Gedächtnis

Hast Du Dich schon einmal gefragt, wie es möglich ist, dass Du Dich ausgerechnet an ein Ereignis ganz genau erinnern kannst, an ein anderes jedoch so gut wie gar nicht? Das menschliche Gedächtnis ist ein wahres Wunderwerk, das es ermöglicht, sich an lang Vergangenes zu erinnern. Dank des Gedächtnisses kann man sich an Dinge wie den eigenen Namen, die Familie, Freunde und andere Personen, die man im Leben trifft, erinnern.

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    Gedächtnis – Definition & Bedeutung

    Das Gedächtnis, auch Mnestik genannt, ist eine komplexe Struktur, die bis heute noch nicht vollends erforscht und im Detail von Wissenschaftler*innen verstanden wurde. In der Psychologie lautet die Definition vom Begriff Gedächtnis wie folgt:

    Bei dem Gedächtnis handelt es sich um die Fähigkeit, Erlerntes durch Speicherung und Abruf dauerhaft zu behalten und Informationen aus dem Unterbewusstsein wieder in das Bewusstsein zurückzuholen. Häufig wird das Gedächtnis auch mit dem Erinnerungsvermögen gleichgesetzt.

    Das Gedächtnis umfasst alle bewussten und unbewussten Prozesse sowie Strukturen zur Speicherung und zum Abruf von Informationen. Es gilt als eine der zentralen Schnittstellen des menschlichen Handelns. Ohne das Gedächtnis wäre der Mensch nicht handlungsfähig.

    Im Gedächtnis gespeicherte Inhalte können jedoch auch wieder verloren gehen. Wenn Du mehr darüber erfahren möchtest, klick Dich in die Erklärungen zu "Vergessen Psychologie", dem "Speicherzerfall" und "Enkodierung Psychologie" rein! Wusstest Du auch, dass Informationen im Gedächtnis nachträglich verfälscht werden können? Wie Du Dir diesen Prozess vorstellen kannst, erfährst Du in der Erklärung "Gedächtnistäuschung".

    Gedächtnisarten

    Das Gedächtnis selbst kann als eine Struktur angesehen werden, die aus verschiedenen Komponenten und Arten besteht. Die drei Komponenten werden nach ihrer relativen Speicherdauer gegliedert. Dabei handelt es sich um:

    • das Ultrakurzzeitgedächtnis (UKZG): Speicherung für wenige Millisekunden
    • das Kurzzeitgedächtnis/Arbeitsgedächtnis (KZG): Speicherung für wenige Sekunden bis zu Minuten
    • das Langzeitgedächtnis (LGZ): dauerhafte Speicherung

    Neben den drei Komponenten, aus denen das Gedächtnis besteht, gibt es auch noch verschiedene Gedächtnisarten. Von manchen hast Du vielleicht schon einmal etwas gehört. Dazu zählen etwa das deklarative und das prozedurale Gedächtnis, die einen Teil des Langzeitgedächtnisses darstellen. In der folgenden Abbildung siehst Du einen Überblick über die drei Gedächtnisstrukturen sowie die Gedächtnisarten. Du kannst auch erkennen, dass sich das deklarative Gedächtnis selbst noch einmal unterteilt in das semantische und episodische Gedächtnis. Was genau unterscheidet die einzelnen Gedächtnisarten aber voneinander?

    Gedächtnis, Gedächtnisarten, StudySmarterAbbildung 1: Aufbau des Gedächtnisses und Übersicht über die verschiedenen Gedächtnisarten

    Wenn Dich der Prozess der Speicherung von Informationen über die drei Gedächtniskomponenten hinweg interessiert, lies Dir die Erklärung "Informationsverarbeitung" durch. Dort findest Du alle spannenden Fakten rund um das Thema!

    Deklaratives Gedächtnis

    Das deklarative Gedächtnis, auch explizites Gedächtnis genannt, speichert alle Fakten und Ereignisse, die verbalisiert und bewusst erinnert werden können. Daher wird es auch als das sogenannte "Wissensgedächtnis" bezeichnet. Darunter fällt unter anderem Dein eigener Name oder der Weg zur Schule.

