Psychosoziales Modell

Der Mensch entwickelt sich das ganze Leben lang stetig weiter. Aus dieser Annahme sind auch Sprichwörter wie "Man lernt nie aus." entstanden. Der deutsch-amerikanische Psychologe Erik H. Erikson (1902–1994) hätte solchen Aussagen vermutlich zugestimmt. Er entwickelte zusammen mit seiner Frau Joan Erikson das psychosoziale Modell.

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    Psychosozialer Ansatz

    Der psychosoziale Ansatz ist eine Therapieform, bei der der Zusammenhang zwischen dem psychischen Zustand eines Menschen und seinem sozialen Umfeld im Fokus steht.

    Psychosozial bedeutet nichts anderes als "die Psyche und die soziale Interaktion betreffend".

    Genau dieser Zusammenhang zwischen der Psyche eines Menschen und seinem sozialen Umfeld ist die Grundlage von Eriksons psychosozialem Modell. Das Modell erklärt die Prozesse, die dafür sorgen, dass jeder Mensch eine eigene Persönlichkeit entwickelt. Erikson ging es dabei vor allem um den Einfluss des sozialen Umfeldes auf die persönliche Entwicklung.

    Eriksons Vorstellungen von der Entwicklung eines Menschen sind stark vom psychosexuellen Phasenmodell von Sigmund Freud beeinflusst. Das psychosoziale Modell erklärt die Entwicklung eines Menschen allerdings mit einem anderen Schwerpunkt. Während Freud sich auf die Sexualität eines Menschen fokussiert, steht bei Erikson das soziale Umfeld im Vordergrund.

    Das psychosexuelle Phasenmodell nach Sigmund Freud stellt die Entwicklung eines Menschen von der Geburt bis zur Pubertät dar. Das Modell besteht aus insgesamt fünf Phasen, die sich vor allem auf die Entwicklung der Sexualität eines Kindes bzw. eines Jugendlichen konzentrieren.

    Wenn Du mehr über das psychosexuelle Phasenmodell von Freud wissen möchtest, klick Dich in die Erklärung "Psychosexuelle Entwicklung" rein.

    Grundlagen des Stufenmodells der psychosozialen Entwicklung

    Erikson geht in seinem Modell davon aus, dass die Entwicklung eines Mensch nie abgeschlossen und somit ein lebenslanger Prozess ist. Das Leben eines Menschen teilt er deshalb in acht verschiedene Phasen ein, die von der Geburt bis zum Tod reichen. Die einzelnen Phasen sind von einem psychosozialen Konflikt geprägt, der zwischen einem positiven und einem negativen Pol stattfindet.

    Der positive Pol stellt dabei immer die Entwicklung dar, die im besten Fall entsteht. Der negative Pol beschreibt die Entwicklung, die entstehen kann, wenn es innerhalb der Phase zu Problemen kommt. Die Konflikte der einzelnen Phasen spiegeln immer das wider, was den Menschen in dieser Lebensphase besonders beschäftigt.

    Damit Du den Zusammenhang zwischen dem psychosozialen Konflikt und der psychosozialen Entwicklung besser begreifen kannst, findest Du hier ein Beispiel dazu. Es nimmt Bezug auf die erste Phase des Modells, die durch den Konflikt zwischen Vertrauen und Missvertrauen gekennzeichnet ist.

    Wird ein Baby in der ersten Phase der Entwicklung gut von den Eltern behandelt, dann entwickelt es ein Vertrauen anderen Menschen gegenüber. Ist dies nicht der Fall und wird ein Baby in dieser Phase sehr vernachlässigt, dann wird es ein Misstrauen gegenüber anderen Menschen aufbauen, was seine zwischenmenschlichen Beziehungen bis ins hohe Erwachsenenalter negativ beeinflussen kann.

    Der psychosoziale Konflikt der jeweiligen Phase kann auf die Interaktion von insgesamt drei Einflussfaktoren zurückgeführt werden. In jeder Phase dominiert ein anderer Faktor und auch die generelle Zusammensetzung der drei Einflussfaktoren ist unterschiedlich. Je nachdem, wie sehr und in welcher Form sich die einzelnen Einflussfaktoren ausbilden, wird ein anderer Konflikt ausgelöst.

    Bei den Einflussfaktoren handelt es sich um:

    1. biologische Veränderungen: z. B. körperliche Veränderungen in der Pubertät oder körperlichen Abbau im Alter
    2. psychologische Veränderungen: z. B. den Erwerb kognitiver Fähigkeiten
    3. die Gesellschaft: z. B. gesellschaftliche Anforderungen

    Die Konflikte gelten dann als gelöst, wenn ein Gleichgewicht zwischen den beiden Polen hergestellt ist.

