Jean Piaget

Hast Du Dich schon einmal gefragt, wann und wie die Entwicklung bei Kindern abläuft? Welchen Einfluss Deine Umwelt auf Deinen Spracherwerb hat? Und ab wann ein Kind eigentlich Richtig von Falsch unterscheiden kann? Mit all diesen Fragen hat sich der Biologe Jean Piaget auseinandergesetzt. Seine Entwicklungstheorie und sein Stufenmodell zur Entwicklung kindlicher Moral haben bis heute einen großen Einfluss auf die psychologische Forschung.

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    Jean Piaget – Steckbrief

    Jean Piaget war ein Schweizer Biologe und Psychologe. Er gilt als Begründer der Entwicklungspsychologie und der genetischen Epistemologie. Der folgende Steckbrief gibt Dir erhältst Du einen kurzen Überblick zu den wichtigsten Fakten über Jean Piaget:

    LebensabschnittBeschreibung
    Geburt9. August 1896 in Neuchâtel
    Eltern
    • Arthur und Rebecca Piaget
    • Vater: Professor in Neuchâtel für Literaturwissenschaften
    • Mutter: laut Piaget eine sehr intelligente, aber neurotische Frau.
    Kindheit
    • intelligentes und neugieriges Kind
    • interessierte sich für verschiedene wissenschaftliche Themengebiete
      • u. a. besonders für Mechanik
    Jugend
    • arbeitete als Praktikant im Museum für Naturgeschichte
    • verfasste als 10-Jähriger einen Zeitungsartikel über einen Spatzen-Albino
    • verfasste bis zu seinem Abitur 20 wissenschaftliche Arbeiten, die alle veröffentlicht wurden
    Karriere
    • Biologiestudium schloss Piaget nach drei Jahren mit Promotion ab
    • 1921: Leiter an der Universität Genf am Institut Jean-Jacques Rousseau
    • 1929 bis 1954: Professor für Psychologie an der Universität Genf
    • ab 1955: Leiter des von ihm gegründeten Centre International d’Épistémologie Génétique in Genf
    • hielt Professuren an der Universität Lausanne, Université de Neuchâtel und an der Sorbonne in Paris inne
    Familie
    • 1923: Hochzeit mit Valentine Châtenay
    • drei Kinder
    Tod 16. September 1980 in Genf

    Besonders seine Kinder stellten "Studienobjekte" für seine Forschungen zur Entwicklung der Intelligenz von der Geburt bis zum Erstspracherwerb dar. Zu Jean Piagets bekanntesten veröffentlichten Forschungsarbeiten gehören folgende Werke:

    • "Sprechen und Denken des Kindes" (1923)
    • "Urteil und Denkprozess des Kindes" (1924)
    • "Von der Logik des Kindes zur Logik des Heranwachsenden" (1955)
    • "Die Psychologie des Kindes" (1966)

    In Abb. 2 siehst Du ein Bild von Jean Piaget während seiner Zeit an der Universität von Michigan im Jahre 1968:

    Jean Piaget Foto StudySmarterAbb. 1 - Jean Piaget

    Jean Piaget – Grundannahmen

    Jean Piaget setzte sich im Laufe seines Lebens mit vielen verschiedenen Forschungsfragen auseinander. Er befasste sich nicht nur mit den biologischen und genetischen Aspekten der Entwicklung, sondern auch mit den philosophischen und psychischen. Besonders bekannt sind seine Forschungen in folgenden Gebieten:

    • Konstruktivismus
    • Phasen der kognitiven Entwicklung
    • Stufen der kindlichen Moral

    Jean Piaget – Konstruktivismus

    Jean Piaget geht in seiner Theorie der konstruktivistischen Erziehung davon aus, dass Kenntnisse, Werte, Intelligenz, Denken, Autonomie und andere Persönlichkeitscharakteristika nicht von außen vermittelt werden. Vielmehr müssen diese vom Kind selbst im Inneren aktiv gebildet werden. Das geschieht durch Interaktion mit der Umwelt des Kindes. Bei dieser Interaktion wird in zwei Prozesse unterschieden:

    1. Assimilation
    2. Akkommodation

    Jean Piaget – Assimilation

    Bei der Assimilation nimmt das Kind Informationen aus der Umwelt auf und interpretiert diese anhand seiner Vorkenntnisse. Wie sich dieser Prozess im Alltag eines Kindes äußert, zeigt Dir das folgende Beispiel:

    Luana ist ein Jahr alt und liebt ihren Teddy. Sie kuschelt damit jeden Abend auf der Couch. Ihre Mutter schenkt ihr ein Katzenkuscheltier. Luana merkt, dass das Katzenkuscheltier ihrem Teddy sehr ähnelt. Luana assimiliert und behandelt sie die Katze genauso wie ihren Teddy.

    Jean Piaget – Akkommodation

    Bei der Akkommodation versucht das Kind sein Wissen zu vergrößern aufgrund von Unzulänglichkeiten und Widersprüchen bei neuen Erfahrungen. Das folgende Beispiel zeigt Dir, wie dieser Prozess im Alltag abläuft:

    Luana trifft zum ersten Mal auf eine echte Katze. Luana stellt fest, dass auch die echte Katze weich ist, so wie ihr Katzenkuscheltier. Als sie die echte Katze anfasst, springt diese aber weg. Luana akkomodiert und beginnt, ihre Erfahrungen um die Unterschiede zwischen ihrer Kuscheltierkatze und echten Katzen zu erweitern.

    Jean Piaget – Entwicklungstheorie

    Jean Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung (auch Entwicklungsstufentheorie genannt) stellt eine umfassende Theorie über die Entwicklung der menschlichen Intelligenz dar. Die Theorie befasst sich mit der Natur des Wissens und versucht zu erklären und verstehen, wie Menschen Wissen erwerben, aufbauen und nutzen.

    Als Piaget im Jahr 1919 an der Alfred-Binet-Laborschule in Paris arbeitete, beschäftigte er sich vor allem damit, dass Kinder unterschiedlichen Alters beim Lösen von Problemen unterschiedliche Fehler machten. Diese Erfahrungen und Beobachtungen bildeten den Anfang seiner Theorie.

    Piaget ging davon aus, dass Kinder keine "kleinen Erwachsenen" sind, die lediglich weniger wissen, sondern eine ganz andere Denkweise als Erwachsene an den Tag legen. Er war überzeugt, dass Kinder große kognitive Fähigkeiten besitzen und so entwickelte er vier verschiedene kognitive Entwicklungsstadien. Dabei ordnete er die einzelnen Phasen unterschiedlichen Altersstufen zu.

    Jean Piaget – Kognitive Entwicklung Phasen

    Piaget betrachtete die kognitive Entwicklung als eine fortschreitende Re- und Neuorganisation verschiedener geistiger Prozesse, die sich aus biologischer Entwicklung und Erfahrungen aus der Umwelt ergeben. Er ging davon aus, dass sich Kinder ein Verständnis von der Welt konstruieren. Während dieses Prozesses nehmen sie Unstimmigkeiten zwischen dem, was sie bereits wissen, und dem, was sie in ihrer Umgebung entdecken, wahr. Anhand dieser Unstimmigkeiten passen sie dann ihre Vorstellungen von der Welt entsprechend an.

    Laut Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung durchläuft ein Kind vier Entwicklungsstadien bzw. Phasen. Er unterschied dabei in die folgenden Phasen:

    PhaseBeschreibung
    sensomotorische Phase(Geburt bis Spracherwerb)
    • Verknüpfen von Erfahrungen aus körperlichen Interaktionen mit Objekten
    • Konstruieren von Verständnis der Welt anhand von Erfahrungen
    präoperative Phase (circa drittes bis siebtes Lebensjahr)
    • egozentrisches (ichbezogenes) Denken
    • Schwierigkeiten, den Standpunkt anderer zu verstehen
    konkrete operative Phase(circa siebtes bis elftes Lebensjahr)
    • erste logische Lösungen von Problemstellungen
    • Entwicklung der Fähigkeit, Dinge aus der Perspektive einer anderen Menschen zu betrachten
    formale operative Phase (zwölftes Lebensjahr bis ins Erwachsenenalter)
    • Entwicklung der Fähigkeit, hypothetisch (z. B. vorgestellte Situationen) und deduktiv (von Verallgemeinerungen auf etwas Konkretes schließen) zu denken
    • Durchdenken von "Was-wäre-wenn"-Situationen auch ohne realen Bezug

