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Die posttraumatische Belastungsstörung ist eine starke psychische Reaktion auf extrem belastende Ereignisse oder Situationen. Depression ist eine psychische Störung, die mit starker Niedergeschlagenheit, Interessenverlust und Antriebslosigkeit einhergeht. Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine Form der Psychotherapie, die laut aktueller Forschung sehr wirksam bei der Behandlung psychischer Störungen ist. Wenn Du mehr zu diesen Themen erfahren willst, klick Dich in die ausführlichen Erklärungen rein!
EMDR-Therapie
Die folgende Definition für EMDR verschafft Dir einen ersten Überblick, was diese Methode der Therapie ist:
Die Abkürzung EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing (auf Deutsch etwa "Desensibilisierung und Neuverarbeitung durch Augenbewegungen"). EMDR wurde von der US-amerikanischen Psychologin Francine Shapiro Anfang der 90er-Jahre für die Therapie von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) entwickelt. Die Bearbeitung des traumatischen Erlebnisses wird bei EMDR von schnellen Augenbewegungen der Patient*innen begleitet, die durch horizontale Fingerbewegungen der Therapeutin oder des Therapeuten vorgegeben werden.
EMDR gehört zu den wichtigsten Psychotherapiemethoden bei posttraumatischen Belastungsstörungen. Seit 2006 wird EMDR in Deutschland vom wissenschaftlichen Beirat für Psychotherapie als wissenschaftlich belegte Therapiemethode anerkannt. EMDR kann sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen angewendet werden.
EMDR – Bedeutung
EMDR hat in der Traumatherapie eine wichtige Bedeutung. EMDR, das teilweise Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie verwendet, ist bei posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) ähnlich wirksam wie andere Verfahren der kognitiven Verhaltenstherapie. Die EMDR-Methode hat sich aber neben der Behandlung von PTBS auch für andere Störungsbilder, die mit belastenden Erlebnissen zusammenhängen, als wirksam erwiesen. Dazu gehören unter anderem depressive Störungen. Außerdem scheinen nur wenige Patient*innen eine EMDR-Therapie abzubrechen. Das spricht dafür, dass diese Methode für Betroffene weniger unangenehm und anstrengend ist als andere Methoden.
Wie wirkt EMDR?
Was bei der EMDR-Therapie genau passiert, ist nach wie vor nicht geklärt und Gegenstand aktueller psychologischer Forschung. Zunächst war angenommen worden, dass durch die Fingerbewegungen eine sogenannte bilaterale Stimulation erfolgt, also eine gleichzeitige Aktivierung beider Hirnhälften. Dies wurde aber durch eine Studie entkräftet, die ähnliche Effekte nachwies, wenn die Augen von oben nach unten bewegt werden. Auch wurden ähnliche Effekte beobachtet, wenn die Patient*innen statt der Augenbewegungen parallel zur Konfrontation eine Atemübung durchführten, einfache Matheaufgaben lösten oder sogar Tetris spielten.
Aktuelle Theorien gehen daher davon aus, dass der Mechanismus eher über die parallele Leistung des Arbeitsgedächtnisses erfolgt: Während das traumatische Erlebnis reaktiviert wird, wird gleichzeitig das Arbeitsgedächtnis gefordert. Somit werden Betroffene sozusagen von dem vollständigen Wiedererleben abgelenkt und die Intensität der erlebten Emotionen wird verringert. Allerdings ist auch diese Theorie noch nicht ausreichend belegt und bedarf weiterer Forschung.
EMDR – Methode
Die EMDR-Methode gehört zu den Konfrontationsverfahren in sensu und damit zu den traumafokussierten Methoden. Das bedeutet, dass bei dieser Methode direkt mit dem traumatischen Erlebnis gearbeitet wird. Im Gegensatz dazu stehen Methoden, die nur auf die durch das Trauma hervorgerufenen Symptome abzielen. Dazu gehören z. B. Achtsamkeit oder Techniken zum Umgang mit Anspannung.
Konfrontationsverfahren zeichnen sich dadurch aus, dass Patient*innen sich aktiv in Situationen begeben, in denen sie starke Angst empfinden. Diese Situationen werden so lange ausgehalten, bis die Patient*innen die Erfahrung machen, dass die befürchtete Konsequenz in der Situation nicht eintrifft und die Angst natürlicherweise nachlässt. Man unterscheidet bei der Konfrontation Verfahren in sensu (Vorstellen der Situation im Kopf) und in vivo (tatsächliches Aufsuchen und Erleben der Situation).
EMDR – Behandlung
Die Behandlung durch eine EMDR-Therapie verläuft in acht Phasen:
- Anamnese
- Aufklärung über Verfahren
- Auswahl der belastenden Situation, Formulierung eines positiven Zielgedankens
- Konfrontation in sensu & Augenbewegungen
- Verankerung des positiven Gedankens
- Testen der verringerten Belastung in Bezug auf die Erinnerung
- Abschluss und Nachbesprechung
- Folgesitzung zur Vertiefung
Zu Beginn der Therapie werden das traumatische Erlebnis und die aktuellen Symptome ausführlich besprochen (Anamnese) und eine sichere und vertrauensvolle therapeutische Beziehung aufgebaut. In der zweiten Phase werden Patient*innen ausführlich über die Vorgehensweise und Funktion des EMDR-Verfahrens aufgeklärt. Außerdem wird ein mit positiven Gefühlen besetzter innerer sicherer Ort (z. B. eine Erinnerung) erarbeitet, welcher bei zu großer Belastung während der Therapie aufgesucht werden kann.
