Klassifikatorische Diagnostik – Definition
Klassifikationssysteme dienen in der klinischen Psychologie und Medizin der klassifikatorischen Diagnostik von Krankheiten. Was Klassifikationssysteme sind, zeigt Dir die folgende Definition:
Klassifikationssysteme dienen dazu, Objekte voneinander abzugrenzen und zu ordnen. Sie teilen diese Objekte nach bestimmten gemeinsamen Merkmalen in Klassen oder Kategorien eines Systems ein. Die Klassifikation spielt auch in der klassifikatorischen Diagnostik in Psychologie und Medizin eine wichtige Rolle. Dabei werden Krankheiten nach gemeinsamen Merkmalen klassifiziert.
Klassifikationssysteme – Grundlagen
Um die Grundlagen der Klassifikationssysteme zu verstehen, helfen Beispiele aus dem Alltag. Der Mensch neigt im Alltag automatisch dazu, Vereinfachungen und Unterscheidungen zu machen. Ohne sie würde uns die Komplexität der Welt überfordern. Auch Du ordnest jeden Tag automatisch bestimmte Merkmale in Kategorien ein, z. B. männlich oder weiblich, groß oder klein, gut oder böse.
Klassifikationen bieten die Grundlagen dafür, sich mit anderen Menschen zu verständigen und die Komplexität der Welt zu ordnen. Klassifikationssysteme dienen nämlich dazu, uns das Leben zu erleichtern.
Ein berühmtes Beispiel für die Klassifikation im Alltag ist das Kuchen-Klassifikationssystem nach Dr. Oetker (1956):
- Rührteig
- Gebäcke in Formen
- Kuchen auf dem Blech
- Kleingebäck
- Knetteig
- Geformte Kuchen
- Gebäcke in Spritzform
- Kuchen auf dem Blech
- Kleingebäck
- Biskuitteig
- Torten
- Rollen und Schnitten
- Kleingebäck
- Brandteig
- Fettgebackenes
- Weihnachtsgebäcke
- Hefegebäcke
Vielleicht kommen Dir angesichts dieses Beispiels schon einige Fragen: Auf Grundlage welcher Merkmale wird geordnet (Art des Teigs oder Jahreszeit)? Und warum hat Weihnachtsgebäck eine eigene Kategorie und Geburtstagsgebäck keine? Diese teilweise willkürliche Klassifikation zeigt einige Probleme, die auch die Diagnostik psychischer Störungen betreffen.
Psychiatrische Klassifikationssysteme
Psychiatrische Klassifikationssysteme dienen der Diagnose psychischer Störungen. Auch in der klinischen Psychologie und Psychiatrie dienen psychiatrische Klassifikationssysteme der Ordnung und Vereinfachung. Hat jemand eine bestimmte, vorgegebene Kombination von Merkmalen einer Krankheit, wird eine bestimmte psychische Störung diagnostiziert.
Du möchtest mehr über die verschiedenen Grundlagendisziplinen und Anwendungsdisziplinen der Psychologie lernen? Dann findest du dazu viele weitere Artikel auf StudySmarter, zum Beispiel "Differentielle Psychologie".
Die klinische Psychologie beruht wie andere Disziplinen auf der Empirie. Empirie bedeutet, dass die Klassifikation auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgt. Dass eine Klassifizierung immer empirisch erfolgt, ist vor allem aus zwei Gründen wichtig:
- Eine korrekte Diagnostik ist eine wichtige Grundlage für die richtige Behandlung (Zum Beispiel wird eine Depression anders behandelt als eine Angststörung).
- Betroffene, Forscher*innen, Mediziner*innen und Therapeut*innen können besser kommunizieren, wenn sie sich einig sind, worüber sie reden (das heißt, alle wissen, was gemeint ist, wenn z. B. von einer Depression die Rede ist).
Diagnostik einer psychischen Störung
Die klassifikatorische Diagnostik einer psychischen Störungen erfolgt auf mehreren Ebenen. Bereits einzelne Verhaltensweisen können Merkmale einer psychischen Störung sein. Allerdings müssen erst mehrere dieser Merkmale in einer bestimmten Kombination zusammenkommen, damit eine Diagnose gestellt wird. Die folgende Grafik zeigt am Beispiel der Depression, wie die Diagnose einer psychischen Störung erfolgt.
Abbildung 1: Ebenen der klassifikatorischen Diagnostik - Vom einzelnen Verhalten zur Diagnose
Verhaltensweisen (z. B. tagsüber im Bett liegen) können nur dann Anzeichen für eine psychische Störung sein, wenn sie Beschwerden (für Betroffene oder andere) verursachen (z. B. Schwierigkeiten, morgens aus dem Bett zu kommen). Sobald die Beschwerden über längere Zeit und verschiedene Situationen hinweg bestehen, spricht man von sogenannten Symptomen (z. B. Verlust von Interesse).