    Wenn du gefragt wirst, was du heute Morgen zum Frühstück gegessen hast, kannst du das in der Regel sofort genau beantworten. Vielleicht kannst du dir den Teller oder die Müsli-Schüssel sogar noch vor deinem inneren Auge vorstellen.

    Dem deklarativen Gedächtnis wird im Gegensatz zum prozeduralen Gedächtnis häufig unterstellt, dass es manipulierbar sei. Das kann hauptsächlich in redundanten (sich wiederholenden) Situationen der Fall sein, da das deklarative Wissen nicht automatisiert ist, also nicht ohne Nachdenken eingesetzt und durch den wiederkehrenden Abruf möglicherweise verfälscht werden kann. Das folgende Beispiel aus dem Schulunterricht soll die Gefahr der Manipulation veranschaulichen:

    Du schreibst eine Geschichtsklausur. Für die Prüfung hast du dich lange und gut vorbereitet. Ganz besonders die geschichtlichen Ereignisse und Jahreszahlen hast du ausgiebig gelernt und regelmäßig wiederholt. Statt in der letzten Stunde vor der Klausur gemeinsam den relevanten Stoff zu wiederholen, fängt dein Lehrer hingegen ein neues Kapitel mit vielen weiteren Informationen und Jahreszahlen an. Das bringt dich so durcheinander, dass du dir während der Prüfung gar nicht mehr sicher bist, welches Ereignis welchem Jahr zuzuordnen ist, obwohl du dich so lange vorbereitet hast.

    Dein deklaratives Wissen wurde in diesem Fall von dem zuvor gehörten Schulstoff manipuliert bzw. beeinflusst.

    Das deklarative Gedächtnis untergliedert sich weiter in das episodische und das semantische Gedächtnis.

    Semantisches Gedächtnis

    Ein semantisches Gedächtnis umfasst das gesamte Fakten- und Sachwissen ohne räumlich-zeitlichen Bezug und speichert das Wissen über die Welt und die Sprache. So zählen etwa geschichtliche Jahreszahlen oder das Wissen, dass Paris die Hauptstadt Frankreichs ist, zum semantischen Gedächtnis. Spannend ist, dass man meist selbst gar nicht weiß, wann genau man sich bestimmtes faktisches Wissen angeeignet hat.

    Episodisches Gedächtnis

    Episodische Gedächtnis umfasst alle Erinnerungen an persönliche Ereignisse mit räumlich-zeitlichem Bezug. Das können z. B. Erinnerungen an vergangene Urlaube, den Tag der Einschulung oder Geburtstagsfeiern sein.

    Das Besondere am episodischen Gedächtnis ist, dass es zu einer sogenannten "Semantisierung" kommen kann. Episodische Gedächtnisinhalte verlieren dabei über die Zeit hinweg an Detailreichtum. Ihr räumlich-zeitlicher Bezug entfällt. Damit werden sie zu Fakten und somit zum semantischen Gedächtnis. Das kennst Du sicherlich aus Deinem eigenen Alltag. Du erinnerst Dich an ein Ereignis, verortest es allerdings zum Beispiel im falschen Jahr:

    Du fährst mit deinen Eltern in den Urlaub nach Venedig. Als ihr durch die engen Gassen und an den Kanälen entlang schlendert, beschleicht dich das Gefühl, dass du schon einmal dort warst. Du beginnst dich immer mehr zu erinnern, jedoch kannst du die Erinnerungen keinem konkreten Zeitpunkt zuordnen. Von deiner Mutter erfährst du, dass ihr in Venedig bereits Urlaub gemacht habt als du sechs Jahre alt warst. Deine episodische Erinnerung an die Stadt hatte zwar an Detailreichtum und ihren zeitlichen Bezug verloren, aber wurde zu einer semantischen Erinnerung.