Anamnese setzt sich aus dem Altgriechischen aná ("auf") und mnémē ("Erinnerung") zusammen und bedeutet so viel wie "Vorgeschichte". In der Medizin und Psychologie wird der Begriff verwendet, um die medizinisch relevante Vorgeschichte von Patient*innen zu erfragen, er bezieht sich also auf die Krankengeschichte einer Person.
Anschließend wird in der dritten Phase eine belastende Situation sowie ein damit verbundener negativer Gedanke ausgewählt, welcher mittels EMDR bearbeitet werden soll. Zusätzlich wird ein positiver Zielgedanke formuliert, der später mit dem belastenden Erlebnis verknüpft werden und den negativen Gedanken ersetzen soll.
In Phase vier erfolgt die eigentliche EMDR-Therapie. In dieser Phase stellen sich die Patient*innen zunächst die ausgewählte Szene aus dem traumatischen Erlebnis möglichst bildhaft vor. Dabei konzentrieren sie sich auf die aufkommenden Gefühle und Körperempfindungen. Gleichzeitig folgen sie mit den Augen dem Finger des Therapeuten/der Therapeutin, die schnell horizontal nach rechts und links bewegt werden.
Alternativ zu der "klassischen" Fingerbewegung können Therapeut*innen auch die Handrücken der Patient*innen berühren oder Töne einsetzen. Dies wird so oft wiederholt, bis die Angst nachlässt, meist mehrmals innerhalb einer therapeutischen Sitzung. Eine Sitzung dauert dabei etwa 60 bis 90 Minuten. Deutliche Ergebnisse lassen sich häufig bereits nach etwa 25 Sitzungen erzielen.
In den folgenden Sitzungen wird der zuvor formulierte positive Zielgedanke bei der Vorstellung der traumatischen Erinnerung eingeführt und mittels Augenbewegungen mit der traumatischen Szene verknüpft. Gegen Ende der Therapie sollte die Belastung bei der Vorstellung der traumatischen Erinnerung merklich abnehmen. Negative Emotionen wie Angst oder Scham sowie unangenehme Körperempfindungen wie Anspannung werden weniger. Beim Abschluss der Behandlung werden nach Möglichkeit Folgesitzungen geplant, um den Effekt der Therapie über längere Zeit zu überprüfen und zu vertiefen.
Das folgende Fallbeispiel hilft Dir dabei, Dir den Ablauf einer EMDR-Methode besser vorstellen zu können:
Gina wurde im Urlaub vor vier Jahren auf offener Straße überfallen und mit einem Messer bedroht. In der Folge erlebte sie immer wieder Albträume, Schlaf- und Konzentrationsschwierigkeiten und extreme Angst im Dunkeln. Lange sprach sie mit niemandem über das Erlebnis, obwohl es sie im Alltag sehr belastete und einschränkte. Erst Jahre später rät ihr ein Freund, eine EMDR-Therapie zu machen. Die aufgesuchte Psychotherapeutin befragt Gina ausführlich zu ihren Symptomen und dem Überfall und erklärt ihr das Vorgehen der EMDR-Therapie. (Phasen 1 & 2)
Bei der Erinnerung an den Überfall kommt Gina immer wieder der Gedanke "Ich bin hilflos und ausgeliefert, ich kann nichts dagegen tun." Diesem Gedanken möchte sie den positiven Zielgedanken "Ich kann Hilfe holen." entgegensetzen (Phase 3). Erst als Gina sich in der Therapie vollkommen sicher fühlt und Vertrauen aufgebaut hat, beginnt die Therapeutin mit der Konfrontationsbehandlung: Gina soll sich die Situation des Überfalls immer wieder intensiv vorstellen, während sie mit den Augen den Fingerbewegungen der Therapeutin folgt. Zu Beginn erlebt Gina bereits nach wenigen Sekunden extreme Angst und Hilflosigkeit, ihre Hände beginnen zu schwitzen und ihr Herz zu rasen. Aber je länger und häufiger sie sich gedanklich der belastenden Situation stellt, desto mehr lässt ihre Angst nach (Phase 4). Anschließend beginnt Gina, sich während der Konfrontation aktiv ihre positive Zielformulierung "Ich kann Hilfe holen." vorzusagen (Phase 5).