Mehrere Symptome lassen sich zu Syndromen zusammenfassen (Ein depressives Syndrom besteht also aus einer ganz bestimmten Kombination von Symptomen). Damit eine Diagnose vergeben werden kann, müssen zusätzlich zu Symptomen und Syndromen bestimmte Zusatzkriterien erfüllt sein, um beispielsweise andere Erkrankungen auszuschließen.
Kategoriale Klassifikation – Definition
Bei der Klassifikation und Diagnostik psychischer Störungen wird zwischen kategorialer und dimensionaler Klassifikation unterschieden. In beiden Ansätzen geht es darum, die Abweichungen von "normal" oder "gesund" zu klassifizieren – entweder mithilfe von Kategorien oder Dimensionen. Was man unter kategorialer Klassifikation versteht, zeigt die folgende Definition:
Unter kategorialer Klassifikation versteht man die Einteilung von Merkmalen oder Symptomen in die Gruppen oder Kategorien eines Systems. Die Grundlage dieses Ansatzes ist, dass die Merkmale innerhalb einer Gruppe sinnvoll zusammenpassen (z. B. weil sie eine gemeinsame Ursache haben oder häufig gemeinsam auftreten) und es deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen gibt.
Wie der kategoriale Ansatz bei der Klassifikation psychischer Störungen aussehen kann, zeigt das folgende Beispiel zur Klassifikation der psychischen Störungen Depression und Phobie:
Die Merkmale Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Hoffnungslosigkeit können in der kategorialen Klassifikation zu einer Gruppe unter dem Oberbegriff "Depression" zusammengefasst werden. Merkmale wie Angst vor bestimmten Situationen, starkes Herzklopfen und Vermeidung von bestimmten Situationen können zu einer zweiten Gruppe unter dem Oberbegriff "Phobie" zusammengefasst werden.
Dimensionale Klassifikation – Definition
Die kategoriale Klassifikation hat bei der Diagnose psychischer Störungen vor allem die Aufgabe, zwischen "gesund" und "krank" zu unterscheiden. Demgegenüber steht die dimensionale Klassifikation, wie die folgende Definition zeigt:
Die dimensionale Klassifikation geht davon aus, dass Merkmale eine bestimmte Ausprägung einer zugrundeliegenden Dimension darstellen. Außerdem müssen Unterschiede in dieser Ausprägung messbar sein.
Das Beispiel von oben zu Depression und Angst könnte in der dimensionalen Klassifikation folgendermaßen aussehen:
Die dimensionale Klassifikation enthält die beiden Dimensionen "Depression" und "Angst". Wenn jemand starke Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Hoffnungslosigkeit erlebt, wäre die Ausprägung auf der Dimension "Depression" hoch und auf der Dimension "Angst" niedrig.
Hat jemand Angst vor bestimmten Situationen, starkes Herzklopfen und vermeidet bestimmte Situationen, wäre die Ausprägung auf der Dimension "Angst" hoch und auf der Dimension "Depression" niedrig. Um die Unterschiede messbar zu machen, könnte z. B. jedes Merkmal auf einer Skala von eins bis zehn beurteilt werden.
Bei der Diagnostik psychischer Störungen wird in erster Linie die kategoriale Klassifikation genutzt. Das liegt vielleicht daran, dass wir im Alltag eher kategorial als dimensional denken. Wir fühlen uns "traurig" oder "glücklich", "wütend" oder "beschämt" und nicht "30 % traurig, 50 % wütend, 0 % glücklich und 20 % beschämt".
Dennoch gibt es an der kategorialen Klassifikation immer wieder Kritik, denn psychische Symptome sind nicht klar voneinander abgrenzbar. Sie sind nicht entweder da oder nicht da: Man kann ein wenig bedrückt oder schwer depressiv sein, aber der Übergang zwischen gesund und krank ist fließend. Moderne Klassifikationssysteme versuchen daher immer mehr, auch dimensionale Aspekte zu berücksichtigen.
Wenn man genauer hinschaut, schließen sich die beiden Ansätze aber nicht unbedingt aus und werden in vielen Bereichen der Medizin schon parallel genutzt, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Körpergewicht wird dimensional (in kg) erfasst und ab einem bestimmten Wert jedoch kategorial als "übergewichtig" oder "adipös" klassifiziert.