    Um den Konflikt zu lösen, braucht ein Kind nicht nur positive Erfahrungen. Um ein Gleichgewicht zu schaffen, müssen auch mal negative Erfahrungen gemacht werden. Wichtig ist dennoch, dass die guten Dinge überwiegen.

    Die Phasen der psychosozialen Entwicklung

    Die einzelnen Phasen der Identitätstheorie von Erikson sind sehr unterschiedlich. Dennoch hat das Modell zwei Eigenschaften, die für jede Phase gleich sind. Alle Phasen des psychosozialen Modells sind:

    • sequentiell: Das heißt, dass die Phasen aufeinanderfolgen und auch in dieser Reihenfolge absolviert werden müssen. Es ist eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit dem Konflikt nötig, um in die nächste Phase übergehen zu können.
    • epigenetisch: Das heißt, die Art und Weise, wie frühere Konflikte gelöst wurden, hat einen Einfluss auf die Lösung späterer Konflikte.

    1. Phase: Vertrauen vs. Misstrauen

    Ich bin, was man mir gibt. (Erikson, 1950 in "Kindheit und Gesellschaft")

    Nach Eriksons Modell beginnt die psychosoziale Entwicklung schon mit der Geburt. In der ersten Phase, die bis zum Ende des ersten Lebensjahres reicht, sind die Eltern bzw. nahe Bezugspersonen besonders wichtig für die Entwicklung eines Babys.

    Dabei lernt das Kind, dass es sich auf seine engsten Bezugspersonen verlassen kann. Dieses Vertrauen entsteht dadurch, dass das Kind gefüttert und gewaschen wird. Aber auch körperliche Nähe und Zuwendungen sind wichtig für die Entwicklung des Babys.

    Gleichzeitig lernt der Säugling auch das Gefühl von Hilflosigkeit kennen, wenn die Bezugspersonen bei einem Schreien nicht sofort reagieren oder eine Bezugsperson aus dem Blickfeld verschwindet. Überwiegen positive Emotionen und Situationen in dieser Phase, baut das Kind ein Urvertrauen auf und verlässt sich auf sein Umfeld. Geschieht das jedoch nicht, kann das auch in ein Urmissvertrauen umschlagen.

    Ein starkes Urmissvertrauen kann im Laufe des Lebens beispielsweise zu Depressionen oder im schlimmsten Fall sogar zur Schizophrenie führen.

    Emma ist erst wenige Monate alt. Ihre Eltern kümmern sich seit ihrer Geburt sehr gut um sie. Sie bekommt Essen, wenn sie Hunger hat. Ihr werden die Windeln gewechselt, sie wird gebadet und ihre Eltern kuscheln viel mit ihr. Emma weiß nach einiger Zeit, dass ihre Eltern für sie da sind, wenn sie etwas braucht. Emma mag das Gefühl nicht, wenn ihre Eltern nicht in der Nähe sind. Dennoch weiß sie, dass sie immer wieder kommen. Somit hat Emma ein Urvertrauen aufgebaut.

    2. Phase: Autonomie vs. Scham und Zweifel

    Ich bin, was ich will. (Erikson, 1950 in "Kindheit und Gesellschaft")

    Durch das Wachstum der Muskulatur zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr hat das Kind die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob es etwas festhalten oder loslassen will. Mit dieser biologischen Veränderung wird die zweite Phase eingeleitet. Diese Phase ist davon geprägt, dass Kinder lernen, was angemessen und unangemessen ist.

    In dieser Zeit will ein Kind sehr viel lernen und fängt an, Dinge allein zu tun. Doch durch Verbote und Regeln wird dem Kind bewusst, dass manche Dinge nicht angebracht sind. Für diese Dinge schämt es sich dann und beginnt, an sich und seinen Taten zu zweifeln. Wird zu viel von einem Kind gefordert, kann das zu andauernden Selbstzweifeln oder Perfektionismus führen.

    Einen möglichen Verlauf dieser Phase kannst Du im folgenden Beispiel nachlesen.

    Emma ist jetzt schon zwei Jahre alt. Mittlerweile kann sie sprechen und laufen. Immer wieder läuft sie durch das Haus und fasst alles an, was sie in die Hände bekommt. In der Regel darf sie das auch. Nur wenn es gefährlich wird, verbietet ihre Mutter ihr manche Dinge. So versteht Emma schnell, dass es manche Dinge gibt, die sie nicht darf.