Bereits nach wenigen Wochen Therapie erlebt Gina eine deutliche Besserung ihrer Symptome: Sie kann fast ohne Angst abends wieder allein nach Hause laufen, sich deutlich besser konzentrieren und hat kaum noch Albträume (Phase 6). Gegen Ende der Therapie bespricht Gina mit ihrer Therapeutin, dass sie im folgenden Jahr noch einige Male zu Folgesitzungen kommen wird, um zu beobachten, wie es ihr nach einiger Zeit mit der Therapie geht. (Phasen 7 & 8)
Zum Arbeitsgedächtnis findest Du ausführliche Informationen in der Erklärung "Arbeitsgedächtnis Kurzzeitgedächtnis".
EMDR – Nebenwirkung
Wie andere Therapieformen hat auch EMDR Nebenwirkungen. Eine EMDR-Therapie ist wie andere traumafokussierte Psychotherapiemethoden hochwirksam und sehr Erfolg versprechend. Trotzdem zögern viele Betroffene, sich dem traumatischen Erlebnis zu stellen. Ein Grund dafür ist, dass es zu Beginn der Therapie durchaus sein kann, dass es Betroffenen vorübergehend schlechter geht. Die ständige intensive Beschäftigung mit dem Erlebten ist emotional sehr belastend und anstrengend.
Allerdings lässt diese Belastung langfristig nach und schadet nicht. Eine Retraumatisierung kann bei einer PTBS-Therapie nicht erfolgen, wenn sie durch geschultes Fachpersonal (ärztliche oder psychologische Psychotherapeut*innen mit EMDR-Weiterbildung) durchgeführt wird. Langfristig überwiegen also die Vorteile der Behandlung bei Weitem die kurzfristig eventuell höhere Belastung.
EMDR-Gerät/-Brille
EMDR-Geräte wie die sogenannte EMDR-Brille versprechen Selbstheilung und Selbstoptimierung mittels eingebauter Blaufilter und visueller Lichtstimulation. Auch Geräte, die eine optische oder taktile Stimulation erzeugen, kann man für viel Geld kaufen. Allerdings ist weder die Wirksamkeit dieser EMDR-Brillen oder sonstiger EMDR-Geräte wissenschaftlich geprüft, noch können Schäden bis hin zu Retraumatisierungen ausgeschlossen werden. Die EMDR-Methode klingt zwar einfach, sollte allerdings nur von speziell ausgebildeten Psychotherapeut*innen und in einem geschützten Rahmen durchgeführt und keinesfalls allein ausprobiert werden.
EMDR - Das Wichtigste
- EMDR – Bedeutung: Die Abkürzung EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing (auf Deutsch etwa "Desensibilisierung und Neuverarbeitung durch Augenbewegungen").
- EMDR-Therapie: EMDR wurde von der US-amerikanischen Psychologin Francine Shapiro Anfang der 90er-Jahre für die Therapie von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) entwickelt.
- EMDR – Behandlung: Die Bearbeitung des traumatischen Erlebnisses wird bei EMDR von schnellen Augenbewegungen der Patient*innen begleitet, die durch horizontale Fingerbewegungen der Therapeutin oder des Therapeuten vorgegeben werden.
- EMDR – Methode: EMDR gehört zu den Konfrontationsverfahren in sensu und damit zu den traumafokussierten Methoden.
- Die Wirksamkeit von EMDR gilt als wissenschaftlich erwiesen, allerdings ist noch nicht geklärt, wie genau die Therapiemethode wirkt.
Richtig oder falsch:
Bei einer EMDR-Therapie besteht immer die Gefahr einer Retraumatisierung.
falsch
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Häufig gestellte Fragen zum Thema EMDR
Was passiert im Gehirn bei EMDR?
Was im Gehirn bei einer EMDR-Therapie passiert, ist nach wie vor unklar. Lange ging man davon aus, dass eine sogenannte bilaterale Stimulation, also die gleichzeitige Aktivierung beider Hirnhälften für den Effekt verantwortlich ist. Die neuere Forschung weist aber eher auf eine Beteiligung des Arbeitsgedächtnisses hin.
Wie viele Sitzungen EMDR?
Bereits nach etwa 25 Sitzungen kann bei einer EMDR-Therapie oft ein deutlicher Fortschritt erzielt werden. Wie viele Sitzungen genau notwendig sind, ist jedoch von Patient*in zu Patient*in unterschiedlich.
Wer darf EMDR anwenden?
EMDR darf nur von geschultem Fachpersonal angewendet werden, da es sonst im schlimmsten Fall zu einer Retraumatisierung kommen kann. Dazu gehören ärztliche und psychologische Psychotherapeut*innen, die eine entsprechende EMDR-Weiterbildung absolviert haben.
Was ist eine EMDR Therapie?
EMDR-Therapie ist eine der wirksamsten Psychotherapiemethoden bei posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Die Abkürzung EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing (auf deutsch etwa "Desensibilisierung und Neuverarbeitung durch Augenbewegungen"). EMDR wurde von der US-amerikanischen Psychologin Francine Shapiro Anfang der 90er Jahre entwickelt. Die Bearbeitung des traumatischen Erlebnisses wird bei EMDR von schnellen Augenbewegungen der Patient*innen begleitet, die meist durch horizontale Fingerbewegungen der Therapeutin oder des Therapeuten vorgegeben werden.
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