Auch bei der Depression versucht man, dem dimensionalen Ansatz mehr gerecht zu werden: Statt nur die zwei Kategorien "gesund" und "depressiv" zu klassifizieren, unterteilt man anhand der Anzahl der Symptome (dimensional) in mehrere Kategorien, "keine", "leichte", "mittelgradige" oder "schwere" depressive Episode.
Klassifikationssysteme – klinische Psychologie und Psychiatrie
Weltweit werden zwei große Klassifikationssysteme in der klinischen Psychologie und Psychiatrie genutzt: In Deutschland ist das vor allem die ICD-10 und in den USA hauptsächlich das DSM-5.
ICD – Psychologie
Die "International Classification of Disease" (ICD, "Internationale Klassifikation von Krankheiten") wird von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben und steht aktuell in der 10. Version zur Verfügung. Die ICD-10 dient weltweit der Klassifikation und Diagnostik sämtlicher Krankheiten.
Jede Krankheit ist darin genau beschrieben und mit einem Code versehen. Dieser Code dient in Deutschland als Grundlage für die Abrechnung der Kranken- und Rentenversicherungen. Das bedeutet, dass alle Mediziner*innen und Psychotherapeut*innen ihre Diagnosen nach der ICD-10 stellen müssen.
Psychische Störungen und Verhaltensstörungen werden im 6. Kapitel oder F-Kapitel codiert. Die Codes für psychische Störungen beginnen alle mit einem F, danach folgen zwei Zahlen, die die Störungen des Unterkapitels beschreiben, und dann bis zu zwei weitere Zahlen, die die genaue Diagnose kennzeichnen. Die folgende Abbildung zeigt die Zusammensetzung des ICD-10-Codes am Beispiel Depression.
Abbildung 2: Die Zusammensetzung des ICD-10-Codes am Beispiel Depression
Die Klassifikation der ICD-10 (Psychische und Verhaltensstörungen)
- F0 Organische einschließlich symptomatischer, psychischer Störungen
- F1 Psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
- F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
- F3 Affektive Störungen
- F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
- F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
- F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
- F7 Intelligenzstörungen
- F8 Entwicklungsstörungen
- F9 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
Da die ICD-10 weltweit die Grundlage für Klassifikation und Diagnostik von Krankheiten ist, legt die Weltgesundheitsorganisation einen besonderen Wert auf die interkulturelle Anwendbarkeit. Diese Verallgemeinerung hat jedoch den Nachteil, dass häufig Kompromisse geschlossen werden müssen. Das wird teilweise der Komplexität psychischer Störungen nicht mehr gerecht.
Anfang 2022 erscheint die Neuauflage, die ICD-11.
DSM – Psychologie
Das "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders" (DSM, "Diagnostischer und Statistischer Leitfaden für Psychische Störungen") wird von der "American Psychiatric Association" ("Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung", APA) herausgegeben und liegt aktuell in der fünften Version vor. Das DSM wird – wie der Name schon sagt – explizit für psychische Störungen entwickelt. Es ist das wichtigste Klassifikationssystem in den USA und stellt dort die Grundlage für die Klassifikation und Diagnostik dar.
Laut DSM müssen die folgenden allgemeinen Merkmale erfüllt sein, damit eine psychische Störung diagnostiziert werden kann:
- Die Symptome müssen andauernd (wie lange genau, hängt von der Störung ab) oder wiederkehrend sein.
- Die Symptome dürfen nicht durch Einflüsse von Drogen oder Medikamenten hervorgerufen sein.
- Die Symptome müssen Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen hervorrufen.
Die Klassifikation des DSM-5
- Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung
- Schizophrenie-Spektrum und andere psychotische Störungen
- Bipolare und verwandte Störungen
- Depressive Störungen
- Angststörungen
- Zwangsstörung und verwandte Störungen
- Trauma- und belastungsbezogene Störungen
- Dissoziative Störungen
- Somatische Belastungsstörung und verwandte Störungen
- Fütter- und Essstörungen
- Ausscheidungsstörungen
- Schlaf-Wach-Störungen
- Sexuelle Funktionsstörungen
- Geschlechtsdysphorie
- Disruptive, Impulskontroll- und Sozialverhaltensstörungen
- Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen
- Neurokognitive Störungen (NCD)
- Persönlichkeitsstörungen
- Paraphilie Störungen
- Andere psychische Störungen
- Medikamenteninduzierte Bewegungsstörungen und andere unerwünschte Medikamentenwirkungen
- Andere klinisch relevante Probleme
Da das DSM-5 in erster Linie für die USA und nur für psychische Störungen und unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede entwickelt wird, enthält es weniger Kompromisse und oft genauere Diagnosen als die ICD-10. Dadurch ist das DSM-5 weltweit besonders für die psychologische Forschung interessant.
