Solomon Asch

Der Sozialpsychologe Solomon Asch gehört zu den einflussreichsten Psychologen der Geschichte. Erinnerst Du Dich an das Märchen "Des Kaisers neue Kleider"? Der Kaiser war einem Scharlatan zum Opfer gefallen, der ihm angeblich die schönsten Gewänder genäht hatte. Die konnten aber nur diejenigen sehen, die schlau genug waren. Da der Kaiser selbst nicht zugeben wollte, dass er die Kleider nicht sah, also dumm war, lief er nackt durch die Straßen. Sein Hofstaat jubelte ihm zu. Niemand wollte zugeben, die Kleider als einzige Person nicht zu sehen. Alle anderen konnten sie ja scheinbar sehen. Bis ein kleines Kind sich nichts weiter dachte und laut rief "Aber der ist ja nackt!".

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    Was dieses Märchen mit Solomon Asch zu tun hat? Eine ganze Menge, denn genau das waren die Forschungsthemen von Solomon Asch: Konformität, Einfluss der Mehrheit und Urteilsbildung von Menschen.

    Solomon Asch – Biographie

    Warum er sich ausgerechnet mit Konformität und Mehrheitseinfluss beschäftigte und wie er zur Strömung der Gestaltpsychologie kam, zeigt Solomon Aschs Biographie:

    LebensabschnittWas ist passiert?
    GeburtSolomon Asch wurde am 14. September 1907 im polnischen Warschau geboren.
    Kindheit & Jugend
    • Noch als Kind, mit 13 Jahren, emigrierte Asch 1920 in die USA.
    • Englisch lernte er in den USA angeblich, indem er Charles Dickens las.
    Ausbildung
    • Nach der Schule studierte und promovierte Solomon Asch an der Columbia University in New York im Fach Psychologie.
    • Während seiner Studienzeit wurde Asch maßgeblich von dem deutschen Psychologen Max Wertheimer beeinflusst, einem der Begründer der Gestaltpsychologie.
    Beruflicher Werdegang
    • Nach seiner Promotion arbeitete Solomon Asch als Professor für Psychologie an einem Privatcollege in Pennsylvania.
    • Zu seinen Kollegen gehörte unter anderem der deutsch-russische Psychologe Wolfgang Köhler, neben Wertheimer ein weiterer Begründer der Gestaltpsychologie.
    Karriere
    • Beeinflusst von der Machtübernahme Hitlers in Deutschland, beschäftigte sich Solomon Asch in seiner Forschung mit den Konsequenzen von Propaganda und Gleichschaltung.
    • In den 1950er-Jahren wurde Solomon Asch für seine Experimente zu Konformität und Konformitätsdruck bekannt.
    • Bei seiner Arbeit an der Harvard-Universität in Boston betreute Asch unter anderem die Doktorarbeit des US-amerikanischen Psychologen Stanley Milgram.
    • Milgram war in seiner eigenen Forschung zu Autorität und Gehorsam maßgeblich von seinem Doktorvater Solomon Asch beeinflusst.
    TodAm 20. Februar 1996 starb Solomon Asch in Haverford, Pennsylvania.

    Falls Du mehr zu Max Wertheimer, Wolfgang Köhler und der Gestaltpsychologie erfahren möchtest, klick Dich die Erklärung "Gestaltpsychologie" rein. Auch zu "Stanley Milgram" findest Du eine ausführliche Erklärung.

    Sozialpsychologie – Solomon Asch

    Solomon Asch war einer der Wegbereiter der Sozialpsychologie. 1952 veröffentlichte Asch sein Buch "Social Psychology", das zu einem Standardwerk für die Sozialpsychologie werden sollte.

    Aus Sicht der Gestaltpsychologie widmet Solomon Asch sich hier den wichtigsten Fragen zum Menschen als soziales Wesen. Asch diskutiert die Stärken und Schwächen der wichtigsten psychologischen Theorien seiner Zeit. Außerdem enthält das Buch einen Überblick zu Aschs eigener Forschung.

    Die "Sozialpsychologie" gehört zu den "Grundlagendisziplinen der Psychologie" und beschäftigt sich mit menschlichem Erleben und Verhalten im sozialen Kontext. Die "Ganzheits- und Gestaltpsychologie" ist eine der "Hauptströmungen der Psychologie" und beschreibt also eine bestimmte psychologische Grundhaltung. Klick Dich in die Erklärungen rein, wenn Du mehr erfahren willst!