    3. Phase: Initiative vs. Schuld

    Ich bin, was ich mir vorstellen kann zu werden. (Erikson, 1950 in "Kindheit und Gesellschaft")

    Die dritte Phase beginnt mit dem dritten Lebensjahr und endet mit dem fünften Lebensjahr. In dieser Phase stehen vor allem die Entwicklung von Moral und der eigene Wille des Kindes im Vordergrund. Das Kind wird immer selbstständiger und entscheidet jetzt auch selbst, was es machen möchte. Gleichzeitig lernt es Schritt für Schritt, was gut und was schlecht ist. Es entwickelt ein Moralgefühl.

    Wird das Kind in seiner Eigeninitiative nicht gebremst, kann das schnell zu einer Überlastung führen. Das heißt, dass ein Kind in diesem Alter noch nicht selbst in der Lage ist einzuschätzen, wie viel es sich zumuten kann, und somit von Erwachsenen teilweise gebremst werden muss. Wird dem Kind zu viel verboten, kann dies das Gefühl auslösen, von Grund auf schlecht zu sein.

    Die Initiative, Dinge selbstständig tun zu wollen, entsteht, weil das Kind sich jetzt freier bewegen kann und sich durch die Sprachentwicklung auch die Vorstellungswelt entwickeln kann.

    Das nachfolgende Beispiel soll Dir helfen, diese Phase noch besser zu verstehen.

    Emma ist jetzt vier Jahre alt. Sie macht schon sehr viel alleine: Sie zieht sich alleine an, putzt sich alleine die Zähne und hilft ihrer Mama manchmal auch dabei, den Tisch zu decken. In letzter Zeit macht Emma aber hin und wieder Ärger.

    Neulich hat sie sich mit ihrem Bruder geprügelt, weil er seine Gummibärchen nicht mit ihr teilen wollte. Da ist ihre Mutter sehr böse geworden und hat Emma erklärt, dass es nicht gut ist, seinen Bruder zu schlagen. Das hat Emma jetzt verstanden und wird es nicht mehr machen.

    4. Phase: Fleiß vs. Unzulänglichkeit

    Ich bin, was ich lerne. (Erikson, 1950 in "Kindheit und Gesellschaft")

    In der vierten Phase entwickeln Kinder einen starken Eifer dafür, etwas allein zu tun, und fordern dafür auch die Anerkennung der Erwachsenen. Diese Phase erstreckt sich vom sechsten Lebensjahr bis zur Pubertät. Gerade zu Beginn dieser Phase machen Kinder viel mit ihren Händen, beispielsweise Dinge bauen oder basteln. Dafür möchte das Kind allerdings auch gelobt werden. Geschieht das nicht, so fühlt sich das Kind nicht gut genug. Da die meisten Kinder zu diesem Zeitpunkt im schulpflichtigen Alter sind, werden die Lehrpersonen auch zu wichtigen Personen in Bezug auf die Entwicklung des Kindes.

    Entsteht in dieser Phase keine Balance zwischen dem Drang, etwas zu tun, wofür man belohnt wird, und Ruhephasen, so können sich Versagensängste oder Arbeitsversessenheit entwickeln. Auch hier kannst Du Dir im Beispiel anschauen, wie Emma diese Phase durchlebt.

    Emma geht jetzt in die Schule, was ihr riesigen Spaß macht. Besonders gerne malt sie Bilder im Kunstunterricht. Ihre Bilder zeigt sie dann immer ihren Eltern, die sie auch immer gleich an den Kühlschrank hängen.

    Die einzige Person, die ihre Bilder nicht so toll findet, ist Tante Gabi. Sie behauptet, dass man nicht erkennen könnte, was Emma da malt, und dass ihre Eltern die Bilder doch entsorgen sollen. Das macht Emma immer sehr wütend und traurig. Sie hat dann das Gefühl, nicht gut genug zu sein.

    5. Phase: Identität vs. Rollenverwirrung

    Ich bin, was ich bin. (Erikson, 1950 in "Kindheit und Gesellschaft")

    Die Phase fünf findet meist im Jugendalter statt und ist davon geprägt, sich selbst finden zu wollen.

    Bei den meisten Menschen beginnt diese Phase ungefähr im zwölften Lebensjahr, wenn die körperlichen Veränderungen der Pubertät einsetzten.

