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Das Tourette Syndrom ist eine Bewegungsstörung, die das Zentralnervensystem betrifft. Das Tourette ist auch als neuropsychiatrische Erkrankung bekannt – das heißt, sie ist eine organische Krankheit, die kognitive und psychische Auswirkungen hat. Die Erkrankung äußert sich durch verbale und motorische Tics.
Das Tourette-Syndrom ist bei Erwachsenen die am häufigsten auftretende Tic-Störung. Der Namen geht auf den Psychiater und Neurologen Georges Gilles de la Tourette zurück. Er beschrieb die Symptome erstmals 1825 bei einer seiner Patientinnen.
Das Zentralnervensystem umfasst alle Verbindungen und Nervenfasern innerhalb des Gehirns und das Rückenmark. Das zentrale Nervensystem nimmt Informationen aus der Umwelt auf und reagiert darauf, indem es Befehle an die Organe und Muskeln sendet.
Ursachen des Tourette-Syndroms
Die Ursachen des Tourette-Syndroms sind biologisch bedingt. Allerdings sind die exakten Ursachen der Erkrankung noch nicht bekannt. Es ist aber erwiesen, dass Veränderungen des Erbguts (genetische Veränderungen) und bestimmte Umweltbedingungen zu einer Änderung des sensomotorischen Systems führen. Umweltbedingungen, die eine solche Veränderung auslösen können, sind negative Faktoren während der Schwangerschaft, wie Rauchen und psychischer Stress, Frühgeburten und Sauerstoffmangel bei der Geburt.
Das sensomotorische System ist ein Teil des zentralen Nervensystems und steuert Bewegungen und reagiert somit auf Reize, die auf die Sinnesorgane (zum Beispiel Augen und Ohren) einfließen. In der Erklärung "Sinnesorgane" findest Du mehr zu dieser Thematik!
Die Veränderung im sensomotorischen System betrifft besonders die Neurotransmitter. Neurotransmitter sind spezifische Botenstoffe des Gehirns, genauer gesagt der Nervenzellen. Der Neurotransmitter, der bei Tourette am meisten betroffen ist, ist Dopamin. Dopamin spielt eine wichtige Rolle bei der Informationsvermittlung zwischen Sinnesreizen und der motorischen Antwort des Körpers. Die Störung des Dopaminhaushaltes bei Tourette verursacht Störungen des sensomotorischen Systems, die sich in motorischen oder verbalen Tics äußern können.
Der genaue Ablauf im Gehirn, der das Tourette-Syndrom und andere Tic-Störungen auslöst, ist allerdings noch nicht geklärt.
Symptome des Tourette-Syndroms
Wie bereits erwähnt, äußert sich das Tourette-Syndrom in Tics. Diese Tics sind unwillkürlich und biologisch bedingt, was bedeutet, dass Betroffene ihre Tics nicht bewusst steuern können. Die Tics können sowohl motorisch als auch vokal sein. Motorisch bezieht sich auf die Skelettmuskulatur und somit auf Bewegungen. Vokal hingegen bezieht sich auf Sprachlaute und die Sprachmotorik sowie Verständlichkeit. Die Aufteilung in vokale und motorische Tics spaltet sich dann nochmals in jeweils einfache und komplexe Tics auf – das ist in der folgenden Tabelle zu sehen:
Kategorisierungen | Symptome |
einfache motorische Tics: |
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einfache vokale Tics: |
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komplexe motorische Tics: |
|
komplexe vokale Tics: |
|
Es kommt zu diesen komplexen vokalen Tics, da Betroffene größtenteils denken "das sollte ich nicht sagen" und dadurch verstärkt daran denken (zum Beispiel an ein Schimpfwort). Durch die Störung im dopaminergen System kommt es dann zur Verbalisierung.
Das dopaminerge System fasst alle biologischen Strukturen zusammen, die Dopamin ausschütten. Das Dopamin wirkt enthemmend und aktivierend. Beim Tourette-Syndrom sorgt die enthemmende Wirkung dann dafür, dass beispielsweise Schimpfwörter ausgesprochen werden.
Nicht jeder Patient oder jede Patientin in hat alle Symptome, die in der Tabelle stehen. Die Symptome einer Person sind sehr individuell. Außerdem können sich die Symptome im Laufe des Lebens verändern – es können neue Tics hinzukommen oder alte wegfallen. Einige der Betroffenen übernehmen auch Tics von anderen Patient*innen.
