Piaget Moral

Jean Piaget (1896–1980) war ein aus der Schweiz stammender Biologe und gilt als Begründer der kognitiven Entwicklungspsychologie. Eine seiner einflussreichen Arbeiten ist die Theorie zur kindlichen Moral.

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    Seine bekannteste Theorie beschreibt die Entwicklung der menschlichen Denkprozesse. Wenn Du mehr über die Theorie der kognitiven Entwicklung nach Piaget erfahren willst, dann sieh Dir den Artikel dazu auf StudySmarter an.

    Laut Piaget muss sich ein Kind eine gewisse Lernfähigkeit, nämlich eine kognitive Struktur, aneignen, um moralisches Verhalten beurteilen zu können. Dabei sind die von außen auf das Kind einwirkenden sozialen Zusammenhänge für das Kind nur an zweiter Stelle prägend.

    Jean Piaget (1896–1980)

    Schon als Kind veröffentlichte Piaget zahlreiche biologische Aufsätze, was ihm bereits nach einigen Jahren zu internationaler Bekanntheit verhalf. Mit 22 Jahren schloss er sein Biologiestudium an der

    Universität Neuchâte mit einer Promotion ab. Später war er 25 Jahre lang als Professor der Psychologie an der Universität Genf tätig.

    Piaget Moral, Jean Piaget, StudySmarterAbbildung 1: Jean PiagetQuelle: wikipedia.com

    1923 heiratete er Valentine Châtenay und wurde Vater von drei Kindern. Seine Theorien zur kindlichen Entwicklung und Moral entwickelte er zu dieser Zeit. Sie beruhen hauptsächlich auf den Beobachtungen und Untersuchungen des Verhaltens seiner eigenen Kinder.

    Im Jahre 1921 wurde er an das Institut Jean-Jacques Rousseau der Universität Genf berufen, an dem er von 1933 bis 1971 als Leiter tätig war. In den Jahren 1929 bis 1954 unterrichtete er als Professor der Psychologie an der Universität Genf. Dort leitete er anschließend das Centre International d’Épistémologie Génétique, das 1955 in Genf gegründet wurde. Er hielt ebenfalls Professuren an der Universität von Neuchâtel und an der Sorbonne in Paris inne.

    Piagets Vorstellung des Menschen

    Piaget betrachtet den Menschen als ein offenes System. Er sieht ihn als einen Organismus, der sich wandelt, auf Einflüsse der Umwelt reagiert, sich anpasst und die Umwelt dabei selbst beeinflusst. Dadurch gliedert der Mensch seine Welt. In diesem offenen System ist vieles möglich. Dem Menschen sind jedoch Grenzen gesetzt, beispielsweise auf biologischer Ebene.

    Dieses offene System besteht aus Denkstrukturen und Gefühlen, die für Außenstehende nur schwer erkennbar sind. Laut Piaget streben Menschen nach einem ständigen Ausgleich und Erkenntnis. Dieses Streben hat nach Piaget einen Einfluss auf die Entwicklung der Moral der Kinder.

    Moral Piaget – Definition

    Um die Entwicklung der Moral zu beschreiben und zu erklären, muss das Konzept erst einmal definiert werden. Was bedeutet Moral eigentlich? Wie wichtig ist Moral im Alltag? Und wie entwickeln wir überhaupt eine Moral? Darüber soll Dir die folgende Definition Aufschluss geben:

    Die Moral bezeichnet Werte und Regeln, die in einer Gesellschaft allgemein anerkannt sind. Man spricht davon, "moralisch" gehandelt zu haben, wenn wir uns so verhalten, wie es die Gesellschaft bzw. unsere Mitmenschen richtig und gut finden.

    Moral ist demnach nur eines von vielen Regelsystemen, das die Mitglieder einer Gesellschaft befolgen. Diese Definition vertrat auch Piaget. Welche Regeln dieses System beinhaltet, hat Piaget jedoch nicht näher definiert. Er war davon überzeugt, dass die Moral aus gesellschaftlichen Regeln und Normen besteht. Es sind die, die über der Empfindung des Einzelnen stehen:

    Als moralisch kann man jede Regel (oder Normen) bezeichnen, die wir zugrunde legen, wenn wir unter Absehung subjektiver und rein egoistischer Ziele menschliche Handlungen (fremde wie eigene) bewerten – Jean Piaget in seinem Buch "Das moralische Urteil beim Kinde" (1981)

    Entwicklung der Moral – Piaget

    Die Entwicklung der Moral spielt Piaget zufolge eine wichtige Rolle beim Heranwachsen eines Menschen. Er betrachtet diese Entwicklung als einen Prozess, den er wie folgt definiert:

    Die Moralentwicklung ist ein Prozess in der Kindheit. Als Ergebnis erreichen alle das gleiche Stadium des moralischen Denkens.