Klassifikationssysteme Psychologie – Beispiel Depression
Trotz der Unterschiede zwischen ICD-10 und DSM-5 können die beiden Klassifikationssysteme der Psychologie meist gut direkt miteinander verglichen werden. Das zeigt sich unter anderem am Beispiel der Depression. In der folgenden Tabelle findest Du die Diagnosekriterien für eine Depression nach ICD-10 und DSM-5. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede fallen Dir auf?
ICD-10F32.1 Mittelgradige depressive Episode | DSM-5Major Depression |
Unterkapitel Affektive Störungen- Hauptsymptome sind Veränderung der Stimmung entweder zur Depression (mit oder ohne Angst) oder zur gehobenen Stimmung.
- Ein Stimmungswechsel tritt meist zusammen mit Veränderung des allgemeinen Aktivitätsniveaus auf.
- Die meisten anderen Symptome stehen im Zusammenhang mit dem Stimmungs- und Aktivitätswechsel.
- Bei affektiven Störungen treten häufig Rückfälle auf.
- Der Beginn einzelner Episoden steht häufig im Zusammenhang mit belastenden Lebensereignissen oder Situationen.
Diagnose Depressive Episode- gedrückte Stimmung,
- reduzierter Antrieb und Aktivität,
- Interesse, Freude und Konzentration reduziert,
- starke Müdigkeit, Schlafstörungen (z. B. Früherwachen, Morgentief),
- Appetitveränderung,
- Beeinträchtigung von Selbstvertrauen und -wertgefühl,
- Schuldgefühle und Gefühle der Wertlosigkeit,
- Stimmung gleichbleibend schlecht, unabhängig von äußeren Ereignissen,
- psychomotorische Verlangsamung oder Unruhe,
- Verlust des sexuellen Interesses.
Spezifizierung Mittelgradige depressive Episode (Schweregrad abhängig von der Anzahl der Symptome)- vier oder mehr der angegebenen Symptome,
- Betroffene haben meist große Schwierigkeiten bei alltäglichen Tätigkeiten.
| A. Mindestens fünf der folgenden Symptome sind über mindestens zwei Wochen aufgetreten und mindestens eines der Symptome ist entweder (1) niedergeschlagene Stimmung oder (2) Verlust von Interesse oder Freude.- Niedergeschlagene Stimmung für die meiste Zeit des Tages an fast allen Tagen.
- Verlust von Interesse oder Freude an (fast) allen Aktivitäten, an (fast) allen Tagen, für die meiste Zeit des Tages,
- deutlicher Gewichts-/Appetitverlust ohne Diät oder Gewichts-/Appetitzunahme,
- Schlafstörungen/übermäßig viel Schlaf an fast allen Tagen,
- psychomotorische Unruhe/Verlangsamung an fast allen Tagen,
- Müdigkeit/Antriebsschwierigkeiten an fast allen Tagen,
- Gefühle von Wertlosigkeit/Schuldgefühle an fast allen Tagen,
- reduzierte Konzentrations- oder Entscheidungsfähigkeit an fast allen Tagen,
- wiederkehrende Gedanken an den Tod, Suizidvorstellungen, tatsächlicher Suizidversuch oder genaue Planung eines Suizids.
B. Die Symptome rufen Leiden oder Einschränkungen hervor.C. Die Symptome sind nicht durch die Wirkung von Substanzen oder medizinischen Faktoren erklärbar.D. Die Symptome können nicht besser durch eine andere Störung (z. B. Schizophrenie) erklärt werden.E. Es ist niemals eine manische oder eine hypomane Episode aufgetreten. |
Klassifikationssysteme Psychologie – Zusammenfassung
Das DSM ist näher am aktuellen Stand der Forschung, daher orientiert sich die Neuauflage der ICD meist stark am DSM. Im Laufe der Zeit wurden beide Klassifikationssysteme immer besser vergleichbar und es ist möglich, dass sie sich mit jeder Neuauflage weiter annähern.
Vor- und Nachteile der Klassifikation psychischer Störungen
Klassifikationssysteme dienen der Vereinfachung und bieten damit einerseits Ordnung und Struktur und andererseits aber auch immer Informationsverlust. Einige Vor- und Nachteile der Klassifikation psychischer Störungen findest du in der folgenden Tabelle.