    Jugendliche versuchen in dieser Zeit, ihre eigene Identität zu finden. Um das zu schaffen, werden alle bisherigen Lebenserfahrungen benötigt. Wenn Jugendliche im Leben nicht viel von der Welt kennengelernt haben, kann es sein, dass ihre Identität starr und nicht besonders offen ist. Solche Entwicklungen können dann zu einer irrationalen Ablehnung gegenüber Gruppen von Menschen führen, die als "anders" angesehen werden.

    Außerdem haben Jugendliche damit zu kämpfen, dass es in vielen Gesellschaften vorgegebene Rollenbilder gibt. Diese hängen oft von Merkmalen wie dem Geschlecht, dem Alter oder auch der Herkunft ab. Jugendliche müssen es schaffen, das gesellschaftliche Rollenbild mit ihrer eigenen Identität zu verbinden.

    Finden Jugendliche in dieser Phase keine Balance zwischen ihrer eigenen Identität und dem zugeschriebenen Rollenbild, so kann das zu überschwänglicher Begeisterung und einer anhaltenden Unreife führen.

    Wie die fünfte Phase des psychosozialen Modells der Entwicklung nach Erikson abläuft, kannst Du im folgenden Beispiel sehen:

    Emma ist jetzt mitten in der Pubertät. Das führt manchmal zu Konflikten mit ihren Eltern. Neulich kam Emma nach Hause und hatte sich die Haare kurz geschnitten. Ihre Mama war im ersten Moment erschrocken und auch ein wenig wütend. Abends haben sie allerdings darüber gesprochen und Emmas Mutter hat sie in ihrer Entscheidung unterstützt.

    Bis zu diesem Punkt kann man den verschiedenen Phasen von Eriksons Modell der Entwicklung auch eine Phase im psychosexuellen Modell von Freud zuordnen. Die Altersangaben der verschiedenen Phasen sind gleich und auch das Verhalten der Kinder bzw. der Jugendlichen ist sehr ähnlich. Erikson hat lediglich den Fokus auf die psychosoziale Entwicklung gelegt, während Freud sich mehr mit der psychosexuellen Entwicklung beschäftigte. Die folgenden drei Stufen hat Erikson ergänzend hinzugefügt.

    6. Phase: Intimität vs. Isolation

    Ich bin, was ich liebe. (Erikson, 1950 in "Kindheit und Gesellschaft")

    In Phase sechs werden Freund*innen und Partner*innen immer wichtiger. Jetzt beginnen junge Erwachsene damit, intime und enge Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. In dieser Phase ist es besonders wichtig, eine Balance zwischen Unternehmungen mit Freund*innen zu finden und Zeit für sich zu haben. Denn es kann auch passieren, dass man sich selbst vernachlässigt. Soziale Interaktionen sind anstrengend, deswegen muss man sich manchmal auch Zeit für sich selbst nehmen.

    Überwiegt einer der beiden Pole, entweder die Intimität mit anderen Menschen oder die Isolation, so kann es zu Selbstaufopferung oder Einsamkeit kommen. Das folgende Beispiel soll Dir diese Phase verdeutlichen.

    Emma hat jetzt ihren ersten festen Partner. Natürlich verbringt sie sehr viel Zeit mit ihm. Emma ist aber auch sehr viel mit ihren Freund*innen unterwegs. Außer am Sonntag. Da nimmt sie sich immer einen Tag Zeit für sich und ihre Familie. Das ist wichtig für sie, weil sie so auch mal abschalten kann.

    7. Phase: Generativität vs. Stagnation

    Ich bin, was ich bereit bin zu geben. (Erikson, 1950 in "Kindheit und Gesellschaft")

    In der siebten Phase steht die eigene Familie im Vordergrund. Diese Phase zieht sich durch das gesamte Erwachsenenalter und ist somit die längste Phase des psychosozialen Modells.

    Der Begriff Generativität beschreibt das Bedürfnis, sich um seine eigenen Kinder und die nachfolgenden Generationen kümmern zu wollen. Dazu zählt aber auch, dass man sich Gedanken darüber macht, dass folgende Generationen in dieser Welt gut leben können.

    In dieser Phase bekommen die meisten Erwachsenen eigene Kinder und ziehen diese auf. In der Zeit, in der Erikson gelebt hat, war die Rolle der Frau noch sehr konservativ. Aber auch Familie im Allgemeinen hatte einen sehr hohen Stellenwert. Darum war er der Meinung, dass Menschen, die keine Kinder bekommen und sich nicht um die nächsten Generationen kümmern, in ihrer Entwicklung nicht weiter kommen.