    Prozedurales Gedächtnis

    Das prozedurale Gedächtnis wird auch als implizites Gedächtnis bezeichnet und speichert im Gegensatz zum deklarativen Gedächtnis alles Wissen, das nicht verbalisiert und nicht bewusst erinnert werden kann. Dabei handelt es sich vor allem um erlerntes Wissen wie Fertigkeiten, Gewohnheiten oder Verhaltensweisen. Da dieses Wissen bereits automatisiert ist, kann es ohne bewusste Kontrolle ablaufen, weshalb es auch als "Verhaltensgedächtnis" bezeichnet wird. Erlernte Fertigkeiten sind etwa Fahrrad fahren und Schwimmen, aber auch Schreiben oder Zähneputzen.

    Ein typisches Beispiel für das prozedurale Gedächtnis aus dem Alltag ist das Schuhbinden.

    Du bist vermutlich in der Lage, deine Schuhe selbst zu binden, ohne groß darüber nachzudenken und mentalen Aufwand dafür einsetzen zu müssen. Trotzdem bist du selbst durch Nachdenken häufig kaum in der Lage, einer anderen Person den Vorgang zu erklären, ohne es vorzumachen. Das liegt daran, dass sich das Wissen über den Vorgang im prozeduralen Gedächtnis befindet und dieses weitestgehend automatisiert ist. Deshalb fällt es dir und dem Großteil der Menschen auch unglaublich schwer, sich bestimmten Situationen, wie das Schuhbinden, zu erklären.

    Überdies können auch erlernte Ängste zum prozeduralen Gedächtnis gezählt werden oder der eintretende Hunger, wenn leckeres Essen gerochen oder gesehen wird. Hierbei handelt es sich in der Regel um das Ergebnis klassischer Konditionierung. Vielleicht kennst Du das Experiment des pawlowschen Hundes. Die Tiere erlernen in der Studie, auf einen Reiz (Läuten einer Glocke) mit Speichelfluss zu reagieren, weil sie wissen, dass sie Essen bekommen, wenn die Glocke läutet. Ähnlich verhält es sich bei dem eintretenden Hunger oder auch der erlernten Angst. Es wird gelernt, in einer normalerweise neutralen Situation, wie z. B. beim Fahren eines Aufzuges, eine bestimmte Reaktion (Angst) auf einen bestimmten Reiz (volle Aufzugkabine) zu äußern.

    Alles rund um das Thema Konditionierung erfährst Du in den Erklärungen "klassische Konditionierung" und "operante Konditionierung".

    Interessant am prozeduralen Gedächtnis ist, dass scheinbar die Gedächtnisinhalte dort anders abgespeichert werden, als im deklarativen Gedächtnis. Forscher*innen haben herausgefunden, dass, selbst wenn das deklarative Gedächtnis größtenteils gestört ist, die Betroffenen noch immer in der Lage sind, neue Fertigkeiten sich anzueignen.

    Ein berühmtes Experiment dazu stammt von der britisch-kanadischen Neuropsychologin Brenda Milner:

    Anhand einer Geschicklichkeitsaufgabe und dem Patienten Henry Molaison zeigte Brenda Milner, dass das prozedurale Gedächtnis unabhängig von dem deklarativen Gedächtnis sein muss. Die Aufgabe selbst bestand darin, zwischen zwei ineinander geschachtelten Sternen, den Umriss eines dritten Sterns zu zeichnen. Der Patient durfte dabei seine Hand und das Papier nur in einem Spiegel beobachten.

    Obwohl sich der Patient selbst bei den wiederholten Versuchen niemals daran erinnern konnte, die Geschicklichkeitsaufgabe schon einmal geübt zu haben, wurde er von Mal zu Mal besser. Es zeigte sich, dass er trotz gestörtem deklarativen Gedächtnis, sich die Fertigkeit zur Lösung der Aufgabe aneignen konnte. Tatsächlich sagte der Patient sogar einmal erstaunt, dass er sich die Aufgabe schwerer vorgestellt habe.

    Oftmals wird das prozedurale Gedächtnis auch einem sogenannten non-deklarativen Gedächtnis zugeordnet, das neben dem prozeduralen Gedächtnis ein weiteres Gedächtnis unterscheidet. Dabei handelt es sich um das perzeptuelle Gedächtnis.

    Wenn Du mehr zu dieser Art der Unterscheidung erfahren möchtest, klick Dich in die Erklärung zum "Langzeitgedächtnis" rein!