    Solomon Asch Experiment einfach erklärt

    Solomon Asch wurde hauptsächlich für zwei Experimente weltberühmt:

    • sein Konformitätsexperiment
    • sein Experiment zur Urteilsbildung

    Solomon Asch – Konformitätsexperiment

    Das Konformitätsexperiment machte Solomon Asch in den 1950er-Jahren weltberühmt. Er untersuchte in diesem Experiment Gruppenzwang, also den Einfluss der Mehrheitsmeinung auf das Individuum. Dabei fand er heraus, dass die Meinung der Mehrheit eine einzelne Person derartig beeinflussen kann, dass sie sich der offensichtlich falschen Mehrheitsmeinung anschließt.

    Das Konformitätsexperiment von Asch sorgte 1952 über Fachkreise hinaus für großes Aufsehen. Im Verlauf wurde es aber auch immer wieder kontrovers diskutiert. Damit Du nachvollziehen kannst, welche Bedeutung das Konformitätsexperiment hat und Dir über seine Aussagen selbst ein Urteil bilden kannst, ist es zunächst wichtig den Begriff Konformität zu verstehen.

    Solomon Asch – Konformität

    Für den Begriff Konformität gibt es verschiedene Bedeutungen. Im sozialpsychologischen Kontext kann man Konformität am ehesten wie folgt definieren:

    Konformität bedeutet in der Sozialpsychologie ein Verhalten, dass sich den Normen einer bestimmten Gruppe anpasst. Ziel ist dabei die Übereinstimmung mit der Gruppe, um Abweichungen von der Norm zu vermeiden, da solche Abweichungen als unangenehm wahrgenommen werden.

    Für die Interpretation der Ergebnisse von Solomon Aschs Konformitätsexperiment ist die Unterscheidung zwischen Anpassungs- und Einstellungskonformität besonders wichtig:

    Bei der Anpassungskonformität (engl. compliance, "Übereinstimmung") passt das Individuum sein Verhalten an das der Gruppe an. Dabei ändert es jedoch nicht seine innere Einstellung, es handelt also entgegen der eigentlichen Überzeugung.

    Bei der Einstellungskonformität (engl. acceptance, "Akzeptanz") übernimmt das Individuum die Meinung der Gruppe. Es passt das eigene Verhalten also aus einer veränderten inneren Einstellung heraus an.

    Asch-Experiment: Durchführung des Konformitätsexperimentes

    Der Versuchsaufbau des Konformitätsexperimentes bestand aus einem Raum, an dem sechs Leute an einem Tisch saßen. Eine siebte Person – die Versuchsperson – betrat den Raum und setzte sich ebenfalls an den Tisch. Ihr wurde gesagt, es handele sich bei den anderen sechs ebenfalls um Versuchspersonen. In Wahrheit waren sie jedoch in das Experiment eingeweihte Komplizen des Versuchsleiters.

    Nun wurde den sieben Personen das Bild einer Referenzlinie gezeigt. Neben diesem Bild wurde ein weiteres Bild mit drei unterschiedlich langen Vergleichslinien gezeigt. Die Versuchspersonen sollten der Reihe nach schätzen, welche Vergleichslinie genauso lang war wie die Referenzlinie.

    Im Konformitätsexperiment sollten die Versuchspersonen (und die Eingeweihten) in 18 Durchgängen schätzen, welche Vergleichslinie zur Referenzlinie passt. In sechs Durchgängen stimmten alle Eingeweihten für die richtige Linie. Dadurch erhöhte sich das Vertrauen der Versuchsperson in die Glaubhaftigkeit der anderen.

    In den anderen zwölf Durchgängen tippten die Eingeweihten einstimmig auf eine falsche Linie. 75 % der "echten" Versuchspersonen ließen sich dadurch so beeinflussen, dass sie mindestens einmal ebenfalls auf die offensichtlich falsche Linie tippten.

    Dieses Experiment sollte den Einfluss der Gruppe auf das Individuum zeigen. In späteren Variationen des Konformitätsexperimentes konnte gezeigt werden, dass dieser Einfluss umso stärker ist, je größer die Gruppe ist. War jedoch unter den Eingeweihten eine Person, die entgegen der Gruppenmeinung auf die richtige Linie tippte, so erhöhte das die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Versuchsperson die richtige Antwort gab.

    Solomon-Asch-Experiment – Kritik

    Wie viele psychologische Experimente mit bahnbrechenden Ergebnissen ist auch das Konformitätsexperiment von Asch nicht unumstritten. Der Hauptkritikpunkt dreht sich dabei um die Frage, ob es sich bei der Konformität der Versuchspersonen um Anpassungskonformität oder Einstellungskonformität handelt.