    Einen alternativen Ansatz zur Moral und der kindlichen Moralentwicklung lieferte der US-amerikanische Psychologe Lawrence Kohlberg. Er beschreibt die Moralentwicklung als einen lebenslangen Prozess. Personen erreichen hier nicht alle das gleiche Stadium des moralischen Denkens. Laut Kohlberg unterscheiden sich Menschen in der letztlich erreichten Stufe moralischen Denkens.

    Wenn Du mehr über das Konzept der Moralentwicklung von Kohlberg erfahren willst, dann findest Du dazu einen Artikel auf StudySmarter.

    Arten der Moralentwicklung Piaget – Beispiele (heteronome & autonome Moral)

    Piaget unterscheidet zwischen heteronomer und autonomer Moral. Der Unterschied besteht darin, welche Instanz hier das moralische Handeln bestimmt. Diese Instanzen können innerliche oder äußere Einflüsse sein.

    Bei heteronomer Moral legen äußere Instanzen (Eltern, Glaube, Staat) die Normen fest und bestrafen das Abweichen und Missachten davon.

    Bei autonomer Moral entscheidet die Person selbst nach inneren Wertmaßstäben, was richtig und was falsch ist.

    Diese Instanzen können innerliche oder äußere Einflüsse sein. Beispiele dafür findest Du im Alltag:

    Du stehst vor der Entscheidung, im Supermarkt etwas zu kaufen oder zu stehlen.

    Bei der heteronomen Moral entscheidest du dich gegen den Diebstahl, weil äußere Instanzen (Staat/das Gesetz) dieses Verhalten verbieten und bestrafen.

    Bei der autonomen Moral entscheidest du dich selbst dafür, dass ein Diebstahl falsch ist, beispielsweise weil du dem Betreiber des Supermarkts nicht schaden möchtest.

    Stufen der kindlichen Moral nach Piaget

    Piaget unterteilt die Entwicklung der kindlichen Moral in unterschiedliche Stufen. Er vertrat die Ansicht, dass die Entwicklung der Moral bereits in der vorsprachlichen Phase (0 bis 3 Jahre) beginnt. In diesem Alter äußert sich das allerdings noch nicht in der Handlungsweise des Kindes. Davon ausgehend, dass moralisches Bewusstsein eine Einheit von Denken und Handeln ist, setzt die Entwicklung des moralischen Bewusstseins für Piaget erst mit der Entstehung der Sprache ein (3./4. Lebensjahr). Die folgende Abbildung zeigt Dir das moralische Verständnis von Kindern anhand eines Beispiels auf.

    Stufen der Kindlichen Moral nach Piaget Beispiel StudySmarterAbbildung 2: Die Wahrnehmung von Moral bei Kindern

    Wie Du in der Abbildung 2 erkennst, können bereits Kinder unterscheiden, ob eine Handlung aus Versehen stattfindet und somit nicht als falsch gilt oder ob eine Handlung absichtlich gegen die Regeln der Eltern verstößt. Das Essen von Süßigkeiten kann zum Beispiel den Zähnen schaden.

    Piaget teilt die Moral in seinem Modell in drei Stufen auf:

    • den moralischen Realismus,
    • den kooperativen Gerechtigkeitssinn und
    • das Bewusstsein autonomer Gerechtigkeit.

    Denken ist nach innen genommenes Sprechen. – Jean Piaget

    In der folgenden Tabelle lernst Du die drei Stufen der moralischen Entwicklung nach Piaget genauer kennen. Die einzelnen Stufen dauern jeweils circa 3 bis 5 Jahre an. Die moralische Entwicklung endet mit dem Erwachsenenalter.