Zusätzlich treten die Symptome während des Schlafes – in allen Stadien – auf. Während des Schlafes sind die Tics nicht so ausgeprägt wie während des Wachzustandes. Meistens erinnert sich der/die Betroffene am nächsten Tag nicht mehr an die Tics, die während des Schlafes erlebt wurden. Die Schülerin Shefa beginnt ebenfalls an Symptomen des Tourette-Syndroms zu leiden:
Shefa ist acht Jahre alt und in der zweiten Klasse. Seit einigen Monaten fängt ihr Gesicht an, Grimassen zu schneiden, ohne dass sie es bemerkt oder steuern kann. Die Kinder in der Schule halten sie für den Klassenclown und ihre Lehrer*innen sehen Shefa als Störung.
Nachdem Shefa anfängt, unwillkürlich Grimassen zu schneiden, beginnt sie auch noch mit den Schultern zu zucken und mit den Augen zu blinzeln. Als dann auch noch unkontrolliertes Zungenschnalzen dazu kommt, ist es den Lehrer*innen endgültig genug. Shefa wird zum Direktor geschickt und dieser ruft ihre Eltern an.
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Der Krankheitsverlauf des Tourette-Syndroms
Die Symptome von Betroffenen treten zum ersten Mal im Grundschulalter (sechs bis acht Jahre) auf. Es kommt selten vor, dass sich eine Tic-Störung im Erwachsenenalter entwickelt. Wichtig zu erwähnen ist, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Alter, in dem die Tics erstmals auftreten, und der Ausprägung der Tics gibt.
In der Regel treten die motorischen Tics als Erstes auf und die vokalen erst später. Zwischen dem zehnten und zwölften Lebensjahr sind die Tics am ausgeprägtesten. Es kommt zu einer Besserung der Symptome von 95 % im anschließenden Krankheitsverlauf.
Extrem schwere Verläufe des Tourette-Syndroms treten selten auf.
Allerdings kann sich der Verlauf des Tourette-Syndroms immer wieder spontan verschlechtern und dann wieder verbessern. Die Tics nehmen bei der Mehrheit der Betroffenen zu, wenn sie unter Stress und Anspannung stehen oder Unruhe, Langeweile und Freude empfinden. Sie nehmen ab, wenn Betroffene ruhig und entspannt sind oder sich konzentrieren. Des Weiteren werden Tics durch extreme Reize ausgelöst (zum Beispiel, wenn sich jemand durch ein lautes Geräusch erschreckt).
Das Tourette-Syndrom und die Symptome der Tic-Störung haben keine Auswirkungen auf die Lebenserwartung von Betroffenen.
Auch Shefas Symptome treten zu verschieden Zeitpunkten auf:
Shefa ist aufgefallen, dass sie nur auf ihre Tics in der Schule angesprochen wird. Zu Hause bemerken ihre Eltern ihre Tics nicht. Das liegt aber nicht daran, dass ihre Eltern unaufmerksam sind.
Wenn Shefa zu Hause ist, ist sie sehr entspannt. In der Schule ist sie aber extrem aufgeregt, da sie die "Neue" ist. Sie ist nämlich erst seit ein paar Monaten in der Stadt. Da sie in ihrer alten Schule noch nicht so weit waren im Stoff, ist sie immer angespannt, dass sie von den Lehrer*innen drangenommen wird und dass alle Aufmerksamkeit auf ihr liegt.
Ungefähr 1 % der Weltbevölkerung leidet an dem Tourette-Syndrom. Zudem kommen die motorischen Tics um einiges häufiger vor als die vokalen. Es wird davon ausgegangen, dass 10 bis 15 % der Grundschüler*innen Tics aufweisen. Außerdem tritt das Tourette Syndrom viermal häufiger bei Männern auf als bei Frauen.
Diagnose des Tourette-Syndroms
Betroffene des Tourette-Syndroms werden in vielen Fällen erst mehrere Jahre nach dem Aufkommen der ersten Symptome diagnostiziert. Oftmals wird vor der Diagnose missverständlich angenommen, dass die Betroffenen die Tics gezielt ausüben, was nicht der Fall ist. Zudem können einige Menschen mit dem Tourette-Syndrom ihre Tics über mehrere Stunden hinweg kontrollieren, was bedeutet, dass Ärzt*innen sie dann nicht diagnostizieren können.
