Angst gesehen hast, kann die Ausbildung von Angst auf unterschiedliche Weise betrachtet und erklärt werden. Auch wenn die Grundannahmen der einzelnen Modelle unterschiedlich sind
Angst Modell - Das Wichtigste
- Angst ist eine natürliche und überlebenswichtige Reaktion.
- Nach dem Modell sozialer Ängste sind Sicherheitsverhalten für die Aufrechterhaltung sozialer Phobien verantwortlich.
- Gemäß des 3-Komponenten-Modell gibt es drei Reaktionsebenen der Angst: die körperlich-physiologische, die emotional-kognitive und die behavioral-verhaltensbezogene Ebene.
- Nach dem Zwei-Faktoren-Modell werden Ängste durch die klassische Konditionierung erworben und durch operante Konditionierung aufrechterhalten.
- Das Angst-Vermeidungs-Modell postuliert, dass wenn Angst und Schmerz vermieden wird, es als Folge zu chronischen Schmerzen kommt.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Angst Modell
Wie kommt es zu einer Angststörung?
Zu einer Angststörung kommt es aus einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Dazu gehören:
- genetische Faktoren
- Funktionsstörungen der Schilddrüse
- Herz- oder Hirnerkrankungen
- Stress
- Traumata
- Alkohol- und Drogenkonsum
Woher kommen Ängste bei Erwachsenen?
Bei Erwachsenen kommen Ängste aus einem Zusammenspiel zwischen genetischen Faktoren, Lernfaktoren und Stress. Generell herrscht jedoch die Auffassung, dass es keine pauschale Ursache für Ängste gibt. Häufig genannte Auslöser sind Traumata (aus der Kindheit) und Stress.
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