    Überwiegt eine Seite des Konfliktes, das heißt, macht man sich zu viele Sorgen über die nachfolgende Generation oder kommt es zu einem gefühlten Stillstand im Leben, so kann das zur Selbstaufgabe oder zu einer inneren Leere führen. Damit Du Dir diese Phase besser vorstellen kannst, findest Du hier noch ein Beispiel dazu.

    Emma ist jetzt 33 Jahre alt. Sie hat ihr erstes Kind bekommen. Emma ist mit ihrer Rolle als Mutter sehr glücklich. Manchmal macht Emma sich Sorgen, wenn sie mal wieder etwas über die Klimakatastrophe oder die Verschmutzung der Weltmeere hört. Deswegen hat sie angefangen, sich um die Umwelt zu kümmern. Schließlich wünscht sie sich, dass ihr Kind und auch die nächsten Generationen noch gut leben können.

    8. Phase: Integrität des Selbst vs. Verzweiflung

    Ich bin, was von mir überlebt. (Erikson, 1950 in "Kinder und Gesellschaft")

    Die letzte Phase "Integrität des Selbst vs. Verzweiflung" beginnt im reifen Erwachsenenalter und beschäftigt sich vor allem mit dem Umgang mit dem Tod. In dieser Phase blickt der alte Mensch zurück auf sein Leben und es ist wichtig, dass der Mensch stolz auf sein Leben und auf das ist, was er erreicht hat. Gleichzeitig ist die Phase aber auch davon geprägt, dass viele Menschen Angst davor haben zu sterben. Viele haben auch das Gefühl, im Leben etwas verpasst zu haben.

    Dieser Konflikt zwischen der Angst vor dem Tod und dem Stolz auf sein eigenes Leben ist dann überstanden, wenn man mit sich im Reinen ist und mit Stolz auf sein Leben zurückschauen kann. Ist das geschafft, dann verschwinden auch negative Gefühle und die Angst vor dem Tod.

    Mithilfe des folgenden Beispiels kannst Du Dir den Ablauf dieser letzten Phase besser vorstellen.

    Emmas Haare sind jetzt schon ganz grau geworden. Vor ein paar Jahren ist sie in Rente gegangen und verbringt jetzt viel Zeit im Garten und mit anderen Hobbys. Ihre Freund*innen und Kinder kommen auch gerne zu ihr zu Besuch.

    Manchmal muss sie daran denken, dass sie nicht mehr so lange auf dieser Welt sein wird, und natürlich macht ihr das auch manchmal Angst. Wenn sie dann aber daran denkt, was sie in ihrem Leben alles erreicht und erlebt hat, dann ist sie sehr stolz und glücklich, was ihr die Angst vor dem Tod ein bisschen wegnimmt.

    Zusammenfassung der Stufen des psychosozialen Modells nach Erikson

    In dieser Tabelle findest Du die wichtigsten Punkte des psychosozialen Modells nach Erikson zusammengefasst.

    PhaseAlterErklärung
    Vertrauen vs. Misstrauen 1. Lebensjahr
    • Baby lernt, dass es sich auf die Eltern verlassen kann.
    • Baby fühlt aber auch die Hilflosigkeit, wenn die Eltern mal nicht zu sehen sind.
    Autonomie vs. Scham und Zweifel 1. – 3. Lebensjahr
    • Kind lernt viel und will Dinge allein machen.
    • Kind versteht, dass es Wünsche gibt, die nicht angemessen sind, und schämt sich dafür.
    Initiative vs. Schuld 3. – 5. Lebensjahr
    • Kind wird eigenständiger und beginnt, selbst zu entscheiden, was es will.
    • Es entwickelt gleichzeitig ein Moralgefühl.
    Fleiß vs. Unzulänglichkeit 6. Lebensjahr – Pubertät
    • Das Kind hat Spaß daran, Dinge zu erschaffen (basteln, bauen).
    • Kind verlangt aber auch Anerkennung für seine Taten.
    Identität vs. Rollenverwirrung Jugendalter
    • Jugendliche finden ihre eigene Identität.
    • Jugendliche können durch vorgeschriebene Rollenbilder verwirrt werden.
    Intimität vs. Isolation frühes Erwachsenenalter
    • Freund*innen und Partner*innen werden besonders wichtig.
    • Junge Erwachsene müssen aber auch Zeit für sich finden.
    Generativität vs. Stagnation Erwachsenenalter
    • Es wird eine eigene Familie gegründet und sich um die nächste Generation gekümmert.
    • Wer sich keine Gedanken über die nächste Generation von Menschen macht, bleibt in seiner Entwicklung gewissermaßen stehen.
    Integrität des Selbst vs. Verzweiflung reifes Erwachsenenalter
    • Das eigene Leben wird reflektiert.
    • Die Angst vor dem Tod steht im Vordergrund und muss überwunden werden.