    Einstellungskonformität würde im Konformitätsexperiment bedeuten, dass

    • die Versuchspersonen tatsächlich überzeugt sind, dass die falsche Vergleichslinie genauso lang ist wie die Referenzlinie.
    • die Mehrheitsmeinung tatsächlich dazu führt, dass einzelne ihre Einstellung ändern.
    • Einzelne sich von einer offensichtlich falschen Tatsache überzeugen lassen.

    Aber handelt es sich bei Aschs Experiment tatsächlich um Einstellungskonformität? Man geht heute eher davon aus, dass die Versuchspersonen Anpassungskonformität zeigten.

    Anpassungskonformität würde bedeuten, dass

    • die Versuchspersonen die richtige Antwort wussten.
    • Einzelne sich der Mehrheitmeinung anpassten, um nicht negativ aufzufallen.
    • Einzelne ihre innere Einstellung dabei nicht änderten.

    Für die Anpassungskonformität spricht auch, dass die Versuchspersonen im Experiment schnell wieder die richtige Antwort gaben, sobald eine der eingeweihten Personen ebenfalls richtig antwortete.

    Egal, ob Einstellungs- oder Anpassungskonformität – sicher ist, dass die Meinung der Mehrheit im Konformitätsexperiment erheblichen Einfluss auf die Antworten der Minderheit genommen hat.

    Solomon Asch (1946): "Forming impressions of Personality"

    "Forming Impressions of Personality" ("Eindrücke der Persönlichkeit gewinnen") ist der Titel einer wissenschaftlichen Studie, die Solomon Asch 1946 veröffentlichte. Das Experiment, das in dieser Studie beschrieben wurde, fand also bereits einige Jahre vor dem Konformitätsexperiment statt.

    In diesem Experiment geht es auch nicht um Konformität, sondern darum, wie Menschen sich ein Urteil über andere bilden. Auch hierzu führte Solomon Asch eine Reihe von Untersuchungen durch. Diese sind bekannt als Asch-Paradigma der Eindrucksbildung. Dabei wurden Studierenden eine Liste von Adjektiven vorgelegt, die eine fiktive Person A oder Person B beschreiben sollten. Anschließend sollten die Versuchspersonen eine kurze Beschreibung dieser Person erstellen.

    • Person A ist geschickt, fleißig, freundlich, entschlossen, praktisch, vorsichtig
    • Person B ist geschickt, fleißig, kalt, entschlossen, praktisch, vorsichtig

    Dabei zeigte sich, dass bereits ein einziges unterschiedliches Adjektiv den Eindruck einer Person massiv verändern konnte. Person A wurde beispielsweise von mehr Personen als großzügig beschrieben, als Person B. Das Wort "freundlich" beeinflusst in diesem Beispiel also entscheidend, wie eine Person wahrgenommen wird.

    Außerdem fand Solomon Asch heraus, dass ein anderer Eindruck entsteht, wenn das Wort "freundlich" gemeinsam mit den Adjektiven

    • gehorsam, schwach, oberflächlich, warm, wenig ehrgeizig, eitel

    präsentiert wurde. Daraus schloss Asch, dass der Gesamteindruck nicht einfach aus der Summe der einzelnen Merkmale entsteht, sondern mehr ist als die Summe seiner Teile.

    Die ersten Informationen, die über eine Person bekannt sind, beeinflussen außerdem, wie die weiteren Informationen verarbeitet werden, die man über die Person erhält. Grund dafür ist der sogenannte Positionseffekt.

    Der Positionseffekt beschreibt die Auswirkung der Reihenfolge von Informationen auf deren Verarbeitung. Der Effekt spielt u.a. bei der Beantwortung von Fragebögen eine Rolle. Hier kann es vorkommen, dass die Reihenfolge der Fragen Einfluss auf die Bearbeitung der Fragen nimmt. Auch in der Lernpsychologie gibt es Positionseffekte: Zuerst (primacy-effect) und zuletzt (recency-effect) Gelerntes wird besser erinnert.

    Ein verwandter Effekt ist der Halo-Effekt.

    Der Halo-Effekt (engl. halo = "Heiligenschein") beschreibt einen Effekt in der Beurteilung von Personen. Dabei wirkt ein bekanntes Merkmal über eine Person so dominant, dass von diesem einen Merkmal auf andere Merkmale geschlossen wird, bzw. bestimmte andere Merkmale in den Hintergrund gedrängt werden.

    Wenn Du mehr über den "Halo Effekt" erfahren möchtest, klick Dich in die ausführliche Erklärung rein!