Wenn es zu einer Diagnose kommt, begründet sich diese oft auf die Beschreibung und Beobachtung der Symptome. Ein weiteres Problem bei der Diagnose ist, dass viele ihre Tics oft nicht selbst bemerken. Hier ist eine Liste von Fragen, die Ärzt*innen bei der Diagnose von Tourette hilft:
- Wie treten die Tics auf?
- Wann treten die Tics auf und wie lange halten diese an?
- Wirkt Stress verstärkend bei den Symptomen?
- Können die Symptome unterdrückt werden?
- Werden die Tics von einem Gefühl begleitet/eingeleitet?
- Wann traten die Tics zum ersten Mal auf?
- Gibt es Veränderungen in Bezug auf die Stärke, Art und Häufigkeit der Symptome?
- Bestehen Fälle des Tourette-Syndroms in der Familie?
Shefas Eltern machen sich Sorgen um ihre Tochter. Daher sind sie zu ihrem Hausarzt gegangen:
Shefas Eltern sind sich sicher, dass Shefa die Symptome nicht vortäuscht, um Aufmerksamkeit zu bekommen – wie die Lehrer*innen sagen. Daher sind sie zu allen Lehrer*innen gegangen und haben sie eine Beschreibung von den Dingen geben lassen, die während des Unterrichts aufgefallen sind. Mit den Berichten sind sie zu Shefas Hausarzt gegangen.
Sie haben dem Hausarzt beschrieben, dass Shefa Grimassen zieht, aber beteuert, das nicht zu merken. Ebenso haben Shefas Eltern von dem Schulter- und Augenzucken und Zungenschnalzen berichtet. Einige Lehrer*innen meinten, dass die Symptome im Unterricht auftreten und ausgeprägter werden, wenn auf Shefa geachtet wird.
Nachdem der Hausarzt diese Berichte gehört hatte, verwies er die Familie an einen Spezialisten, dieser sollte einige Tests mit Shefa machen.
Um die Diagnose Tourette zu bekommen, müssen die Tics seit mindestens einem Jahr bestehen und vor dem 18. Geburtstag aufgetreten sein. Des Weiteren müssen mindestens zwei motorische und (mindestens) ein vokaler Tic vorhanden sein.
Für die Diagnose des Tourette-Syndroms wurden noch keine Labortests oder spezifischen Untersuchungen entworfen. Deswegen dienen die Untersuchungen bei der Diagnose dazu, andere Ursachen, die die Symptome auslösen könnten, auszuschließen. Dies könnten unter anderem Hirntumore, eine Epilepsie oder eine Entzündung des Gehirns sein. Bei der Diagnose des Tourette-Syndroms wird das Blut untersucht und die Aktivität des Gehirns mit dem EEG (Elektroenzephalografie).
Bei Shefa haben die durchgeführten Tests und Untersuchungen etwas ergeben:
Shefa wurde auf das Genauste untersucht und ihre Diagnose steht fest – sie hat Tourette. Shefas Eltern sind froh, nun endlich zu wissen, was los ist. Außerdem hat Shefa jetzt weniger Schwierigkeiten mit den Lehrer*innen, weil die jetzt verstehen, was mit ihr los ist.
Behandlung des Tourette-Syndroms
Bislang ist das Tourette-Syndrom noch nicht heilbar. Bestehende Therapien sind zwar in der Lage, die Symptome abzuschwächen, allerdings haben sie keine Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf. Welche Therapie bei welchem Patienten/welcher Patientin angewendet wird, hängt von der Stärke der psychosozialen Belastung und der Stärke der Symptome ab.
Am Anfang der Behandlung des Tourette-Syndroms erfolgt eine psychologische Beratung, bei der die Patient*innen ausführlich über die Krankheit aufgeklärt werden. Wenn die Tics nicht allzu ausgeprägt sind, wird in den meisten Fällen zu einer Verhaltenstherapie geraten. Diese ermöglicht eine bessere Kontrolle über die Tics.