    Stufe der EntwicklungBeschreibungBeispiel
    Sensomotorische Stufe
    (Vorstufe)
    • Hier findet nach Piaget noch keine Moralentwicklung statt, da diese erst mit der Sprachentwicklung beginnt.
    • Das Kind verfügt nur über motorische Fähigkeiten.
    • Piaget ordnet die sensomotorische Stufe dem Alter von circa 0 bis zu 3 Jahren zu.
    Ein Kleinkind lässt etwas fallen und es zerbricht. Das Kind fängt an, zu weinen, weil es sich vor dem Geräusch oder der Reaktion der Eltern erschrickt. Jedoch erkennt es sein Handeln noch nicht als eindeutig falsch.
    Moralischer Realismus (Stufe 1)
    • Ab hier beginnt die Entwicklung der Moral.
    • In der ersten Stufe kann das Kind Verhaltensweisen als absolut falsch oder absolut richtig einschätzen.
    • Es fühlt sich den Regeln verpflichtet, da es sie für unveränderlich hält.
    • Eine Handlung wird nur danach beurteilt, welche Konsequenzen das Handeln nach sich zieht.
    • Das Kind ist überzeugt von der zwangsläufigen Konsequenz bzw. Strafe, die aus dem Fehlverhalten folgt.
    • Das Kind hinterfragt auf dieser Stufe nicht die Motivation des Handelnden. Diese Stufe beginnt mit dem Erlernen der Sprache.
    • Etwa im 3./4. Lebensjahr hat das Kind laut Piaget alle Regeln ausreichend verinnerlicht (interiorisiert).
    • Da die Moralbewusstseinsentwicklung laut Piaget wesentlich aus der Interaktion mit Gleichaltrigen rührt, ist sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden.
    Ein Kind kann erkennen, dass es ihm verboten ist bzw. dass es falsch ist, Wände anzumalen. Jedoch hinterfragt es nicht die Gründe für diese Regeln, sondern folgt ihnen einfach, weil es weiß, dass es sonst Ärger bekommen würde.
    Kooperativer Gerechtigkeitssinn (Stufe 2)
    • Die zweite Stufe ist davon geprägt, dass sich einerseits die Unterordnung unter die elterliche Gewalt lockert und andererseits die Beziehungen und gemeinsamen Aktivitäten mit anderen Kindern deutlich stärker in den Vordergrund treten.
    • Diese Interaktion mit Gleichaltrigen ist von besonderer Bedeutung, weil sie die Entwicklung eigener Entscheidungsfindung fördert.
    • Auch das Verständnis für das Verhalten anderer entwickelt sich zunehmend.
    • Die bis dahin entwickelte Denkstruktur des Kindes ermöglicht es ihm, Handlungen nun auch als umkehrbar zu verstehen.
    • Piaget ordnet diese Stufe dem Alter von circa 7 bis 11 Jahren zu.
    Ein Kind erkennt, dass es falsch ist, das Spielzeug seines Freundes kaputtzumachen. Es versteht, dass es das andere Kind traurig macht. Es versteht aber auch, dass das Spielzeug eventuell wieder repariert werden kann.
    Bewusstsein autonomer Gerechtigkeit(Stufe 3)
    • In der dritten Stufe versteht das Kind, dass man Ansichten zwischen "gut" und "böse" unterscheiden kann.
    • Regeln werden als veränderbar begriffen und der Glaube an zwangsläufige Konsequenzen aus Regelverstößen nimmt ab.
    • Ebenso kann es nun die Täuschungsabsicht in sein Handeln einbeziehen, um zu einem Urteil zu gelangen.
    • Hier ordnet Piaget die von ihm untersuchten Kinder dem Alter von 11 bis 14 Jahren zu.
    Das Kind bzw. der/die Jugendliche fängt an zu hinterfragen, ob beispielsweise die Regel seiner Eltern, um 21 Uhr zuhause zu sein, richtig ist oder ob diese Regelung eine Entscheidung ist, die für sie nicht ausreichend begründet ist. Eventuell versucht der/die Jugendliche, diese Regel zu umgehen, indem er/sie erst um 22 Uhr nach Hause kommt. Er/Sie begründet dieses Fehlverhalten vor den Eltern mit der Lüge, dass der Bus Verspätung hatte.
    Erwachsenenalter (Ende der Entwicklung)
    • Hier hat sich die Moral gefestigt.
    • Alles, was wir in unserer Kindheit erfahren und gelernt haben, hat zu dem Bild der Moral beigetragen, die wir ab diesem Stadium ausleben.
    Gehen wir als Erwachsener einkaufen und sehen etwas, was uns gefällt, können wir nun allein beurteilen, ob es richtig oder falsch wäre, diesen Gegenstand zu stehlen.

