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Sobald in einem der Systeme Probleme auftreten und die Dynamik nicht mehr funktioniert, sind systemische Therapien eine Methode zur Lösung des Konfliktes. Das systemische Therapieverfahren fokussiert sich auf die Beziehungsprozesse einer Person, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung eines Problems beteiligt sind.
Systemische Therapie – Psychologie
Der Ursprung der systemischen Therapie ist die Familientherapie, die Anfang der 1950er-Jahre von Nathan Ackerman entwickelt wurde. Ausgeweitet und zur systemischen Therapie ausgebildet wurde sie Ende der 1950er durch vier Professoren namens Donald deAvila Jackson, Gregory Bateson, John Weakland und Richard Fisch, die Lehrende des Mental Research Institutes (MRI) waren.
Systemische Therapie – Definition
Bei der Familientherapie wird die Familie eines Menschen in die Lösung eines Konfliktes einbezogen. Das bedeutet, dass sich der/die Therapeut*in die Beziehungen zwischen den Eltern, den Geschwistern oder Tanten und Onkel näher ansieht. Familientherapeut*innen erkannten aber, dass nicht nur die Familie eine Rolle für die psychische Gesundheit spielt, sondern auch jede andere Person aus anderen Systemen, beziehungsweise Gruppen. Dazu gehören die Schulklasse, die Mitmenschen am Arbeitsplatz oder die Freunde. Die systemische Therapie ist als eine Erweiterung der Familientherapie anzusehen, die alle relevanten Beziehungen einbezieht:
Die systemische Therapie ist eine Form der psychotherapeutischen Therapie. Dabei werden Probleme nicht als Störung eines einzelnen Menschen betrachtet, sondern als eine Folge von Störungen im sozialen System einer Person (also dem sozialen Umfeld).
Grundlage der systemischen Therapieform ist, dass
- ein gutes Verhältnis zwischen dem Patienten/der Patientin und dem Therapeuten/der Therapeut*in besteht.
- der/die Patient*in sich darauf einlässt.
Systemische Therapie – Bedeutung
Der Ansatz systemischer Therapeut*innen ist, dass für die Entwicklung psychischer Probleme nicht nur der/die Patient*in alleine verantwortlich ist. Die Probleme sind im Zusammenhang der Person mit seinem Umfeld zu betrachten. Zudem vertreten systemische Therapeut*innen die Ansicht, dass sich Veränderungen in einem System auf alle Mitglieder der Gruppe auswirken.
Das bedeutet, dass schwierige Beziehungen oder fehlerhafte Kommunikationsmuster innerhalb eines Systems die psychische Gesundheit mehrerer Mitglieder einer Gemeinschaft stark beeinträchtigen können.
Bei der systemischen Therapieform liegt der Fokus nicht auf dem Einflussfaktor, der krank macht, sondern auf der Funktion des Symptoms innerhalb des Systems. Zu den Einflussfaktoren gehören unter anderem:
- Wertschätzung
- Selbstvertrauen
- Sicherheit
- soziale Kompetenz.
Das bedeutet zum Beispiel, dass eine Person, die fehlendes Selbstvertrauen an den Tag legt und Probleme hat zu kommunizieren, eine Wirkung auf die gesamte Gruppe ausübt. Die teilnehmenden Personen beeinflussen sich wechselseitig.
Das folgende Beispiel zeigt Dir, welchen Effekt die Mitglieder eines Systems aufeinander haben können:
Magdalena ist alleinerziehend und hat Depressionen. Sie ist besorgt, dass ihr 19-jähriger Sohn Max sie eines Tages verlässt und der Kontakt schwindet.
Max möchte auf eigenen Beinen stehen und in seine erste eigene Wohnung ziehen. Er macht sich aber große Sorgen um das Wohlbefinden seiner Mutter und zieht deswegen nicht aus.
Magdalena beeinflusst ihren Sohn Max, der ein Mitglied im System der Familie darstellt. Ziel der systemischen Therapie ist nun, den Beteiligten die Wechselwirkung untereinander deutlich zu machen, um daran arbeiten zu können.
Systemische Therapien werden bei folgenden Erkrankungen angewandt:
- affektive Störungen
- Essstörungen
- somatische Erkrankungen
- Suchterkrankungen (substanzgebunden und nicht-substanzgebunden)
- Schizophrenie
- wahnhafte Störungen
Mehr über die oben genannten Krankheitsbilder erfährst Du in den Erklärungen "Sucht", "Affektive Störungen", "Schizophrenie" und "Psychische Störungen".
Systemische Therapien – Ablauf
Der Fokus der systemischen Therapien liegt darauf, bestehende Ressourcen herauszuarbeiten. Der Mensch ist sich oftmals nicht bewusst, über welche Ressourcen er verfügt oder setzt sie falsch ein. Ressourcen sind Fähigkeiten wie aufmerksames Zuhören, Durchsetzungsvermögen oder ein*e gute*r Streitschlichter*in zu sein. Das Ziel ist es, ungünstige Muster zu erkennen und zu verändern.