Wenn die Symptome ausgeprägter sind, kann es sein, dass die Patienten und Patientinnen Medikamente nehmen müssen. Ein Problem dabei ist, dass die Medikamente sehr starke Nebenwirkungen haben, wie Schwindel, Müdigkeit und Gewichtszunahme und eine Beeinträchtigung der Sexualfunktion. Dennoch verschwinden die Tics auch bei der Medikamenteneinnahme nicht komplett, sondern größtenteils nur zu 50 %.
Eine dritte Therapieart ist der Hirnschrittmacher, der elektrische Impulse im Hirn freisetzt. Diese Methode hilft bei der Bewältigung der Symptome. Zusätzlich kann es zu begleitenden Erkrankungen beim Tourette-Syndrom kommen (zum Beispiel ADHS, Schlafstörungen und Zwangsstörungen). Die Begleiterkrankungen müssen ebenfalls behandelt werden. Wenn sie behandelt werden, kommt es auch zu einer Besserung der Symptome des Tourette-Syndroms.
Klick Dich auch rein in die Erklärungen "Aufmerksamkeitsdefizitstörung" und "Zwangsstörung"!
Shefa befindet sich nun in Behandlung für ihre Erkrankung:
Da Shefa erst acht Jahre alt ist und ihre Symptome nicht so ausgeprägt sind, befindet sie sich in einer Verhaltenstherapie. Der Therapeut von Shefa hilft ihr, die Tics weitestgehend unter Kontrolle zu haben. Er begleitet sie auch, wenn ihre Tics sich verbessern oder verschlechtern. Ihre Eltern und ihr Therapeut bieten Shefa Stabilität und Hilfe dabei, ihre Erkrankung mit ihrem Leben zu vereinen und ihre Lebensqualität zu steigern.
Tourette Syndrom – Das Wichtigste
- Das Tourette-Syndrom ist eine Bewegungsstörung, die das Zentralnervensystem betrifft.
- Das Tourette ist auch als neuropsychiatrische Erkrankung bekannt – das heißt, sie ist eine organische Krankheit, die kognitive und psychische Auswirkungen hat. Die Erkrankung äußert sich durch verbale und motorische Tics.
- Die Ursache des Tourette-Syndroms ist bislang unbekannt. Allerdings ist klar, dass eine Veränderung des Erbguts zu einer Störung im sensomotorischen System führt, von der hauptsächlich das dopaminerge System betroffen ist.
- Die Symptome des Tourette-Syndroms sind motorische und vokale Tics. Diese können sich in ihrer Schwere und Komplexität unterscheiden.
- Die bestehenden Therapien des Tourette-Syndroms können dieses nicht heilen – sie sind darauf ausgelegt, die Symptome abzuschwächen.
- Es gibt drei Therapiemöglichkeiten: die Verhaltenstherapie, Medikamente und Hirnschrittmacher.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Tourette Syndrom
Was sind die ersten Anzeichen von Tourette?
Die ersten Anzeichen von Tourette sind motorische Tics. Diese können sich zum Beispiel in Augenzwinkern oder -zucken, Schulterzucken und Ähnlichem äußern.
Wie äußert sich das Tourette-Syndrom?
Tourette äußert sich in motorischen und vokalen Tics. Die motorischen Tics beginnen meist zuerst. Es kann sich bei motorischen Tics um Schulterzucken, Grimassen ziehen und Weiteres handeln. Die vokalen Tics umfassen eher Wörter oder Sätze, die ausgespuckt werden.
Was passiert im Gehirn bei Tourette?
Was genau im Gehirn passiert, ist bislang noch nicht abschließend geklärt. Allerdings ist bekannt, dass das sensomotorische System durch eine Veränderung des Erbguts gestört wird. Besonders davon betroffen ist der Neurotarnsmitter Dopamin. Dopamin ist ein Botenstoff und übermittelt Informationen vom Gehirn zu Körperteilen. Durch die Störung kann er das nicht mehr.
Kann man einfach so Tourette bekommen?
Es ist unklar, wer Tourette bekommen kann, allerdings können genetische Faktoren und Umweltfaktoren die Erkrankung begünstigen.
Diese Umweltbedingungen sind unter anderem negative Faktoren während der Schwangerschaft, wie Rauchen und psychischer Stress oder Frühgeburten und Sauerstoffmangel bei der Geburt.
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