    Mehr über die Phasen der kognitiven Entwicklung nach Piaget lernst Du in den Erklärungen "Kognitive Entwicklung" und "Kognitive Entwicklung Piaget".

    Der kognitive Spracherwerb ist ein vom Kind nicht gesteuerter Prozess, sich Sprache anzueignen. Jean Piaget ging davon aus, dass die Sprachentwicklung einen Teilprozess der kognitiven Entwicklung darstellt. Laut ihm erfolgt der Spracherwerb durch aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt. Diese Auseinandersetzung ist durch die kognitiven Fähigkeiten (z. B. Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnisleistung und Lern-/Problemlösefähigkeit) möglich, die durch gewisse Erfahrungen mit der Umwelt weiterentwickelt werden.

    Theorie der kognitiven Entwicklung – Kritik an Jean Piaget

    Heutzutage geht man davon aus, dass Piagets Stufenmodell lückenhaft ist, denn manche Kinder entwickeln bestimmte Fähigkeiten aus Piagets Phasen bereits viel früher, als es in dessen Modell dargestellt ist.

    Die heutige Forschung befasst sich mehr mit der Untersuchung des Gedächtnisses und sozialer Integration eines Kindes und sieht davon ab, manche Entwicklungen an einem gewissen Alter festzumachen, sondern eher an der Qualität und Beeinflussung eines Kindes durch dessen Umwelt.

    Jean Piaget – Das Stufenmodell zur kindlichen Moral

    Neben seiner Entwicklungstheorie erarbeitete Piaget auch ein Stufenmodell zur kindlichen Moral. Piaget ging davon aus, dass die Entwicklung der Moral schon in der vorsprachlichen Phase (Geburt bis zum dritten Lebensjahr) beginnt. In diesem Alter ist das Moralempfinden zwar bereits vorhanden, aber lässt sich nicht in der Handlungsweise des Kindes erkennen.

    Piaget vertrat die Ansicht, dass moralisches Bewusstsein eine Einheit von Denken und Handeln darstellt, und dass deshalb die Entwicklung des moralischen Bewusstseins erst mit der Entstehung der Sprache (ab dem dritten Lebensjahr) einsetzt. Die folgende Abbildung zeigt Dir ein Beispiel des moralischen Verständnisses von Kindern auf:

    Piaget teilt die kindliche Moral in seinem Modell in drei Stufen auf:

    • moralischer Realismus
    • kooperativer Gerechtigkeitssinn
    • Bewusstsein autonomer Gerechtigkeit

    Jean Piaget Theorie – Zusammenfassung

    Mit jeder fortschreitenden Stufe der kindlichen Moral nach Piaget entwickeln Kinder ein besseres Verständnis für ihre Umwelt und dafür, was richtig und falsch ist. In der folgenden Tabelle lernst Du die drei Stufen der moralischen Entwicklung nach Piaget genauer kennen:

    Stufe der EntwicklungBeschreibung
    sensomotorische Stufe(Vorstufe, beginnt mit Geburt)
    • noch keine Moralentwicklung
    • lediglich motorische Fähigkeiten vorhanden
    moralischer Realismus (ab dem dritten Lebensjahr)
    • Unterscheidung von Verhaltensweisen nur als absolut falsch oder absolut richtig
    • Wahrnehmung von Regeln als unveränderlich
    kooperativer Gerechtigkeitssinn (ab dem siebten Lebensjahr)
    • steigendes Verständnis für das Verhalten anderer Menschen
    • Wahrnehmung von Handlungen nun auch als umkehrbar
    Bewusstsein autonomer Gerechtigkeit(ab dem zwölften Lebensjahr)
    • Unterscheidung zwischen "gut" und "böse"
    • Verständnis, dass Regeln veränderbar
    Erwachsenenalter(Entwicklungsende ab dem 14. Lebensjahr)
    • gefestigte Moral
    • Ende der Moralentwicklung

    Mehr zum Thema der kindlichen Moral nach Piaget und über die einzelnen Stufen der Moralentwicklung erfährst Du in der Erklärung "Piaget Moral".