Ressourcen bezeichnen in der Psychologie dem Individuum zur Verfügung stehende Kompetenzen. Die Kompetenzen ermöglichen dem Menschen, Situationen zu beeinflussen und unangenehme Einflüsse zu reduzieren.
Zu Beginn der systemischen Therapie müssen einige Fragen geklärt werden, wie
- Wer nimmt welche Rolle ein?
- Weshalb verhält sich eine Person auf eine bestimmte Weise?
- Wie interagieren die Personen miteinander?
Sobald die genannten Fragen beantwortet sind, wird eine Dynamik im System erkennbar. Nun ist es wichtig, die Dynamiken sichtbar und verständlich zu machen. Die betroffenen Personen sollen verstehen und sehen, welche Auswirkungen ihre Symptome im System haben, damit sie das bewältigen können.
Systemische Therapie – Kinder und Jugendliche
Die systemische Therapie ist für Heranwachsende oftmals eine geeignete Form der Therapie. Kinder und Jugendliche befinden sich in verschiedenen sozialen Systemen und sind dabei, ihren Charakter zu bilden und herauszufinden, was sie mögen und nicht mögen. Kinder und Jugendliche sind folglich einfacher zu beeinflussen, als Menschen im mittleren oder hohen Erwachsenenalter. Das Ziel ungünstige Muster zu erkennen und zu verändern lässt sich deshalb leichter erreichen, da Denk- und Verhaltensmuster bei jüngeren Menschen noch nicht so gefestigt sind wie bei älteren Personen.
Wenn Du mehr über die verschiedenen Entwicklungsstufen lernen möchtest, dann schau Dir die Erklärungen "Kindheit", "Jugend" und "Erwachsenenalter" an.
Systemische Therapie – Methoden
Systemische Therapien finden oftmals als Gruppensitzungen statt, können aber auch als Einzeltherapie durchgeführt werden. Eine Methode der Therapie ist, die beteiligten Menschen sich selbst im Raum aufstellen zu lassen, um Beziehungen zwischen einzelnen Personen darzustellen.
Während der Therapien kann optional auch mit Symbolen oder Figuren gearbeitet werden, um beteiligte Bezugspersonen darzustellen. Der Gebrauch von Figuren kann die Perspektive der Beteiligten erweitern und ihnen ermöglichen, die Situation aus der Sicht eines Dritten zu beurteilen.
Zu Symbolen und Figuren gehören etwa kleine Puppen oder andere Gegenstände, die einen Menschen repräsentieren sollen. Exemplarisch könnte eine schwarze große Puppe einen Menschen visualisieren, der sehr dominant, durchsetzungsfähig und impulsiv ist.
Nachdem die Dynamiken innerhalb eines Systems herausgearbeitet wurden, geht es in der Therapie dann darum, präzise zu klären, woran gearbeitet werden soll. Sobald die Ziele der Therapie definiert und für alle Beteiligten, einschließlich des Therapeuten/der Therapeutin, akzeptabel sind, wird mit der Konfliktlösung begonnen. Die systemische Therapie verfügt über vielerlei Methoden zur Behandlung. Zu den Methoden gehören beispielsweise:
- zirkuläre Fragen
- das Genogramm
- die Familienskulptur
Um mehr über alternative Therapiemodelle zu erfahren, schau Dir die Erklärungen "psychoanalytischen Therapien", "kognitiven Verhaltenstherapien" oder "klientenzentrierten Gesprächstherapie nach Rogers" an.
Zirkuläre Fragen
Die Methode der zirkulären Fragen regt den/die Teilnehmer*in an, die Perspektive zu wechseln und Sachverhalte aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Zirkuläre Fragen erweitern die Wahrnehmung und bringen die Person dazu, das eigene Verhalten zu reflektieren. Der/Die Patient*in wird in die Rolle einer beobachtenden Person versetzt.
Anhand des Beispiels wird Dir das Vorgehen einer zirkulären Frage verdeutlicht:
In deiner Klasse gibt es ein Problem mit der Ausgrenzung von einigen Schülern. Die Parallelklasse verfügt über ein viel stärkeren Zusammenhalt, dort scheinen sich alle zu verstehen.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten, dich zu diesem Sachverhalt zu befragen.
Dir wird eine direkte Frage gestellt: Was ist das Problem am Verhalten deiner Klasse?
Oder dir wird eine zirkuläre Frage gestellt: Wo liegen die Unterschiede im Verhalten von Klasse A und Klasse B?
Durch die zirkuläre Fragestellung begibst du dich geistig in die Position einer außenstehenden, beobachtenden Person und du betrachtest die Situation aus einem erweiterten Blickwinkel.