    Die von Solomon Asch 1946 veröffentlichte Studie zur Urteilsbildung wurde bis heute über 6000 Mal in anderen wissenschaftlichen Studien zitiert, was den enormen Einfluss dieser Ergebnisse verdeutlicht.

    Solomon Asch – Zitate

    Die folgenden Zitate stammen aus der Studie von Solomon Asch zu Konformität und Gehorsam (der englische Originaltitel lautet "Opinions and Social Pressure", "Meinungen und sozialer Druck"). Asch bezieht sich dabei auf Schlussfolgerungen über das Experiment, die er und sein Team aus Interviews mit den Versuchspersonen zogen.

    Über diejenigen Versuchspersonen, die sich nahezu immer der Mehrheitsmeinung widersetzten und die richtige Antwort gaben, schrieb Solomon Asch:

    The most significant fact about them was not absence of responsiveness to the majority but a capacity to recover from doubt and to reestablish their equilibrium.1

    Unter denjenigen Versuchspersonen, die sich der Mehrheitsmeinung anschlossen, seien einige überzeugt gewesen, die Mehrheit habe recht. Andere hätten die Ergebnisse der Studie nicht ruinieren und das Spiel mitspielen wollen. Dazu schrieb Asch:

    Many of the individuals who went along suspected that the majority were "sheep" following the first responder, or that the majority were victims of an optical illusion; nevertheless, these suspicions failed to free them at the moment of decision.1

    Am beunruhigendsten fand Solomon Asch die Reaktionen derjenigen Versuchspersonen, die sich der Mehrheit aus einer tiefen eigenen Unsicherheit heraus anschlossen, selbst nicht richtig urteilen zu können, was sie unbedingt vor den anderen verbergen wollten.

    On this basis they desperately tried to merge with the majority, not realizing the longer-range consequences to themselves.1

    Am Ende hätten alle konformen Versuchspersonen die Häufigkeit unterschätzt, mit der sie sich der Mehrheit angeschlossen hatten.

    Solomon Asch – Das Wichtigste

    • Der Sozialpsychologe Solomon Asch (*14.09.1907, 20. Februar 1996) wurde in Polen geboren und lebte und arbeitete in den USA.
    • In seiner Forschung wurde Solomon Asch maßgeblich von den Gründern der Gestaltpsychologie Max Wertheimer und Wolfgang Köhler beeinflusst.
    • Solomon Aschs Konformitätsexperiment zeigte, dass ein großer Teil der Versuchspersonen sich einer offensichtlich falschen Mehrheitsmeinung anschloss.
    • Wie viele psychologische Experimente erfuhr auch Solomon Aschs Experiment Kritik:
    • Das Konformitätsexperiment zeige nicht sicher, ob die Versuchspersonen tatsächlich ihre Meinung änderten (Einstellungskonformität) oder sich nur äußerlich der Mehrheit anschlossen, um nicht negativ aufzufallen (Anpassungskonformität).
    • Außerdem veröffentlichte Solomon Asch 1946 eine Studie, die zeigte, wie bereits wenige bekannte Informationen die Urteilsbildung über eine Person massiv beeinflusst.

    Nachweise

    1. Asch, S. E. (1955). Opinions and Social Pressure. Scientific American.
    2. Asch, S. E. (1946). Forming impressions of personality. Journal of Abnormal and Social Psychology.
    3. Steinbach, A. (2020). Abitur Skript. Ethik Gymnasium Bayern, Stark Verlag.
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Solomon Asch

    Wer war Solomon Asch?

    Solomon Asch war ein bedeutender Sozialpsychologe. Berühmt wurde Solomon Asch besonders durch sein Konformitätsexperiment und seine Experimente zur Urteilsbildung.

    Welches bedeutende Experiment geht auf Solomon Asch zurück?

    Auf Solomon Asch geht das bedeutende Konformitätsexperiment zurück.

    Was ist der Asch-Effekt?

    Der Asch-Effekt ist eine Bezeichnung für den Effekt des Mehrheitseinflusses, den Solomon Asch in seinem Konformitätsexperiment untersuchte.

    Welche Erkenntnisse zur Konformität ergeben sich aus dem bekannten Experiment von Asch?

    Aus dem bekannten Experiment von Asch ergeben sich folgende Ergebnisse zur Konformität: Etwa 75 % der Versuchspersonen schlossen sich mindestens einmal der offensichtlich falschen Meinung der Mehrheit an. Grund für die Konformität sind wahrscheinlich Selbstunsicherheit und das Bedürfnis, zur Gruppe zu gehören.

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