    Stufenmodell der kindlichen Moral – Kritik an Jean Piaget

    Der größte Kritikpunkt an Piagets Modell ist, dass die Entwicklung der Moral nach heutigen Erkenntnissen nicht in genauen Stufen abläuft. Die Entwicklung stellt einen Prozess dar, der individuell und abhängig von unterschiedlichen Faktoren (z. B. der Umwelt und der Erziehung) ist. Diese Variablen finden im Stufenmodell kaum Beachtung.

    Zusätzlich wird kritisiert, dass das Modell unter einer voreingenommenen Ansicht (aufgrund von westlich-liberalen Wertsystemen) entwickelt wurde.

    Jean Piaget - Das Wichtigste

    • Jean Piaget (1896 bis 1980) war ein Schweizer Biologe und Psychologe.
    • Er gilt als Begründer der Entwicklungspsychologie und der genetischen Epistemologie.
    • Besonders bekannt sind Piagets Forschungen in folgenden Gebieten:
      • Konstruktivismus
      • Phasen der kognitiven Entwicklung
      • Stufen der kindlichen Moral
    • Jean Piaget Grundannahmen:
      • Er geht in seiner Theorie der konstruktivistischen Erziehung davon aus, dass Wissen und Werte vom Kind selbst durch Interaktion mit seiner Umwelt im Inneren aktiv gebildet werden müssen.
      • Dabei wird in zwei Prozesse unterschieden: Assimilation und Akkommodation.
    • Laut Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung durchläuft ein Kind vier Entwicklungsstadien bzw. Phasen:
      • sensomotorische Phase: Geburt bis Spracherwerb
      • präoperative Phase: circa drittes bis siebtes Lebensjahr
      • konkrete operative Phase: circa siebtes bis elftes Lebensjahr
      • formale operative Phase: zwölftes Lebensjahr bis ins Erwachsenenalter
    • Piaget teilt die kindliche Moral in seinem Modell in drei Stufen auf:
      • moralischer Realismus: Beurteilung von Verhaltensweisen nur als absolut falsch oder absolut richtig
      • kooperativer Gerechtigkeitssinn: Lockerung der Unterordnung unter die elterliche Gewalt
      • Bewusstsein autonomer Gerechtigkeit: Unterscheidung zwischen "gut" und "böse" und Verständnis, dass Regeln veränderbar sind

    Nachweise

    1. Grundwissen Psychologie - Sekundarstufe II (2021). Cornelsen Verlag GmbH.
    2. Lehrbuch Psychologie (2014). Springer.
    3. Abb. 1 - "Jean Piaget" by unidentified photographer (published by University of Michigan) on wikimedia.org licensed under public domain
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Jean Piaget

    Wer ist Jean Piaget?

    Jean Piaget war ein Schweizer Biologe

    Warum ist Piaget wichtig?

    Piaget ist wichtig, da er als Begründer der kognitiven Entwicklungspsychologie gilt.

    Was besagt die Theorie von Piaget?

    Piagets Theorie besagt, dass Persönlichkeitscharakteristika nicht von außen vermittelt werden können, sondern vom Kind in seinem Inneren aktiv konstruiert werden müssen.

    Was sind nach Piaget die wichtigsten Inhalte seiner vier Entwicklungsstufen?

    Nach Piaget sind die wichtigsten Inhalte seiner vier Entwicklungsstufen:

    • ein Verständnis von der Welt zu konstruieren 
    • Unstimmigkeiten zwischen Wissen und Umwelt erkennen
    • persönliche Vorstellungen von der Welt an Umwelt anpassen
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