Das Genogramm
Das Genogramm ist eine grafische Darstellung der Beziehungen innerhalb eines Systems. Wenn die Familie als System betrachtet wird, ist das Genogramm eine oft angewandte Methode, um sich die Beziehungen genauer anzuschauen. Es fungiert als Hilfestellung, um Beziehungsmuster und Zusammenhänge innerhalb eines Systems zu erkennen und sich wiederholende Muster zu verdeutlichen. Das Genogramm dient dazu, die Verhältnisse bestimmter Personen innerhalb eines Systems zu visualisieren.
Ziel des Genogramm ist es, weiterführende Konflikte aufzudecken und weiter zu konkretisieren. Die Beteiligten verschaffen sich einen Überblick über die Beziehungen zwischen einzelnen Personen, die vorher nicht deutlich waren.
Familienskulptur
Nachdem Du die zirkulären Fragen und das Genogramm kennengelernt hast, lernst Du nun die Familienskulptur kennen. Sie gehört ebenfalls zu den wichtigsten Methoden der systemischen Therapie. Bei der Methode der Familienskulptur werden die Beziehungen des Sozialsystems in Haltungen und Positionen dargestellt. Ein Mitglied ordnet die anderen Beteiligten so an, dass es seiner Empfindung nach eine stimmige Repräsentation der Beziehungen ergibt. Zu den wichtigen Grundelementen der Skulpturarbeit gehören:
- Der räumliche Abstand, als Symbol für die emotionale Nähe zwischen den Beteiligten.
- Der Höhenversatz, um Hierarchien darzustellen.
- Die Mimik und Gestik, um bestehende Beziehungen weiter zu differenzieren – Wer sieht wen an? Wer steht gebeugt oder gestreckt?
Die Familienskulptur ist umsetzbar mit den Individuen in Persona, also mit den Menschen selbst, die sich im Raum aufstellen. Eine weitere Möglichkeit ist, mit Symbolen und Figuren zu arbeiten, die die Teilnehmer*innen repräsentieren sollen.
Systemische Therapie – Kritik
Da Probleme in systemischen Therapien wiederholt besprochen und diskutiert werden, entsteht neues Potenzial für Spannungen und Probleme. Zudem werden Veränderungen anfänglich oftmals als bedrohlich wahrgenommen, weswegen es möglich ist, dass die beteiligten Personen Widerstand zeigen. Dies betrifft vor allem die Personen, die nicht direkt an der Therapie teilnehmen, sondern Teile des Systems sind.
Zudem kann es auch außerhalb der Therapiestunden (z.B. im Alltag) zu Schwierigkeiten kommen. Das hat zur Folge, dass Patient*innen und Therapeut*in auch in ihrer Freizeit miteinander in Kontakt stehen und sich laufend austauschen.
Systemische Therapien – Das Wichtigste
- Die systemische Therapie in der Psychologie sieht den Ursprung psychologischer Probleme im Zusammenhang der Person mit seinem Umfeld.
- Die systemische Therapie zählt zu den wirksamen Behandlungsmethoden für affektive Störungen, Essstörungen, Suchterkrankungen, Schizophrenie und psychosomatischen Krankheiten.
- Die systemische Therapie ist für Heranwachsende oftmals eine geeignete Form der Therapie. Kinder und Jugendliche befinden sich in verschiedenen sozialen Systemen und sind dabei, ihren Charakter zu bilden und herauszufinden, was sie mögen und nicht mögen.
- Der Fokus bei dieser Therapieform liegt darauf, bestehende Ressourcen herauszuarbeiten, ungünstige Muster zu erkennen und zu verändern.
- Wichtige Methoden der systemischen Therapie sind Zirkuläre Fragen, Genogramme und Familienskulpturen.
- Kritik, die an der systemischen Therapien geübt wird, ist z. B., dass Probleme wiederholt besprochen und diskutiert wird. Dadurch entsteht neues Potenzial für Spannungen.
Nachweise
- dgsf.org: Familientherapie - Systemische Therapie. (01.06.2022)
- leading-medicine-guide.com: Systemische Therapie. (01.06.2022)
- spektrum.de: Systemische Therapie. (01.06.2022)
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Systemische Therapien
Wie läuft eine systemische Beratung?
Eine systemische Beratung läuft als eine allumfassende, auf das gesamte betroffene System angesetzte Analyse ab.
Ist systemische Therapie Verhaltenstherapie?
Die systemische Therapie ist keine Abwandlung der Verhaltenstherapie. Es sind zwei unterschiedliche Ansätze, doch beide gehören zu den anerkannten und bedeutenden Therapieformen.
Wer darf systemische Therapie machen?
Die systemische Therapie darf nur von fachspezifisch ausgebildeten Ärzt*innen oder Therapeut*innen durchgeführt werden.
Wie funktioniert systemische Therapie?
Die systemische Therapie funktioniert als Betrachtung des Gesamtsystems, in dem sich der Mensch befindet. Das systemische Therapieverfahren sieht den Menschen nicht als Individuum, sondern als ein Teil von sozialen Systemen. Sie fokussiert sich darauf, bestehende Ressourcen herauszuarbeiten, ungünstige Muster in Systemen zu erkennen und zu verändern.
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