    Kritik am psychosozialen Modell nach Erikson

    Wie viele andere wissenschaftliche Theorien und Modelle wurde auch das psychosoziale Modell der Entwicklung nach Erikson kritisiert. Die größten Kritikpunkte findest Du hier erklärt:

    • Vertreter*innen der Psychoanalyse waren der Ansicht, dass Erikson dem sozialen Umfeld eine zu große Rolle zuweist.
    • Gerade Wissenschaftler*innen der heutigen Zeit sind überzeugt, dass es in der Entwicklung eine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern geben sollte und dass die Phasen der psychosexuellen Entwicklung gerade für Frauen sehr konservativ seien.
    • Eriksons Theorie beruht auf keiner empirischen Grundlage. Das heißt, dass seine Vorstellungen nie wissenschaftlich bewiesen werden konnten.
    • Entwicklungsforscher*innen sind sich sicher, dass ein solch strenger Zusammenhang zwischen Alter und Entwicklungsphase in der Realität nicht gegeben ist, da sich alle Menschen unterschiedlich schnell entwickeln.
    • Entwicklungsforscher*innen sind außerdem der Ansicht, dass eine Entwicklungsphase gleichzeitig zu wenig ist. Es finden mehrere Entwicklungsschritte parallel statt.
    • Das Modell orientiert sich außerdem am "westlichen" Lebensstil.

    Trotz der Kritikpunkte ist das Phasenmodell von Erikson auch heute noch eines der Grundlagenmodelle, wenn es um die Entwicklung eines Menschen geht.

    Psychosoziales Modell - Das Wichtigste

    • Das psychosoziale Modell wurde von Erik Erikson entwickelt und baut auf dem Phasenmodell der psychosexuellen Entwicklung von Sigmund Freud auf.
    • Das Modell besteht aus acht Phasen bzw. Stufen.
    • Jede Phase ist von einem Konflikt geprägt, der gelöst werden muss, um die nächste Phase zu erreichen.
    • Die psychosoziale Entwicklung ist lebenslang und die Phasen müssen in exakt dieser Reihenfolge absolviert werden.
    • Eine neue Stufe wird durch biologische, psychische oder gesellschaftliche Veränderungen begonnen.
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Psychosoziales Modell

    Was ist das psychosoziale Modell?

    Das psychosoziale Modell stellt die psychosoziale Entwicklung eines Menschen von der Geburt bis zum Lebensende dar. Dabei werden sowohl die psychischen als auch die sozialen Entwicklungen mit einbezogen.

    Was heißt psychosoziale Entwicklung?

    Psychosoziale Entwicklung heißt, dass die Weiterentwicklung eines Menschen sowohl die Psyche als auch die soziale Interaktion betrifft.

    Welche Entwicklungsstufen nach Erikson gibt es?

    Erikson unterscheidet acht verschiedene Entwicklungsstufen:


    1. Vertrauen vs. Misstrauen 
    2. Autonomie vs. Scham & Zweifel 
    3. Initiative vs. Schuld 
    4. Fleiß vs. Unzulänglichkeit 
    5. Identität vs. Rollenverwirrung 
    6. Intimität vs. Isolation 
    7. Generativität vs. Stagnierung
    8. Integrität des Selbst vs. Verzweiflung 


    Welche Vorstellungen von Autonomie und Identität hat Erikson?

    Autonomie beginnt für Erikson schon im Kleinkindalter, wenn Kinder beginnen, Dinge allein zu tun. Kleinkinder probieren in dieser Zeit sehr viel aus, wodurch sie dann auch lernen, was angebracht ist und was nicht.


    Eine eigene Identität wird laut Erikson erst in der Pubertät gebildet. Um das zu schaffen muss der oder die Jugendliche alles Wissen und alle Erfahrungen, die er oder sie bis dahin sammeln konnte, nutzten. 

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    Welche Phasen von Erikson kann man den fünf Phasen von Freud zuordnen?

    Aus wie vielen Phasen besteht das psychosoziale Modell nach Erikson?

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