Nutzen der Klassifikationssysteme in der Psychologie | Grenzen der Klassifikationssysteme in der Psychologie |
- Grundlage für nachvollziehbare und überprüfbare Diagnostik (Vergleichbarkeit)
| - Informationsverlust: statt detaillierter Beschreibung nur "Schlagworte"
|
- Grundlage für die wissenschaftliche Erforschung psychischer Störungen
| - Vernachlässigung von Informationsquellen (Aktuell gehen nur klinische Merkmale in die Diagnose ein, nicht aber z. B. Genetik oder bildgebende Verfahren wie MRT)
|
- vereinfachte interdisziplinäre, internationale und interkulturelle Kommunikation (zwischen Betroffenen, Forscher*innen, Mediziner*innen und Therapeut*innen)
| - mangelnde Berücksichtigung kultureller (DSM) und geschlechtsspezifischer (ICD) Merkmale
|
- Grundlage für die Entscheidung, welche Therapien für diese Störung (z. B. Psychotherapie, medikamentöse Therapien) angemessen sind und welche nicht
| - willkürliche Grenze zwischen "gesund" und "krank" (teilweise ohne empirische Grundlage, zum Beispiel die Anzahl von Symptomen für Diagnose Depression)
|
- Grundlage für die Ableitung einer Prognose (weiterer Verlauf der Störung, Rückfallrisiko etc.)
| - Stigmatisierung durch "Etikettierung" mit einer Diagnose kann zu sozialer Ausgrenzung führen.
|
- Grundlage für versicherungsrechtliche, juristische und abrechnungstechnische Belange
| - Einteilung unterschiedlicher klinischer Krankheitsbilder in die gleiche Kategorie (Eine Depression kann sich z. B. durch eine sehr unterschiedliche Kombination von Symptomen äußern.)
|
- Grundlage für Ausbildung und Psychoedukation (Patientenaufklärung)
| - mangelnde Berücksichtigung der Ursachen (ICD-10 und DSM-5 klassifizieren nur die aktuell vorliegenden klinischen Symptome.)
|
- Grundlage für Entwicklung von Diagnoseinstrumenten (z. B. Fragebögen)
| - Gefahr der Verwechslung künstlicher Einheiten mit der Realität (Diagnosen sollen die Realität abbilden, umgekehrt kann man aber aus der Diagnose keine Rückschlüsse auf die Realität ziehen.)
|
Klassifikationssysteme - Das Wichtigste
- Klassifikationssysteme dienen dazu, Objekte voneinander abzugrenzen und zu ordnen.
- In der klinischen Psychologie spielt Klassifikation eine wichtige Rolle bei der Erstellung von Diagnosen psychischer Störungen.
- Man unterscheidet zwischen kategorialer und dimensionaler Klassifikation.
- Die wichtigsten Klassifikationssysteme in der klinischen Psychologie sind die ICD-10 (das wichtigste Diagnosewerkzeug in Deutschland) und das DSM-5 (Grundlage für Diagnostik in den USA und weltweit richtigungsweisend für die psychologische Forschung).
- Klassifikationssysteme dienen in der klinischen Psychologie in erster Linie der Kommunikation und Vergleichbarkeit. Kritisiert wird dabei vor allem der Informationsverlust durch Vereinfachung.
Wie stellen wir sicher, dass unser Content korrekt und vertrauenswürdig ist?
Bei StudySmarter haben wir eine Lernplattform geschaffen, die Millionen von Studierende unterstützt. Lerne die Menschen kennen, die hart daran arbeiten, Fakten basierten Content zu liefern und sicherzustellen, dass er überprüft wird.
Content-Erstellungsprozess:
Lily Hulatt ist Digital Content Specialist mit über drei Jahren Erfahrung in Content-Strategie und Curriculum-Design. Sie hat 2022 ihren Doktortitel in Englischer Literatur an der Durham University erhalten, dort auch im Fachbereich Englische Studien unterrichtet und an verschiedenen Veröffentlichungen mitgewirkt. Lily ist Expertin für Englische Literatur, Englische Sprache, Geschichte und Philosophie.
Lerne Lily
kennen
Content Quality Monitored by:
Gabriel Freitas ist AI Engineer mit solider Erfahrung in Softwareentwicklung, maschinellen Lernalgorithmen und generativer KI, einschließlich Anwendungen großer Sprachmodelle (LLMs). Er hat Elektrotechnik an der Universität von São Paulo studiert und macht aktuell seinen MSc in Computertechnik an der Universität von Campinas mit Schwerpunkt auf maschinellem Lernen. Gabriel hat einen starken Hintergrund in Software-Engineering und hat an Projekten zu Computer Vision, Embedded AI und LLM-Anwendungen gearbeitet.
Lerne Gabriel
kennen