    In der Abbildung 4 sind die Entwicklungsstufen nach Piaget dargestellt. Diese Stufen decken sich mit den Stufen der moralischen Entwicklung, da sie in denselben Zeiträumen stattfinden. Außerdem endet auch hier die Entwicklung mit dem Erwachsenenalter.

    Stufen der Kindlichen Moral nach Piaget Entwicklungsstufen nach Piaget StudySmarterAbbildung 3: Entwicklungsstufen nach Piaget

    Kritik – Piaget Moral

    An Piagets Moral-Modell wird dahingehend Kritik geübt, dass die Entwicklung der Moral nach heutiger Ansicht nicht in exakten Stufen abläuft. Die Entwicklung ist ein Prozess, jedoch ist dieser individuell sowie abhängig von unterschiedlichen Faktoren wie der Umwelt und der Erziehung. Diese Variablen werden im Stufenmodell kaum beachtet.

    Zusätzlich besteht der Vorwurf gegenüber Piaget und Kohlberg, dass sie ihre Modelle unter einer voreingenommenen Ansicht durch westlich-liberale Wertsysteme entwickelt haben.

    Piaget Moral - Das Wichtigste

    • Jean Piaget, ein Schweizer Biologe, gilt als einer der Begründer der kognitiven Entwicklungspsychologie. Besonders bekannt wurde er für seine Theorie zur kindlichen Moral.
    • Moral Piaget – Definition: Moral bezeichnet die Werte und Regeln, die in einer Gesellschaft allgemein anerkannt sind. Man spricht davon, "moralisch" gehandelt zu haben, wenn wir uns so verhalten, wie es die Gesellschaft bzw. unsere Mitmenschen richtig und gut finden.
    • Arten der Moralentwicklung Piaget: Man unterscheidet hierbei zwischen heteronomer und autonomer Moral.
    • Stufen der kindlichen Moral nach Piaget: Piaget teilt die Moral in seinem Modell in drei Stufen auf: den moralischen Realismus, den kooperativen Gerechtigkeitssinn und das Bewusstsein autonomer Gerechtigkeit. Die letzte Stufe endet mit dem Erwachsenenalter.
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Piaget Moral

    Was ist die erste Stufe von Piagets Theorie der moralischen Entwicklung? 

    Die erste Stufe von Piagets Theorie der moralischen Entwicklung ist der moralische Realismus.

    Die erste Stufe besteht darin, dass das Kind Verhaltensweisen als absolut falsch oder absolut richtig einschätzen kann. Das Kind fühlt sich deshalb den Regeln verpflichtet, da es sie für unveränderlich hält. Eine Handlung wird also nur danach beurteilt, welche Konsequenzen das Handeln nach sich zieht. Das Kind ist überzeugt von der zwangsläufigen Konsequenz bzw. Strafe, welche aus dem Fehlverhalten folgt. 

    Wie viele Stufen gibt es in der moralischen Entwicklung von Piaget?

    Es gibt vier Stufen der moralischen Entwicklung von Piaget: 

    • den moralischen Realismus
    • den kooperativen Gerechtigkeitssinn
    • das Bewusstsein autonomer Gerechtigkeit 
    • das Erwachsenenalter.

    Was beeinflusst die Entwicklung der Moral laut Piaget? 

    Das soziale Umfeld und der uns umgebende Kulturkreis beeinflusst die Entwicklung der Moral und unsere Moraleinstellung laut Piaget. Diese Faktoren bilden unsere Meinung zu dem, was wir als richtig oder falsch empfinden.

    Wie unterscheiden sich die Theorien Kohlbergs und Piagets zur Entwicklung der Moral? 

    Die Theorien Kohlbergs und Piagets zur Entwicklung der Moral unterscheiden sich in der Länge des Prozesses.


    Piaget: Moralentwicklung ist ein Prozess in der Kindheit, als dessen Produkt alle das gleiche Stadium moralischen Denkens erreichen.


    Kohlberg: Moralentwicklung ist ein lebenslanger Prozess und Personen unterscheiden sich in der letztlich erreichten Stufe moralischen Denkens. 

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    Was ist die zweite Stufe von Piagets Theorie der moralischen Entwicklung?

    Was ist die dritte Stufe von Piagets Theorie der moralischen Entwicklung?

    Wann endet die letzte Stufe von Piagets Theorie der moralischen Entwicklung?

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