    Fotografisches Gedächtnis

    Das fotografische Gedächtnis stellt ein Phänomen dar, das vielmehr eine besondere Gedächtnisleistung beschreibt als eine Gedächtnisart. Tatsächlich handelt es sich weniger um einen Fachbegriff und mehr um eine umgangssprachliche Bezeichnung. Grundsätzlich meint die Bezeichnung "fotografisches Gedächtnis" die Fähigkeit bestimmter Personen, sich an viele Einzelheiten eines bestimmten Ereignisses zu erinnern. Diese Fähigkeit bezieht sich jedoch nur auf die visuelle Wahrnehmung und ist auf eine gesteigerte Funktionsweise des ikonischen Gedächtnisses zurückzuführen.

    Betroffene Personen haben den Eindruck, das erinnerte Ereignis wie auf einem Foto vor sich zu sehen, da deutlich mehr Informationen verarbeitet wurden, als es bei einer Person mit einer normalen Gedächtnisleistung des ikonischen Gedächtnisses der Fall ist. Konkret bedeutet das, dass bei Personen mit einem gesteigerten ikonischen Gedächtnis, visuelle Information deutlich länger als wenige Millisekunden aufrechterhalten und dadurch besser verarbeitet werden können.

    Vielleicht kennst Du die amerikanische Krimiserie "Unforgettable", die das Phänomen des fotografischen Gedächtnisses sehr anschaulich porträtiert:

    Die Protagonistin Carrie Wells verfügt über ein fotografisches Gedächtnis und kann sich alles merken und an alles erinnern, was sie jemals gesehen hat. Das gibt ihr die Fähigkeit, sich an jeden beliebigen Zeitpunkt ihres Lebens zu erinnern. Gerade in ihrer Arbeit als Polizistin beim New York Police Department erweist sich das fotografische Gedächtnis des Öfteren als nützlich. Die Serie zeigt jedoch auch die Schattenseiten dieser Gabe auf. So kann sich Carrie auch an die Dinge erinnern, die sie lieber verdrängen und vergessen würde, wie den Mord ihrer Schwester.

    Gedächtnis - Das Wichtigste

    • Gedächtnis – Definition & Bedeutung: Das Gedächtnis ist die Fähigkeit, Erlerntes durch die Speicherung und den Abruf von Informationen dauerhaft zu behalten.
    • Untergliederung nach der Struktur:
      • Ultrakurzzeitgedächtnis: Speicherung für wenige Millisekunden
      • Kurzzeitgedächtnis: Speicherung der Information für wenige Minuten
      • Langzeitgedächtnis: dauerhafte Speicherung
    • Gedächtnisarten:
      • deklaratives Gedächtnis: Speicherung aller Fakten und Ereignisse, die verbalisiert und bewusst erinnert werden können
      • prozedurales Gedächtnis: Speicherung alles Wissens, das nicht verbalisiert und bewusst erinnert werden kann
      • fotografisches Gedächtnis: gesteigerte ikonische Gedächtnisleistung
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Gedächtnis

    Was bleibt im Gedächtnis?


    Im Gedächtnis bleiben grundsätzlich nur die Informationen, die unser Gehirn für relevant erachtet. Durch Wiederholung und Gruppierung von Informationen kann diesen jedoch Relevanz zugeschrieben werden. 

    Wie lange bleibt etwas im Langzeitgedächtnis?

    Informationen können theoretisch dauerhaft im Langzeitgedächtnis gespeichert bleiben. Jedoch kann es zu nachträglichen Verlusten und Verzerrungen bzw. Verfälschungen der Informationen kommen.

    Wie ist das Gedächtnis?

    Das Gedächtnis ist die Fähigkeit, Erlerntes durch die Speicherung und den Abruf, Informationen dauerhaft zu behalten und bei gegebener Situation wieder in das Bewusstsein zurückzuholen. Häufig wird das Gedächtnis mit Erinnerungsvermögen gleichgesetzt.

    Was ist unser Gedächtnis?

    Unser Gedächtnis ist die Fähigkeit, Erlerntes durch die Speicherung und den Abruf von Informationen dauerhaft zu behalten.

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